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Ausgabe:

Februar/2008

Spalte:

123–142

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Rochus Leonhardt

Titel/Untertitel:

Christliche Identität in postsäkularer Zeit.
Die Rückkehr der Religion im Spiegel neuerer Einführungen in den christlichen Glauben.

»Das Land von Luther, Marx und Nietzsche hat den Glauben an die Gottlosigkeit verloren.« – Mit dieser paradoxen Formulierung hat Spiegel-Reporter Alexander Smoltczyk die zunehmend verbreitete Einsicht auf den Punkt gebracht, dass die viel beschworene Rück­kehr der Religion ins vermeintlich säkularisierte alte Europa auch vor Deutschland nicht Halt macht.1 Und in der Tat: Schon ein flüchtiger Blick in die Feuilletons namhafter deutscher Tages- und Wochenzeitungen sowie bereits eine oberflächliche Durchmusterung der Neuerscheinungslisten einschlägiger deutscher Verlage liefern zahlreiche Beispiele für das neue Interesse an der Religion.

Die Konjunktur des Religionsthemas löst ganz unterschiedliche Reaktionen aus. So wird von einigen die »Wiederkehr religiöser Deutungsmächte« lediglich als »ein periodisches Phänomen der Moderne« aufgefasst – und damit wohl eher tiefgestapelt.2 Andere Zeitdiagnostiker überhöhen dagegen den religious turn zu einer Epochenwende: »Die abgekühlte Religion des Christentums wird … aus dem Unterbewusstsein des Westens wieder auftauchen«3.

Doch auch dort, wo die Diagnose als solche kaum strittig er­scheint, also eine »Wiederkehr der Götter« (Friedrich Wilhelm Graf) bzw. eine »Desecularization« (Peter L. Berger4) als signifikantes Gegenwartsphänomen zugestanden wird, besteht noch längst keine Einigkeit über die Beurteilung des Sachverhalts. Die uneingeschränkte Zu­stimmung, die Wolfram Weimer, der eben schon zi­tierte Chefredakteur des Monatsmagazins »Cicero«, in dieser Frage geäußert hat, wird keineswegs allgemein geteilt; nicht alle mögen »die Wiederkehr der Religion« als »überraschende Rückkehr eines verschollenen Vaters für die Familie« verstehen.5 Jürgen Habermas etwa, auf den das im Titel dieses Beitrags verwendete Stichwort ›postsäkular‹ bekanntlich zurückgeht, setzt zwar auf die welterschließende Kraft der religiösen Semantik, um die desintegrativen Folgen einer entgleisenden Modernisierung zu bändigen; er ge­steht sogar »dieepis­temische Abhängigkeit der philosophischen Begriffs- und Theo­riebildung von der Inspirationsquelle der religiösen Überlieferung«6 zu und fordert von der Philosophie, sich gegenüber religiösen Überlieferungen lernbereit zu halten,7 aber eine gesamtgesellschaftliche Relevanz möchte er den semantischen Potenzialen der Religion(en) dann doch nur insoweit zugestehen, als »sie [sc. die semantischen Potenziale] ihre profanen Wahrheitsgehalte preisgeben«8.

Die neue Relevanz der Religion begegnet allerdings nicht nur emphatischer Zustimmung (Weimer) oder zumindest einem In­teresse an der »säkularisierenden Entbindung religiös verkapselter Bedeutungspotentiale« (Habermas9); wo die gefühlte Tendenz zur Desäkularisierung als regressives Phänomen beurteilt wird, kommt es auch zur Forderung nach einer Vollendung des Säkularisierungsprozesses. Anders formuliert: Der Renaissance der Religion korrespondiert eine Renaissance der Religionskritik: »Gott ist an allem schuld« – so titelte vor einiger Zeit der Spiegel (22/2007: 26.05.2007), um unter diesem Motto über einen »Kreuzzug der neuen Atheisten« zu berichten. In der zeitgenössischen Religionskritik wird die Religion (vor allem die christliche) an die Schattenseiten ihrer Geschichte erinnert, und es wird auf zeitgenössische Fundamentalismen (gerade auch innerhalb des Christentums) verwiesen, die als Kronzeugen für den notorisch vernunft-, wissenschafts- und humanitätsfeindlichen sowie totalitär-antidemokratischen und konfliktfördernden Charakter der (christlichen) Religion aufgerufen werden. – Das in englischer Sprache (»The God Delusion«) zuerst im Jahre 2006 erschienene, von dem Oxforder Evolutionsbiologen Richard Dawkins verfasste Buch »Der Gotteswahn« 10, das sich 22 Wochen lang auf der Sachbuch-Bestsellerliste der »New York Times« hielt, ist ein gutes Beispiel für das Comeback der Religionskritik. Es gibt gute (hier nicht weiter auszuführende) Gründe da­für, dass Publikationen dieser Art derzeit vorrangig im angelsächsischen Bereich eine Konjunkturphase erleben;11 es steht freilich zu erwarten, dass sich der Glaube an die Gottlosigkeit in Zukunft auch im Land von Luther, Marx und Nietzsche (wieder) stärker artikulieren wird.12

Die vorstehenden Hinweise bilden den Hintergrund für die nun folgende Besprechung von insgesamt 14 ganz verschieden angelegten neueren Einführungen in den christlichen Glauben, die aus unterschiedlichen Kontexten stammen. Ein kürzerer erster Abschnitt widmet sich sieben Darstellungen, die darauf zielen, elementare, teilweise sogar vertiefte Kenntnisse über das Christentum gegenwartskompatibel zu vermitteln. In einem ausführlicheren zweiten Abschnitt werden sieben Versuche einer zeitgemäßen Auslegung des Apostolischen Glaubensbekenntnisses taxiert. Ab­ gerundet wird der Beitrag durch ein Fazit, das die vorgestellten Einführungen in den christlichen Glauben auf die ambivalent beurteilte zeitgenössische Konjunktur des Religionsthemas be­zieht.

1. Darstellungen des christlichen Glaubens*


Zur rituellen Ausgestaltung der Katechumenentaufe in altkirchlicher Zeit gehörte die Verbindung des zentralen Wassertaufakts mit einem interrogatorischen Taufbekenntnis: Der Täufling wurde nach seinem Glauben an die maßgeblichen Inhalte des – trini­tarisch strukturierten – christlichen Bekenntnisses gefragt »und nach jeder affirmativen Beantwortung in das Wasser hineingetaucht«13. Gegenwärtig wird beiläufig an diese interrogatorische Praxis angeknüpft, allerdings lediglich so, dass vermeintliche Fragen von mehr oder weniger kirchen-, christentums- und religionsabstinenten Zeitgenossen aufgenommen und dergestalt beantwortet werden, dass eine Einführung in den christlichen Glauben herauskommt.

Ein Beispiel für diese Praxis bietet die in locker-süffigem Stil gehaltene Beantwortung der »101 wichtigsten Fragen« zum Chris­tentum; sie stammt von dem Hamburger Hauptpastor und Privatdozenten für Systematische Theologie, Johann Hinrich Claussen (geb. 1964). Claussen möchte, angesichts der Tatsache, dass das »Christentum … vielen Westeuropäern ein Rätsel geworden« ist, »die religiöse Allgemeinbildung« auffrischen (1: 11)14. Seine Antworten zu den mutmaßlichen Fragen hat Claussen auf zwölf Komplexe verteilt. Den Einstieg bilden Überlegungen zur gegenwärtigen Lage des Christentums; abgeschlossen wird die Frage-Antwort-Reihe durch Reflexionen zum Wesen des Christentums. Innerhalb des so gesetzten Rahmens wird zunächst die Bibel thematisiert, der die meisten Fragen gewidmet sind. Es folgen Informationen zu Gott, zu Jesus sowie zum Heiligen Geist und der frühen Kirche. Mit Katholizismus und Protestantismus werden dann die für das westeuropäische Christentum wichtigsten Konfessionsfamilien behandelt, bevor Claussen auf die spezifische Situation des neuzeitlichen (und modernen) Christentums zu sprechen kommt. Nach Hinweisen zu Gottesdienst, Frömmigkeit und (christlicher) Ethik wird dann das Verhältnis des Christentums zu anderen Religionen thematisiert.

Was die Lektüre von Claussens Büchlein anregend macht, ist die Anreicherung der Sachinformationen durch »Geschichten, Gedichte, Gebete und Gesänge« (1: 12)15. Gerade solche Antworten, bei denen der Leser des Inhaltsverzeichnisses zunächst einen rein in­formativen Charakter vermutet, greifen gelegentlich deutlich weiter aus. Im Blick auf die Frage etwa, was Protestantismus mit Protest zu tun hat, erfolgt zunächst der sachlich informative Verweis auf die Reformationsgeschichte zwischen 1521 und 1529. Dann aber wird die hier greifbare »Betonung des Gewissens« zunächst mit dem »Anfang neuzeitlicher Freiheitsliebe« (1: 86) in Verbindung gebracht, was schließlich anhand eines Dialogstücks aus dem Ki­nofilm über Sophie Scholl aus dem Jahr 2005 illustriert wird. Auch sonst sind Claussens Fragen und Antworten an vielen Stellen einfallsreich. Wie z. B. sein selbstbewusster Versuch, den Inhalt der Bibel in einem Satz zusammenzufassen (vgl. 1: 18), den Mut zur Lücke belegt, so steht etwa die Behandlung der akademischen Theologie im Anschluss an Fausts berühmte Klage (»… und leider auch Theologie«) für seine unkonventionelle Kreativität (vgl. 1: 72–75). Neben solchen geistreich-augenzwinkernden Abschnitten enthält das Buch aber auch dezidierte theologische Urteile: »Die Bergpredigt enthält keine Moral für diese Welt.« (1: 53); die Einheit der Kirchen ist kein erstrebenwertes Ziel (vgl. 1: 81–83); Christentum und Aufklärung sind, jedenfalls in evangelischer Perspektive, keine Ge­gensätze (vgl. 1: 98–100 sowie schon 74); das (auf Hans Küng zurück­gehende) Projekt Weltethos ist nicht nur »ein illusionäres, sondern auch … ein gewaltsames Vorhaben« (1: 143); das im Christentum verheißene Heil ist »die höchste Form des Glücks« (1: 130); »die lutherische Rechtfertigungslehre läßt sich kaum noch für mo­derne Christen verständlich darlegen« (1: 87). – Abgesehen von der zuletzt genannten Auffassung vermag ich den zitierten Überzeugungen durchgängig zuzustimmen.

