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Ausgabe:

Oktober/2004

Spalte:

1019–1044

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Niebuhr, Karl-Wilhelm

Titel/Untertitel:

"A New Perspective on James"?

Neuere Forschungen zum Jakobusbrief

Karl-Wilhelm Niebuhr


"A New Perspective on James"?


Neuere Forschungen zum Jakobusbrief





Die jüngere Forschung zum Jakobusbrief1 ist gekennzeichnet durch das Absetzen der "paulinischen Brille". Waren zunächst in Auseinandersetzung mit dem prägenden Kommentar von Martin Dibelius2 das "Kohärenzverbot"3 und das "Kontextverbot"4 aufgehoben worden,5 so halten sich heute die meisten Jakobus-Ausleger nicht einmal mehr an das "Theologieverbot".6 Mit dem Absetzen der paulinischen Brille ist weit mehr verbunden als die Wahrnehmung eigener theologischer Gedanken oder gar einer eigenständigen Theologie des Briefes innerhalb des neutestamentlichen Kanons.7 Es ist geradezu eine "neue Perspektive", in der der Brief und sein Autor wahrgenommen werden. Und wie bei der "new perspective on Paul"8 so führen auch bei der neuen Sicht auf Jakobus verschiedene Blickwinkel und Beleuchtungen zur genaueren Wahrnehmung eines Gesamtbildes mit Vorder- und Hintergrund, scharfen Konturen und weniger klaren Strukturen, Farbtupfern und Grauzonen.9


Wer etwa den Brief nicht von Paulus her liest, kommt schwerlich auf die Idee, dass die Argumentation zu Glaube und Werken in 2,14-26 sein theologisches Hauptstück sei und in den Zusammenhang frühchristlicher Auseinandersetzungen um die spezifisch paulinischen Argumentationen zur Rechtfertigung gehöre.10 Vielmehr wird er den Ausgangspunkt für ein Verständnis des Textes an seinem Beginn suchen, der Texteröffnung, in der sich der Autor seinen Adressaten als "Jakobus, Gottes und des Herrn Jesus Christus Sklave" vorstellt, sie als "die zwölf Stämme in der Zerstreuung" grüßt und mit einer mahnenden Anrede auf ihren Glauben anspricht, den sie angesichts von Belastungen durchhalten sollen (1,1-4). Die Briefform, insbesondere im Präskript, ist charakteristisch von der paulinischen unterschieden und wohl nicht direkt von ihr beeinflusst.11 Was im Brief über die Adressaten sichtbar wird, hat so gut wie keine Berührung mit dem, was wir von den Adressatengemeinden der paulinischen Briefe wissen - und das ist immerhin eine ganze Menge! Insbesondere findet sich im Jakobusbrief nicht die geringste Spur von Problemen mit oder gar Auseinandersetzungen um Fragen des Toragehorsams von Juden und Nichtjuden in den christlichen Gemeinden. Umso größer ist die Gefahr, paulinische Gemeindeprobleme in die Situation der Adressaten des Jakobusbriefes hineinzulesen bzw. bei ihnen zu vermissen und daraus dann entsprechende Schlüsse zu ziehen.


1. Der Jakobusbrief als Brief des Jakobus


Nimmt man also die paulinische Brille ab und liest den Jakobusbrief als das, was er sein will, dann stellt sich die Frage: Was bedeutet und impliziert die im Brief beanspruchte Verfasserschaft durch den Herrenbruder Jakobus (ein anderer Jakobus kommt nicht in Frage) für seine Interpretation? Die historische Beantwortung und Verifizierung der Verfasserfrage ist dabei zunächst einmal sekundär. Wie auch immer die Antwort ausfällt, die Frage nach der Bedeutung und den Implikationen der Verfasserschaft durch den Herrenbruder für die Leser des Briefes stellt sich in jedem Fall und ist zu wesentlichen Teilen unabhängig von ihrer Entscheidung auf historischer Ebene. Bei einer Auslegungsmethodik, die der Erhellung der Rezeptionsvorgänge von Texten nachgeht, stellt sich die Frage nach dem Verfasser nämlich zunächst einmal in der Weise, dass nach der Autorintention in der Wahrnehmung der Rezipienten gefragt werden muss. Wenn christliche Hörer/Leser einen Brief empfangen, der von "Jakobus, einem Sklaven Gottes und des Herrn Jesus Christus, an die zwölf Stämme in der Diaspora" gerichtet ist (1,1), können sie gar nicht anders, als in jedem der folgenden Worte die Stimme des Bruders ihres Herrn zu vernehmen. Damit sind textinterne Eckpunkte gesetzt, die auch bei jeder historischen Kontextualisierung berücksichtigt werden müssen, bei Annahme von Pseudepigraphie ebenso wie bei der historischen Identifikation des impliziten Autors mit dem Herrenbruder Jakobus.


Gehen wir von diesen textinternen Rezeptionssignalen aus, so erscheint als Autor ausweislich des Präskripts Jakobus, der Herrenbruder. Das ergibt sich keineswegs erst aus der Kombination mit dem Präskript des Judasbriefes, in dem der Briefschreiber sich als "Judas, Sklave Jesu Christi, Bruder des Jakobus" vorstellt (Jud 1). Vielmehr ist es im Rahmen der uns in Grundzügen bekannten Rezeptionsmilieus des Christentums von Anfang an undenkbar, dass die Briefempfänger jemand anderen als den Herrenbruder Jakobus als Absender dieses Briefes vermutet haben könnten. Ein solcher müsste anderenfalls erst erfunden werden. Die übrigen uns bekannten Namensträger jedenfalls kommen aus der Perspektive der Rezipienten dafür nicht in Frage.


Jakobus schreibt an "die zwölf Stämme in der Diaspora", also aus Jerusalem nach Ostern zu Lebzeiten des Herrenbruders (zwischen 30 und 62 n. Chr.12) an Glieder des Gottesvolkes Israel irgendwo außerhalb des "Landes".13 Die so adressierten Empfänger lassen sich von einem Brief ansprechen, dessen eindeutig christlicher Inhalt als gemeinsame Basis von Autor und Adressaten erscheint. So etwas nennen wir normalerweise "Judenchristen". Von Berührungen mit Nichtjuden ist im Brief nichts zu spüren, ebenso wenig von irgendwelchen Auseinandersetzungen um Fragen wie Beschneidung, Sabbat und Speisevorschriften der Tora. Von Paulus ist nicht die Rede, ebenso wenig von Petrus, Johannes, Barnabas, Johannes Markus oder sonst irgendwelchen Persönlichkeiten, die uns aus neutestamentlichen Schriften bekannt sind, auch nicht von speziellen Gemeindeproblemen, die in ihnen eine Rolle spielen. Die Gattung des Textes steht jüdischen Diasporabriefen nahe und unterscheidet sich charakteristisch von der der Paulusbriefe, aber ebenso von der des 1. Petrusbriefes.14 Die Intention des Briefes ist primär paränetisch.15 Eine Fülle von Rezeptionssignalen, die diese Grundrichtung des Verstehens unterstreichen, durchzieht den ganzen Brief. Er erweist sich nicht zuletzt dadurch als "echter" Brief, selbst wenn ihm ein formales Postskript, z. B. mit Grüßen, fehlt. Die Kommunikationsvorgänge, die sich bei gezielter Wahrnehmung der Rezeptionssignale rekonstruieren lassen, untermauern die Gattungsbestimmung, die von der Texteröffnung her nahe gelegt wird.


