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Ausgabe:

März/2008

Spalte:

227–246

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Aaron Schart

Titel/Untertitel:

Das Zwölfprophetenbuch als redaktionelle Großeinheit

Über die letzten Jahrzehnte hat sich in der Prophetenforschung ein markanter Wandel vollzogen, den man schlagwortartig so verdichten kann: »Weg vom Propheten hin zum Prophetenbuch«. Nicht mehr die Ursprünge der prophetischen Überlieferung, die mündlichen Auftritte prophetischer Gestalten interessieren die Forschung, sondern das literarische Buchwachstum, das auf die Auftritte folgte. Jörg Jeremias hat auf die religionsgeschichtliche Be­sonderheit des Phänomens des Prophetenbuchs hingewiesen: Zu den originalen Auftritten der prophetischen Akteure im alten Israel gibt es durchaus Analogien verschiedener Art aus der alt­orientalischen Umwelt. 1 Zu denken ist insbesondere an die in verschiedenen Briefen aus dem königlichen Palast in Mari erwähnten Auftritte von Propheten und Prophetinnen oder an die auf neuassyrischen Sammeltafeln überlieferten Sprüche prophetischer Personen. Auch auf Analogien in zeitlich und geographisch weiter entfernten Kulturen ist hingewiesen worden. Aber zum Phänomen des Prophetenbuchs, d. h. zur unter dem Namen des Propheten überlieferten Spruchsammlung, gibt es nur eine einzige Analogie, nämlich den Koran. Dieser wiederum steht deutlich in der Tradition der alttestamentlichen Prophetenbücher.

Im Zuge dieser Forschungsverlagerung ist ein Prophetenbuch entdeckt worden, dessen Existenz zwar nicht völlig unbekannt war, das aber nie besondere Aufmerksamkeit gefunden hat: das Zwölfprophetenbuch. Die zwölf sog. »kleinen Propheten« waren immer als einzelne Bücher, aber nicht als eine Bucheinheit begriffen worden. Die Exegese hatte die Einzelbücher mit aller Energie analysiert und Prophetengestalten wie Hosea, Amos und Micha eindrucksvoll rekonstruiert. Aber darauf, dass die Zwölf eine Einheit bilden, die mehr ist als die mechanische Aneinanderreihung völlig unabhängiger Schriften, hatte man nur ganz am Rande ge­achtet. Nach dem Werk von James Nogalski im Jahre 1993 jedoch, das nach mancherlei Vorläufern den allgemein anerkannten Durch­bruch brachte, hat sich die Forschung auf diesem Gebiet stürmisch entwickelt.2 Inzwischen ist deutlich, dass das Zwölfprophetenbuch eine bewusst gestaltete redaktionelle Großeinheit darstellt und man die Einzelschriften, wenn man sie denn im Rahmen ihres kanonischen Kontextes wahrnehmen will, betont als Teile dieser Ganzheit begreifen muss. Zu Recht fließt diese Auffassung inzwischen auch in die Kommentare zu den Einzelschriften und die entsprechenden Lehrbücher ein. Es erscheint sinnvoll, wenn sich dieser Wandel in der Auffassung des Zwölfprophetenbuchs auch im Begriffsgebrauch ausdrückt. James Nogalski hat vorgeschlagen von den zwölf einzelnen Prophetenbüchern, die das Zwölfprophetenbuch umfasst, dezidiert nur als von »writings« (dt. »Schriften«) zu sprechen und den Begriff »book« (dt. »Buch«) den Schriftensammlungen vorzubehalten, die von den jeweiligen Herausgebern als selbständige, in sich geschlossene Einheiten publiziert wurden. Rekonstruierte Vorstufen des Zwölfprophetenbuchs, die mehrere Schriften umfassten, werden dann als »Mehrprophetenbuch« bezeichnet. Diese Sprachregelung findet immer mehr Anhänger.

An dieser Stelle soll noch eine andere Begriffsunterscheidung eingeführt werden, die der Klarheit der Diskussion förderlich sein kann. Da sich die masoretische Fassung des Zwölfprophetenbuchs schon in der Anordnung der Schriften und daneben auch noch in anderen Dingen von der griechischen Übersetzung unterscheidet, erscheint es sinnvoll, den griechischen Namen »Dodekapropheton« auch ausschließlich zur Bezeichnung der griechischen Fassung zu verwenden und auf die masoretische Fassung mit dem Ausdruck »Zwölfprophetenbuch« (engl. »Book of the Twelve [Prophets]«) zu verweisen. Zwar hat man bisher den Namen »Dodekapropheton« auch zur Bezeichnung der hebräischen Fassung verwendet, es dürfte aber leichter sein, zukünftig die vorgeschlagene Bedeutungseinschränkung vorzunehmen, zumal sie ja nur den ursprünglichen Sinn wiederbelebt, anstatt einen ganz neuen Namen für die griechische Fassung des Zwölfprophetenbuchs zu erfinden. Die Unterscheidung von hebräischer und griechischer Fassung ist aus christlicher Sicht besonders deshalb wichtig, weil die altkirchliche christliche Bibel die alttestamentlichen Bücher ja bekanntlich in griechischer Fassung enthielt. Die christliche redaktionsgeschichtliche Forschung kann sich deshalb nicht mit der Rekonstruktion des Werdegangs der hebräischen Tradition begnügen, sondern muss auch die Übersetzung ins Griechische und die redaktionelle Einbindung in die christliche Bibel mitverhandeln. In diesem Artikel wird jedenfalls dieser Sprachgebrauch angewendet.

Aus moderner, historisch-kritischer Sicht ist das Zwölfprophetenbuch besonders spannend, weil es den tatsächlichen Entstehungsprozess eines Prophetenbuches der Leserschaft viel deutlicher zu verstehen gibt als die anderen drei Prophetenbücher, die den Umstand der phasenweisen Entstehung und die Beteiligung vieler Autoren nicht offenlegen.

1. Der Endtext des Zwölfprophetenbuchs


Dass das Zwölfprophetenbuch in der Antike als ein einziges Buch galt, belegt bereits die Erwähnung der zwölf Propheten in Jesus Sirach 49,10 (um 175 v. Chr.), wonach alle zwölf zusammen »Jakobs Volk Heilung brachten und ihm durch gewisse Hoffnung halfen«. Die erhaltenen Handschriften aus den Höhlen bei Qumran, von denen die ältesten Manuskripte aus der Mitte des 2. Jh.s v. Chr. stammen, belegen die Bucheinheit ebenfalls: Die zwölf Schriften wurden auf eine Rolle geschrieben, und wenn eine neue Schrift anfing, wurde keine neue Kolumne begonnen, sondern lediglich ein Zwischenraum von drei Leerzeilen gelassen. Die äußere Bezeugung des Zwölfprophetenbuchs ist somit eindeutig. Also ist auch die bewährte Vorgehensweise einzuhalten, wonach man zunächst einmal den Endtext zu betrachten hat, ehe man sich der Rekonstruktion der Entstehungsgeschichte zuwendet.

1.1 Die Schriftanfänge


Fragt man nach den im Text des Zwölfprophetenbuchs enthaltenen redaktionellen Signalen, die der Leserschaft das Zwölfprophetenbuch als ein Ganzes präsentieren wollen, so fallen als Erstes die Schriftanfänge auf. Der erste Vers einer Schrift stellt immer kurz und knapp den jeweiligen Propheten vor: Zum Ersten wird der Name genannt und eventuell werden weitere Angaben gemacht, die eine bessere Einordnung der Person erlauben, z. B. der Beruf oder die Herkunft. Zum Zweiten wird der prophetische Charakter der jeweiligen Schrift durch die Wahl einer entsprechenden Gattungsbezeichnung deutlich gemacht, z. B. »Wort ( dabar) YHWHs«, »Vi­sion« oder »Lastspruch« (mas´s´a’). Am markantesten ist sicherlich der Begriff »Wort YHWHs«, der in vier Überschriften begegnet (Hos 1,1; Joel 1,1; Mi 1,1 und Zef 1,1). Er macht auch klar, worin das Gesamtanliegen des Zwölfprophetenbuchs besteht: Das eine »Wort YHWHs« wird von verschiedenen Personen in verschiedene Zeitsituationen hinein gerufen. Und drittens wird, allerdings nicht in allen Fällen, eine Datierung vorgenommen. Es fällt auf, dass eine eigene Überschrift für das Buchganze fehlt. Das wird mitunter als starkes Argument gegen eine Bucheinheit angeführt.3 Aber auch andere Bücher, wie etwa der Psalter, tragen keine eigene Überschrift und sind doch als eine redaktionelle Großeinheit gemeint, so dass das Argument kein großes Gewicht hat. Unbestritten bleibt freilich, dass die Zusammenstellung von elf Prophetenspruchsammlungen verschiedener Gattungszugehörigkeit und einer Erzählung über den Propheten Jona dem Zwölfprophetenbuch eine Sonderstellung im Prophetenkanon sichert und den jeweiligen Schriften eine größere Eigenständigkeit einräumt, als wenn alle Sammlungen unter dem Namen eines einzigen Propheten herausgegeben worden wären. 4

1.2 Die Anordnung des Dodekapropheton


Die masoretische Abfolge der Schriften ist eindeutig überliefert: Hos, Joel, Amos, Obd, Jona, Mi, Nah, Hab, Zef, Hag, Sach, Mal. Diese Abfolge belegen auch die Handschriften aus der judäischen Wüste, soweit sie Schriftenübergänge auf einem Blatt enthalten. Lediglich eine der ältesten Handschriften, 4QXII(a) aus der Mitte des 2. Jh.s v. Chr., enthielt sehr wahrscheinlich Jona nach Maleachi. Demgegenüber ist die bestbezeugte Abfolge des Dodekapropheton, also der griechischen Übersetzung: Hos, Amos, Mi, Joel, Obd, Jona, Nah, Hab, Zef, Hag, Sach, Mal. Die Frage, welche Abfolge die ältere ist, ist relativ sicher zu beantworten, wenn man sich die klassische, in der Textkritik bewährte Frage stellt: »Welche Anordnungsvariante kann besser aus der anderen abgeleitet werden?« Es ist sehr gut einsehbar, dass die griechische Abfolge entstand, weil man die Schriften Amos und Micha unmittelbar nach Hosea einordnete und die restlichen Schriften einfach in ihrer Reihenfolge beließ. Denn die Überschriften dieser drei Schriften weisen sie zum einen als Zeitgenossen aus und zum anderen entsteht auf diese Weise ein geschlossener Block von Schriften, die sich – laut Überschriften – mit dem Nordreich auseinandersetzen. Zusätzlich berühren sich diese Schriften inhaltlich und formal in vieler Hinsicht. Für die umgekehrte Richtung, dass die masoretische Folge durch Umstellung der griechischen Abfolge entstanden sei, lassen sich dagegen kaum Gründe finden.