Ein katholisches Pendant zu Claussens interrogatorischer Auffrischung der religiösen Allgemeinbildung bildet das in quantitativer Hinsicht um einiges gewichtigere Buch von Wolfgang Beinert (geb. 1933), der bis 1998 als Ordinarius für Dogmatik und Dogmengeschichte in Regensburg lehrte. Die – durch ein hilfreiches Regis­ter ergänzte – aus insgesamt 52 Kapiteln bestehende Darstellung geht auf eine Serie von Artikeln zurück, die Beinert unter dem Titel »Der Glaube der Christen« im Regensburger Bistumsblatt publiziert hat. Auch in Beinerts Buch lassen sich die einzelnen – regelmäßig durch eine Illustration und einen graphisch hervorgehobenen Text ergänzten – Kapitel verschiedenen Schwerpunkten zuordnen (vgl. 2: 9): Nach der Behandlung von Quellen und Grundlagen des Glaubens werden Gotteslehre, Christologie und Anthropologie er­örtert. Es schließen sich die Ekklesiologie sowie eine Behandlung des konfessionellen und religiösen Pluralismus an, bevor abschließend Fragen der christlichen Existenz angesichts der Geschicht­lichkeit des Glaubens und der Spannung zwischen Sünde und Heil(igung) aufgeworfen werden.16 Zahlreiche Querverweise ma­chen die vielfältigen Zusammenhänge deutlich, durch die etliche Kapitel miteinander verbunden sind.

Das ausgewiesene konfessionelle Profil von Beinerts informativer Darstellung wird vor allem an zwei Stellen greifbar. Zum einen kommen neben der Bibel auch Tradition, kirchliches Lehramt und Glaubenssinn der Gläubigen als Bezeugungsinstanzen des Glaubens zur Sprache. Zum anderen wird die für den römischen Katholizismus bekanntlich besonders wichtige Ekklesiologie ausführlicher erörtert als alle anderen Themen; die mit ihr befassten zwölf Kapitel umfassen knapp ein Viertel des Buches. Neben dieser konfessionellen Prägung zeichnen sich Beinerts Auskünfte zum Glauben der Christen vor allem durch zwei Merkmale aus. Hervorzuheben ist, erstens, das ökumenische Interesse: »Man kann nicht für Christus und gegen die Ökumene sein« (2: 212). Diese unter Berufung auf Joh 17,21 vorgetragene Feststellung verbindet sich einerseits mit einer ungeschönten Wahrnehmung gerade auch der vom Katholizismus verantworteten Hürden; eucharistische Gemeinschaft, apostolische Sukzession und Anerkennung des Papstamtes werden ausdrücklich genannt (vgl. 2: 214 f.). Andererseits gibt Beinert, mit dem Rückenwind der zum Erscheinungszeitpunkt seines Buches noch einigermaßen frischen Gemeinsamen Erklärung von 1999, der lutherischen Bestimmung der Rechtfertigungslehre als »rector et iudex super omnia genera doctrinarum« (WA 39 I, 205,2 f.) ausdrücklich Recht (vgl. 2: 116) – allerdings nicht, ohne auf die »Uneinsichtigkeit der Bedeutung« dieser Lehre im gegenwärtigen Lebenskontext hinzuweisen (ebd). Hervorzuheben ist, zweitens, der realistisch-selbstkritische Sinn für die Schattenseiten der katholischen Tradition. So wird auf den langfristigen Schaden verwiesen, den der neuzeitliche »Streit zwischen kirchlicher Lehre und naturwissenschaftlicher Theorie« (2: 52) über die Weltentstehung für die katholische Kirche gebracht hat (vgl. 2: 51–56). Ebenso wird das zeitgenössische Engagement der katholischen Kirche für die universale Geltung der Menschenrechte kontrastiert mit der bis weit ins 20. Jh. hineinreichenden lehramtlichen Verwerfung des Menschenrechtsgedankens (vgl. 2: 102–106) – eine Ambivalenz, die sich unschwer auch im deutschsprachigen Protestantismus nachweisen ließe.

Eine ebenfalls vorrangig auf Informationsvermittlung angelegte Orientierung über das Christentum aus katholischer Perspektive enthält der imponierende Band des emeritierten Professors für Religionspädagogik an der Pädagogischen Hochschule Reutlingen, Hubertus Halbfas (geb. 1932). Dieser aufwändig gestaltete (durch zahlreiche farbige Abbildungen illustrierte und durch Informationen, Erläuterungen und einschlägige Zitate angereicherte) Band führt zunächst in 15 Informationskapiteln eindrücklich vor Augen, wie intensiv die biblisch-christliche Tradition mit der europä­ischen Kultur verwoben ist – auch wenn seit der Aufklärung ein zunehmendes Auseinanderfallen von christlicher Welt und Kultur verzeichnet werden muss. Diesen Zusammenhang stellt Halbfas umfassend dar: Das Verhältnis von Kirche und Staat wird ebenso behandelt wie das von Kirche und Judentum; Lehre, Kult und verschiedene kirchliche Lebens- und Frömmigkeitsformen kommen ebenso zur Sprache wie die geschichtlichen Wandlungen in der Haltung zum Krieg; christliche Mission und die Praxis christlicher Nächstenliebe werden ebenso thematisch wie der Umgang mit Ketzern, die Rolle der Frauen und die Wandlungen im Gottesbild vom Neuen Testament bis zu Hans Jonas und Dorothee Sölle. Den Rahmen dieser Kapitel bilden Hinweise und Reflexionen zur Person und Botschaft Jesu, mit denen das 1. Kapitel befasst ist und die im Schlussabschnitt des 15. Kapitels wieder aufgenommen werden. Hier, ganz am Ende des materialgesättigten Nachvollzugs der wechselvollen Wirkungsgeschichte des Mannes aus Nazareth, erklärt Halbfas resümierend (unter Berufung auf die bibelwissenschaftlichen Erkenntnisse seit Richard Simon), das mit dieser Wirkungsgeschichte verbundene »traditionelle Glaubensverständnis« sei erschüttert; »eine neue Zukunft« könne dem Christentum aber daraus erwachsen, dass versucht wird, »den geschichtlichen Jesus aus dem Schutt und Geröll der Jahrhunderte auszugraben« (3: 567).

Damit ist bereits das systematische Interesse von Halbfas angesprochen, das in seinem »Ausblick« deutlich wird, der das Buch als eine Art Epilog abschließt. Dieser Ausblick enthält nicht weniger als eine zugespitzte Krisendiagnose zur Situation des gegenwärtigen (katholischen) Christentums, verbunden mit der Forderung einer »Umwertung und Neubestimmung bisher geltender Grundannahmen …, die innerhalb des tradierten kirchlichen Bewußtseins bis heute unbefragt und unbezweifelt sind« (3: 573). 17 Als »fünf Parameter für eine Revitalisierung des Christentums« (3: 577) gelten ihm eine Integration des feministischen Bewusstseins in die Kirche, die Kultivierung einer metadogmatischen Sprachbildung in der Dogmatik, eine Anpassung kirchlich verwalteter Religiosität an die Pluralität gegenwärtiger Lebensentwürfe und Lebensformen, eine Vision ökumenischer Eintracht, »die den Grund des Christlichen nicht länger in der Orthodoxie des Buchstabens, sondern in dienender Solidarität mit den ›geringsten Brüdern‹« sucht (3: 576), sowie eine Umstellung kirchlicher Arbeit von kultischer auf soziale und kulturelle Präsenz (vgl. 3: 573–577).

Halbfas’ Umwertungsrhetorik atmet den Geist der 80er Jahre des vergangenen Jahrhunderts, der im Weltkatholizismus be­kanntlich bis heute ein Randphänomen geblieben ist. Die zukünftigen Chancen eines religiösen Paradigmenwechsels18 im Katholizismus können – zumal aus protestantischer Sicht – nicht zuverlässig prognostiziert werden; die Erfahrung freilich lehrt, dass hier – bei aller zugestandenen Wünschbarkeit – eher Skepsis geboten ist.

Eine weitere Einführung in das Christentum aus katholischer Hand stammt von Georg Hintzen (geb. 1935), der zwischen 1984 und 2000 das Paderborner Johann-Adam-Möhler-Institut für Ökumenik leitete. Auch dieses – leider ohne Registerteil gebliebene – Buch zielt vor allem auf die Vermittlung von Informationen ab. Allerdings verzichtet die ausdrücklich auch an Nichtchristen ge­rich­tete Einführung darauf, auf die unterschiedlichen Präsenzformen des christlichen Erbes in der Gegenwartskultur zu verweisen. Im Vergleich mit den bisher besprochenen Entwürfen ist deshalb die Lektüre weniger anregend und kurzweilig und erreicht, was den Gehalt an Informationen zum (katholischen) Christentum an­geht, auch nicht das Niveau der Entwürfe von Beinert und Halbfas. Als Besonderheit kann indes Hintzens erklärte Absicht gelten, »in das Christentum einzuführen, nicht in eine bestimmte Konfession«; jedenfalls sollen in seiner Darstellung »die konfessionellen Unterschiede … noch nicht als eigentlich kirchentrennende Gegensätze zum Tragen kommen« (4: 8). Doch dieser – schon in sich wenig plausible – Anspruch eines überkonfessionellen Standpunkts wird nicht eingelöst. Dass, bei aller Betonung der Geschichtlichkeit des Glaubens, an keiner Stelle das Verhältnis zwischen biblischer und nachbiblischer Tradition problematisiert wird, kann als Indiz da­für gelten, dass das Buch an einer bekanntermaßen konfessionell sensiblen Stelle sogar ›katholischer‹ ist als die oben besprochenen Darstellungen seiner katholischen Kollegen. Im Zusammenhang der Ekklesiologie räumt Hintzen selbst ausdrücklich ein, dass im Blick auf »Verfassung und Ordnung der Kirche (z. B. hinsichtlich ihrer Sakramente, ihrer Ämter und ihrer Lehrvollmacht)« an den »auch heute noch als kirchentrennend« qualifizierten Differenzen nicht vorbeigegangen werden kann (4: 243).

Die drei folgenden Darstellungen höchst unterschiedlichen Charakters stammen erneut aus dem evangelischen Bereich. Der über den innerkirchlichen Raum hinaus bekannte Theologe Jörg Zink (geb. 1922), durch seine langjährige Arbeit als Fernsehbeauftragter der Württembergischen Landeskirche im Süddeutschen Rundfunk sowie durch seine zahlreichen Auftritte im »Wort zum Sonntag« eine Art Nestor der evangelischen Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit, hat eine Einführung in den christlichen Glauben vorgelegt, die in einem fast meditativen Stil gehalten ist. Darin soll deutlich werden, so Zink, »was der christliche Glaube für mich selbst durch ein langes Leben hindurch bedeutet hat und noch be­deutet« (5: 12).