Traditionsgeschichtliche Beziehungen zu anderen frühchristlichen Schriften sind freilich nicht von der Hand zu weisen.16 Sie müssen von Fall zu Fall erhellt werden. Möglicherweise ergeben sich daraus - wie viele Ausleger vermuten oder behaupten - auch Argumente für die Verfasserfrage. Man sollte dabei aber die traditionsbildende und -prägende Kraft des Herrenbruders und der Jerusalemer Urgemeinde nicht von vornherein außen vor lassen. Das hat sich schon bei der viel diskutierten Frage nach so genannten "vorpaulinischen Traditionen" letztlich nicht bewährt. Immerhin stünde für eine Jerusalemer Traditionsbildung und -verbreitung zu Lebzeiten des Jakobus im Prinzip ein Zeitraum von knapp 30 Jahren zwischen seiner Berufung (vgl. 1Kor 15,7) und seinem Martyrium zur Verfügung, ein Zeitraum, der bekanntermaßen durch eine geradezu explosionsartige Traditionsentwicklung gekennzeichnet ist, die sich offenbar gerade am Ort der Urgemeinde in Jerusalem und von ihr ausgehend vollzog.17 Dass in dieser Zeit der Herrenbruder nicht nur in Jerusalem eine führende Rolle spielte, sondern von Beginn an auch mit allen uns bekannten Autoritäten des Urchristentums in regem, dauerhaftem Austausch stand, ist breit bezeugt (vgl. Gal 1,18 f.; 2,9.12; 1Kor 16,1 f.; 2Kor 8 f.; Röm 15,14-33; Apg 12,17; 15; 21,18). Vergleichbare Konstellationen andernorts, z.B. in Antiochia, sind es deutlich schwächer.


1.1 Jakobus als Briefautor in neueren Kommentaren zum Jakobusbrief


Natürlich geht die Diskussion zur Verfasserfrage und zur Bedeutung des Namens des Autors für das Verständnis des Briefes auch in der jüngeren Forschung weiter. Blicken wir daher zunächst unter dieser Fragestellung in einige neuere Kommentare zum Jakobusbrief und fragen wir, wie sie von ihr her den Jakobusbrief als Brief des Jakobus deuten! Gleichzeitig wollen wir bei diesem Durchgang nachsehen, wie die Kommentatoren jeweils die Beziehung zwischen dem Jakobusbrief und Paulus beschreiben und wie sie - bei Annahme von Pseudepigraphie - die Wahl des Pseudonyms des Herrenbruders erklären.


Christoph Burchard 18 stellt in prägnanter Kürze, die an Präzision nichts vermissen lässt, gleich zu Beginn die "Grundannahmen" seiner Auslegung klar: "Der Brief stammt nicht von Jakobus, dem Bruder Jesu von Nazareth, sondern ist ein Stück pseudepigraphischer Literatur in Briefform von einem sonst unbekannten Kirchenmann aus den letzten Jahrzehnten des 1. Jh.s n. Chr. Er schrieb gutes Griechisch, vielleicht in Syrien." (1) Etwas ausführlicher begründet B. anschließend (3-6) seine Sicht in der Verfasserfrage mit dem Verweis auf "die griechische Rhetorik ..., die hellenistischen, wenn auch oft jüdisch vermittelten Züge seiner Theologie und Ethik, die sprachlichen und sachlichen Berührungen mit der nachpaulinischen frühchristlichen Literatur und was sich über die Adressaten ausmachen lässt" (4).


Sein Urteil zu den Adressaten erscheint auf den ersten Blick widersprüchlich, trifft freilich darin sehr genau die Schwierigkeiten historischer Rekonstruktion: "Wenn die Adressaten so dachten wie der Brief, dachten sie judenchristlich. Aber daß sie sich, gleich welcher Herkunft, als Juden verstanden, ist eher unwahrscheinlich. Insofern waren sie keine Judenchristen." (1) Freilich: Was es im Entstehungskontext des Briefes bedeutet, sich als Juden zu verstehen, wäre erst einmal genauer zu bestimmen! Vermeintlich eindeutiger klingt es, wenn B. kurz darauf schreibt: "Der Brief ist adressiert an die zwölf Stämme in der Diaspora, d. h. Israel, das oder soweit es unter den Heiden zerstreut lebt. Jak meint damit aber nicht das jüdische Volk oder die Jesusanhänger in ihm ..., sondern die Christenheit" (6; ähnlich 50 zu 1,1). Was mochte ein "Jak" sich wohl vorgestellt haben, wenn er an "die Christenheit" dachte? Auch bei einer zeitlichen Einordnung des Briefes in "die letzten Jahrzehnte des 1. Jh.s" (so B., 7) scheint mir diese Terminologie anachronistisch und irreführend,19 ganz zu schweigen davon, dass es abgesehen von dem anders gelagerten Präskript des 1Petr keinen frühchristlichen Beleg für den metaphorischen Gebrauch von ÈÛÔÚ für Nichtjuden gibt.


Eindeutig äußert sich B. zum Verhältnis zu Paulus: "Jak setzt sich nicht mit Paulus oder seiner Nachwirkung auseinander. Was so aussieht, erklärt sich durch gemeinsame Tradition." (1) Dies wird in einem Exkurs zu 2,20-25 begründet (125 f.) und in der Auslegung von 2,14-26 durchgängig entfaltet. Das entscheidende Argument steht bei 2,24: "Wie immer man das Verhältnis Jakobus - Paulus historisch beurteilt, sie meinen mit ÛÙÈ, öÚÁ und ÈÎÈÔÜÛÈ nicht dasselbe und formulieren manches verschieden, was sie eint" (131). Das geht aber nur, wenn der Autor des Jak die paulinischen Argumentationen im Galater- und Römerbrief nicht kennt (was keineswegs bedeuten muss, dass er Paulus selbst und wesentliche Einsichten seines Christus-Evangeliums nicht kennen dürfte).