1.3 Die geschichtliche Abfolge der Schriften


Es ist deutlich, dass das Zwölfprophetenbuch die Prophetenschriften in einer geschichtlichen Folge darbietet. Die sechs Schriften, die sich auf Grund ihrer Anfänge datieren lassen (Hos, Am, Mi, Zef, Hag, Sach), bilden das Grundgerüst. Der geschichtliche Platz der anderen Schriften wurde auf Grund von Stichwortverkettungen und verschiedenen inhaltlichen Merkmalen abgeleitet. Den histo­rischen Ort der Joelschrift erschloss man wohl daraus, dass Joel ei­nerseits in Joel 2,12–14 den Umkehrruf von Hos 14,2–4 aufnimmt und andererseits Joel 4,16 von Am 1,2 zitiert wird. Obadja führt Am 9,11–12 näher aus und galt deshalb wohl als unmittelbarer Nachfolger des Amos. Jona wurde mit dem in 2Kön 14,25 erwähnten Propheten identifiziert und deshalb in die Epoche von Jerobeam II eingeordnet. Nahum ist vor dem Untergang Ninives anzusetzen und deshalb an seiner Stelle durchaus sachgemäß verortet. Habakuk bildet den Übergang zur babylonischen Zeit, in die auch Zefanja gehört. Mit Haggai beginnt die Datierung nach persischen Königen. Während Haggai und Sacharja zum Tempelbau erst noch aufrufen, setzt Maleachi den Kultvollzug am zweiten Tempel schon voraus und bildet deshalb den Schluss. Mag es auch im Einzelnen Unsicherheiten geben, wie sich die Endredaktion die geschichtliche Folge genau vorstellte, so ist doch das Grundprinzip der Anordnung kaum zu bestreiten.

1.4 Thematische Schwerpunkte des Endtextes


Nimmt man das Zwölfprophetenbuch in seiner kanonischen Endfassung als Buchganzes, so steht die Frage an, ob sich die Bucheinheit auch in einer schriftenübergreifenden Thematik ausdrückt. Das Thema, das als Erstes ins Auge sticht, ist die Ankündigung des »Tages YHWHs« (yom YHWH), die in keinem anderen Prophetenbuch so häufig und intensiv vorgebracht wird. Obwohl nicht alle Schriften Textpassagen enthalten, die den Tag YHWHs ankündigen, zeigt sich doch, dass die entsprechenden Passagen ins Zentrum des Zwölfprophetenbuchs führen.5 Für das Verständnis der Endfassung ist sehr wahrscheinlich vorauszusetzen, dass die Leserschaft nicht nur die exakte Phrase »Tag YHWHs«, sondern jede Erwähnung eines zukünftigen Tages, an dem YHWH die Geschichte definitiv umgestaltet, auf den Tag YHWHs beziehen soll. Aus dieser Perspektive gelesen, referieren auch unscheinbare Phrasen wie »am Ende der Tage« (Mi 4,1) oder das häufige »an jenem Tag« (bayyom hahû’) auf den Tag YHWHs.

Der »Tag YHWHs« bezeichnet einen zukünftigen Punkt im Geschichtsverlauf, an dem YHWH machtvoll, für alle sichtbar und endgültig seinen Willen gegenüber den abtrünnigen Menschen durchsetzen wird. Dann wird alles umgewandelt, notfalls auch umgestürzt und vernichtet, was dem Rechtswillen YHWHs und seiner Beziehung zu Israel widerspricht. Das Resultat wird ein vollgültiger Friedenszustand der ganzen Schöpfung sein.

Folgt man der Reihenfolge des MT, so wird dieser Tag erstmals von Joel ausführlich beschrieben. Dabei ergibt sich ein komplexes Bild: In Joel 1–2 geht es darum, dass das Andringen des Tages YHWHs eine übermächtige Destruktionswelle in Gestalt von Heuschrecken und Dürre über das Land bringt, Juda aber durch eine umfassende Buße diesen Tag abwenden kann und Gott die Fruchtbarkeit des Landes wieder herstellt. In Joel 4 wird der Tag YHWHs für die ferne Zukunft angesagt (Joel 4,1) und richtet sich gegen die Völker, die das Gottesvolk bedrohen und ihm keinen Lebensraum lassen. Diese werden in einer letzten Entscheidungsschlacht von YHWH gerichtet. Beide Aspekte werden in der weiteren Folge des Zwölfprophetenbuchs von nachfolgenden Propheten wieder aufgegriffen. Den Höhepunkt erreicht die Darstellung der Ereignisse, die mit dem Tag YHWHs verbunden sind, ohne Zweifel in Sach 14. Dort wird ein mehrschrittiges Verfahren imaginiert, in dem YHWH alle gottwidrigen Kräfte beseitigt – und zwar sowohl innerhalb Israels als auch in der Völkerwelt. In Maleachi wird dann festgehalten, dass es für die Gegenwart wichtig ist, sich an die Normen der Tora zu halten und der Tag YHWHs nichts anderes bringen wird als die Belohnung der Gerechten und die Bestrafung der Frevler.

Ein anderes Thema, das das Zwölfprophetenbuch vor den anderen Prophetenbüchern auszeichnet, ist die Auseinandersetzung mit dem Bekenntnis zum barmherzigen Gott, wie es in Ex 34,6–7 enthalten ist.6 Dort wird YHWH beschrieben als

»barmherzig und gnädig und geduldig und von großer Gnade und Treue, der da Tausenden Gnade bewahrt und vergibt Missetat, Übertretung und Sünde,

aber ungestraft lässt er niemand, sondern sucht die Missetat der Väter heim an Kindern und Kindeskindern bis ins dritte und vierte Glied!«


Demnach umfasst die Aufzählung der Attribute YHWHs zwei Seiten, zum einen seine Barmherzigkeit, zum andern aber auch seine strafende Gerechtigkeit. Dabei zielt die Aussage darauf, dass die Barmherzigkeit die Strafgerechtigkeit maßlos überwiegt.

Das Bekenntnis wird zunächst in Joel 2,13 zitiert, wo es eine Ermahnung zur Buße motiviert. Weil YHWH gnädig und barmherzig ist, sollen die Hörer ohne Furcht zu YHWH umkehren. Bemerkenswert ist erstens, dass Joel nur die erste Hälfte des Be-kenntnisses, nämlich die Aussagen über YHWHs Barmherzigkeit zitiert. Zweitens erweitert Joel die Formel um die Aussage »dersich gereuen lässt des Unheils«. Diese ungewöhnliche Erweiterung, die sich sonst nur in Jona 4,2 findet, erhebt eine nur in äußerst zugespitzten Situationen erlebte Rücknahme eines Vernichtungsplanes zu einer generellen Wesensbestimmung YHWHs: Selbst wenn YHWH eine Strafe auferlegt, tut es ihm im selben Moment leid und er sucht nach Möglichkeiten, diese zurückzunehmen. 7 Dies ist vielleicht der theologische Grund, warum der im Verlauf des Zwölfprophetenbuchs immer wieder als unmittelbar bevorstehend angekündigte Tag YHWHs ständig aufgeschoben wird, so dass er am Ende des Buches als immer noch zukünftiges Ereignis beschrieben wird (Mal 3,23 zitiert Joel 2,11). Sieht Joel die Barmherzigkeit YHWHs allein auf Israel bezogen, während er für die feindlichen Völker die gnadenlose Dezimierung erwartet (Joel 4), so setzt Jona (Jona 4,2) dem entgegen, dass YHWHs Barmherzigkeit, und zwar einschließlich der Reue Gottes (!), auch »dem ärgsten Feind Israels gelten soll, dessen kaum überbietbare Bosheit ›vor Gottes Angesicht‹ (Jona 1,2) offenbar ist«. 8

In Mi 7,18 wird dann, wie in Joel, lediglich auf die barmherzige Seite YHWHs verwiesen. Dabei ist das Schweigen über YHWHs Strafgerechtigkeit wohl so zu verstehen, dass das Bekenntnis die Zeit nach dem Abbüßen der Strafe vorwegnimmt. Unmittelbar an Mi 7 schließt sich der Eingangshymnus der Nahumschrift an, der in den ersten Versen (Nah 1,2–3) ebenfalls das Bekenntnis von Ex 34,6–7 zitiert. Allerdings werden nun lediglich die Attribute angeführt, die die Strafgerechtigkeit YHWHs herausstellen, und als Adressaten des Handelns YHWHs werden allein die feindlichen Völker genannt.

Im Fortschritt des Leseablaufs ergibt sich so eine durchaus kontroverse prophetische Diskussion um die Beschreibung des Wesens YHWHs. Einig sind sich Joel, Micha und Jona darin, dass YHWHs Wesen in Bezug auf Israel allein von Barmherzigkeit und Gnade bestimmt ist, ja mehr noch: YHWH ist darauf aus, eventuell be­schlossenes Unheil wieder zurückzunehmen. Alle Strafaktionen gegen Israel, die das Zwölfprophetenbuch ja umfangreich zu schildern weiß, erscheinen so als nicht wirklich im Wesen YHWHs begründet, vielmehr als ›fremdes Werk‹, zu dem YHWH von Israel durch nachhaltige Ignoranz gegenüber dem prophetischen Wort provoziert wird. In Bezug auf die feindlich eingestellten Völker dagegen widersprechen sich Jona und Nahum: Jona muss erleben, dass YHWH auch gegenüber Ninive Reue zeigt, während Nahum die grausame Vernichtung Ninives kommen sieht. Dieser Gegensatz wird im weiteren Verlauf des Zwölfprophetenbuchs so weitergeführt, dass es innerhalb der Völker zur Scheidung kommen wird: Die wirklichen Feinde YHWHs werden in der Tat hart bestraft, während die Gutwilligen unter den Völkern sich dem Gottesvolk anschließen werden (Sach 14).