Drei Aspekte sind in Zinks Versuch von Bedeutung. Zunächst stellt er, wie schon der Buchtitel signalisiert, den Vertrauensaspekt des Glaubens in den Vordergrund; der christliche Glaube schlägt gleichsam eine Schneise des Vertrauens in die Unübersichtlichkeit der Welt – und gibt dadurch Lebensorientierung (vgl. 5: 9 f.). Es entspricht diesem Zugang, dass die Annäherung an die Gottesfrage über die menschliche Gottesbeziehung, namentlich über das Gebet (konkret: das Vaterunser), erfolgt (vgl. 5: 38 ff.) und eine philosophische Theologie ausdrücklich abgelehnt wird: »Am Ende, die Philosophen, die so viel von Gott geredet haben, mögen mir vergeben, werden sie mit ihren Gedanken weder über Gott noch über unsere Beziehung zu ihm irgendetwas aussagen« (5: 36). Der zweite Aspekt betrifft den durchgehend betonten Zusammenhang zwischen Christentum und Glück: »Jesu wichtigste Rede, die Bergpredigt, beginnt mit einem Hymnus auf das sinnvolle, glückliche, gelingende Leben« (5: 99); die Seligpreisungen der Bergpredigt werden als »Die seltsame Lehre vom Glück« interpretiert (vgl. 5: 110 ff.). – Damit wird, gegen die traditionelle Zurückhaltung der evangelischen Theologie in dieser Frage, der lebensweltlich hochvirulente Glücksbegriff in die christliche Glaubensreflexion integriert (vgl. dazu schon 1: 130).19 Schließlich, drittens, zielt Zink auf eine zeitgerechte Aktualisierung zentraler biblischer Zusammenhänge. Die­ses Interesse hat sich bereits in den zahlreichen paraphrasierend-aktualisierenden Übertragungen biblischer Texte niedergeschlagen, die Zink seit den 60er Jahren vorgelegt hat. Im vorliegenden Buch sind es neben dem Vaterunser und den Seligpreisungen der 121. Psalm (5: 126 f.), der Dekalog (5: 88–95) und der priesterliche Schöpfungsbericht (5: 48–52), die auf die gegenwärtige Erfahrungswelt hin durchsichtig gemacht werden sollen.

Auf weniger als 60 Textseiten führt der Schweizer reformierte Pfarrer im Ruhestand Hans Ulrich Jäger-Werth (geb. 1936) in den evangelisch-reformierten Glauben ein. Auch hier zeigt schon der Titel an, dass der christliche Glaube als lebensorientierende Vertrauenshaltung verstanden wird: »[S]o vieles im Leben macht Angst, so vieles verläuft enttäuschend. Es ist der Glaube an das Evangelium, der uns trotz allem vertrauen lässt« (6: 7). In der Durchführung ist die geradezu programmatisch anmutende Zurückhaltung im Blick auf dogmatische Fragen bemerkenswert: »Es hat wenig Sinn, darüber zu streiten, wer die richtige Auffassung von Christus hat. Die Hauptsache ist, dass wir auf sein Evangelium vertrauen« (6: 16). Den Schwerpunkt der Darstellung bilden ekklesiologische Fragen (vgl. 6: 23 ff.): Die Glaubensgemeinschaft wird als für die Entstehung und Kultivierung des individuellen Glaubens konstitutive Größe eingeführt, wobei die Vielfalt christlicher Glaubens- und Lebensformen ausdrücklich positiv gewertet wird; Herkunft, Selbstverständnis, Struktur und Praxis gegenwärtiger reformierter Kirchlichkeit (europäischer Prägung) werden kurz skizziert, bevor abschließend das christliche Vertrauen in eine (zukünftig-geschichtstranszendente) Vollendung des Gottesreiches in die Anregung umgemünzt wird, die Gestaltung der gegenwärtigen Verhältnisse »so gut es geht nach dem Willen Gottes auszurichten« (6: 58).

Einen anderen Zuschnitt als die bisher besprochenen Titel hat die von dem VELKD-Oberkirchenrat Norbert Dennerlein (geb. 1962) und dem Bonner Ordinarius für Praktische Theologie Michael Meyer-Blanck (geb. 1954) gemeinsam herausgegebene »Evange­lische Glaubensfibel«. Auf knapp 190 Seiten wird, angebahnt durch ein Geleitwort von Wolfgang Huber, von insgesamt 43 Autoren das »Grundwissen der evangelischen Christen« in 54 kurzen Kapiteln dargestellt. In der von Meyer-Blanck verfassten Einleitung (»Was ist evangelisch?«; vgl. 7: 13–20), dem ausführlichsten Kapitel des Buches, wird die konfessionelle Ausrichtung des Bandes rechtfertigungstheologisch profiliert. Leider wird der sonst in nahezu allen Artikeln durchaus gut umgesetzte Anspruch auf allgemeine Verständlichkeit gerade an dieser Stelle nicht eingelöst. Die übrigen 53 Kapitel sind auf sechs Schwerpunkte verteilt, denen jeweils, wie schon der Einleitung, ein farbiger Kunstdruck mit kunsthistorischer und theologischer Interpretation vorangestellt ist. Den Auftakt bildet erwartungsgemäß die Bibel, an deren Be­handlung sich Ausführungen zu den zentralen Themen des christlichen Glaubens anschließen. Der (etwa bei Halbfas großräumig ausgearbeiteten) historischen Entwicklung des Christentums wird nur auf sehr engem Raum direkte Beachtung geschenkt (vgl. 7: 80–84; Wolfram Kinzig). Den zentralen Interessen der Herausgeber entsprechend sind es ekklesiologische Themen, die den Schwerpunkt des Bandes bilden: Die damit befassten etwa 85 Seiten sind auf die drei Schwerpunkte Gemeinde, Gottesdienst und Kirchenjahr verteilt. Sieben Ab­schnitte zur Bedeutung des evangelisch-christlichen Glaubens für den Alltag schließen den durch ein hilfreiches Sachregister ergänzten Band ab.

2. Auslegungen des Apostolischen Glaubensbekenntnisses**


Das aus einer 1996/97 gehaltenen Vorlesung für Hörer aller Fakultäten hervorgegangene Buch des Leipziger Systematikers Ulrich Kühn (geb. 1932)20 setzt ein mit dem Hinweis auf die ambivalente Bilanz, die im Blick auf die Prägung der europäischen Kultur durch das Christentum gezogen werden muss (vgl. 8: 12–23). Nach Kühn gilt: »Nur zwei ›Erzählungen‹ seiner Geschichte [sc. der des Chris­tentums] vermitteln ein zureichendes Bild« (8: 13). Die negative Ge­schichte erzählt von der Verquickung des christlichen Glaubens mit politischen Machtinteressen, von der Intoleranz des Christentums gegenüber Andersgläubigen, von der Blindheit der christlichen Kirchen angesichts der sozialen Frage im 19. Jh. und von der Anfälligkeit etlicher Pfarrer und Universitätstheologen für die to­talitären Ideologien des 20. Jh.s. Die positive Geschichte hebt die Anteile des Christentums an der europäischen Kultur- und Wissenschaftsent wicklung ebenso hervor wie die Bedeutung des biblischen Menschenbildes für den »Gleichheitsgrundsatz unserer Rechtsordnung« (8: 15); vom Einfluss des christlichen Diakonie-Gedankens auf den modernen Sozialstaat ist hier ebenso die Rede wie von »wi­derständigen Haltungen von Christen und Kirchen gegenüber den Diktaturen und Ideologien des 20. Jahrhunderts« (8: 16).

Zu den Koordinaten, innerhalb derer eine zeitgemäße Besinnung auf den christlichen Glauben anzusiedeln ist, gehören nach Kühn neben diesem ambivalenten historischen Erbe auch ein (je­denfalls in Westeuropa) fortgeschrittener Säkularisierungs- und Entkirchlichungsprozess sowie eine durch die Globalisierung be­dingte verstärkte Begegnung mit religiösen Traditionen nichtchristlicher Provenienz; auch das Faktum der Konfessionalisierung (»die Spaltung der Christenheit«; 8: 20) wird »als eine Last aus der Geschichte des Christentums« in Anschlag gebracht, stellt sie doch, so Kühn, »die versöhnende Macht des christlichen Glaubens immer wieder in Frage« (ebd).

Bevor sich Kühn vor dem skizzierten Hintergrund den Aussagen des Apostolischen Glaubensbekenntnisses widmet, behandelt er als die »Urkunden des Glaubens« (8: 24–46) die zweiteilige Bibel und die Glaubensbekenntnisse. Die Behandlung von »Wesen und Inhalt des Glaubens« (8: 47–218) selbst setzt dann sachgerecht mit der Frage ein, was das mehrschichtige Wort ›Glaube‹ im christlichen Kontext bedeutet – eine Frage, auf die er ganz am Schluss des Buches, nach dem Durchgang durch die inhaltlichen Aussagen des Apostolikums, erneut zurückkommt (vgl. 8: 219–221). An beiden Stellen zielt Kühn ersichtlich darauf, den Glauben vorrangig als »eine Haltung des Vertrauens« (8: 51) zu bestimmen, »als Lebensvorgang, als Lebensform« (8: 53), der zwar auf Rechenschaftslegung zielt (vgl. den Bezug auf 1Petr 3,15; 8: 54), aber gleichwohl keine »neutrale wissenschaftliche Erkenntnis von Gott« meint, sondern »Ausdruck von Erfahrungen [ist], die Menschen mit Gott gemacht haben« (8: 57). Wie auch Horst Georg Pöhlmann (vgl. 9: 13) greift Kühn zurück auf die von Joseph Ratzinger (vgl. 12: 62 ff.) geprägte Bestimmung des Glaubens als »Stehen und Verstehen« (vgl. 8: 219 sowie Anm. 30).

Die Behandlung der konkreten Inhalte des Apostolikums ist ins­gesamt getragen von dem Bemühen, die vielfältigen kritischen Anfragen aufzunehmen oder zumindest zu berücksichtigen, de­nen der christliche Glaube gegenwärtig begegnet; dabei verweist Kühn gelegentlich auch zurück auf die spezifische Konfliktsituation der christlichen Kirchen in der DDR. Bei der Behandlung des 1. Artikels kommt »Die atheistische Bestreitung der Wirklichkeit Gottes« (8: 63–66) in den Blick; die naturwissenschaftlich argumentierende Version dieser Bestreitung kehrt wieder bei der Behandlung des Verhältnisses von Schöpfungstheologie und naturwis­senschaftlicher Welterklärung (vgl. 8: 75) – ein Problemfeld, das gemeinsam mit der ökologischen Krise (vgl. 8: 76) zu den Herausforderungen der Schöpfungslehre im 20. Jh. gehörte. Auch die Be­handlung der christologischen Aussagen des Bekenntnisses (8: 90–151) setzt ein mit Hinweisen auf »Nichtchristliche Jesusbilder« (8: 92–94), und bei der Behandlung des 3. Artikels (8: 152–212) wird im Bereich der Ekklesiologie auch die sozialwissenschaftliche Perspektive kurz thematisiert (vgl. 8: 171–173).

Kühns offenkundige Sensibilität im Blick auf die gegenwärtige Situation des christlichen Glaubens schlägt allerdings nur partiell auf die konkrete Behandlung der inhaltlichen Aussagen des Apos­tolikums durch. Eine Sicherung der Zukunftsrelevanz des Chris­ten­tums erwartet er offenbar nicht so sehr von einer Transfor­mation der Glaubensinhalte, sondern eher von Erfolgen im öku­me­nischen Dialog: »Um der Glaubwürdigkeit des christlichen Zeugnisses in einer nichtchristlichen Welt willen galt und gilt es, … nach Wegen der Überwindung unserer Trennungen und Teilungen zu suchen« (8: 178; ähnlich argumentiert Beinert; vgl. 2: 212). Dabei ist zunächst die innerchristliche Ökumene im Blick, speziell der lutherisch-katholische Dialog (vgl. den Verweis auf die Ge­meinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre; 8: 181, Anm. 180); allerdings wird, mit Hinweis auf Hans Küngs Weltethos-Projekt, auch eine Ökumene der Weltreligionen als sinnvolle Perspektive betrachtet.