Die Frage, "warum der Brief vom Herrenbruder geschrieben sein soll", beantwortet B. mit einer Reihe von weiteren Fragen (5). Abgesehen von der Annahme, der Brief "sollte ... gerade nichts Neues und Eigenes bringen, sondern das Echte und Ursprüngliche bewahren, wie es der große Jerusalemer Urchrist repräsentiert hatte oder haben mußte" (ebd.), bleiben sie alle offen. Dasselbe gilt für die historische Lokalisierung der Adressaten ("eher so etwas wie ein Klima ... als die kirchliche Wetterlage an einem bestimmten Ort zu bestimmter Zeit", 6). "Traditionsgeschichtliche Verwandtschaft mit Mt und 1Petr mag für eine zeitliche Nähe sprechen" (7), aber dem traut auch B. keine Datierungsrelevanz zu.


Anders geht Wiard Popkes in seinem Kommentar vor.20 Die Klärung der "Abfassungsverhältnisse" steht bei ihm am Schluss der Einleitung (59-69), nachdem zuvor ausführlich über "Prolegomena" (1-7), "text- und kanonsgeschichtliche Rezeption" (7-11), "kommunikative Gestalt" (11-15), "inhaltliche Schwerpunkte und Situation der Adressaten" (16-26, darin auch "Grundlinien der Theologie des Jakobus", 22-26), "Traditionen" (27-44, darin auch "Beziehungen zu Paulus", 36-39) und "kompositorische Gestalt" (44-58) gehandelt worden ist. Ansetzen will P. also "bei internen Gesichtspunkten der Kommunikation zwischen Jak und seinen Adressaten" (6), ernst nehmen will er "die kommunikative Gestalt" bzw. "den Anrede-Charakter" (7) des Textes. Allerdings erweisen sich solche Gesichtspunkte dann doch immer wieder als wenig spezifisch: "Jak wendet sich überwiegend an eine kollektive Größe" (11). "Die kommunikative Zielsetzung besteht in der handlungsorientierten Beeinflussung von Menschen, die man auf bestimmte Wertvorstellungen, Konsens-Grundlagen und Erfahrungen ansprechen kann." (13) Jak konzentriere sich "auf den Umgang mit Menschen, Gaben, Gütern und Gegebenheiten"; er sei "primär Ethiker" (16). Konflikte bei den Adressaten "dürften ... allgemein im Konkurrenz- und Prestigedenken, das auch den Alltag (Beruf, Geschäft, Fortkommen) einbezog, zu orten sein" (17 f.) usw. Der "sachlich-situative Vergleich" mit Schriften wie Mt, Hebr und den Past führt auch nichts Genaueres vor Augen als eine "allgemeine Situation am Ausgang des 1. Jh.s" mit den allseits beliebten "typische[n] Probleme[n] der 2.-3. Generation": "Nachlassen der Spannkraft und der Tätigkeit des Glaubens, Welt-Zugewandtheit, Wohlstand und Prestigedenken, soziale Unterschiede, Gruppenegoismus" usw. (42 f.). Es wäre freilich unschwer möglich, all die aufgezählten Probleme auch mit Stellen z. B. aus dem 1. Thessalonicherbrief oder den Korintherbriefen des Paulus zu belegen! Was bringt eine solche Argumentation dann noch für die Datierungsfrage?


Hinsichtlich des Verhältnisses zu Paulus urteilt P. differenziert. Einerseits hält er fest: "Die Diskussion bei Jak ist ekklesiologisch-ethischer, nicht primär soteriologischer Natur wie bei Paulus ... Die Ausgangsbedingungen sind ganz unterschiedlich ... Jak ist kein Antipauliner." (38) Andererseits hat er sich zuvor aber schon festgelegt im Blick auf das "logische[n] Gefälle" und die "relative Chronologie" zwischen beiden (36). Demnach sei entscheidend "der sachliche Reflex im Sinn von These (Paulus) und Antithese (Jak), die freilich nicht direkt erfolgte, sondern über die Zwischenstufe einer verwilderten Paulus-Tradition" (37). P. sollte allerdings hinzufügen, dass eine solche verwilderte Paulus-Tradition nichts weiter als eine hypothetische Konstruktion aus dem Jakobusbrief ist (gelegentlich auch aus dem 1. Korintherbrief, dem Galaterbrief und/oder dem Philipperbrief), für die es im frühen Christentum jedenfalls keine Belege gibt. Die von ihm als Hintergrund für Jak 2,14-26 ins Feld geführte "Entwicklung der (paulinischen) Missionskirchen" (39), soweit wir sie aus neutestamentlichen und frühchristlichen Texten kennen, kann dafür schwerlich ins Feld geführt werden, da sie hinsichtlich des Verhältnisses von Glaube und Werken die paulinische Rechtfertigungsargumentation des Galater- und Römerbriefes gerade nicht radikalisiert, sondern eher in Richtung auf die ethische Argumentation des Jak umbiegt!


Auch für P. ist am Ende also der Brief ein Pseudepigraphon und "wurde in fortgeschrittener neutestamentlicher Zeit verfaßt, etwa um die Wende vom 1. zum 2. Jh.", was sich in der "sachlichen und sprachlichen Nähe zu verschiedenen Schriften aus der Zeit zwischen ca. 85 und dem Anfang des 2. Jh.s" zeige (69). Mit der Frage nach den Motiven der Autorfiktion hält sich P. nicht lange auf. Sie bedeute, "daß irgend jemand gemeint hat, im Namen des Herrenbruders eine Botschaft an die Christenheit in aller Welt ausgehen zu lassen; dazu lieh er sich die Autorität jenes Namens. Die Intention wäre relativ breit angelegt, nämlich die Kirche zu stärken und zur Räson zu rufen." (65) Aber warum dann gerade Jakobus? Und warum ein Jakobus, dessen Autorität als Herrenbruder im Brief gerade nicht herausgekehrt und dessen Gegnerschaft zu Paulus geradezu versteckt wird? Bezüglich der Empfänger hält P. kurz und bündig fest: "Adressat ist die Christenheit im Ausland." (69, ähnlich 65: "Christenheit in aller Welt"). Als Hauptargument gegen die Herkunft vom Herrenbruder wertet P. die "Verortung ... in der theologie-, kirchen- und sozialgeschichtlichen Entwicklung des Frühchristentums" (59, vgl. 68). Die Einzelbegründungen dafür bleiben freilich wieder allgemein und ungenau (bzw. bisweilen auch scheinbar übergenau): "Die sachliche Nähe speziell zu Mt, Hebr, Past, Lk-Apg ... zeigt ein fortgeschrittenes Stadium, etwa in den letzten zwei Jahrzehnten des 1. Jh.s, evtl. sogar um die Jahrhundertwende ... Eine vergleichbare ökonomische Lage wird eher bei Lk-Apg und in den Past erkennbar ... Entscheidend ... ist das allgemeine Bild der Adressaten, das sich uns darbietet." (59) Zu den "Schriften des frühen 2. Jh.s ... existiert ... eine gewisse Nähe im geistigen Milieu ... In summa: Der Befund bietet keine sicheren Beweise, aber doch kumulative Annäherungswerte. Vom Denk- und Sprachmilieu her gehört Jak ins späte 1. Jh." (60 f.)