Neben der Sachlogik, mit der sich übergreifende Themen im Leseprozess entwickeln, ist der Prozess der wechselseitigen Ergänzung von Schriften anzusprechen. In vielen Fällen bringt eine isolierte Lektüre der Einzelschriften ein unbefriedigendes Ergebnis, es bleibt Entscheidendes ungesagt oder es bleibt unklar, von welchen Voraussetzungen her argumentiert wird. Wenn man die Schriften jedoch so versteht, dass sie auf ihren Vorgängern aufbauen, ergibt sich eine abgerundete Interpretation. Die Abfolge von Hosea und Joel bietet dafür ein schönes Beispiel: So ruft Joel angesichts einer fürchterlichen Verwüstung des Landes in eindringlicher Weise zur Umkehr auf (Joel 2,12–13a). Allerdings wird nirgends in Joel ausgeführt, warum eine solche Umkehr überhaupt nötig ist. Nirgends wird die Schuld der Angeredeten aufgedeckt oder auch nur angedeutet. Angesichts dieses Umstandes helfen sich viele Interpreten mit der Annahme, Joel setze einfach ein allgemeines Sündenbewusstsein voraus. Darüber gibt es aber keine Aussagen im Text. Setzt man dagegen eine Leserschaft voraus, die zuvor Hosea gelesen hat, so weiß diese zum einen, wie Schuld gegenüber YHWH aussieht, zum Zweiten, dass die Verwüstung des Landes mit der Schuld Israels zusammenhängt (Hos 4,1–3), drittens hat sie schon die Aufforderung zur Umkehr aus dem Munde Hoseas vernommen (Hos 14,2–4), die Joel wortwörtlich aufnimmt, und viertens gewinnt für sie das merkwürdige »auch jetzt noch«, das Joel 2,12 einleitet, Be­deutung: Joel ruft ein allerletztes Mal zur Umkehr und muss die Befürchtung der Hörer zerstreuen, die Frist für eine Umkehr könne schon abgelaufen sein. Die neueste Forschung hat viele Beispiele solcher wechselseitigen Ergänzung entdeckt und es besteht aller Grund zu der Annahme, dass noch viele weitere folgen werden.

2. Entstehungshypothesen


Für jede Schrift des Zwölfprophetenbuchs wurden seit dem Beginn der literarkritischen Arbeit ausgefeilte Entstehungshypothesen aufgestellt, man verblieb aber innerhalb der Grenzen der Einzelschriften. Erst Karl Budde führte 1921 die These ein, dass die Redaktionen in den einzelnen Schriften untereinander zusammenhängen, so dass man mit schriftenübergreifenden Redaktionsprozessen zu rechnen hat.9 Dieser Grundansatz wurde dann von Rolland Wolfe mit großer Entschiedenheit weitergeführt. Sein Werk kann aus heutiger Sicht als die Geburtsstunde redaktionsgeschichtlicher Arbeit am Zwölfprophetenbuch als Ganzem gelten, auch wenn es zu seiner Zeit unbeachtet blieb.10 Er vertrat die grundlegende These, dass das Zwölfprophetenbuch über zwölf Stufen gewachsen sei. Dabei habe jede Hinzufügung weiterer Schriften auch zu einer Neubearbeitung des bis dahin existierenden Schriftenkorpus ge­führt. Auf dieser Basis ruhen seither alle redaktionsgeschichtlichen Hypothesen. Die jeweiligen Mehrprophetenbuchredaktionen zielten offensichtlich nicht nur darauf ab, neue Schriften anzufügen, vielmehr erstellten sie jeweils ein Mehrprophetenbuch, das die verschiedenen Bestandteile in eine kohärente Gesamtkonzeption einfügt, innerhalb derer die einzelnen Propheten zur Dynamik des Ganzen ihren charakteristischen Teil beitragen. In der gegenwär­tigen Lage, in der viele verschiedene redaktionsgeschichtliche Mo­delle in der Diskussion sind, kommt es mir in diesem Überblicksartikel darauf an, das herauszustreichen, was man mit vergleichsweise höherer Wahrscheinlichkeit sagen kann. In diesem Sinne will ich im Folgenden nur auf drei redaktionelle Stadien der Buchentstehung näher eingehen: das sog. D-Korpus, die Joel-Sach 14-Schicht und die Phase der Endredaktion.

2.1 Das D-Korpus


2.1.1 Das Überschriftensystem Hos 1,1; Am 1,1; Mi 1,1; Zef 1,1

Die solideste Basis für die Annahme eines Mehrprophetenbuchs, das Vorformen von Hos, Am, Mi und Zef umfasst hat, ist die auffällige Gleichheit ihrer Überschriften: An vorderster Stelle steht die Formulierung »Wort YHWHs, das geschah zu ...« (mit der Ausnahme von Am 1,1, wo der Redaktor die vorgefundene Formulierung »Worte des Amos« stehen ließ), dann folgt ein Eigenname, und schließlich kommt die Datierung. Letztere ist wiederum auffallend gleichförmig gestaltet. Datiert wird durch die Angabe von Königsnamen, dabei folgen Hos 1,1 und Mi 1,1 sogar einer eher ungewöhnlichen Schreibung des Königsnamens Hiskija. 11 Spricht dies alles schon sehr für gemeinsame Herausgeberschaft, so fällt weiter auf, dass die Überschriften sich zu einem sorgfältig gestalteten System ergänzen:

– Erstens sind die Zeitangaben so angelegt, dass der Eindruck vermittelt wird, dass Hosea zunächst gleichzeitig mit Amos und danach gleichzeitig mit Micha aufgetreten ist.

– Zweitens fällt auf, dass das Auftreten der beiden ersten Paare von Propheten auf den König Hiskija hinführt. Dann wird wohl ein Schweigen der Prophetie vorausgesetzt, ehe Zefanja unter Joschija auftrat. Dieses Szenario macht insbesondere dann Sinn, wenn die Propheten als Wegbereiter der Reformen unter Hiskija und Joschija verstanden werden sollen. Sobald die Reform Hiskijas durchgeführt war, war die prophetische Mission vorerst erfüllt. Erst als dann wieder vergleichbar gottwidrige Zustände einrissen, wie sie vor der Reform Hiskijas von den Propheten angeprangert worden waren, erhob sich Zefanja, um zu erneuter Reform aufzurufen. Auf diesem Hintergrund sind die vielen Stichwortübereinstimmungen von Zef 1,4–6 mit dem Bericht über die Reform Joschijas (2Kön 23, bes. V. 4–5.12) so zu deuten, dass Zefanjas Drohungen in den Reinigungsmaßnahmen Joschijas, wenigstens zum Teil, Realität wurden. So gewinnt man insgesamt den Eindruck, dass die Gestalter dieses Überschriftensystems der Meinung waren, dass Juda im Unterschied zum Nordreich, das die Propheten Hosea und Amos nach Juda verstoßen hatte, auf seine Propheten Micha und Zefanja – jedenfalls zunächst – gehört habe.


Bereits auf Grund der Überschriften kann man also mit ziemlicher Sicherheit sagen, dass Vorstufen der Schriften Hos, Am, Mi und Zef einmal ein Mehrprophetenbuch gebildet haben müssen. James Nogalski hat dieses von ihm so benannte »Deuteronomistic Corpus« entdeckt.12 Allerdings beschrieb er das Korpus nur sehr vage, da die Textbasis, von der er ausging, sich auf die Anfangs- und Schlusskapitel der Schriften beschränkte.

2.1.2 Der Textbestand des D-Korpus
Für die genaue Bestimmung eines Mehrprophetenbuchs ist die Angabe von zwei Parametern entscheidend: Zum einen muss der Umfang des von den Redaktoren hergestellten Gesamtkorpus angegeben werden. So nahm Nogalski an, dass das D-Korpus substantielle Teile von Hosea, eine Amosschrift, die mit der Doxologie in Am 9,5–6 abschloss (Am 1,1–9,6*), eine deuteronomistisch erweiterte Michaschrift (Mi 1–3*; 6) und eine deuteronomistisch bearbeitete Zefanjaschrift umfasste, die mit einer harschen Ankündigung der unmittelbar bevorstehenden Bestrafung Jerusalems und Judas endete (Zef 1,1–3,8*). Zum anderen muss eine redaktionelle Hypothese möglichst präzise angeben, welche Textpassagen vom Redaktor im Rahmen der Zusammenstellung der aufgenommenen Materialien neu formuliert wurden, denn diese Passagen sind für die Rekonstruktion der Absicht des Redaktors von größter Wichtigkeit, mögen sie in der Gesamtkomposition des produzierten Mehrprophetenbuchs auch relativ unscheinbar sein. Nogalski bestimmte lediglich die Überschriften (Hos 1,1; Am 1,1; Mi 1,1; Zef 1,1) als redaktionelle Eigenformulierungen, was wiederum mitseiner begrenzten Textbasis zusammenhing.