Kurz und knapp, zugleich sehr dicht im Sprachduktus, manchmal fast stakkatoartig, dabei angefüllt mit einprägsamen Formulierungen und eindringlichen außertheologischen Bezügen, hat der Osnabrücker Systematiker Horst Georg Pöhlmann (geb. 1933) das Glaubensbekenntnis für Menschen unserer Zeit ausgelegt:21 Seine Erinnerung an »ein Gegengedächtnis in einer vergesslichen Gesellschaft« möchte die »Insider-Sprache [christlicher Glaubensrechenschaft] dem outsider verständlich … machen« (9: 7). Auch er siedelt seine Glaubensrechenschaft explizit im ökumenischen Ho­rizont an, wobei dem katholisch-lutherischen Dialog eine zentrale Bedeutung beigemessen wird (vgl. 9: 9 f.74). Interessant ist aber vor allem die von Pöhlmann vollzogene Erhebung des Glücksbegriffs zu einem Zentralgedanken christlicher Glaubensreflexion: »Der Sinn des Lebens besteht darin, glücklich zu sein, und Gott ist das letzte und volle Glück, das die Spiegelscherben unseres Glücks zum Ganzen fügt. … Immer wenn uns ein Glücksgefühl überfällt, ist Gott am Werk« (9: 17; vgl. das Verständnis des christlichen Glaubens als einer Wegweisung für gelingendes Leben bei Jörg Zink; 5: 9 f. 24.99.110 ff.). Erstaunlich ist allerdings, dass der Glücksgedanke lediglich in der Gotteslehre und in der Eschatologie ausdrücklich aufgenommen wird (vgl. 9: 77 f.). Dabei hätten sich auch die Überlegungen zum Gedanken der Sündenvergebung für eine Aufnahme des Glücksbegriffs angeboten: Die Aktualität dieser (in der Rechtfertigungslehre ausgearbeiteten) Bekenntnisaussage erblickt Pöhlmann nämlich in einer »Verkleinerung des Menschen auf seine natürliche Größe« durch die Befreiung von der Illusion eines »Do-it-yourself-Paradies[es]«; dadurch wird der Mensch in eine heilsame Distanz zu »Erfolgswahn und Ehrgeizgezappel unserer Leistungsgesellschaft« versetzt und auch frei von der »Droge Anerkennung« als dem »Zwang, auf Menschen einen guten Eindruck machen zu müssen« (9: 75 f.). – Werden solche Befreiungserfahrungen nicht ein Glücksgefühl im Menschen auslösen? Ein expliziter Bezug auf das von Pöhlmann selbst eingeführte Glücksthema hätte die von ihm intendierte Outsider-Kompatibilität seiner Überlegungen zweifellos gesteigert.

Ganz anders als bei Kühn und Pöhlmann gestaltet sich der von dem Siegener Religionspädagogen Ingo Baldermann (geb. 1929) ge­wählte Zugang zum Apostolikum, in den Erfahrungen aus der christlichen Unterweisungspraxis eingegangen sind (vgl. 10: 37.62). »Was glauben wir wirklich?« – Auf diese aus Bonhoeffers Gefangenschaftsbriefen entlehnte Frage, die ursprünglich als Titel des Bu­ches geplant war, möchte Baldermann seine Auslegung des Apostolikums zuspitzen: »Ich fordere mit dieser Frage von mir selbst Rechenschaft. Es ist eine Frage meines Gewissens. Dennoch ist es kein Selbstgespräch. Ich führe es, um auch anderen Rechenschaft geben zu können« (10: 14).

Die avisierte Rechenschaft bewegt sich freilich auf einem eher schlichten intellektuellen Niveau. Das bei Bonhoeffer aus neuzeittheoretischen Überlegungen abgeleitete Faktum der mündigen Welt, das er als Herausforderung zeitgemäßer theologischer Reflexion und christlicher Existenz in Anschlag gebracht hatte, wird bei Baldermann, trotz ständiger Bonhoeffer-Zitate und Bonhoeffer-Verweise, im Grunde nicht rezipiert. Stattdessen wird eine von re­ligiös überhöhten Konsumzwängen geprägte Gegenwart imaginiert, als deren Kehrseite eine fanatische »Todesvergötzung« be­hauptet wird (erneut ein Bonhoeffer-Begriff, dieses Mal aus der »Ethik«). Konkret: »Der alltägliche Konsum wird mit … religiösen Verheißungen ausgestattet; ich soll im Konsum erfahren, was Le­ben ist, ewige Jugend, unendliches Glück, Genuss ohne Reue, ja Erlösung« (10: 12). Diese auf eine Verführung durch falsche Götter zurückgeführte Konsumhaltung lehrt die Menschen »in den reichen Gesellschaften, die Augen zu verschließen vor den einfachen Forderungen der Menschlichkeit und Gerechtigkeit« (10: 23). Die auf Grund dieser Haltung unsere Lebenswirklichkeit beherrschenden »Gesetze des Geldes sind unerbittlich wie der Tod« (10: 136). – Und eben der Tod ist die entscheidende Konsequenz »der Achtlosigkeit unserer reichen Gesellschaft gegenüber der tödlichen Armut und ihren Folgen in anderen Regionen unserer Erde« (10: 110). Erst der Glaube an die Auferstehung »befreit aus diesem Rausch des Todes … Und damit verändert sich auch die gesellschaftliche Wirklichkeit von Grund auf.« (10: 137 f.)

Es ist deutlich geworden, dass Baldermann den christlichen Glauben vor allem als »Widerspruch gegen die Diktatur des Faktischen« begreift (10: 18; vgl. 38). Dies betrifft nicht nur den bislang skizzierten ›gesellschaftskritischen‹ Rahmen seiner Darstellung, sondern auch die Behandlung der im Apostolikum enthaltenen inhaltlichen Aussagen. Den Glauben an Gott den Vater etwa, der an alttestamentlichen Psalmen illustriert wird, grenzt Baldermann von Hypothesen über Gottes Existenz ab und begreift ihn als das kontrafaktische Festhalten an einer dialogfähigen Trostquelle: »Die Psalmen belehren mich nicht, dass Gott ist, … sondern sie helfen mir, in dieser Angst zu einem Du zu reden« (10: 27). Auch das vielfach umstrittene Allmachtsprädikat wird nicht als »eine Definition seines [sc. Gottes] Wesens« verstanden, sondern als »ein Protest der Ohnmächtigen gegen die Allmachtsansprüche und Allmachtsphantasien der Mächtigen« (10: 35).

In Baldermanns Überlegungen zum zweiten Artikel des Apostolikums wird zunächst hervorgehoben, dass erst durch Jesus »die Gotteserfahrung der Hebräischen Bibel für uns zugänglich geworden« ist (10: 49).22 Im Blick auf Jesu Person wird dann – ohne expliziten Bezug auf die Hellenisierungsdebatte – jede Tendenz zurück­gewiesen, die seine Gottessohnschaft ontologisch fixieren will.23 Das im deutschen Text des Bekenntnisses mit ›eingeborener Sohn‹ übersetzte hyios monogenes24 versteht Baldermann deshalb als ›einzigartig‹: »Einzigartig ist er [sc. Jesus Christus] in seinem Vertrauen auf Gottes Güte und in seiner Hingabe für die Menschen, und schließlich in der Konsequenz, in der beides zusammenfällt« (10: 61). Diese Betonung der Menschlichkeit Jesu verbietet eine Relativierung seines Todes. Darin sieht Baldermann eine biblische Absage an Unsterblichkeitshoffnungen jedweder Art.25 Die Auferstehung freilich ist für ihn dann mehr als ein einschneidendes und folgenreiches Ereignis in der Erfahrung der Jünger – aber auch kein historisch datierbares biologisches Wunder. Vielmehr hängt die Wirklichkeit von Gottes Auferweckungshandeln als dem hinter der Jüngererfahrung stehenden Geschehen davon ab, ob wir wirklich glauben, dass Jesus Recht hatte mit seinem Vertrauen: »Gott der Herr hilft mir, darum werde ich nicht zuschanden!« (10: 84).

Der christliche Glaube mit seiner Verweigerungshaltung ge­genüber der Diktatur des Faktischen zielt nach Baldermann auf eine Veränderung der gesellschaftlichen Wirklichkeit von Grund auf (s. o.). Diese Zielvorstellung tritt aber in der kirchlichen Wirklichkeit durch die im Christentum von den Anfängen bis in die Gegenwart reichende Tendenz zu »unbelehrbarer eigensinniger Rechthaberei« (10: 104) immer wieder in den Hintergrund. Dem setzt Baldermann den Grundgedanken der ökumenischen Bewegung entgegen: »Die Menschen, die sich an Jesus und an seine große Hoffnung halten, gehören weltweit zusammen; sie dürfen um Jesu willen in dieser zerstrittenen Welt nicht selbst das Bild der Zerstrittenheit bieten« (10: 104). Erstaunlich (um nicht zu sagen: ärgerlich, weil unzutreffend) ist in diesem Zusammenhang die Behauptung, auch der Protestantismus fordere als »unantastbare Grundlage jeder Einigung … die Übereinstimmung in der rechten Lehre«, eine Forderung, die »der erstrebten globalen kirchlichen Einigung« aber im Wege stehe (10: 105 f.). – Dies mag für den Altprotestantismus gestimmt haben; der gegenwärtige Protestantismus aber ist zum einen in sich selbst so pluralistisch verfasst, dass man innerhalb seiner so etwas wie eine ›rechte Lehre‹ schwerlich namhaft machen kann. Zum zweiten sind es, wie sich gerade in den Jahren seit der Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre gezeigt hat, vornehmlich die ekklesiologischen Auffassungen des römischen Katholizismus, die jene von Baldermann avisierte globale kirchliche Einigung erschweren, eine Einigung, von der außerdem zu fragen wäre, ob sie, ungeachtet ihrer Realisierungschancen, überhaupt erstrebenswert ist.

Im Gegensatz zum Festhalten an der Vision einer gesamtkirchlichen Einheit (als Voraussetzung größerer Glaubwürdigkeit des Christentums in der Gegenwart), wie es bei Kühn (vgl. erneut 8: 178) und Baldermann artikuliert ist, hat der Münchener Pfarrer Gerson Raabe (geb. 1961) als Überschrift des ekklesiologischen Abschnitts in seiner Apostolikumsauslegung ganz bewusst eine Plural-Formulierung verwendet: »Die Kirchen« (11: 142 ff.). Er spricht auch nicht von ›Kirchenspaltung‹, sondern von einer »durch die Reformation einsetzende[n] Differenzierung innerhalb der abendländischen Kirchen«, eine Differenzierung, die als »Vorwegnahme des die Moderne auszeichnenden Differenzierungsprozesses« gedeutet wird und auch deshalb »nicht so ohne weiteres rückgängig zu machen ist« (11: 143) 26 – auch nicht angesichts einer konzedierten »›Aufweichung‹ konfessioneller Traditionen« (11: 147), die die ungebrochen prägende Kraft von Konfessionszugehörigkeiten keinesfalls neutralisiert (dieser Zugang entspricht der Auffassung von Claussen; vgl. erneut 1: 81–83).