Man könnte mit dem Argument der Kumulation freilich auch das Gegenteil begründen. Jeder Schütze weiß: Ungenauigkeit bei den Einzeleinstellungen führt in der Summe zu umso größerer Abweichung vom Ziel, es sei denn, man landet einen Zufallstreffer! Entscheidend für die historische Beurteilung kann nicht ein "allgemeines Bild", sondern muss die möglichst exakte Bestimmung der Einzelbefunde und die Plausibilität der geschichtlichen Vorgänge sein, die zu ihrer Erklärung beitragen können. Hier bleibt P. klare Antworten schuldig.


Die ausführlichste Einleitung unter den neueren Kommentaren bietet derzeit Luke Timothy Johnson.21 Am Anfang stellt er die Frage nach der eigenen "Stimme" des Jak: I. The Character of the Writing: The Voice, 3-88 (darin u. a.: Language and Style, 7-11; Structure, 11-16; Genre, 16-26; besonders ausführlich: Literary Relationships, 26-80, darunter 58-65: James and Paul). Erst danach fragt er nach dem historischen Autor und den Abfassungsverhältnissen: II. Circumstances of Composition: Whose Voice?, 89-123. Den Abschluss bildet eine ausführliche Darstellung der Auslegungsgeschichte: III. History of Interpretation: How Was the Voice Heard?, 124-161, und eine knappe Besinnung zum Verhältnis von Erklärung und Interpretation bei der Auslegung: IV. Explanation and Interpretation: On Hearing James’ Voice, 162-164.


Inzwischen ist noch ein Aufsatzband von J. zum Jakobusbrief erschienen,22 der neben einer Reihe von bereits publizierten Einzelstudien und gegenüber dem Kommentar noch erheblich erweiterten Darstellungen zur Auslegungsgeschichte (A Survey of the History of Interpretation of James, 39-44; The Reception of James in the Early Church, 45-60; Journeying East with James: A Chapter in the History of Interpretation, 61-83; How James Won the West: A Chapter in the History of Canonization, 84-100) auch zwei neu geschriebene Kapitel enthält. In einem "Prologue" zur Aufsatzsammlung (James’ Significance for Early Christian History, 1-23) widmet sich J. der Frage nach dem "historischen Jakobus", stellt ihn in den Zusammenhang einerseits mit den Jerusalemer Autoritäten der Urgemeinde und Paulus, andererseits mit dem hellenistischen Judentum und Judenchristentum und fragt abschließend, welchen Aussagewert der Jakobusbrief bei Annahme seiner Abfassung durch den Herrenbruder für das frühe Christentum vor 62 n. Chr. hat.


Der ebenfalls neu verfasste "Epilogue" (The Importance of James for Theology, 235-259) geht von der negativen Bewertung des Jakobusbriefes bei Luther aus und verfolgt seine Behandlung in drei "klassischen" Theologien des Neuen Testaments (Schlatter, Bultmann, G. B. Caird). Gegenüber diesen repräsentativen Beispielen für eine primär auf die Vergangenheit ausgerichtete Interpretation setzt J. sich in Anknüpfung an R. Bauckham dafür ein, die theologische Stimme des Jakobus(-briefes) in der heutigen Welt wahrzunehmen. Dabei sind zwei spezifische Aspekte von besonderer Bedeutung: der primär theologische, nicht so sehr christologische Fokus "that enables it to be a precious resource for ecumenical conversation, not alone between Christians and Jews, but also among all those belonging to monotheistic faiths, and perhaps even all those who interpret reality religiously" (248), und der sozialethische, "the way in which theology is interconnected with moral instruction" (249). Abschließend zieht J. Konsequenzen aus seiner Interpretation für das Leben der Kirche in der Gegenwart "particularly how the church might live according to the faith of Jesus Christ and the law of love (2:1, 8) in a manner that bears authentic witness to God" (250).


Im zweiten Kapitel der Einleitung stellt J. zunächst die neutestamentlichen und außerneutestamentlichen Zeugnisse zum Herrenbruder zusammen mit dem bemerkenswerten Ergebnis, dass sich in beiden Quellenbereichen nirgends das Profil einer prinzipiellen Gegnerschaft zwischen Jakobus und Paulus ergibt. Zwar sind beide schwerlich miteinander zu harmonisieren, aber "research has also tended to confirm that beneath the rhetoric of the seperate writings, Paul and the Jerusalem church were in the first generation of the Christian movement more in a cooperative than competitive relationship. In order to derive from these sources a picture of James and Paul as personal or ideological opponents, something more than the evidence offered by the NT is required." (98) Selbst hinsichtlich der frühnachneutestamentlichen Belege ergibt sich: "James is never said to sponsor any form of ritual observance, certainly not that of circumcision. He is never identified as an active opponent of Paul or Paul’s mission." (106)


Erst nach dieser Durchsicht der Belege kommt J. auf "Theories of Authorship" zu sprechen (108-111) und trifft, betont unter Auflösung der zum einen auf Luther, zum anderen auf die Tübinger Schule zurückgehenden "Pauline Connection" (111- 116), seine eigene Entscheidung zur Verfasserfrage: "There is ... no linguistic reason why James of Jerusalem could not have written this letter." (118) "James is a very early writing from a Palestinian Jewish Christian source. And James the Brother of the Lord is a reasonable candidate." (121)


Douglas J. Moo hat nach seinem kürzeren Kommentar zum Jak von 1985 (Tyndale) nun einen zweiten, doppelt so langen in The Pillar New Testament Commentary vorgelegt, was ihm ermöglichte, seine Sicht der historischen und theologischen Zusammenhänge ausführlicher darzulegen.23 In der Anordnung der Einleitungsfragen geht er eher konventionell vor: Auf Abschnitte zur Rezeption des Briefes in der Kirche (2-6) und zur Gattung (6-9) folgen solche zu Autor (9-22) und Datierung (23-27). Abschließend werden ausführlicher die Theologie (27-43) und knapper Struktur und Thema des Schreibens (43- 46) behandelt. Für den Herrenbruder als Verfasser werden zunächst lediglich die einschlägigen neutestamentlichen Stellen angeführt, dann relativ ausführlich die Gründe gegen diese Identifikation des Briefautors im Einzelnen genannt, diskutiert und abgelehnt. Auch M. stellt dabei u. a. zum Verhältnis zwischen Jakobus und Paulus heraus: "... like ships passing in the night, James’ teaching does not really come to grips with what Paul was saying. Either each is unaware of what the other is saying, or one of them is responding to a misunderstood form of the other’s theology." (18 f.) Da er es für unwahrscheinlich hält, dass Jak 2,14-26 nach der Begegnung zwischen Jakobus und Paulus auf dem Apostelkonzil geschrieben werden konnte, kommt er zu einer Frühdatierung für den Brief in die Mitte der 40er Jahre.24