Die These Nogalskis wurde von Aaron Schart weiter ausgearbeitet.13 Den Namen des Korpus änderte er, unter Beibehaltung der Initialen, zu »D-Korpus«. Damit wollte er die, schon von Nogalski benannte, Differenz zwischen eindeutig deuteronomistischen Texten und dem von deuteronomistischem Denken lediglich ge­prägten Mehrprophetenbuch zum Ausdruck bringen. Schart legte erstmals eine umfassende und versgenaue Rekonstruktion des Umfangs des D-Korpus vor.14 Besonders hervorzuheben ist, dass er den Schluss der Amosschrift gegenüber Nogalski neu bestimmte. Die Doxologie Am 9,5–6 weist er einer späteren Redaktion zu und hält stattdessen Am 9, 7–10 für den Schluss der D-Fassung der Amosschrift. Dies hat be­deutende Konsequenzen für das Verständnis der Strafaktion YHWHs gegenüber dem Nordreich. Nach Nogalskis Rekonstruktion rechnete die D-Redaktion mit einer völligen Vernichtung des Nordreichs. Schart dagegen nimmt an, dass die D-Amosfassung erwartete, dass ein Rest überleben würde. Dieser würde aus denjenigen bestehen, die den prophetischen Drohungen geglaubt hatten. 15

In engem Anschluss an Schart rekonstruiert Rainer Albertz das von ihm so genannte »Vierprophetenbuch« (=VPB).16 Der neue Name vermeidet in der Tat jegliche inhaltliche Näherbestimmungen, gleichwohl interpretiert auch Albertz das VPB im Anschluss an dtr Vorstellungen. Sein Schüler Jakob Wöhrle hat die These weitergeführt und nimmt dabei einige Modifikationen vor.17 Sein wichtigster Beitrag ist aber sein Vergleich des D-Korpus mit 2Kön. Wöhrle kann zeigen, dass der Aufbau des D-Korpus ziemlich genau dem Aufriss des DtrG folgt. Dabei gehen Hosea- und Amosschrift 2Kön 17 parallel, die Michaschrift dem Bericht über die Hiskija-Zeit (2Kön 18) und die Zefanjaschrift berührt sich eng mit dem Bericht über Joschija und den Untergang Judas und Jerusalems (2Kön 22–25). Auffallend ist, dass diese allgemeine Parallelität, die man auch mit der historischen Einbindung der mündlichen Verkündigung der Propheten erklären könnte, durch eine Fülle präziser Stichwortgemeinsamkeiten, gerade auch in redaktionellen Textpassagen, ge­stützt wird. Die markantesten sind:

– Hoseas Kultkritik enthält Polemik gegen das Stierbild in Bet-El. Die gleiche Polemik findet sich auch in 2Kön 17, besonders markant ist die Phrase in Hos 13,2 und 2Kön 17,16: »und sie machten sich ein Gussbild (massekah)«.

– Der Vorwurf, auf die von Gott gesandten Propheten sei nicht gehört worden, findet sich in Am 3,7 und auch in 2Kön 17, besonders zu nennen ist die Phrase »seine Knechte, die Propheten« (Am 3,7 // 2Kön 17,13).

– Die Exilierung der Nordreichsbevölkerung wird in 2Kön 17,23 und Am 7,11.17; 9,8 mit denselben Worten angesagt: Das Volk »wird exiliert von seinem Erdboden hinweg«.

– In Mi finden sich Stichwortübereinstimmungen zur Schilderung der Hiskijazeit, die zum einen die Kultreform des Hiskija und zum anderen den Feldzug Sanheribs gegen Jerusalem erwähnt. »Mazzebe« und »Aschera« werden in 2Kön 18,4 wie in Mi 5,12.13 genannt.

– Der in Mi 6,14 enthaltene Nichtigkeitsfluch lässt sich auf die Situation der Belagerung Jerusalems durch Sanherib und die anschließende große Tributzahlung deuten (vgl. 2Kön 18).

– Die enge Bezugnahme von Zef 1,4–6 auf die Reform Joschijas wurde schon erwähnt. Die »Glut des Zornes« in Zef 2,2 passt gut zu 2Kön 23,26. Zudem kann die Erwartung von Zef 3,12, dass nur ein armes Volk übrig bleiben wird, mit 2Kön 24,14; 25,12 verbunden werden, wo die babylonische Deportation so formuliert wird, dass nur die Geringen im Lande zurückgelassen wurden.


Wöhrles schöne Übersichtstabelle auf S. 269 macht eindrücklich klar, dass hier kein Zufall walten kann, sondern dass die Parallelität zu 2Kön eine bewusste Redaktionstechnik ist. Damit hat Wöhrle den Argumenten für die Hypothese eines D-Korpus ein sehr überzeugendes hinzugefügt.

2.1.3 Die Intentionen des D-Korpus
Die Intentionen des D-Korpus können in zweierlei Hinsicht profiliert werden. Zum einen geht es darum, welche Sicht der vier Propheten die D-Redaktion gegenüber dem von ihr übernommenen älteren Material selbst akzentuiert hat, und zum anderen darum, wie das Verhältnis zum DtrG zu bestimmen ist.

Grundlegend für die D-Redaktion ist, dass die Propheten als Umkehrrufer verstanden werden: In Kult und Gesellschaft hat Israel die Normen der Tora verworfen. Dies decken die Propheten auf und fordern ultimativ die Rückkehr zum tora-gemäßen Verhalten. Dabei handelt es sich um eine bemerkenswerte Neukonzeption. Die historischen Propheten Hosea und Amos hatten dem Nordreich den unbedingten Untergang prophezeit und auch Micha hatte Jerusalem und seinem Tempelareal auf dem Zion das gleiche Unheil vorhergesagt. Erst die D-Redaktion zeichnet die Propheten als Mahner, die das Gottesvolk zur Tora zurückrufen wollten, deshalb schließt sie ihre Hoseaschrift mit einem ein­drucks­vollen Ruf zur Umkehr ab (Hos 14,2–4), von dessen Wirkung innerhalb von Hos nichts mehr verlautet. Sehr klar, weil komplett ohne Anhalt an älterem Material formuliert, kommt die Begrifflichkeit der D-Redaktion in der Juda-Strophe (Am 2,4–5) zum Ausdruck. Auf diesem Hintergrund gelesen wollen die Überschriften vermutlich suggerieren, dass der von den Propheten geforderten Umkehr – allerdings nur in Juda und nur vorübergehend – da­durch Genüge getan wurde, dass die Könige Hiskija und Joschija ihre Reformen durchgeführt haben. Im Falle Hiskijas stimmt dieses Verständnis genau mit den Unterstützern Jeremias in Jer 26,17–19 überein, die so argumentieren, dass Hiskija ja auf die Botschaft Michas hin Buße getan habe. Die fatale Schuld Judas war es, von dieser Reform wieder abgefallen zu sein.

Ein weiterer thematischer Akzent ist, dass die Propheten nun so dargestellt werden, als hätten sie YHWHs bevorstehende Strafaktion als Einlösung der Fluchandrohungen des Deuteronomiums aufgefasst. Nur in den Schriften des D-Korpus (Hos 4,10a; Am 5,11; Mi 6,14–16 und Zef 1,13b) – und zwar in allen Fällen in sekundären Textpassagen, findet sich das dem dtn Fluchkapitel Dtn 28 nahestehende Textmuster des Nichtigkeitsfluches: Einem menschlichen Bemühen, die eigene Existenz zu sichern, wird für die Zukunft die völlige Vergeblichkeit angesagt, z. B. in Am 5,11 (vgl. Dtn 28,30.39): »Ihr habt prächtige Weingärten angelegt, aber ihr werdet ihren Wein nicht trinken.« Die Strafe YHWHs erhält dadurch einen rechtlich abgesicherten Charakter, denn sie ist nichts weiter als das, was in der Tora für gesetzesbrecherisches Verhalten angedroht wurde.

Das Verhältnis zum DtrG wird unterschiedlich bestimmt. Auf der einen Seite wird das D-Korpus in großer sachlicher Nähe zum DtrG gesehen. So äußert Schwesig die These, das Vierprophetenbuch sei die exemplarische Darlegung dessen, was die in 2Kön 17,12.23 so wichtigen »meine Knechte, die Propheten« tatsächlich gesagt hätten.18 Demgegenüber hält Wöhrle das D-Korpus für einen »Gegenentwurf zum DtrG«.19 Der entscheidende Punkt in dieser Kontroverse ist, wie das Verhältnis zum davidischen Königtum eingeschätzt wird. Albertz und Wöhrle berufen sich insbesondere auf Zef 3,11–13. Es sei bezeichnend, dass zwar das Königtum nicht unter den Größen erwähnt würde, die zum überlebenden Rest gehörten. Schart verweist dagegen darauf, dass zwar das Nordreichskönigtum scharf attackiert und sein Untergang als gerechte Strafe dargestellt werde (z. B. in Am 9,8), das davidische Königtum aber von Kritik verschont bleibe. Zwar würden in Zef 1,8 auch Königssöhne, also einzelne Mitglieder der königlichen Familie, als Opfer von YHWHs Strafhandeln genannt, aber das mache das Fehlen einer Kritik am davidischen Königtum als solchem umso deutlicher. Nimmt man noch die Überschriften hinzu, die Schart so interpretiert, dass die Reformen Hiskijas und Joschijas als Gehorsam gegenüber dem prophetischen Umkehrruf erscheinen sollen, so kommt man auf die – sicherlich unausgesprochene – Hoffnung, das davidische Königtum möge vor der Zerstörung bewahrt bleiben und irgendwann wieder aufleben. 20

2.1.4 Der historische Ort des D-Korpus
Die Datierung prophetischer Texte ist notorisch schwierig, da sie nur äußerst selten eindeutige Referenzen auf historische Ereignisse und Personen enthalten. Klar ist, dass das D-Korpus bereits 2Kön 25 literarisch voraussetzt und deshalb in die Exilszeit gehört. Albertz wagt noch einen präziseren Vorschlag. Nach ihm »gehört der VPR [= Vierprophetenbuchredaktor] eher zu einer radikaleren Theologengruppe, die sich mit den kleinen Leuten solidarisiert.«21 Diese sei am ehesten in Juda, vielleicht sogar in Jerusalem zu lokalisieren. Als Abfassungszeit komme die ausgehende Exilszeit nach 550 in Betracht. Dieses Milieu und diese Datierung können ohne Weiteres auch dann vertreten werden, wenn man mit einer positiveren Bewertung des davidischen Königtums rechnet. Auch Wöhrle sieht vor allem den in Zef 3,11–13 anvisierten armen Rest als Hinweis auf die Verfasserschaft: Als Entstehungsmilieu sei der Kreis derjenigen anzunehmen, die von den Babyloniern im verwüsteten Land belassen wurden. Diese hätten von den Babyloniern Ländereien der deportierten Oberschicht zugewiesen bekommen, fanden sich mit der Verwaltung durch die babylonische Herrschaft ab und hätten keine Wiederherstellung der alten Strukturen erwartet. Als Abfassungszeit kann sich Wöhrle eher die Zeit zwischen 539 und 520 vorstellen, nachdem es der exilierten Oberschicht möglich war, wieder ins Heimatland zurückzukehren. 22

2.1.5 Vorstufen des D-Korpus
Das D-Korpus vereinigt die literarischen Hinterlassenschaften von vier unterschiedlichen Propheten, von denen die mündlichen Auftritte des ältesten Propheten Amos in die zweite Hälfte des 8. Jh.s v. Chr. gehören. Sollte es in der Zeit bis zum Exil keine Versuche gegeben haben, die verschiedenen Hinterlassenschaften, wenn man noch nicht von Schriften sprechen will, miteinander in Beziehung zu setzen? Jörg Jeremias hat die These vertreten, dass Hosea und Amos aufeinander zu redigiert wurden. 23 Einerseits seien in Hosea knappe Hinweise auf Amos gesetzt, andererseits in Amos Gedanken und Begriffe aus Hosea eingetragen worden.