Der skizzierte Standpunkt Raabes verbindet sich mit einer durchgängigen Anknüpfung an die liberalen Traditionen des mo­dernen Protestantismus. Ein Blick in das Literaturverzeichnis (11: 175 f.) macht dies deutlich: Neben Schleiermacher, Harnack, Troeltsch, Tillich und Hirsch sind es Wilhelm Gräb und Volker Drehsen sowie Trutz Rendtorff, Ulrich Barth und Falk Wagner, deren Publikationen auftauchen; Rendtorff hat überdies ein Nachwort zu Raabes Buch beigesteuert (11: 168–171). Es entspricht diesem Profil, dass Raabe die im Apostolikum in Kurzform enthaltenen Traditionsbestände des Christentums nicht als ein gleichsam zeitloses Sinnreservoir versteht, das gegenwärtig auf Verstehensschwierigkeiten stößt, zu deren Auflösung sein Buch beitragen will. Vielmehr gelten ihm die im Bekenntnis komprimierten Glaubensinhalte zunächst als ein historisch abständiger Horizont ge­genwärtigen christlichen Selbstverständnisses, der einem zeitgerechten Neuverständnis unterzogen werden muss – und kann.

Raabe hebt nachdrücklich hervor, dass ein gegenwärtig verantworteter christlicher Glaube weder eine vollständige Übereinstimmung mit dem Literalsinn der Aussagen des Apostolikums noch eine umfassende Einbindung in das kirchliche Leben voraussetzt. Die damit angezeigte dogmatische und ekklesiologische Bescheidenheit wird in der knapp ein Drittel des Gesamttextes umfassenden Interpretation der ersten beiden Wörter des Bekenntnisses (»Ich glaube …«) begründet (11: 14–57 [= »Grundlegung«]). Weil, so die eingehend entfaltete Auffassung von Raabe, der (christliche) Glaube ein unvertretbar individuelles (stets auf ein ›Ich‹ angewiesenes) Erleben ist, müssen unweigerlich »mannigfaltige Entwürfe individuellen Glaubens unterschieden werden« (11: 41; vgl. schon 23 f.). Weil außerdem der Glaube auf der Ebene des Inhaltsbezuges aufgespannt ist einerseits »zwischen Gefühl und Gedanke« und andererseits »von der Ahnung bis hin zur Gewissheit« reicht (11: 35), potenziert sich der dem Glauben ohnehin eigene Pluralismus noch mehrfach. Das alteuropäische Ideal einer kirchlich regulierten Einheit(lichkeit) im Glauben wird dieser durch die Reformation wesentlich mit bedingten Sachlage nicht gerecht; ihr entspricht vielmehr »das Modell einer pluralistisch verfassten Volkskirche: Es ist die Aufgabe einer kirchlichen Gemeinschaft, der Vielfalt der in ihr vertretenen Überzeugungen Raum zu bieten« (11: 42). – Ausgehend von diesem Verständnis des Glaubens als einer individuell verantworteten »Selbstdeutung im Licht des Unbedingten« (11: 37) geht es Raabe darum, »in gegenwärtigen individuellen ›Glaubenslandschaften‹ Inhalte aufzuspüren, für die Entsprechungen im alten ›Symbolum Apostolicum‹ aufgezeigt werden können« (11: 27).

Bei der Suche nach Entsprechungen zwischen gegenwärtigen Glaubenserfahrungen und dem Apostolikum bedient sich Raabe des bereits in der Grundlegung eingeführten Symbolbegriffs: »Glauben ist die individuelle Symbolisierung des Unbedingten« (11: 38 f.). Die Bezeichnung Gottes als des Vaters symbolisiert die Erfahrung von Geborgenheit durch ein persönliches Gegenüber; das Allmachtsprädikat symbolisiert »den transzendentalen Status, der Gott als dem ganz Anderen unserer Wirklichkeit zukommt« (11: 74), und der Schöpfungsglaube, dessen Differenz gegenüber naturwissenschaftlicher Kosmologie sachgerecht hervorgehoben wird, beruht auf einer Symbolisierung Gottes als des Ursprungs des Lebens (vgl. 11: 58–85).

Raabes Neuverständnis des zweiten Artikels (11: 86–134), das auch die pneumatologischen und eschatologischen Aussagen des dritten Artikels prägt, betont zunächst die Vielfalt theologischer und historischer Rekonstruktionen der Person Jesu und arbeitet dann als ersten wesentlichen Grundzug des ›Vermächtnisses‹ Jesu die Reich-Gottes-Botschaft in Verbindung mit der Reduktion der Ethik auf das Doppelgebot der Liebe heraus. Neben diese (im Apostolikum nicht genannten) Elemente der wahrscheinlichen Botschaft des historischen Jesus treten dann die primär christologischen Bekenntnisaussagen zu Tod, Auferstehung und Wiederkunft.

Im Kreuz kommen nach Raabe »mit den Begriffen ›Sünde‹ und ›Vergebung‹ die ›Verstrickung‹ und das ›Scheitern‹ des Lebens von Menschen in den Blick« (11: 117). Der Auferstehungsglaube wird als Reflex einer bedeutsamen Erfahrung verstanden: »Nicht weil Jesus auferstanden ist, … kommt dem Christentum eine be­sondere Geltung zu, sondern weil damals etwas wirklich Umstürzendes geschah, wurde das Bild der Auferstehung zur Deutung der Geschehnisse herangezogen« (11: 123). Dieses Umstürzende, diese mit Jesus in Verbindung gebrachte »Initialzündung«, die den Impuls »zur Entstehung einer Weltreligion« bedeutete (ebd.), wird beschrieben mit dem Stichwort »umfassendes Leben« (11: 127). Gemeint ist eine die »menschliche[n] Grunderfahrung der Endlichkeit« (11: 123) »transzendierende Gewissheit …, dass das Diesseits als ›stählernes Gehäuse‹ aufgesprengt wurde« (11: 124; vgl. 165). 27 Ein so verstandener Auferstehungsglaube, der aktuell immer nur als momenthaftes Be­wusstsein präsent ist (vgl. 11: 129), nimmt einerseits »das ›stählerne Gehäuse Diesseits‹ ernst, andererseits tritt er zu diesem doch auch in eine kritische Distanz« und kann insofern als »eine aufs äußerste gesteigerte Reflexionsform des Gegenwartsbewusstseins« gelten (11: 129). – Leider wird der hier als Auf­gipfelung humaner Endlichkeitsreflexion vorgestellte Auferstehungsglaube nicht explizit an das auf Verstrickung und Scheitern abgestellte Sündenverständnis zurückgebunden.

Wenn man die Intention von Raabes Bekenntnisauslegung auf den Punkt bringen will, so muss man sagen: Er plädiert für ein pluralismusfähiges und insofern modernitätskompatibles Verständnis des christlichen Glaubens. Aus der Perspektive des orthodoxen Katholizismus handelt es sich dabei allerdings um den problematischen Versuch, »das Christliche in wohlklingende Allgemeinheiten aufzulösen, die zwar den Ohren der Zeitgenossen schmeicheln (vgl. 2Tim 4,3), ihnen aber die kraftvolle Nahrung des Glaubens vorenthalten, auf die sie Anspruch haben« (12: 229); durch ein solches »Interpretationschristentum« wird »der Skandal des Christlichen aufgelöst und … auch seine Sache selbst zur verzichtbaren Phrase gemacht« (12: 131).

Diese Zitate stammen aus Joseph Ratzingers (geb. 1927) »Einführung in das Christentum«. Das zuerst 1968 publizierte und im Jahr 2000 mit einem aktuellen Vorwort (12: 9–26) neu aufgelegte Buch ist aus Vorlesungen hervorgegangen, die Ratzinger im Sommersemester 1967 in Tübingen für Hörer aller Fakultäten gehalten hatte; als Vorbild diente Karl Adams erstmals 1924 erschienenes Buch über »Das Wesen des Katholizismus«. – Ratzingers gegenüber der Ausgabe von 1968 im Grundsatz un­verändert gebliebener Text, dessen Neuausgabe von 2000 mittlerweile die 9. Auflage erlebt, ist theologisch anspruchsvoller gehalten als die übrigen hier behandelten Publikationen. Sein Versuch, die Gegenwartsrelevanz und Zu­kunftsmächtigkeit des christlichen Glaubens zu erweisen, ist in großräumige geschichtsphilosophische Überlegungen über den Zusam­men­hang von Erkenntnis und Wahrheit (1.) sowie das Verhältnis von Glaube und Vernunft (2.) eingebettet.

(1.) Mit dem Beginn der Neuzeit ist eine Reduktion der Aufmerksamkeit des Menschen auf die »Greifbarkeitswelt« (12: 46) verbunden: »Wir haben es aufgegeben, das verborgene Ansich der Dinge zu suchen« (12: 52). Als erste Folge dieser veränderten Grund­haltung kam es zur »Herrschaft des Faktums«, in deren Folge »Ma­thematik und Historie zu den beherrschenden Disziplinen« wurden (12: 55);28 im zweiten Schritt kam es zur Priorisierung des faciendum, zur Zuwendung des Menschen zum Ideal der Machbarkeit.29 Beide Reduktionen haben letztlich den Verzicht auf bzw. den Verlust von Wahrheit zur Folge, die nach Ratzinger »hinter dem Gitter des Positiven« angesiedelt ist (12: 183) – und auf die der Glaube zielt.