Mit bedenkenswerten Argumenten wendet M. sich abschließend gegen die unter heutigen Exegeten verbreitete Sicht, die Produktion und Rezeption pseudepigraphischer Schriften sei im frühen Christentum mehr oder weniger allgemein akzeptiert worden. "The very fact that James was accepted as a canonical book, then, presumes that the early Christians who made this decision were sure that James wrote it." (21)25


1.2 Weitere neuere Beiträge zur Verfasserfrage


Eine "introduzione" zum Jakobusbrief, d. h. eine monographische Darstellung zu denjenigen Fragen, die im Allgemeinen in einer Einleitung zum Neuen Testament behandelt werden, hat Giovanni Claudio Bottini OFM vorgelegt.26 Entsprechend ist das Buch gegliedert in zehn Kapitel, zunächst zum Autor (13- 27) und zu den Adressaten (29-48), dann zum Verhältnis zu Paulus (49-60) und zu dessen Briefen (61-92), zur Evangelientradition (93-140) sowie zu anderen theologischen Traditionen im Neuen Testament (141-177), schließlich zur theologischen und kulturellen Eigenart des Jak (179-203), zu seiner literarischen Struktur (205-230), zu seiner Gattung (231-243) und zu seinem zentralen Thema (245-265). Am Ende werden die Ergebnisse aller zehn Kapitel bequem zusammengestellt (267-269). Eine ausführliche Bibliographie und Register beschließen den Band.


Nach jeweils sorgfältiger Abwägung textexterner und -interner Indizien sowie der Forschungsdiskussion seit Dibelius plädiert B. vorsichtig für pseudepigraphische Verfasserschaft (26) sowie für eine universale Intention und eine weit gefasste Adressatenschaft (48; vgl. 267: "le ammonizioni si riferiscono a situazioni reali, ma tipiche"). Er rechnet mit einer gezielt antipaulinischen Ausrichtung (59) des Briefes. Dessen Verfasser kennt nach B. nicht nur den Römer- und den Galaterbrief (wohl auch den 1. und 2. Korinther-, Philipper und 1. Thessalonicherbrief, 91), sondern er nimmt auch deren Vokabular und Argumentation Punkt für Punkt auf, um der paulinischen seine eigene theologische Synthese entgegenzusetzen ("Ma ne ha ripreso punto per punto il lessico e l’argumentazione per presentare una sintesi teologica differente e senza polemica", 267).


Hauptargument gegen den Herrenbruder als Autor des Jakobusbriefes ist die Diskussion zwischen Paulus und den "Jakobusleuten" um Glaube und Beobachtung der kultischen Normen der Tora nach Gal 2,11-14, mit der sich der Verfasser des Jak in 2,14-26 in einem "dialogo immaginario" auseinander- setze (20). Entscheidender Grund gegen die Herkunft des Briefes von Jakobus sei "l’assenza ... di ogni riferimento al problema dell’osservanza delle norme rituali e cultuali del giudaismo, che era il vero problema dibattuto nel giudeo-cristianesimo delle origini" (die Abwesenheit jeglicher Bezugnahme auf das Problem der Einhaltung der rituellen und kultischen Normen des Judentums, das das wahre Problem im ursprünglichen Judenchristentum bildete, 267). Dieses Argument impliziert freilich ein Bild vom Herrenbruder und seiner Haltung zu den "rituellen und kultischen Normen des Judentums", das selbst wiederum durchaus diskussionsbedürftig erscheint, ganz abgesehen davon, dass die Identifikation der Jakobusleute in Antiochia nach Gal 2,11-14 mit den Meinungen und Haltungen des Herrenbruders selbst kaum so unproblematisch ist wie bei B. (und vielen anderen) vorausgesetzt.


Dem entspricht eine recht holzschnittartige Gegenüberstellung der theologischen Positionen des Paulus und des Jakobusbriefes. Der Verfasser des Briefes sei "un vero teologo cristiano che presume un’origine giudaica per mostrare senza esitazione né incertezza che la fede in Cristo si può unire all’osservanza della legge ricevuta da Dio (ein wahrhaft christlicher Theologe vermutlich jüdischen Ursprungs, der ohne Zögern und Zweifel zeigen will, dass sich der Glaube an Christus mit dem Gehorsam gegenüber dem von Gott empfangenen Gesetz vereinen lässt) ... Dunque egli è certamente rappresentante di un cristianesimo che attribuisce valore salvifico all’osservanza della legge del giudaismo, di cui sembrava l’avesse privata la teologia cristocentrica di Paolo (Also ist er sicherlich Repräsentant eines Christentums, das dem jüdischen Gesetzesgehorsam einen soteriologischen Wert zumisst, dessen die christozentrische Theologie des Paulus ihn beraubt zu haben scheint)." (188 f.) Somit sei die theologische Position des Jak eine Art Re-Judaisierung der paulinischen ("una rettifica posteriore di Paolo, in senso giudaico", 190). Weder scheint mir in dieser Gegenüberstellung angesichts der neueren Tendenzen der Paulusforschung, insbesondere der "new perspective", die paulinische Theologie ausreichend differenziert charakterisiert zu sein, noch dürften die theologischen Schwerpunkte im Jakobusbrief sich auf eine solche "Re-Judaisierung" christologischer und soteriologischer Prämissen der frühesten christlichen Verkündigung reduzieren lassen, zumal von einem "soteriologischen Wert" des Toragehorsams nur dann die Rede sein könnte, wenn Jak 1,21 allein auf die Tora zu deuten wäre (so B. mit u. a. M. Ludwig und M. Klein).


Mehrere Beiträge in einem kleinen Sammelband aus der Heidelberger Jakobus-Werkstatt (gewidmet Christoph Burchard) dokumentieren die Beschäftigung mit der spezifischen Intention des Briefes und seinen historischen und traditionsgeschichtlichen Kontexten auf der Basis der Annahme pseudepigraphischer Abfassung.27 Hervorzuheben darin ist der Aufsatz von Matthias Konradt.28 K. möchte von den "traditionsgeschichtlichen Beziehungen des Jakobusbriefes zu zeitgenössischen Schriften" her einen Zugang zu seinem historischen Ort finden (16). Insbesondere untersucht er genauer die gemeinsamen Traditionen im Jakobus- und im 1. Petrusbrief (Jak 1,2 f./ 1Petr 1,6 f.; Jak 4,6-10/1Petr 5,5c-9; Jak 1,18.21/1Petr 1,22- 2,2) und kommt zu dem Ergebnis, beide Briefe repräsentierten unterschiedliche Ausprägungen ein und desselben von der paulinischen Tradition zu unterscheidenden Traditionsstranges (30). Diesen traditionsgeschichtlichen Befund setzt er anschließend in Beziehung zu den historischen Relationen zwischen Petrus, Paulus und Jakobus, wie sie sich aus den Informationen der Paulusbriefe (insbesondere Gal 1,19; 2,6-9.11-14; 1Kor 9,5; 15,7) und der Apostelgeschichte (Apg 9,32; 12,17; 15,20.29; 21,25) erschließen lassen, mit dem Ergebnis: "Der dargelegten Verzweigung zwischen dem Jakobusbrief und dem 1. Petrusbrief einerseits und paulinisch-deuteropaulinischer Tradition andererseits korrespondiert das durch den antiochenischen Konflikt ausgelöste Auseinandergehen der Wege ... Trägerkreis dieser Traditionsfortbildung ist das antiochenische Christentum (samt Umfeld) nach dem Zwischenfall, in dem Petrus und auch Jakobus als gewichtige Autoritäten galten. Und eben dies dokumentiert sich in den Autorenfiktionen des 1. Petrusbriefes und des Jakobusbriefes." (39)