Diese Beobachtungen hat Schart zu der These ausgebaut, dass die Hosea- und die Amosschrift vom selben Kreis herausgegeben wurden.24 Dabei war es das Bestreben, die beiden Propheten so zu präsentieren, dass sie in ihrer Botschaft in den wesentlichen Dingen übereinstimmen und gleichzeitig ihr eigenständiger Charakter bewusst erhalten wurde. Das Endprodukt sei dann als Zweiprophetenbuch publiziert worden. Hintergrund der Zusammenstellung ist nach Schart das chronische Legitimitätsproblem der Propheten. Sie bewegen sich in einem Wahrnehmungsmodus der Realität, der »normalen« Menschen nicht zugänglich ist, und behaupten eine exklusive Kommunikation mit YHWH, die noch dazu für unbeteiligte Dritte autoritative Geltung beansprucht. Um die Ansprüche von Propheten zu bewerten, wurde schon in Mari das Verfahren angewendet, unabhängig voneinander geäußerte prophetische Botschaften zum selben Thema miteinander in Beziehung zu setzen und so deren Glaubwürdigkeit abzusichern. Ziel des Zweiprophetenbuchs war ein Kompendium der Nordreichsprophetie aus judäischer Perspektive, wobei als Trägermilieu vor allem an die Flüchtlinge aus dem Nordreich nach Juda zu denken sei, die sich Rechenschaft geben wollten, warum ihr Staat un­tergegangen war und was das für ihre Existenz als Neu-Judäer und Neu-Jerusalemer zu bedeuten habe. Die These eines Zweiprophetenbuchs hat neben viel Zustimmung auch gelegentliche Kritik erfahren. Namentlich Wöhrle lehnt diese Hypothese ab. 25 Das Problem seiner Argumentation ist jedoch, dass er für die abgelehnte Hypothese eine bessere Begründung erwartet als für viele seiner eigenen redaktionsgeschichtlichen Thesen.

2.2 Die Joel-Sach 14-Schicht


Eine These, die seit Nogalskis Arbeit mehrfach bestätigt und in verschiedener Gestalt weitergeführt wurde, ist die, dass die Einfügung von Joel mit Nachbearbeitungen in vielen Teilen des Zwölfprophetenbuchs zusammenhängt. Nach Nogalski diente die Joelschrift einer Redaktionsschicht, die er »Joel-related layer« genannt hat, als eine Art Kompendium, in der eine beherrschende Perspektive grundgelegt wird, wie die verschiedenen Schriften eines Mehrprophetenbuchs als konzeptionelle Einheit zu lesen sind. 26 Es ist das Thema des Tages YHWHs, das nun beherrschend hervortritt und zur Leitperspektive des ganzen Buches wird. Diese Schicht setzt auf jeden Fall das D-Korpus voraus und kann andererseits nicht mit der Endredaktion identifiziert werden, so sehr sie auch den Endtext in vieler Hinsicht noch prägt.

Nogalski geht davon aus, dass der Joel-Redaktor das D-Korpus mit Nah*, Hab* und dem Hag 1-Sach 8*-Korpus zusammenführte und aus vorgefundenem Spruchmaterial die Schriften Joel und Obadja speziell für ihre Verwendung im Zwölfprophetenbuch schuf. Am Schluss wurde noch eine prophetische Disputationssammlung als Gegengewicht zu Sach 7–8 angehängt und unter dem Namen »Maleachi« (Mal 1,1) als eigenständige Schrift markiert. Für dieses Elfprophetenbuch diente Joel als »literary anchor«. Dies gilt in mehrfacher Hinsicht. Erstens führt Joel nun, wenn auch nicht an erster, so doch an vorderer Stelle, die Perspektive eines die gesamte Geschichte umstürzenden Tages YHWHs ein. Dieser Tag vereint alle wesentlichen Zukunftsthemen in ein kohärentes Szenario. Alle folgenden Zukunftsansagen erscheinen so als Teilmomente dieses einen Großereignisses. Zweitens folgt aus dem Kommen des Tages YHWHs ein eindringlicher Umkehrruf. Drittens schließt der Tag YHWHs das Ergehen des Landes und der Natur generell ein. Und viertens wird er mit der Durchsetzung des Zions als Weltzentrum verknüpft: Gegen den Zion richtet sich der Ansturm der Völker, in seiner Nähe findet das Weltgericht statt und er ist das Zentrum des Friedens.

Die These von Nogalski hat es in faszinierender Weise geschafft, mit einigen ganz unscheinbaren redaktionellen Bemerkungen einen Sinn zu verbinden. So sei etwa in Nah 3,15–16* und Hab 3,16b–17 eine Perspektive nachgetragen worden, die die Feindheere der Assyrer und Babylonier mit den Heuschrecken aus Joel 1–2 identifiziere und so als Vorboten des Tages YHWHs transparent mache.

Nogalskis These wurde von Schart aufgenommen, allerdings auch modifiziert.27 In Bezug auf Mal vertritt Schart die These, Mal gehöre zur späteren Endredaktion, die als Joel-kritisch eingestuft werden müsse. Anstatt elf gehören bei ihm also nur zehn Schriften zum von ihm sog. Joel-Obadja-Korpus. Zudem gehören nach seiner Meinung Sach 9–14 als Schluss des Mehrprophetenbuchs dazu. Nach Schart ergibt sich nun ein schöner, buchbeherrschender Spannungsbogen von der ersten Erwähnung des Tages YHWHs in Joel bis zur letzten Erwähnung in Sach 14. Sach 14 eigne sich von seinem aufsummierenden Charakter her hervorragend als Ab­schluss des gesamten Buches. Sach 14 sei vor allem notwendig geworden, um die verschiedenen Vorstellungen von den Völkern, speziell zwischen Mi 4 und Joel 4, auszugleichen. Zu diesem Zweck werden Völkeransturm und Völkerwallfahrt, Eroberung Jerusalems durch die Völker und Unantastbarkeit des Zions als Weltmittelpunkt in ein zeitliches Nacheinander gebracht. Nach der Lektüre von Sach 14 hat die Leserschaft mit Recht das Gefühl, dass die prophetische Imagination des Endgeschehens keine Fragen mehr ungeklärt gelassen hat. Auf der Basis dieser Abgrenzung hat dann Schwesig eine sehr sorgfältige Synchronlesung des von ihm so genannten »Zehnprophetenbuchs« vorgenommen, die Sach 14 als Abschlusstext ausgiebig würdigt. 28 Sach 14 komponiere ein Gesamtbild aller mit dem Tag YHWHs in Verbindung stehenden Themen und setze sich dazu intensiv nicht nur mit den Tag YHWHs-Texten aus Joel, Am, Obd und Zef, sondern auch mit Texten anderer Prophetenbücher auseinander, ja, Sach 14 ziehe selbst Passagen aus Pentateuch und Psalter heran.29

Die Hypothese Scharts und Schwesigs teilt Beck im Grundsatz, nimmt aber sowohl innerhalb von Joel als auch innerhalb von Sach 14 erheblich kompliziertere literarische Wachstumsprozesse an. Beck betrachtet die thematische Entsprechung von Hos 2,18–25 mit Sach 13,7–9 als einen bewusst gestalteten Rahmen um ein Mehrprophetenbuch.30 Als Abschluss dieses Mehrprophetenbuchs sei die Grundschicht von Sach 14 gestaltet worden. Ziel sei es gewesen, »die diversen Schriften unter der Perspektive des ›Tages YHWHs‹« zusammenzufassen und so »eine hermeneutische Linie« zu schaffen, unter der alle Schriften gelesen werden sollten, auch wenn in ihnen nicht das Stichwort »Tag YHWHs« enthalten sein sollte. Die Absicht, Sach 14 als Abschluss des Mehrprophetenbuchs zu gestalten, sei durch die redaktionelle Überarbeitung der Verse Sach 14,4–11 noch deutlich verstärkt worden. So sei ein Zehnprophetenbuch entstanden, das lediglich Jona und Maleachi noch nicht enthalten habe.

Beck nimmt an, dass diese Schriftensammlung aus zehn lite­rarisch völlig selbständigen Schriften zusammengefügt worden sei.31 Die Redaktion habe diese aus unterschiedlichen Überlegungen heraus hintereinandergestellt und zu einem guten Teil beruhe die Anordnung dabei auf zufällig bestehenden thematischen An­spielungen. Hat man das so beschriebene Zehnprophetenbuch vor Augen, so ist man schon erstaunt, wie derselbe Autor z. B. die Existenz eines D-Korpus bestreiten kann, das in thematischer und formaler Hinsicht erheblich kohärenter und kompositionell durchgestalteter ist als sein Zehnprophetenbuch. Beck unternimmt es dann nicht einmal, eine Synchronlesung dieses Zehnerkorpus unter der Perspektive des Tages YHWHs zu versuchen. 32 In dieser Gestalt ist Becks Arbeit selbstwidersprüchlich und kann nicht überzeugen.33

Nur kurz erwähnt sei, dass auch Wöhrle und Bosshard-Nepustil an Joel orientierte Schichten rekonstruieren, die aber die eschatologische Perspektive des Tages YHWHs weitgehend außen vor lassen. Beide zerlegen die Joelschrift literarkritisch in mehrere Schichten. Wöhrle nimmt an, dass die von ihm rekonstruierte Grundschicht noch nicht das Thema des Tages YHWHs enthalten hat. Sie soll als neue Einleitungsschrift für die Schriften Am*, Mi* und Zef* geschaffen worden sein und die Hoseaschrift in dieser Funktion verdrängt haben. Erst in einem viel späteren Stadium sei Hosea wieder in die Sammlung aufgenommen worden. Bosshard-Nepustil nimmt eine an Joel orientierte Redaktionsschicht an, die er »Assur/Babel-RedaktionXII« nennt. Diese habe die Schriften Hos*, Joel 1,1–2,11, Am*, Mi*, Nah*, Hab* und Zef* umfasst und habe be­wusst die Komposition des von der Assur/Babel-Redaktion gestalteten Jesajabuchs übernommen.34 Beide Thesen sind in sich höchst problematisch und haben mit der hier in den Blick genommenen eschatologisch ausgerichteten Redaktionsschicht wenig zu tun.


Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Annahme einer Schicht, zu der erstens eine Joelschrift gehörte, die auch Joel 4* um­fasste, deren beherrschende hermeneutische Leitlinie zweitens die Erwartung des Tages YHWHs als eines die Geschichte abschließenden Endereignisses war und die drittens Sach 14 enthielt, große Wahrscheinlichkeit für sich hat, dass aber andererseits die genaue Abgrenzung des entsprechenden Korpus besonders umstritten ist.

2.2.1 Der historische Ort der Joel-Sach 14-Schicht
Der historische Ort der Joel-Sach 14-Schicht ist schwierig zu be­stimmen und hängt von der Literarkritik ab. Geht man davon aus, dass zu der Schicht auf jeden Fall Joel 4* und Sach 14 gehörten, so verdankt sich der Umstand, dass man in der Endzeit eine Eroberung Jerusalems, wenn auch nur als Durchgangsstadium, erwar­tete, vielleicht zeitgeschichtlichen Erfahrungen. Und die Vorstellung, das Gottesvolk müsse von Frevlern durch militärische Maßnahmen gereinigt werden, könnte auf massive Parteiengegensätze innerhalb der Gemeinschaft verweisen. Nimmt man beides zu­sam­men, so dürften die Eroberung Jerusalems durch Ptolomaios im Jahre 302 und die sich verschärfenden Kämpfe verschiedener Parteiungen im hellenistischen Juda diese Konzeption mit Erfahrungsmaterial gespeist haben. 35

2.3 Die Endredaktion des Zwölfprophetenbuchs


Rechnet man zur Joel-Schicht auch Sach 14, so stellt diese einen geschlossenen theologischen Entwurf dar, der ein Buch geprägt hat, das auf ein großartiges Schlusskapitel zulief. Gleichwohl wurde auch diese Fassung noch erweitert. Die Endredaktion hat sehr wahrscheinlich noch Jona und Maleachi hinzugefügt.

2.3.1 Die Einfügung der Jonaschrift
Mit der Einfügung der Jonaschrift kam eine ganz neue Gattung in das Zwölfprophetenbuch hinein: eine Erzählung. Es ist gut vorstellbar, dass man mit der Aufnahme biographischen Materials dem Vorbild der Bücher Jes (Jes 36–39) und Jer (Jer 26–29; 36–44; 52) folgte. Nach dem Verständnis der Endredaktion gehörte das Ergehen des Propheten mit zum prophetischen Amt, nicht nur seine Verkündigung. Die Erzählung vom Propheten Jona war vielleicht als eine Art Musterfall gemeint, der auch das Ergehen anderer Propheten illustrieren sollte.

Die Einfügung Jonas in das Zwölfprophetenbuch trägt erhebliche inhaltliche Spannungen ein. Zum Ersten muss man den be­wusst herausgearbeiteten Kontrast zu Joel nennen. Während Joel die Völker so schildert, dass sie von einer latenten Aggression gegen den Zion geprägt sind, die jederzeit in einen totalen Kriegszug umschlagen kann (Joel 4), sieht es Jona genau anders herum: Sogar Ninive, die Hauptstadt des furchterregenden Assyrerreiches, kann sich bekehren. Die entsprechenden Bußhandlungen in Jona 3,5–9, die sogar die Tiere einbeziehen, werden zudem eindrucksvoll erzählt, wohingegen eine Buße Judas in Joel 2,18 allenfalls stillschweigend vorausgesetzt wird. Zum Zweiten ist der Gegensatz zu Nahum auffällig. Während Ninive nach der Darstellung der Jonaschrift vorbildliche Buße leistet und vor dem angekündigten Un­tergang bewahrt bleibt, kündigt Nahum der Hauptstadt des Assyrerreiches die Entehrung und Zerstörung an. Dieser Gegensatz ist sehr auffällig. Bedenkt man, dass die Endredaktion Jona nach Joel und vor Nahum eingeordnet hat, so impliziert diese Stellung einerseits, dass die Buße Ninives durch das Vorbild Judas angestoßen wurde, den Völkern also durch die Vermittlung Israels tatsächlich ein positives Verhältnis zu YHWH offensteht, aber andererseits auch, dass die Reue der Niniviten nur einen vorübergehenden Cha­rakter hatte.36 Einige Zeit später kehrte Assyrien zu seinem gottwidrigen imperialistischen Verhalten zurück, so dass Nahum der Völker unterdrückenden Metropole den Untergang ansagen musste.

Die Auffassung, dass die Buße Ninives vorübergehend war, könnte auch in den völkerkritischen Zusätzen Mi 1,2; 5,8.14; 6,1 und 7,13 impliziert sein, die Jeremias als die jüngste Redaktionsschicht in Micha einstuft.37 So setzt Mi 1,2, wo die Rede davon ist, dass YHWH als Zeuge gegen die Völker auftreten wird, voraus, dass sich die Völker und damit eben auch Ninive, verschuldet haben. Auf Grund der Botschaft Michas wird es eine Scheidung in der Völkerwelt geben. Diejenigen Völker, die auf der Feindschaft gegen YHWH und sein Volk beharren, werden gemäß der Aussage von Mi 5,14 und 7,13 gerichtet und verwüstet werden. So ergibt sich für den Leseablauf des Zwölfprophetenbuchs insgesamt, dass Ninive zwar die Drohung Jonas ernst genommen und Buße geleistet hat und deshalb vor der unmittelbaren Zerstörung bewahrt wurde, sich dann aber der Botschaft Michas an die Völker insgesamt (Mi 1,2; 6,1) verschlossen hat. Deshalb ist Ninive aus dem Kreis der Völker ausgeschieden, die »am Ende der Tage« friedlich zum Zion strömen (Mi 4,1–4). Stattdessen gehört die Stadt zu den Feinden YHWHs, die am Ende gerichtet werden.

2.3.2 Maleachi
Nach dem imposanten endgeschichtlichen Szenario in Sach 14 folgt noch eine Schrift, die so gar nicht zu der hochgespannten Naherwartung passt, die Sach 14 prägt. Unvermittelt findet sich die Leserschaft wieder in den »kleinlichen« Problemen des Kultbetriebs am zweiten Tempel vor. Der sich über die ganze Völkerwelt erstreckenden Königsherrschaft YHWHs steht nun wieder die unter persischer Verwaltung stehende Provinz Jehud gegenüber. Während das Endgemälde von Sach 14 die Leserschaft in atemberaubendes Staunen versetzt, setzt Maleachi in mehreren Disputationen eine Ge­meinschaft voraus, die in innerlicher Zerrissenheit nach Orientierung in konkreten Lebenslagen sucht. Die Gegner Maleachis sind durchgehend von dem Gefühl geprägt, YHWH hätte sie verlassen. Sie spüren so gar nichts von der andrängenden Nähe der Gottesherrschaft. Fast verzweifelt versucht Maleachi seine Gegner mit Hinweisen auf vorzeigbare Realisierungsspuren der künftigen Herrlichkeit davon abzuhalten, ihren Glauben an YHWH aufzugeben. Im letzten Disputationswort (Mal 3,12–21) wird schließlich eine starke Individualisierung vorgenommen: Innerhalb des Gottesvolkes werden Gerechte und Frevler unterschieden, die im Endgericht jeweils ihre gerechte Vergeltung erwarten dürfen. 38 Möglicherweise ist eine solche Unterscheidung auch für die Völker im­pliziert.

Die letzten Verse von Mal (3,22–24) überschreiten in ihrem Horizont sehr wahrscheinlich schon den Rahmen des Zwölfprophetenbuchs und klären am Ende des Kanonteils Nebiim grundsätzlich das Verhältnis von Tora, repräsentiert durch Mose, und Nebiim, verkörpert durch Elija.

2.3.3 Der historische Ort der Endredaktion
Der historische Ort der Endredaktion kann nach hinten durch den Hinweis in Sirach 49,10 abgegrenzt werden: Um 175 v. Chr. lag das Zwölfprophetenbuch also vor. Geht man davon aus, dass Sach 14 tatsächlich die Eroberung Jerusalems im Jahre 302 voraussetzt, dann fällt die Endredaktion in das 3. Jh., vermutlich eher in die letzten Jahrzehnte. Zur Einordnung des Entstehungsmilieus kann man auf die Aufnahme Jonas und die völkerfreundlichen Zusätze verweisen. Diese passen am besten zu einer positiv erlebten Diasporasituation. So schätzt Roth den Jona-Autor als »Vertreter des Diasporajudentums« ein. 39 Die Endredaktion hätte dann einen Ausgleich zwischen eschatologisch orientierten, völkerkritisch, d. h. antihellenistisch, eingestellten Kreisen im Land Israel und den Gemeinden der Diaspora gesucht, die hellenistische Kultur und Bildung schätzen gelernt hatten.

2.4 Fazit


Die Arbeit der letzten zwei Jahrzehnte hat deutlich gemacht, dass das Zwölfprophetenbuch auf die gleiche Ebene wie die anderen Prophetenbücher gehört. Die Erforschung seiner thematischen Struktur und seiner Redaktionsgeschichte wird sich genauso etablieren, wie das im Falle von Jesaja, Jeremia oder Ezechiel schon lange der Fall ist. Dass es schon ein Redaktionsmodell gibt, das allseits befriedigt, wird man kaum behaupten können. Immerhin scheinen sich bereits ein paar Thesen abzuzeichnen, die eine erhöhte Plausibilität aufweisen. Dazu gehört ein Vierprophetenbuch, das in enger Bezugnahme auf das DtrG gestaltet wurde, so dass man es ruhig D-Korpus nennen kann. Auch eine Phase, in der Joel und Sach 14 mit ihrer Tag YHWHs-Verkündigung zum Zentrum eines Zehn- oder jedenfalls eines Mehrprophetenbuchs wurden, ist sehr plausibel. In der Endredaktionsphase scheint es eine intensive Diskussion um die Rolle der Völker gegeben zu haben, in die die Einfügung der Jonaerzählung gehört, und eine Auseinandersetzung um das Verhältnis von Tora-Gehorsam und eschatologischer Naherwartung, die die Anfügung von Mal motiviert hat. Die Literarkritik der Einzelschriften wird auf jeden Fall in Zukunft noch mehr von der Idee profitieren, dass sekundäre Zusätze schriftenübergreifenden Redaktionen angehören können. Aus ihrem un­mittelbaren Nahkontext sind nämlich oft weder der Anlass der Einfügung noch deren Stoßrichtung ausreichend zu erklären.