Als »ein Bekenntnis zum Primat des Unsichtbaren als des eigentlich Wirklichen, das uns trägt«, ist der Glaube nämlich eine »dem Wissen inkommensurable Form des Standfassens des Menschen im Ganzen der Wirklichkeit« (12: 65 f.). Die ihm eigene Infragestellung der neuzeitlich-modernen Absolutheit des Nachweisbarkeits- und Machbarkeitswissens macht daher in einer Zeit des Relativismus gerade den Glauben zum Anwalt der Wahrheit. Der im Glauben bekannte Primat des Unsichtbaren impliziert deshalb ein ganzes Weltbild oder besser: eine ganze Ontologie, nach der »der sinngebende Grund, der ›Logos‹, worauf wir uns stellen, gerade als Sinn auch die Wahrheit ist« (12: 69). – Deshalb bedeutet Glaube nicht nur Stehen, sondern ebenso auch Verstehen. Zwar gilt nach Ratzinger als »der tiefste Grundzug christlichen Glaubens … sein personaler Charakter« (12: 71; Hervorh. von mir, R. L.), aber den knapp zwei Seiten, die diesem Aspekt gewidmet sind, stehen zehn Seiten voran, die – eben unter dem Motto ›Stehen und Verstehen‹ – eine ontologisch fundierte philosophische Analyse des Glaubens beinhalten.30

(2.) Dieser ontologisch fundierte Glaubensbegriff, der für das christlich-religiöse Denken einen Zugang zur Wahrheit reklamiert, der von den auf factum und faciendum restringierten mo­dernen Wissenschaften nicht überboten werden kann, hängt aufs Engste zusammen mit Ratzingers Apologie der Hellenisierung des Christentums. Während die »antike Religion … an der totalen Dias­tase zwischen Vernunft und Frömmigkeit zerbrochen« ist (12: 128), bestand »das Revolutionäre der christlichen Haltung« gerade darin, dass hier »philosophische und religiöse Orientierung identisch« wurden (12: 348, Anm. 7). Weil ihm diese »Vereinigung von Gott des Glaubens und Gott der Philosophen … als die Grundvoraussetzung und Strukturform des christlichen Glaubens« gilt (12: 182), betrachtet Ratzinger eine Trennung von Glaube und Vernunft als eine Gefahr für den Bestand des Christentums. Genau diese Trennung aber gehört, wie er hier freilich nur ganz kurz bemerkt, zur Signatur der neuzeitlichen Geistesgeschichte und wird insbesondere als ein Charakteristikum der protestantischen Religionskultur nam haft gemacht (vgl. 12: 128 f.).31

Die mit der Auflösung der Syn­these von Glaube und Vernunft einhergehende Beschränkung menschlicher Erkenntnis auf die Greifbarkeitswelt führte dann nach Ratzinger unvermeidbar zum Verlust der zweiten für das Christentum konstitutiven Verbindung, nämlich der »von Logos und Sarx, von Wort und Fleisch, von Glaube und Geschichte« (12: 182). »Wir werden«, so heißt es programmatisch bereits im Vorwort zur Neuausgabe, »Jesus nicht besser verstehen und ihm nicht näher kommen, wenn wir den Glauben an seine Göttlichkeit einklammern« (12: 25). – Die Anwendung dieser Einsicht auf Ratzingers Auslegung des Christusbekenntnisses im Apostolikum ist hier nicht zu verfolgen, zumal zu diesem Thema eine aktuellere Publikation vorliegt; 32 auch die ekklesiologischen Überlegungen sollen hier nicht referiert werden.33 Die nachstehende Kurzwürdigung bezieht sich entsprechend nur auf die bisher skizzierten prinzipiellen Überlegungen; ausgeklammert bleibt dabei die Kritik an seiner, aufs Ganze gesehen, verfallsgeschichtlichen Diagnose der neuzeitlichen Entwick­lung.34

Es ist das grundsätzliche Problem des Ansatzes von Ratzinger, dass die von ihm eingeklagte Entgrenzung der Vernunft auf den (christlichen) Glauben hin im Unterschied zur Spätantike gegenwärtig nicht mehr als Konsequenz sachgerechter Vernunftanwendung plausibel gemacht werden kann. Es mag »hinter dem Gitter des Positiven« so etwas wie eine ›Wahrheit an sich‹ geben. Weder der Philosophie noch gar den Naturwissenschaften ist es aber möglich, objektive Aussagen über deren Beschaffenheit zu machen; wissenschaftliche Validität ist nun einmal auf Gegenstände möglicher Erfahrung beschränkt. Angesichts dieser – maßgeblich auf Immanuel Kant zurückgehenden 35 – Einsicht kann man die von Ratzinger kritisierte Enthellenisierungstendenz in der protestantischen Theologie auch als den Versuch verstehen, den christlichen Glauben von der Bindung an ein Vernunftverständnis zu lösen, das dem »Königsberger Reinheitsgebot von 1781« (Odo Marquard) nicht (mehr) genügt. Dass Ratzinger diesen Versuch als Ausverkauf christlicher Substanz deutet, mag das Profil seiner Position schärfen; der Preis dieses Profilgewinns ist aber ein durchaus beunruhigender Dezisionismus, der dem aufgeklärt-modernitätsaffinen Christen die Luft zum Atmen nimmt: »Man kann nicht den christlichen Glauben und die ›Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft‹ in einem haben; eine Wahl ist unerlässlich« (12: 293).

Zweifellos gehört der katholische Tübinger Emeritus Hans Küng (geb. 1928) zu den am meisten gelesenen Theologen der Ge­gen­wart– wegen seiner ökumenischen Interessen, wegen seines Weltethos-Projekts und nicht zuletzt wegen seiner Kritik an der Papstkirche, die ihm zwar den Entzug der Lehrerlaubnis, aber auch ein hohes Maß an Popularität einbrachte.36 Seine hier zu besprechende Erklärung des Apostolischen Glaubensbekenntnisses wurde zuerst 1992 publiziert; die ungekürzte Taschenbuchausgabe von 1995 erschien zehn Jahre später bereits in 5. Auflage. Der Text orientiert sich, wie auch die anderen in diesem Abschnitt besprochenen Publikationen, an den Aussagen des Apostolikums; er kann zu­gleich als eine kurze Einleitung in Küngs Denken gelten.

Bereits bei der Frage nach der Bedeutung des Wortes ›glauben‹ im christlichen Kontext macht Küng seinen Anspruch auf theologische Eigenständigkeit unmissverständlich klar: Der Glaube an Gott ist ein »Akt vernünftigen Vertrauens«, und er richtet sich eben auf Gott – nicht auf die Bibel (dies ist gegen »den protestantischen Biblizismus« gesagt), auch nicht auf die Tradition (»gegen den östlich-orthodoxen Traditionalismus«) und schon gar nicht auf die Kirche (»gegen den römisch-katholischen Autoritarismus«; 13: 22f.); die zuletzt angesprochene Frontstellung wird erwartungsgemäß noch mehrfach hervorgehoben (vgl. 13: 55.163 ff., bes. 178–181).

Für Küngs Erklärungen der materialen Bekenntnisaussagen ist typisch, dass auch Themen berührt werden, die ihm ganz persönlich wichtig sind, zu denen er sich freilich in anderen Publikationen teilweise eingehender geäußert hat. Dies betrifft, neben der schon erwähnten Kirchenkritik, zunächst seine Sympathie für den, wie es Volker Drehsen einmal ausgedrückt hat, »Balsam Drewermannscher Populartheologie« und den »wohlverträglichen Wirkstoff Jung­scher Tiefenpsychologie« 37 (vgl. 13: 54–61); dies betrifft ferner seine Sympathie für die Befreiungstheologie, die s. E. »zur zeitgenössischen Psychotheologie den notwendigen politischen Gegenpol bildet« (13: 67; vgl. den ganzen Zusam­menhang 67–70); dies betrifft schließlich sein Plädoyer für eine Orientierung der Sterbehilfe-Diskussion am Respekt gegenüber der »qualifizierten Ge­wis­sensentscheidung des betroffenen sterbenskranken Menschen« (13: 244; vgl. den ganzen Zusammenhang 242–247). Be­son­ders deutlich wird Küngs Interesse daran, die durch Judentum, Christentum und Islam repräsentierte »ethisch ausgerichtete mo­notheistische Weltbewegung nahöstlich-semitischen Ur­sprungs und prophetischen Charakters« als geeigneten Ausgangspunkt für ein »Weltethos der Weltreligionen« zu erweisen, in das »auch die Religionen indischen und chinesischen Ursprungs« einbezogen werden können (13: 47). Dass dabei die vielfach geäußerte teilweise massive Grundsatzkritik an seinem Weltethos-Projekt38 weder erwähnt noch gar gewürdigt wird, wird man als ein Indiz für die Peripetie von selbstbewusstem Engagement zu intellektuellem Autismus beurteilen müssen.

Der aus Österreich stammende amerikanische Religionssoziologe Peter L. Berger (geb. 1929), Direktor des von ihm selbst 1985 gegründeten Institute on Culture, Religion and World Affairs an der Bos­ton University, wo er Soziologie und Theologie lehrt, hat im Alter von 75 Jahren eine Auslegung des Apostolischen Glaubensbekenntnisses vorgelegt, die zwei Jahre später in deutscher Übersetzung erschienen ist.39 Damit legt einer der entschiedensten zeitgenössischen Vertreter der Desäkularisierungsthese (vgl. Anm. 4)40 »eine Übung in der einmal so genannten ›Laientheologie‹« vor (14: XIII). Eingeteilt ist das Buch in zwölf Kapitel, deren Themen an die Aussagen des Apostolikums angelehnt sind. Eingestreut sind drei Exkurse sowie, in Anlehnung an das oben erwähnte interrogatorische Vorgehen, insgesamt 23 mutmaßliche Fragen eines imaginierten Skeptikers in Sachen Christentum.

Das Buch bezeugt Bergers respektable theologische Gelehrsamkeit; in unprätentiösem Stil trägt er selbstbewusst seine Auffassung zu den Kernpunkten des christlichen Glaubens vor, wobei er auf Bezüge zu neuerer Sekundärliteratur weitgehend verzichtet. Im Horizont des für die Moderne charakteristischen religiösen Pluralismus41 fragt er nach einem »Nexus zwischen meiner eigenen Erfahrung und der Tradition«; 14: 25). Dieser von der Eigenerfahrung ausgehende Zugang verbindet sich »mit einer gehörigen Portion Skepsis« gegenüber allen »Festschreibungen zur Orthodoxie (rechte Lehre) und Orthopraxis (rechtes Tun)« – ein An­satz, den Berger selbst als »eine sehr protestantische Sichtweise« charakterisiert, als »eine sehr liberale protestantische Sichtweise« (14: 164). Die da­mit reklamierte Prägung seiner Position führt allerdings kaum zu Anknüpfungen an die historische Formation des liberalen Protes­tantismus. Diesem wird vielmehr ein »allzu häufiger blasser Mo­ralismus« attestiert (14: 92): Er schreibt: »Wenn das Christentum ein moralisches Projekt ist, dann kein sehr interessantes« (14: 70).

An Stelle der moralistischen Reduktion des Christusglaubens schlägt Berger eine Bekräftigung der kosmischen Dimension des Christusereignisses vor. Als Wurzel dieses Vorschlags lässt sich seine Betonung der aus dem Ebenbildlichkeitsbegriff abgeleiteten Unnatürlichkeit des menschlichen Todes identifizieren: »Der Tod läuft der eigentlichen Natur des Menschen zuwider« (14: 47); »der Mensch wurde geschaffen, um gut und unsterblich zu sein, jedenfalls, wenn man der Vorstellung folgt, der Mensch sei als Abbild Gottes geschaffen worden« (14: 183 f.). Daraus folgt: »Der Zweck der [sc. mit dem Christusgeschehen vollzogenen] Sühne ist die Ab­schaffung des Todes« (14: 102). Dieser Gedanke ist eingelassen in die Vorstellung eines die gesamte Natur- und Menschheitsgeschichte umfassenden Kampfes Gottes gegen das Böse in der Schöpfung: »Sowohl der Kosmos wie die Geschichte erscheinen … als Arenen eines immensen Dramas von Katastrophe und Erlösung. … Aber der Ausgang des Kampfes ist nicht zweifelhaft: … Gott wird herrschen. Es ist ein Teil der Würde des Menschen, dass er eben seiner Freiheit wegen an diesem Kampf teilnehmen kann« (14: 48).