Der abschließende Überlegungsgang bemüht sich um den Aufweis von sachlichen Bezügen zwischen dem Jakobusbrief und dem, was wir über den Herrenbruder aus anderen Zeugnissen wissen. Auf diese Weise soll plausibel gemacht werden, "warum der tatsächliche Verfasser sein Schreiben gerade unter die Autorität eben des Herrenbruders (und nicht z. B. des Petrus) stellt" (42), in der Tat eine Frage, die simpler erscheint, als sie in Wirklichkeit ist, und daher oft schlicht ignoriert wird. Auch K. muss bei ihrer Beantwortung zu verbreiteten, m. E. letztlich nicht überzeugenden Hypothesen greifen. Demnach habe es im syrischen Raum nach 70 n. Chr. neben dem paulinischen und dem durch das Matthäusevangelium repräsentierten noch ein weiteres signifikant heidenchristlich geprägtes Milieu gegeben, das zwar "nicht als spezifisch jakobeisches Christentum zu rubrizieren" sei, das aber "die Jerusalemer Muttergemeinde und deren Leiter Jakobus als bedeutsame frühchristliche Persönlichkeit in Ehren hielt" (45). Auf Jakobus als fiktiven Autor sei die Wahl gefallen, da "der Herrenbruder für ein stark ethisch ausgerichtetes Schreiben als die Autorität der Anfangszeit gelten konnte" (ebd.). Die Adresse an "die zwölf Stämme in der Diaspora" (1,1) muss folglich metaphorisch auf die ganze Christenheit gedeutet werden (50) - mit der Konsequenz, das auf diese Weise hypothetisch konstruierte christliche Milieu der Absendergemeinde sei "nicht mehr Kristallisationspunkt des endzeitlich zu sammelnden Israel ... sondern schlicht Israel, und zwar ohne dass das nicht-christusgläubige Israel noch im Blick zu sein scheint" (52). Daraus gewinnt K. dann "ein weiteres Argument gegen die Echtheit des Briefes" (ebd.). Eine bemerkenswerte Pirouette! Sicher: Syrien ist groß und das frühe Christentum vielfältig, aber dass man nach 70 dort gleich drei voneinander unabhängige, heidenchristlich beeinflusste Milieus unterbringen soll, die zwar nichts voneinander (K. sieht in Jak 2,14-26 keine Bezugnahme auf paulinische oder nachpaulinische Probleme), aber umso mehr vom Herrenbruder in Jerusalem, von Paulus und Petrus und natürlich von Jesus gewusst haben sollten, erscheint mir wenig plausibel.


Die übrigen Beiträge des Bandes behandeln verschiedene historische und inhaltliche Aspekte des Briefes.29 Auch für Gerd Theißen30 ist "die Echtheitsfrage negativ entschieden", so dass er sich genötigt sieht, "eine (neue) historische Entstehungssituation zu rekonstruieren" (54). Seine These: "Jakobus wird im Jakobusbrief als Symbol des Judenchristentums in Anspruch genommen, um das Judenchristentum gegen Missverständnisse zu verteidigen ... Er verteidigt sich ... gegen das Bild eines ritualistischen, konfliktsüchtigen, engherzigen Judenchristentums, dem es an höherer theologischer Weisheit fehlt und das die Einheit der Kirche unnötig aufs Spiel setzt." (58) Für dieses "nicht ganz vorurteilsfreie[n] Bild" ist nach Theißen "der Paulinismus verantwortlich" (ebd.). Man sollte freilich hinzufügen: allenfalls ein Paulinismus nach dem Bild der protestantischen Theologie des 19. und 20. Jh.s. Jedenfalls finde ich in den Quellen bis zum "Ende des 1. Jh. n. Chr." (ebd.) für eine solche Bewertung des Judenchristentums keinerlei Belege, auch nicht bei Theißen, so dass seine Konstruktion der Entstehungssituation des Briefes insgesamt wenig überzeugend erscheint.31


Eindrücklich arbeitet Theißen in einem weiteren Beitrag den Zusammenhang von Egalität und Universalität in der Ethik des Jakobusbriefes unter besonderer Berücksichtigung des Liebesgebotes und der sozial ausgerichteten Mahnungen heraus.32 Differenziert sucht er schließlich anhand der Reichtumskritik und der (eher verdeckten) Bezüge im Brief zum Haus und zum Staat nach seinem "Sitz im Leben".33 Am Ende fragt er: "Welche Gemeinde hat der Jakobusbrief als Ziel vor Augen? Es ist eine Gemeinde, die sich autonom an ihrer eigenen Grundlage orientiert: am Gesetz der Freiheit. Es ist eine Gemeinde, die sich von ihren eigenen Lehrern unterrichten lässt, wie sie sich verhalten soll. Es ist eine Gemeinde, die ihren Glauben in Verhalten umsetzen will." (165) Eine durchaus attraktive Gemeindetheologie also, die im Jakobusbrief ebenso wie in dem ihm gewidmeten Studienband erkennbar wird!


Ein weiterer Sammelband ist vorwiegend dem Herrenbruder Jakobus nach den übrigen neutestamentlichen und außerbiblischen Quellen gewidmet.34 Nur zwei der Beiträge gehen näher auf den Jakobusbrief ein. Dabei werden akzentuiert Bezüge zwischen dem Jakobusbrief und solchen Überlieferungen herausgearbeitet, die auf spezifische jüdische Lebenszusammenhänge im Land Israel hinweisen.