3. Biblisch-theologische Implikationen


Die biblisch-theologischen Themen des Zwölfprophetenbuchs sind auf der Basis der Exegese der Einzelschriften durch ausgezeichnete Kommentare und Einzelstudien ja vielfach behandelt worden. Die Frage ist, ob sich durch das Verständnis des Zwölfprophetenbuchs als einer redaktionellen Großeinheit neue Impulse für den Diskurs ergeben.

Als Erstes kann man nennen, dass die theologischen Profile der Einzelschriften im Rahmen der veränderten Sichtweise in ihrem kanonischen Anspruch im besten Sinne relativiert, d. h. in Beziehung zu anderen Prophetien gesetzt werden. Die immer wieder festgestellte und beklagte Einseitigkeit etwa der Schriften Nahum und Obadja erscheint nun in einem anderen Licht. Nahum z. B. muss als Gegenstück zu Joel und als Ergänzung zu Micha verstanden werden. Der bewusst gestaltete Übergang von Micha 7 zu Nah 1 macht deutlich, dass beide Schriften sich vorwiegend auf eine Seite des bipolaren Wesens YHWHs konzentrieren. Nur zusam­mengenommen ergeben sie ein Gesamtbild und nur gemeinsam spiegeln sie die volle Spannung des göttlichen Wesens wider. Die Herausgeber, die die Nahumschrift in das Zwölfprophetenbuch aufnahmen, hatten nie im Sinn, eine nationalistische, mit gewaltverherrlichenden Passagen durchsetzte Position ungebrochen stehen zu lassen. Auch Obadja kommt dezidiert als zwar eigenstän­dige, aber auf Amos bezogene Position in den Blick. Als eine solche individuelle Ergänzung ist sie gemeint und auch nur so kann sie kanonische Geltung beanspruchen. Es wird sozusagen einem einzelnen Propheten in seiner Zeit durchaus zugestanden, auch einmal einseitig und polemisch zu reagieren und dafür sich auch auf Gott zu berufen. Die Gemeinschaft aber, die die Schriften dieser Gestalten weiter pflegt und in ihren Kanon aufnimmt, muss sich der Be­grenztheit dieser Ansprüche bewusst bleiben. Hervorzuheben ist, dass das Zwölfprophetenbuch damit rechnet, dass Propheten auch gleichzeitig aufgetreten sind: Hosea und Amos, Hosea und Micha, Haggai und Sacharja. Es ist anzunehmen, dass man auch nichtdatierte Propheten als Zeitgenossen von datierten Kollegen aufgefasst hat. Da Joel zwischen Hosea und Amos steht, die gleichzeitig aufgetreten sind, muss logischerweise Joel ebenfalls in diese Zeit gehören. Das bedeutet, dass die Differenzen zwischen den Propheten nicht nur mit der gewandelten historischen Situation, sondern auch mit der Persönlichkeit des jeweiligen Propheten und seiner dadurch begrenzten Einsicht in YHWHs umfassendes Wesen erklärt werden können.

Die redaktionelle Anordnung der zwölf Schriften in geschichtlicher Folge bringt die im dtr Geschichtswerk entwickelte Idee der »Prophetenkette« erstmals für ganze Prophetenschriften zur An­wendung. Damit werden zwei Grundprobleme der Prophetie bearbeitet. Im mündlichen Stadium ist erstens die Behauptung eines übernatürlichen Wissens vom Willen und Vorhaben YHWHs ge­genüber den Hörern chronisch schwierig zu erweisen. Darauf antwortet das Zwölfprophetenbuch mit dem Hinweis, dass Propheten durch die Aussagen anderer, zum Teil sogar gleichzeitig auftretender Propheten kontrolliert werden können. Nur wenn diese sich wechselseitig bestätigen, handelt es sich um Gotteswort. Im Prozess der literarischen Weitergabe tut sich zweitens das Problem auf, dass die Gegenwartsanalysen schon bald nicht mehr auf die sich verändernde gesellschaftliche Situation passen und die Zukunftsansagen sich in vielen Fällen doch nicht genau so bewahrheitet haben, wie es die historischen Propheten ursprünglich im Auge ge­habt hatten. Demgegenüber wird die Idee entwickelt, dass YHWH sein Volk in den entscheidenden Situationen nie ohne einen Propheten lässt, der das bewährte Erbe vollmächtig für eine neue Situation erschließen kann. Tritt kein Prophet mehr auf, und das ist die Situation der jüdischen Leserschaft des Zwölfprophetenbuchs, so kommt es darauf an, aus dem lesenden Nach-Denken des Weges der Propheten heraus nach der Zukunft YHWHs zu fragen.

Die Idee der Prophetenkette ist für das Miteinander der monotheistischen Religionen von großer Bedeutung, weil Christen wie Muslime die Kette über Maleachi hinaus fortsetzen: Das Christentum schließt seine Christusüberlieferung an die im Alten Testament zusammengeschlossenen jüdischen Schriften an, welche dadurch wiederum neu verstanden werden. Der Islam bringt den Koran zwar in kein literarisches Verhältnis zu den früheren prophetischen Büchern, trotzdem wird die Mohammed zuteil gewordene Offenbarung als krönender Abschluss der Prophetenkette behauptet. Diese Ansprüche müssten in einem interreligiösen Diskurs auch jeweils aufgewiesen werden.

Aus der Sicht des Neuen Testaments kann festgehalten werden, dass das Dodekapropheton so strukturiert ist, dass es eine große Spannung auf die Zukunft Gottes aufbaut. Für das Neue Testament bricht der »Tag des KYRIOS«, so lautet die griechische Übersetzung von »Tag YHWHs«, der später sprichwörtlich gewordene »jüngste Tag«, in Jesu Auftreten an. Und Christi Wiederkunft wird mit Hilfe der Szenerie dieses Tages zum Ausdruck gebracht. Die Einbeziehung der Heiden in das Gottesvolk, wie sie vor allem die Apostelgeschichte dargestellt und Paulus theologisch begründet hat, knüpft mehrfach explizit an die positive Sicht der Völker im Dodekapropheton an (Apg 15,14–19 zitiert z. B. Am 9,11–12 LXX).

Aus postmoderner Sicht ist die Vielzahl von Autoren, die gleichwohl an derselben Darstellung des prophetischen Gotteswortes mitwirken, ein hochinteressantes Phänomen, weil dadurch eine größere Zerrissenheit in die Idee von der allumfassenden Ganzheit Gottes eindringt. Gottes Geschichte mit Israel und der Schöpfung ist nicht von einer Person und von einem Punkt der Geschichte aus überblickbar. Die übergeordnete Einheit des Geschichtshandelns Gottes bleibt dem standpunktgebundenen Menschen verborgen. Sie lässt sich nur im Modus eines fragilen Prozesses anvisieren, in den hinein sie sich entfaltet. Sie lässt sich nicht mit Bestimmtheit aussagen, sondern nur im Durchschreiten der zwölf Positionen umschreiben. Der Leserschaft wird keine fertige Lösung präsentiert, sondern sie wird auf einen Weg der Sinnsuche mitgenommen. Der gemeinsame Weg ist das Ziel.

Summary


The article presents those hypotheses in recent research on the Book of the Twelve Prophets that have proven to be especially promising for future research. The first part describes the structure of the final text with respect to the beginnings of the writings, their order and the thematic threads. Especially noteworthy are the concept of the Day of YHWH and the description of God’s mercy in Ex 34:6–7. The second part focuses on three redactional phases of the book: the D-Corpus (Hos, Am, Mic, Zeph), the layer that includes Joel and Zech 14, and the final layer that added Jonah and Malachi. In every case the extent, the intentions and the historical setting of the layers are described. The third part discusses some consequences for a biblical-theological understanding of this prophetic book. The idea that twelve independent writings belong together as parts of a chain that does not establish a closed system, but instead illus­trates the bipolar character of God’s essence in a way that leads the reader’s search for hope in a trustworthy direction, could be a model for inter-religious dialogue.

Fussnoten:

1) Jeremias, Jörg: Das Proprium der alttestamentlichen Prophetie, in: ThLZ 119 [1994], 483–494.
2) Nogalski, James: Literary Precursors to the Book of the Twelve, BZAW 217; und ders.: Redactional Processes in the Book of the Twelve, BZAW 218; beide: Berlin-New York 1993.
3) Ben Zvi, Ehud: Twelve Prophetic Books or »The Twelve«: A Few Preliminary Considerations. In: Watts, James W./House, Paul R. (Hrsg.): Forming Prophetic Literature, JSOT.S 235, Sheffield 1996, 125–156, hält dieses Argument sogar für ausschlaggebend. Als neuerer Kritiker sei Perlitt, Lothar: Die Propheten Nahum, Habakuk, Zephanja. Übersetzt u. erklärt v. L. Perlitt. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2004. XVI, 148 S. gr.8° = Das Alte Testament Deutsch, 25/1. Kart. EUR 26,90. ISBN 3-525-51228-7, erwähnt, der in seiner Einleitung »Nahum, Habakuk, Zephanja im Zwölfprophetenbuch« größten Wert darauf legt, dass man den Prophetenbüchern, gerade weil sie im Wesentlichen auf historische Persönlichkeiten zurückgingen, »ihre jeweilige Eigenart belassen« müsse (XV). Dagegen ist jedoch zu sagen, dass sich die Individualität der Propheten bücher nur zu einem geringen Teil vom historischen Propheten herleitet, sie ist viel eher ein Konstrukt der Redaktoren.
4) Deshalb bezeichnet Martin Beck, Das Dodekapropheton als Anthologie, ZAW 118 (2006), 558–581, das Zwölfprophetenbuch als »Anthologie«.
5) Siehe neuerdings die Monographien von Beck, Martin: Der »Tag YHWHs« im Dodekapropheton. Studien im Spannungsfeld von Traditions- und Redaktionsgeschichte. Berlin-New York: de Gruyter 2005. XI, 350 S. gr.8° = Beihefte zur Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft, 356. Lw. EUR 98,00. ISBN 3-11-018575-X; und Schwesig, Paul-Gerhard: Die Rolle der Tag-JHWHs-Dichtungen im Dodekapropheton, BZAW 366, Berlin-New York 2006.
6) Siehe van Leeuwen, Raymond C.: Scribal Wisdom and Theodicy in the Book of the Twelve. In: Perdue, Leo G./Scott, Bernard Brandon/Wiseman, William Johnston (Hrsg.): In Search of Wisdom. Essays in Memory of John G. Gammie. Louisville, KY: Westminster John Knox, 1993, 31-49; Scoralick, Ruth: Gottes Güte und Gottes Zorn. Die Gottesprädikationen in Exodus 34,6 f. und ihre in­tertextuellen Beziehungen zum Zwölfprophetenbuch. Herders biblische Studien 33. Freiburg im Breisgau-Basel-Wien: Herder, 2002.
7) Siehe dazu Jeremias, Jörg: Die Propheten Joel, Obadja, Jona, Micha, ATD 24,3, Göttingen 2007, 31.
8) Jeremias, a. a. O., 107.
9) Budde, Karl: Eine folgenschwere Redaktion des Zwölfprophetenbuchs, ZAW 39 (1921), 218–229.
10) Wolfes Dissertation war bereits für die Reihe BZAW akzeptiert, als die nationalsozialistische Machtergreifung die Publikation verhinderte. So blieb sie ungedruckt. Als kleiner Ersatz erschien dann ein Aufsatz von ihm in der ZAW: Wolfe, Rolland Emerson: The Editing of the Book of the Twelve, ZAW 53 (1935), 90–130.
11) Angemerkt sei, dass die Überschrift Jes 1,1 dieselben Königsnamen enthält wie Hos 1,1, lediglich der Name Hiskija ist anders geschrieben. Andererseits wird nicht der Gattungsbegriff »Wort YHWHs«, sondern stattdessen der Begriff »Vision« gebraucht.
12) Vgl. Precursors, 85–89.278–280; Processes, 274 f. (s. Anm. 2).
13) Schart, Aaron: Die Entstehung des Zwölfprophetenbuchs. Neubearbeitungen von Amos im Rahmen schriftenübergreifender Redaktionsprozesse, BZAW 260, Berlin-New York 1998.
14) Korpus: Hos*, Am 1,1–9,10*, Mi 1,1–3,12*; 6,1–16*; Zef 1,1–3,8*.(11–13?). Redaktionelle Eigenformulierungen: Hos 1,1.2b*; 2,6; 3,1*; 4,1a*; 5,1–2*; 8,1b; 14,2–4; Am 1,1.2.9–12; 2,4–5.10–12; 3,1b.7; 4,6–11*; 5,11.25–26*; 8,4–7.11–12; 9,7–10; Mi 1,1.2.5a.6–7.13b; 2,3*; 6,2–16*; Zef 1,1.6.13b.17aβ.
15) Schwesig, Tag JHWHs-Dichtungen, 45–53 (s. Anm. 5), hat sich der Ab­grenzung Scharts angeschlossen und die These mit einigen neuen Beobachtungen un­termauert, lediglich den Namen »Vierprophetenbuch« hat er von Rainer Albertz übernommen.
16) Albertz, Rainer: Die Exilszeit. 6. Jahrhundert v. Chr. Biblische Enzyklopädie 7. Stuttgart 2001, 164–185, Korpus: Hos 1–14*; Am 1,1–9,10*; Mi 1,3*–5a.9–13a.14–16; 2,1–3.6–11; 3,1–12; Zeph 1,1–3,13*. Eigenformulierungen: Hos (1,5.7?); 3,1bß; 4,1* (15?); 8,1b; (8,6a?); Hos 8,14; (11,5b?); Am 1,1b; 1,9 f.11 f.; 2,4 f.10–12; 3,1b*.7; 5,25(?); 8,11 f.; 9,7–10; Mi 1,5b–7.9*; Mi 1,13b; Mi 5,8(?).9–13; Zeph 1,3 (ohne die Glosse 3aß); Zeph 1,4–6; 1,13b; 1,17aß; Zeph 2,3a; Zeph 2,5–3,8.11–13* (bes. die Verse 3,2.7.11–13).
17) Wöhrle, Jakob: Die frühen Sammlungen des Zwölfprophetenbuches. Entstehung und Komposition, BZAW 360, Berlin-New York 2006. Das Korpus umfasst: Hos 1,1–14,9*; Am 1,1–9,10*; Micha 1,1–7,7*; Zeph 1,1–3,13*. Als Eigenformulierungen betrachtet Wöhrle: Hos 1,1; 3,1–4.5*; 4,1*.10.15; 8,1b; 8,4b–6; 13,2–3; 14,1; Am 1,1*; 2,4–5.9[!]–12; 3,1b*.7; 4,13*; 5,11.25–26; 7,10–17; 8,5.6b.11 f.; 9,7–10; Mi 1,1.5b–7.9.12b; 5,9–13; 6,2–4a.9aab.10–15; Zef 1,1.4–6.13b; 2,1–2.3*.4–6.8–9a; 3,1–4.6–8a.11–13.
18) Schwesig, Tag JHWHs-Dichtungen, 45, Anm. 6 (s. Anm. 5).
19) Wöhrle, Sammlungen, 276 (s. Anm. 17).
20) In der nächsten Schicht, die Schart rekonstruiert, dem Haggai-Sacharja-Korpus, wurde die Hoffnung auf ein Wiedererstarken des davidischen Kö­nigtums auch explizit wieder eingefügt: Hos 3,5; Am 9,11–12; Mi 5,1.
21) Albertz, Exil, 185 (s. Anm. 16).
22) Wöhrle, Sammlungen, 281–282 (s. Anm. 17).
23) Jeremias, Jörg: Die Anfänge des Dodekapropheton: Hosea und Amos. In: Ders., Hosea und Amos. Studien zu den Anfängen des Dodekapropheton, FAT 13, Tübingen 1996, 34–54.
24) Schart, Entstehung, 101–155 (s. Anm. 13).
25) Wöhrle, Sammlungen, 241–245 (s. Anm. 17).
26) Nogalski, Processes, 275–278 (s. Anm. 2).
27) Schart, Entstehung, 261–282 (s. Anm. 13).
28) Schwesig, Tag JHWHs-Dichtungen, 78–236.
29) Siehe auch Gärtner, Judith: Jesaja 66 und Sacharja 14 als Summe der Prophetie. Eine traditions- und redaktionsgeschichtliche Untersuchung zum Abschluss des Jesaja- und des Zwölfprophetenbuches, WMANT 114, Neukirchen-Vluyn, 2006.
30) Beck, Tag YHWHs, 241 (s. Anm. 5).
31) Ben Zvi, Twelve, 154 (s. Anm. 3), weist darauf hin, dass es schon deshalb unwahrscheinlich ist, dass die Prophetenbücher unabhängig voneinander überliefert wurden, weil die Zahl von literarisch gut ausgebildeten Personen in Juda und Jerusalem ziemlich überschaubar gewesen sein muss: »Moreover, it is not only hard to imagine ›Obadianic‹, ›Zephanic‹, ›Jeremianic‹, ›Isaianic‹ groups (or ›disciples groups‹) each using its own characteristic expressions, each redacting one single book, and, perhaps, each considering one single book as the divine teaching for the community, but also there is absolutely no evidence for such a proposal.«
32) Schwesig, Tag JHWHs-Dichtungen, 78–236 (s. Anm. 5), hat eine solche Synchronlesung in eindrucksvoller Weise unternommen und damit Becks Sicht von einem völlig disparaten, nur auf Grund zufälliger Berührungen vereinten Zehnerkorpus gründlich widerlegt.
33) Becks Rekonstruktion der Geschichte der Tag YHWHs-Vorstellung hätte durchaus interessante Argumente für eine Schichtung geboten, die Beck allerdings völlig unberücksichtigt lässt. So gehören Am und Zef insofern zu­sammen, als sie den Tag YHWHs als im Exil eingetroffen betrachten. Joel 2 betrachtet ihn wieder als zukünftig, aber als ein vermeidbares Ereignis. In eine Schicht ließen sich auch die von Beck so genannten »protoapokalyptischen« Textschichten einordnen.
34) Bosshard-Nepustil, Erich: Rezeptionen von Jesaia 1–39 im Zwölfprophetenbuch. Untersuchungen zur literarischen Verbindung von Prophetenbüchern in babylonischer und persischer Zeit, OBO 154, Freiburg (Schweiz)-Göttingen 1997. Als redaktionelle Zusätze in die bereits vorliegenden Schriften können nach ihm gelten: Hos 1,2a; 5,9; 8,14; *12; Am 2,16b; 5,18–20; 8,3.9–10.13–14; Mi 7,4b; 5,9–13; Nah 2,4.11.
35) Roth, Martin: Israel und die Völker im Zwölfprophetenbuch. Eine Untersuchung zu den Büchern Joel, Jona, Micha und Nahum. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2005. 316 S. gr.8° = Forschungen zu Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments, 210. Lw. EUR 64,00. ISBN 3-525-53074-9; 295–298.
36) Dass Jona in der ältesten erhaltenen Zwölfprophetenbuch-Handschrift 4QXII(a) wahrscheinlich nach Maleachi stand, könnte darauf zurückzuführen sein, dass der Platz Jonas in diesem Stadium des Redaktionsprozesses noch nicht abschließend geklärt war.
37) Jeremias, Joel, 120 (s. Anm. 7). Jeremias erwägt, ob nicht auch Mi 4,11–13 zu dieser Schicht gehört.
38) Siehe Schart, Aaron: Putting the Eschatological Visions of Zechariah in their Place. Malachi as a Hermeneutical Guide for the Last Section of the Book of the Twelve. In: Boda, Mark J./Floyd, Michael H. (Hrsg.): Bringing out the Treasure. Inner Biblical Allusion in Zechariah 9–14, JSOT.S 370, London-New York 2003, 333–343.
39) Roth, Israel, 168 (s. Anm. 35), eventuell ist speziell an die Situation in Alexandria zu denken.