Bergers Sympathie für den von Gustaf Aulén als klassisch be­zeichneten Typus der christlichen Versöhnungslehre,42 den er vor allem im orthodoxen Chris­tentum aufgehoben findet,43 verwundert ein wenig – jedenfalls angesichts seines oben zitierten Be­kenntnisses zum liberalen Protestantismus. Vielleicht ist diese eigentümliche Melange etwas typisch Amerikanisches; in jedem Fall bereichert die den Horizont der deutschsprachigen Theologie transzendierende Apostolikumsauslegung von Berger auf lesenswerte Weise unser Bild dessen, was als Rückkehr der Religion angesprochen werden kann.

3. Christliche Identität zwischen Leitkulturanspruch und Individualitätsdeutung


Den Ausgangspunkt für die folgenden Überlegungen bildet eine Beobachtung zu den sehr unterschiedlichen Publikationen, die in den vorstehenden Abschnitten behandelt worden sind: Die Vertreter der jüngeren Theologengeneration, die, was die Autoren der oben besprochenen Texte angeht, ausschließlich aus dem evangelischen Bereich stammen, messen der innerchristlichen Ökumene für die gegenwärtige Relevanz des Christentums keine substantielle Bedeutung zu. Nach Claussen etwa hat die ökumenische Bewegung zwar durchaus begrüßenswerte Ergebnisse hervorgebracht: »Sie hat ein gemeinsames politisches und soziales Handeln der Kirchen ermöglicht. Sie hat die Konfessionen aus ihrer Selbstgenügsamkeit und Selbstzufriedenheit gerissen und ihnen die Augen für die Schönheit und Größe ihrer ehemaligen Konkurrentinnen geöffnet«. Aber: »Nachdem sie soviel erreicht hat, fällt es ihr schwer, ein weiterführendes Ziel zu benennen« (1: 82). Die institutionelle Einheit, aus Sicht des Katholizismus der natürliche Fluchtpunkt aller ökumenischen Bemühungen, ist nach Claussen aus protes­tantischer Sicht jedenfalls weder realistisch noch wünschenswert; ein »sinnvolleres Ziel wäre es, wenn alle Konfessionen und Kirchen einander als unterschiedliche, aber vollgültige Gestalten des Chris­ tentums anerkennen würden« (1: 82 f.). Die hier signalisierten Reserven gegenüber dem ökumenischen Enthusiasmus, wie er die lutherischen Kirchen zuletzt am Ende des vergangenen Jahrhunderts eine Zeitlang ergriffen hat, sind auch bei Raabe spürbar, namentlich in seiner Interpretation der Konfessionalisierung als einer »Vorwegnahme des die Moderne auszeichnenden Differenzierungsprozesses« (11: 143).

Man würde der hinter dieser ökumenischen Skepsis stehenden Intention nicht gerecht, wollte man sie als Zeichen konfessionalistischer Sturheit verstehen, als Ausdruck einer Haltung, die, wie es Baldermann formuliert hat, von »unbelehrbarer eigensinniger Rechthaberei« geprägt ist (10: 104). Hinter der ökumenischen Skepsis steht vielmehr ein engagiertes Plädoyer für einen sowohl ge­samtgesellschaftlichen als auch innerchristlichen, ja sogar innerkonfessionellen Pluralismus. Diese Sympathie für den Pluralismus impliziert zugleich ein Unbehagen an gegenwärtigen Transformationsgestalten des christlichen Leitkulturanspruchs, wie sie sich, mehr oder weniger deutlich, bei den Befürwortern we

Summary


The article contains reviews of 14 recent introductions into Chris­tian faith, which follow different concepts and originated in differ­ent confessional contexts. The author connects the understanding of the Christian faith expressed in the examined texts with contemporary debates about the return of religion and names two recog­niz­able pillars of Christian self-conception which can also be found in the examined texts: a claim to be the defining cultural standard and the understanding of the individual. The interest in a social re­levance of (Christian) religion based on inner-Christian ecumenism and interreligious dialogue is interpreted as a transformed version of a conventional claim to be the defining cultural standard; the understanding of faith as a form of interpreting human life focuses on the wish of the individual to find orientation points in life and is, simultaneously, detrimental to ecumenism and beneficial for pluralism.

Fussnoten:

1) Alexander Smoltczyk, Ein Papst für die traurige Moderne, in: Weltmacht Religion. Wie der Glaube Politik und Gesellschaft beeinflusst (Spiegel special Nr. 9/2006), 24–29: 25.
2) Ludger Heidbrink, Vom Glauben nach Gottes Tod, in: Die Zeit, Nr. 14/2004: 25.03.2004. Vgl. auch: Peter Sloterdijk, Zorn und Zeit. Politisch-psychologischer Versuch, Frankfurt a. M. 2006: »Man mag, soviel man will, von einer ›Revitalisierung‹ des Religiösen sprechen, die Wahrheit ist doch, daß aus dem faktisch weit verbreiteten Unbehagen in der entzauberten Welt noch lange kein neuer Glaube an außer- und überweltliche Dinge entspringt.« (115) »Es bleibt dabei: Im nach-aufgeklärten Klima ist ›Gott‹ präzise das Thema, das unter allen Umständen kein Thema sein kann« (117).
3) Wolfgang Weimer, Credo. Warum die Rückkehr der Religion gut ist, München 2006, 30.
4) Vgl. Peter L. Berger, The Desecularization of the World. A Global Overview, in: Ders. (Hrsg.), The Desecularization of the World. Resurgent Religion and World Politics, Washington-Grand Rapids, 1999, 1–18: »[T]he assumption that we live in an secularized world is false. The world today … is as furiously religious as it ever was, and in some places more so than ever« (2).
5) Wolfgang Weimer, Credo (s. Anm. 3), 51.
6) Jürgen Habermas, Zwischen Naturalismus und Religion. Philosophische Aufsätze, Frankfurt a. M. 2005, 234.
7) Vgl. a. a. O., 115.255.
8) A. a. O., 149 (Hervorh. von mir, R. L.).
9) A. a. O., 116.
10) Eine deutsche Übersetzung ist inzwischen erschienen: Richard Dawkins, Der Gotteswahn, Berlin 2007.
11) Ein weiteres prominentes Beispiel: Christopher Hitchens, God is not great. How religion poisons everything, New York 2007 (deutsche Übersetzung: Der Herr ist kein Hirte. Wie Religion die Welt vergiftet, München 2007; vgl. dazu die launige Rezension von Friedrich Wilhelm Graf: Süddeutsche Zeitung vom 11. September 2007).
12) Vgl. etwa: Neue Rundschau 115, 2007; in diesem mit dem Titel »Lob des Atheismus« versehenen Heft 2 des Jahres 2007 sind fünf Aufsätze enthalten, die, cum grano salis, den Atheismus als eine gegenüber der religiösen Identifikation in Sachen Rationalität überlegene Haltung ausweisen wollen.

*) (1) Claussen, Johann Hinrich: Die 101 wichtigsten Fragen: Chris­tentum. München: Beck 2006. 150 S. m. Abb. 8° = Beck’sche Reihe, 1676. Kart. EUR 9,90. ISBN 978-3-406-54094-3; (2) Beinert, Wolfgang: Ich hab da eine Frage … Auskunft zum Glauben der Christen. Regensburg: Pustet 2002. 286 S. m. Abb. gr.8°. Geb. EUR 19,90. ISBN 3-7917-1791-X; (3) Halbfas, Hubertus: Das Christentum. Erschlossen u. kommentiert. Düsseldorf Patmos 2004. 591 S. m. Abb. 4°. Lw. EUR 58,00. ISBN 3-491-70377-8; (4) Hintzen, Georg: Das Christentum. Eine Einführung nicht nur für Christen. Paderborn: Bonifatius 2003. 270 S. 8°. Geb. EUR 18,90. ISBN 3-89710-262-5; (5) Zink, Jörg: Wer glaubt, kann vertrauen. Eine Einführung in den christlichen Glauben. 2. Aufl. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus 2006. 127 S. 8°. Geb. EUR 12,95. ISBN 978-3-579-06856-5; (6) Jäger-Werth, Hans Ulrich: Vertrauen statt Angst. Evangelisch-reformierter Glaube. Eine Einführung. Zürich: Theologischer Verlag Zürich 2005. 62 S. m. Abb. 8°. Kart. EUR 9,80. ISBN 3-290-17328-3; (7) Dennerlein, Norbert, u. Michael Meyer-Blanck [Hrsg.]: Evangelische Glaubensfibel. Grundwissen der evangelischen Christen. M. e. Geleitwort v. W. Huber. Rheinbach: CMZ-Verlag; Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus 2006. 208 S. m. Abb. 8°. Kart. EUR 9,95. ISBN 978-3-87062-082-0 (CMZ-Verlag); 978-3-579-06428-4 (Gütersloher Verlagshaus).
13) Reinhard Messner, [Art.] Taufe VI: Liturgiegeschichtlich, in: RGG4 8, 2005, 80–85: 81.
14) Zitate werden direkt im Text nachgewiesen. Der Seitenzahl ist regelmäßig die Nummer des Herkunftstitels vorangestellt.
15) Das Aufspüren von biblisch-religiösen Bezügen in der modernen Kultur ist ein – für kirchliche Mitarbeiter beileibe nicht selbstverständliches – zentrales Interesse von Claussen. Seinen Niederschlag hat dieses Interesse zum einen in seiner Gegenüberstellung von Bibeltexten und Gedichten aus dem 20. Jh. gefunden (Spiegelungen. Biblische Texte und moderne Lyrik, Zürich 2004); zum anderen wird dieses Interesse belegt durch Claussens anspruchsvollen Versuch einer theologischen Annäherung an den – dominant säkular okkupierten – Begriff des menschlichen Glücks (Glück und Gegenglück. Philosophische und theologische Studien zu einem alltäglichen Begriff, Tübingen 2005).
16) Im Blick auf die erwähnte Parallele zu Claussens Buch (interrogatorischer Ansatz) ist freilich zu notieren, dass Beinert in den Themenformulierungen zu den 52 Kapiteln dann doch überwiegend auf die Frageform verzichtet hat.
17) Ähnlich wie schon im Schlussabschnitt des 15. Kapitels wird auch hier gefordert, »die Resultate der historisch-kritischen Exegese und deren Konsequenzen für die Systematische Theologie in die Breite der Gemeinden zu vermitteln« (3: 573).
18) Mit diesem (natürlich von Hans Küng entlehnten) Stichwort hat Halbfas an anderer Stelle sein Programm charakterisiert: Der Wind des Wandels (Interview mit Britta Baas und Peter Rosien), in: Publik Forum Nr. 17, 9. September 2005.
19) Ein spezifisch evangelisches Interesse am Glücksthema lässt sich inzwischen auch in der wissenschaftlichen Theologie identifizieren; vgl. dazu: Johann Hinrich Claussen, Glück und Gegenglück (s. Anm. 15); Rochus Leonhardt, Luthers Rearistotelisierung der christlichen Ethik. Plädoyer für eine evangelische Theologie des Glücks, in: NZSTh 48, 2006, 123–159.