Peter H. Davids untersucht "Palestinian Traditions in the Epistle of James" (33-57), in welchen er "markers of provenance in the Epistle of James, as opposed to, for example, Gaeco-Roman traditions" (33) sieht. Dabei differenziert er zwischen "genre evidence", "linguistic evidence", "incidental references" und "tradition-critical evidence" (35). Er rechnet den Brief zur Gattung der frühjüdischen Diasporabriefe, mit der Modifikation freilich, dass Jak erst nach dem Tod des Herrenbruders aus auf ihn zurückgehenden Einzelüberlieferungen zusammengestellt und herausgegeben worden sei, woraus sich zu beobachtende Inkohärenzen erklären. Das Griechisch des Briefes entspricht nach Qualität und Eigenarten genau dem, was von Griechisch sprechenden jüdischen bzw. judenchristlichen Gemeinschaften in Jerusalem zu erwarten ist. Einige zufällige Indizien (synagoge in 2,1-4; geenna in 3,6; proimos kai opsimos in 5,7) deuten auf palästinisches Lokalkolorit. Jüdische haggadische Überlieferungen und Jesus-Überlieferungen weisen ebenfalls in ein palästinisch-jüdisches Milieu. Somit ergibt sich nicht nur vom Präskript her, sondern auch auf Grund verschiedener Befunde am Text des Briefes "the impression that this work is culturally and linguistically at home in Palestine" (54). Es spiegelt, ob als Brief des Herrenbruders selbst oder, was D. für wahrscheinlicher hält, als nach seinem Tod in die Diaspora gesandtes Schreiben, die spezifische theologische Perspektive der judenchristlichen Gemeinde in Jerusalem, die Perspektive einer am Schema orientierten, auf die Tora bezogenen, aber nicht vom Tempel und von ritueller Reinheit bestimmten, sondern auch in der Diaspora praktikablen Frömmigkeit, die auf Jesus, den kyrios ... tes doxes (2,1), fokussiert ist (56 f.).


Speziell auf die Themen Israel und Reinheit ausgerichtet ist der Beitrag von Scot McKnight, "A Parting Within the Way: Jesus and James on Israel and Purity" (83-129). Er untersucht "the intersection of two concerns: (1) the national direction of Jesus’ vision and the place purity plays within that vision, and (2) how the various pieces of evidence about James fit into that vision of Jesus about purity" (84). Für den Jakobusbrief - nur diesen Aspekt der materialreichen und differenzierten Untersuchungen von McK. können wir hier auswerten - ergibt sich dabei: Die christlichen Adressaten werden mit Kategorien der biblisch-jüdischen Überlieferungen von der Wiederherstellung Israels charakterisiert. Daraus folgt: "this letter seeks to regulate the Christian Judaism of the Diaspora. Thus, James’ concern is with Israel, the eschatological Israel." (111) "In conclusion, James sees Israel as did Jesus: the new community around Jesus is the eschatological, restored Israel." (113) Hinsichtlich der Reinheitstora zeigt sich nach McK.: "First, as with Jesus and the picture of James in Acts, for the letter purity is found in adherence to the Torah of Moses." (117) Freilich ist das Verständnis der Reinheit nach dem Maßstab der Tora im Jakobusbrief beherrscht vom Liebesgebot der Tora. An dieser Zuspitzung des Gesetzesverständnisses wird deutlich: "James’ perception of the Law derives from Jesus: God’s commandments are best expressed in the commandment to love one’s neighbor." (122) "The Torah purity that defines this Twelve-Tribe Israel is (1) the Torah of Moses, (2) that has been interpreted by Jesus according to Lev 19:18, the Torah of love, and (3) this Torah has been implanted in them so they might be the pure Israel that does the Torah of love." (123)


Der Durchgang zu den Einleitungsfragen in den zu besprechenden Kommentaren und Untersuchungen zeigt: Die Lage ist durchaus offen und die Karten werden neu gemischt. Eindeutige Zuordnungen von Verfasser, Adressaten und Intention des Briefes lassen sich nicht ohne sorgfältige Begründungen vornehmen. Die Annahme pseudepigraphischer Verfasserschaft muss nicht sozusagen automatisch mit der These seiner antipaulinischen Tendenz einhergehen (vgl. Burchard und Konradt). Die Zuschreibung an den Herrenbruder muss ebenso wenig das Konstatieren eines sachlichen Gegensatzes zwischen den Aussagen des Briefes und denen des Paulus ausschließen (vgl. Moo). Daneben gibt es aber weiter auch die Kombinationen pseudepigraphisch und antipaulinisch (Popkes, Bottini) oder "echt" und von Paulus unabhängig (Johnson). Wichtigste Folgerung aus dieser neuen Lage, neu wenigstens für die deutschsprachige protestantische Durchschnittsmeinung der Exegese,35 scheint mir zu sein, dass jede vorgeschlagene Lösung einer Begründung bedarf, die nicht nur historische, sondern vor allem auch textpragmatische Plausibilität besitzt. Solange sich eine überzeugende Motivation und eine geschichtlich plausible Funktion für die Wahl des Pseudonyms "Jakobus" nicht sowohl am Text als auch mit Blick auf die überlieferten frühchristlichen Quellen im Einzelnen nachweisen lässt, bleibt die Beweislast in der Verfasserfrage angesichts des eindeutigen Zeugnisses des Briefpräskripts m. E. bei den Bestreitern der Herkunft vom Herrenbruder (gegen Popkes, 68).


2. Das eigenständige theologische Anliegen

des Briefes



Die Bestimmung des theologischen Gewichts des Jakobusbriefes sollte von dem ausgehen, was er zu sagen hat, nicht von dem, was ihm, etwa im Vergleich mit Paulus, fehlt.36 Vom Aufbau des Briefes her kommt, neben Briefpräskript und -schluss, der Texteröffnung in 1,2-11/12 besonderes Gewicht zu. Demnach verfolgt der Briefschreiber das Ziel, die Adressaten angesichts von Anfechtungen zu dauerhaftem und tätigem Glauben zu ermuntern (so die Eingangsmahnung, 1,2-4, mit pistis als Mitte). Zwei Themenkreise, die mit dieser Grundintention verbunden sind und schon im Briefeingang benannt werden, werden im Briefkorpus nacheinander entfaltet: 1,5-8 artikuliert das Spannungsfeld von Glaube und Zweifel, in dem sich solch dauerhafter und tätiger Glaube auszuleben und zu bewähren hat. Dieser Themenkreis wird vorwiegend in 1,12/13-3,12 aufgegriffen und entfaltet. 1,9-11 bringt eine Konkretion aus dem Gemeindeleben zur Sprache, die Bewertung von Reichtum und Armut vor dem Gericht Gottes. Daran knüpft entfaltend 3,13- 5,6 an. Der Briefschluss 5,7-20 verstärkt durch eine Reihe von Einzelmahnungen und -argumenten die paränetische Grundintention der Ermunterung zu dauerhaftem und tätigem Glauben.37


Theologisch grundlegende Funktion hat der Abschnitt zu Beginn der ersten Entfaltung (1,12/13-25). Man kann fragen, ob und inwiefern diese theologische Grundlegung für beide Entfaltungen des Anliegens des Briefes im Einzelnen nachweisbar leitend ist. Für die erste ist sie es in jedem Fall. Hier wird der Glaubensbegriff aus dem Eingang des Briefes (1,3.6; vgl. noch 2,1.5.14-26; 5,15) weiterführend definiert als Ausleben des bei der "Wiedergeburt" empfangenen Wortes der Wahrheit (1,18. 21b). Dieser Glaube ist Geschenk "von oben" (1,17) und hat soteriologische Funktion (1,12.21b.25b). Er führt zur Vollkommenheit, aber erst im Endgericht (1,12). Er zeigt sich beim Beten, Durchhalten, Gottvertrauen, Sich-prüfen-Lassen, vor allem aber im Tun des Wortes (1,22), d. h., in einem ganz (also im Hören und Tun) dem vollkommenen Gesetz der Freiheit folgenden Leben (1,25). Das soteriologische Anliegen im Glaubensverständnis des Jakobusbriefes wird am Anfang und am Schluss betont (1,2-4; 5,19 f.), hat also in diesem Sinne umfassende Bedeutung für das Verstehen des Briefes.


