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Ausgabe:

Januar/1997

Spalte:

90–92

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Hüffmeier, Wilhelm, u. Christine-Ruth Müller [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Wachsende Gemeinschaft in Zeugnis und Dienst. Reformatorische Kirchen in Europa. Texte der 4. Vollversammlung der Leuenberger Kirchengemeinschaft in Wien, 3. bis 10. Mai 1994.

Verlag:

Frankfurt/M.: Lembeck 1995. 295 S. 8°. Kart. DM 28,-. ISBN 3-87476-307-2.

Rezensent:

Helmut Zeddies

Unter dem genannten Titel werden die wesentlichen Texte der 4. Vollversammlung der Leuenberger Kirchengemeinschaft herausgegeben, die im Mai 1994 in Wien stattgefunden hat. "Wachsende Gemeinschaft in Zeugnis und Dienst ­ Reformatorische Kirchen in Europa" ­ das war auch das Thema der Vollversammlung selber. Daß es sowohl als Standortbestimmung wie als Aufgabenstellung für die weitere Zukunft seine Berechtigung hatte, wird durch die Dokumentation deutlich.

Die Gemeinschaft der seit 1973 durch die Leuenberger Konkordie verbundenen reformatorischen Kirchen in Europa und Lateinamerika ist in der Tat gewachsen. Das betrifft nicht nur ihren zahlenmäßigen Umfang. Es gilt auch für ihre geistliche Identität und für die theologische Intensität ihrer Arbeit. Erkennbar wird das an dem 1. Teil des Berichtsbandes, in dem die Ergebnisse der theologischen Gespräche publiziert werden, die zwischen der 3. und 4. Vollversammlung seit 1987 stattgefunden haben. Hervorzuheben ist dabei vor allem das Beratungsergebnis der ekklesiologischen Projektgruppe. Zum ersten Mal seit der Reformationszeit ist damit ein gemeinsames Dokument zum evangelischen Kirchenverständnis erarbeitet worden. Es ist bewußt ein Zeugnis der innerreformatorischen Verständigung und will zugleich als protestantischer Beitrag für den ökumenischen Dialog verstanden werden. Daß der Konsens auch in anderen wesentlichen theologischen Fragen gewachsen ist, zeigen die Ergebnisse über die Gespräche zu Lehre und Praxis der Taufe wie des Abendmahls sowie über "Das christliche Zeugnis der Freiheit".

Wie vielfältig die Arbeit des Exekutivausschusses und des Sekretariats der Leubenberger Kirchengemeinschaft in der Berichtszeit gewesen ist, wird darüber hinaus an weiteren abgedruckten Texten deutlich. "Rechtmäßig Kriege führen?" war eine Frage, die den Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR aufgrund von Confessio Augustana XVI beschäftigt hat. Das vorläufige Ergebnis seiner Überlegungen hat er den an der Leuenberger Konkordie beteiligten Kirchen mit der Bitte um Stellungnahme zugesandt. Der Exekutivausschuß hat die eingegangenen Voten ausgewertet und zusammengefaßt. Den 20. Jahrstag der Verabschiedung der Leuenberger Konkordie hat er zum Anlaß einer Erklärung genommen, in der er vor allem auf die neuen Herausforderungen angesichts der weitreichenden Veränderungen in Europa wie auf die ökumenische Offenheit der Konkordie eingeht. Diese Erklärung wird ebenso dokumentiert wie die Konsultationsergebnisse zur Vorbereitung der Kirchengemeinschaft mit den methodistischen Kirchen Europas und die Bemühungen um eine verstärkte Zusammenarbeit mit den Baptisten.

Die wesentlichen Ergebnisse aus der Arbeit der Leuenberger Kirchengemeinschaft sind der Vollversammlung vorgelegt worden, die darüber zu beraten und über ihre weitere Verwendung zu entscheiden hatte. Über die Verhandlungen in Wien informiert der 2. Teil des Berichtsbandes. Er enthält die Berichte der beiden Präsidenten des Exekutivausschusses sowie des Sekretärs für die Leuenberger Lehrgespräche, die zum politisch-ethischen wie zum ökumenischen Aspekt des Tagungsthemas gehaltenen Referate, sowie die Grußworte, die der Vollversammlung von Vertretern der Ökumene wie von Repräsentanten der Republik Österreich übermittelt worden sind.

In einem abschließenden 3. Teil werden die Beschlüsse der Vollversammlung dokumentiert. Sie werden durch einen erneuten Abdruck der Konkordie, durch ein Verzeichnis der Signatarkirchen sowie durch die Liste der Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Vollversammlung ergänzt.

Verlauf und Ergebnisse der 4. Vollversammlung bestätigen die gewachsene Konsensfähigkeit der Leuenberger Gemeinschaft. Das ist die Botschaft, die der Berichtsband vermittelt.

Der Bestand an gemeinsamen Grundüberzeugungen in entscheidenden theologischen Fragen hat deutlich zugenommen. Das ist die eigentliche Frucht der theologischen Gespräche, die ihre Grundlage in der Konkordie selber haben und zugleich ihrer Vertiefung dienen sollen. So dürfte es auch kein Zufall, sondern eine berechtigte Verdeutlichung sein, wenn die Wiener Vollversammlung unbefangener und zugleich bewußter, als das bisher wahrnehmbar war, von der "Leuenberger Kirchengemeinschaft" gesprochen hat. Die theologische Arbeit wird für sie auch in Zukunft ihr Gewicht haben. Kirchengemeinschaft kann sich jedoch nicht auf Gemeinsamkeit in der Lehre beschränken. Vor allem in der Gemeinschaft von Zeugnis und Dienst werden die beteiligten Kirchen wachsen müssen, wenn sie die auf die Konkordie gegründete und mit ihr gewonnene Kirchengemeinschaft ernst nehmen wollen. Hier haben die Aufgaben und die Erwartungen an die Leuenberger Kirchengemeinschaft auch deutlich zugenommen. Bei der Vollversammlung ist dies nicht zuletzt auch angesichts der tiefgreifenden Veränderungen in Europa zum Ausdruck gekommen. Die protestantischen Kirchen werden mehr als bisher in der Lage sein müssen, ihren Beitrag dazu im Verbund miteinander und untereinander abgestimmt zu leisten.

Daß dies nur mit der Absicht geschehen kann, die ökumenische Gemeinschaft der Kirchen in Europa zu fördern, nicht aber um ihr etwa durch eine erneute konfessionelle Blockbildung Konkurrenz zu machen, das hat die Vollversammlung mit ihren Entscheidungen ebenfalls deutlich unterstrichen. Die Gespräche mit Kirchen reformatorischer Prägung, die die Konkordie bisher nicht unterzeichnet haben, sollen fortgesetzt werden. Mit den methodistischen Kirchen haben sie bereits zu einer Erklärung geführt, deren Zustimmung es ermöglicht, wechselseitig Kirchengemeinschaft herzustellen. Der Dialog mit der Kirche von England hat bei der Vollversammlung selber eine bedeutende Rolle gespielt und ist auch danach unter den bleibenden Aufgaben eine der wichtigsten. Die Leuenberger Kirchengemeinschaft hat jedenfalls keinen Zweifel daran gelassen, daß es ihr auch in Zukunft mit der in der Konkordie eingegangenen ökumenischen Verpflichtung ernst ist.