**) (8) Kühn, Ulrich: Was Christen glauben. Das Glaubensbekenntnis erklärt. 2., bearb. Aufl. von: Christlicher Glaube nach 2000 Jahren. Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 2004. 221 S. 8°. Kart. EUR 12,80. ISBN 3-374-02133-6; (9) Pöhlmann, Horst Georg: Das Glaubensbekenntnis, ausgelegt für Menschen unserer Zeit. Frankfurt a. M.: Lembeck 2003 (2. Aufl. 2005). 84 S. 8°. Kart. EUR 7,80. ISBN 3-87476-438-9; (10) Baldermann, Ingo: Ich glaube. Erfahrungen mit dem Apostolischen Glaubensbekenntnis. Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlag 2004 (2. Aufl. 2005). 141 S. 8°. Kart. EUR 14,90. ISBN 3-7887-2052-2; (11) Raabe, Gerson: Was heißt Christsein heute? Das Glaubensbekenntnis neu verstehen. M. e. Nachwort v. T. Rendtorff. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus 2005. 176 S. 8°. Geb. EUR 14,95. ISBN 3-579-06506-8; (12) Ratzinger, Joseph: Einführung in das Christentum. Vorlesungen über das Apostolische Glaubensbekenntnis. M. e. neuen einleitenden Essay. 7. Aufl. München: Kösel 2006. 366 S. 8°. Geb. EUR 21,95. ISBN 978-3-466-20455-7; (13) Küng, Hans: Credo. Das Apostolische Glaubensbekenntnis – Zeitgenossen erklärt. München-Zürich: Piper 1995 (5. Aufl. 2005). 254 S. 8° = Serie Piper, 2024. Kart. EUR 8,90. ISBN 978-3-492-22024-8; (14) Berger, Peter Ludwig: Erlösender Glaube? Fragen an das Christentum. Berlin-New York: de Gruyter 2006. XV, 220 S. gr.8°. Kart. EUR 19,95. ISBN 978-3-11-018895-0.
20) Die Erstfassung dieses Buches erschien bereits 1999: Ulrich Kühn, Christlicher Glaube nach 2000 Jahren. Eine Auslegung des Apostolischen Glaubensbekenntnisses, Leipzig 1999.
21) Auch Pöhlmanns Text geht, wie schon derjenige Kühns (s. Anm. 20), auf eine Vorlesung zurück: »im Sommersemester 2001 vor Theologen und Nicht­theo­logen in einer ökumenischen Lehrveranstaltung gehalten« (9: 7).
22) Eine inhaltliche Anreicherung des Gottesverständnisses im Horizont der Christologie möchte Baldermann dagegen offenbar nicht annehmen; für ihn »wird mit dem Christustitel die jüdische Messiashoffnung in den christlichen Glauben aufgenommen« (10: 57; Hervorh. von mir, R. L.) – und nicht modifiziert.
23) »[D]ie Bibel verabscheut solche Vermischung von Gott und Menschen zutiefst« (10: 67; vgl. 59 f.).
24) Die lateinische Übersetzung von monogenes lautet im Apostolikum ›unicus‹ und im Nicänum ›unigenitus‹.
25) Von solchen Unsterblichkeitshoffnungen waren, Baldermanns abenteuerlicher Exegese zufolge, zunächst auch die Frauen getragen, die am Ostermorgen zum Grab gingen: »Sie nehmen heilende Salben mit, doch was soll da noch heilen?« (10: 76).
26) Vgl. auch die (offenbar gegen Wolfhart Pannenberg gerichtete) Kritik an einem »aus dem Bereich der Wirtschaft gewonnenen ›Fusionsgedanken‹, die gesamte Christenheit dem ›Primat des Papstes‹ zu unterstellen« (11: 133).
27) Die Rede vom stählernen Gehäuse ist angelehnt an eine bekannte Formulierung von Max Weber. Danach entwickelte sich jene Sorge um die äußeren Güter, die im Rahmen der vom Protestantismus propagierten innerweltlichen Askese erforderlich war, von einem dünnen und jederzeit abwerfbaren Mantel zu einem stahlharten [sic!] Gehäuse. Vgl. Max Weber, Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus (1904/05), in: Ders., Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie, Band 1, Tübingen 91988, 17–205: 203.
28) Diese Entwicklung spiegelte sich innertheologisch in der Durchsetzung der historischen Kritik (vgl. 12: 55).
29) Als theologisches Analogon dieses Vorgangs wird die etwa durch Metz und Moltmann vertretene politische Theologie namhaft gemacht (vgl. 12: 60).
30) Der von Kühn (8: 219) und Pöhlmann (9: 13) hergestellte Bezug auf das Begriffspaar ›Stehen und Verstehen‹ bei Ratzinger setzt fälschlich voraus, der von ihnen selbst sachgerecht als zentral eingestufte personale Aspekt des Glaubens sei bei Ratzinger bereits im Begriff des Stehens enthalten.
31) In seiner – bekanntlich aus ganz anderen Gründen viel beachteten – sog. Regensburger Rede vom 12. September 2006 hat Ratzinger, bereits als Papst Benedikt XVI., das Bemühen um eine Enthellenisierung des Christentums vorrangig in der Reformation des 16. und der liberalen Theologie des 19. und 20. Jh.s identifiziert. Vgl. dazu: Benedikt XVI., Glaube und Vernunft. Die Regensburger Vorlesung. Kommentiert von Gesine Schwan, Adel Theodor Khoury und Karl Lehmann, Freiburg 2006; Christoph Dohmen (Hrsg.), Die ›Regensburger Vorlesung‹ Papst Benedikts XVI. im Dialog der Wissenschaften, Regensburg 2007.
32) Benedikt XVI./Joseph Ratzinger, Jesus von Nazareth. Von der Taufe im Jordan bis zur Verklärung, Freiburg i. Br. 2007; vgl. dazu jetzt: Gerd Lüdemann, Das Jesusbild des Papstes. Über Joseph Ratzingers kühnen Umgang mit den Quellen, Springe 2007, sowie die Rezensionen in ThLZ 132 (2007), 798 und 800.
33) Nur so viel: Der christliche Glaube ist nach Ratzinger seinem Wesen nach auf Kirche bezogen; diese ist also »nicht eine sekundäre Organisierung von Ideen«, sondern »gehört in einen Glauben notwendig hinein« (12: 89). Dem Wesen der Kirche wiederum entspricht die Einheit: »So ist in dem [im Kirchenartikel des Apostolikums enthaltenen] Wort ›katholisch‹ die bischöfliche Struktur der Kirche und die Notwendigkeit der Einheit aller Bischöfe ausgedrückt«. Die »Kristallisierung dieser Einheit im Bischofssitz in Rom« gehört freilich »nicht zu den primären Elementen des Kirchenbegriffs« (12: 327).
34) Nur ein Hinweis: Die, wie oben gesehen, von Beinert durchaus in Anschlag gebrachten Fehlleistungen des neuzeitlichen und modernen Katholizismus werden von Ratzinger mit keinem Wort erwähnt (vgl. erneut: 2: 51–56.102–106).
35) Es ist bezeichnend, dass Ratzinger die wesentlich durch Kant herbeigeführte philosophiegeschichtliche Zäsur in erkenntnistheoretischer Hinsicht nicht thematisiert; ein später Nachhall seines offensichtlichen Desinteresses in dieser Frage ist das – von Kurt Flasch mit Recht mehrfach monierte – falsche Kant-Zitat in der Regensburger Rede, das den Königsberger Philosophen zum Vertreter eines fideistischen Irrationalismus verzerrt.
36) In zwei autobiographischen Bänden, die zusammen mehr als 1300 Seiten umfassen, hat Küng seinen Werdegang umfassend nachgezeichnet: Erkämpfte Freiheit. Erinnerungen, München 2002 (vgl. dazu die Rezension von Eberhard Jüngel in der FAZ vom 8. Oktober 2002); Umstrittene Wahrheit. Erinnerungen, München 2007 (vgl. dazu die Rezension von Helmut Löhr in der FAZ vom 30. November 2007).
37) Volker Drehsen, Wie religionsfähig ist die Volkskirche? Sozialisationstheoretische Erkundungen neuzeitlicher Christentumspraxis, Gütersloh 1994, 81.
38) Vgl. z. B.: Ulrich H. J. Körtner, Evangelische Sozialethik. Grundlagen und Themenfelder, Göttingen 1999, 92–96.167–170.188–190; ferner – äußerst polemisch –: Robert Spaemann, Weltethos als ›Projekt‹ (1996), in: Ders., Grenzen. Zur ethischen Dimension des Handelns, Stuttgart 2001, 525–538.559.
39) Amerikanisches Original: Peter L. Berger, Questions of faith. A skeptical affirmation of Christianity, Oxford 2004. Der deutsche Titel »Erlösender Glaube?« hat mit dem Originaltitel ersichtlich wenig zu tun; er knüpft an den (in diesem Fall originalgetreu übersetzten) Titel eines anderen Buches von Berger an, dessen amerikanische sowie deutsche Fassung im selben Verlag erschienen sind wie »Erlösender Glaube?«: Erlösendes Lachen. Das Komische in der menschlichen Erfahrung, Berlin-New York 1998 (amerikanisches Original: Redeeming Laughter. The Comic Dimension of Human Experience, Berlin-New York 1997). Das Bemühen des Verlages um einen Wiedererkennungseffekt ist verständlich, der Preis ist allerdings das Ausfallen des schönen Gedankens der › skeptical affirmation‹.
40) Berger verweist darauf, dass er »anderswo ausführlich dargelegt« hat, dass »das Ausmaß der gesellschaftlichen Säkularisation unserer Welt stark übertrieben worden« ist (14: 118); vgl. aber die Hinweise zu den Unterschieden zwischen den USA einerseits und Mittel- und Westeuropa andererseits im Vorwort zur deutschen Erstausgabe (14: VII f.).
41) Die Bedeutung des Pluralismus für die Situation der Religion in der Moderne ist programmatisch in einer älteren viel beachteten Publikation von Berger dargestellt: Der Zwang zur Häresie. Religion in der pluralistischen Gesellschaft, Frankfurt a. M. 1980 (The heretical imperative. Contemporary possibilities of religious affirmation, Garden City 1979).
42) Gustaf Aulén, Die drei Haupttypen des christlichen Versöhnungsgedanken, in: ZSTh 8, 1931, 501–538.
43) Berger stützt seine Argumente mehrfach auf die Arbeiten von John Meyendorff, der »zu den bedeutendsten orthodoxen Theologen der jüngeren Vergangenheit« gehört (Erich Bryner, Die Ostkirchen vom 18. bis zum 20. Jahrhundert, Leipzig 1996, KGE III/10, 60), namentlich auf dessen Buch: Die orthodoxe Kirche gestern und heute (übersetzt von Gabriel Henning Bultmann), Salzburg 1963 (Reihe Wort und Antwort 31).