2.1 Zur Diskussion um das "Wort der Wahrheit" (1,18)


Besondere Aufmerksamkeit im Rahmen der Wiederentdeckung der theologischen Eigenaussagen des Jakobusbriefes hat die Interpretation der Wendungen im Briefeingang zum Wortfeld "Wort" - "Wahrheit" - "Gesetz" - "Vollkommenheit" - "Freiheit" gefunden.38 Aufgegriffen und in einer spezifischen Richtung weitergeführt wird diese Diskussion durch die Untersuchung von Matt A. Jackson-McCabe,39 eine Chicagoer Disser- tation von 1998, die sich der Analyse und Interpretation der Wendung ho emphytos logos widmet. Schon aus seiner Nachzeichnung und Beurteilung wesentlicher Schritte der Forschungsgeschichte seit Dibelius (hervorgehoben behandelt werden außer Dibelius A. Meyer, M. E. Boismard, M. Klein, R. Fabris40 und vor allem M. Ludwig) geht klar die These hervor: Der Verfasser des Jak habe theoretische Konzeptionen und Wendungen aus der philosophischen, insbesondere der stoischen Überlieferung seiner Zeit aufgenommen und in ein "set" von religiösen und historischen Überzeugungen eingebaut, das im Wesentlichen aus jüdischen und christlichen Traditionen gebildet wurde (27). Die Wendung ho emphytos logos "was in fact coined in philosophical circles, in connection with the Stoic theory that human reason comprises a divinely given natural law." (26)


In vier argumentativen Schritten erarbeitet und begründet J.-McC. seine These. Zunächst entfaltet er die stoische Konzeption des Naturgesetzes (Law as Implanted Logos: Cicero and the Stoics on Natural Law, 29-86) und weist darin die Rede vom Gesetz als einem der Natur eingepflanzten Logos nach (vor allem in der Wendung ratio insita bei Cicero, De Legibus 1,18, hinter der J.-McC. eine entsprechende griechische Vorlage vermutet). Anschließend untersucht er jüdische (Philo; IVMakk; Apostolische Konstitutionen, Buch 7) und christliche (Justin Martyr, 2. Apologie; Methodius bei Epiphanius, Pan. IV, 64, 60-62) Rezeptionen und Modifikationen der stoischen Lehre vom Naturgesetz (The Law of Moses, the Teaching of Jesus, and Natural Law, 87-133). Dabei wird deutlich, dass die stoischen Konzeptionen jeweils durchsetzt sind mit Prämissen und Gedanken, die der stoisch-philosophischen Tradition gänzlich fremd sind und daher zu massiven Umprägungen ihres Gedankengutes führen. Gleichwohl weise die Terminologie der "Einpflanzung", die sich in diesen an sich sehr verschiedenen Texten immer wieder findet, auf eine mehr oder weniger verdeckte, aber breit gestreute Prägung durch stoische Traditionen hin.


Im dritten Schritt soll nun der Nachweis folgen, dass auch der Jakobusbrief im Licht dieser Tradition zu lesen und zu verstehen ist (The Implanted Logos and the Law of Freedom, 135-192). Bei der näheren Untersuchung der einschlägigen Wendungen (nomos teleios ... tes eleutherias, 1,25; nomos ... basilikos, 2,8), jeweils in ihrem brieflichen Kontext und im Zusammenhang frühjüdischer Überlieferungen, kommt J.-McC. zu durchaus differenzierten Ergebnissen. Zwar sind die sachlichen und konzeptionellen Unterschiede zwischen dem Jakobusbrief und der stoischen philosophischen Tradition noch gravierender als bei den zuvor untersuchten frühjüdischen und christlichen Texten, vor allem mit Blick auf die eschatologischen Aussagezusammenhänge, die für den Brief konstitutive Bedeutung haben. Dennoch sei das Verständnis des Gesetzes im Zusammenhang mit seiner Rede vom "eingepflanzten Wort" auch stoischer Philosophie verpflichtet (154). Allerdings sei die Vorstellung von dem emphytos logos stärker durch jüdische und christliche als durch stoische Sprache bestimmt. "James’ notions that this logos can be heard and, in some sense, received in particular suggest that he, like the Jewish and Christian authors ... assumes that this logos has some external, verbal form." (154) Damit findet J.-McC. seine eingangs formulierte These bestätigt: "James has incorporated the Stoic concept into a set of religious and historical convictions which derive from Jewish and Christian tradition rather than Stoic philosophy" (27).


Der vierte und letzte Schritt (Logos and Desire, 193-239) setzt die erarbeiteten Ergebnisse in Beziehung zur Soteriologie des Jakobusbriefes, insbesondere zum Verständnis von logos aletheias (1,18). J.-McC. möchte zeigen, dass im Jakobusbrief auch dieser Logos, insbesondere im funktionalen Zusammenhang mit seinen Gegenbegriffen epithymia (1,14 f.; vgl. 4,2) und hedonai (4,1.3), von stoischen Denkvoraussetzungen her zu verstehen ist, die freilich signifikant umgeprägt worden sind von den jüdischen und christlichen Gedanken des Verfassers: "In James, this pair functions in the context of a worldview in which opposing supernatural beings, God and the Devil, vie to influence human behavior, and in which judgment by the divine lawgiver looms. Logos and desire, in short, function as the two mutually exclusive ways by which one might travel toward this eschatological judgment. Implanted at God’s creation of the human being, James’ logos is the common possession of humanity in general; it is not, in other words, the Gospel." (196)


Man wird freilich fragen können, ob nicht das sich in den zuletzt zitierten Formulierungen andeutende Verständnis von 1,18 gewissermaßen zwangsläufig aus der starken Betonung der stoischen Denkvoraussetzungen des Briefautors folgt. Jedenfalls geht J.-McC. den Bezügen der soteriologischen Aussagen des Briefes zu frühchristlichen Traditionen weit weniger intensiv nach als den Spuren, die in die philosophische Tradition weisen. Das zeigen vor allem seine doch recht knappe Behandlung der Problematik von Logos und Werken (216-221), seine im Wesentlichen mit dem argumentum e silentio arbeitenden Vermutungen zur Geltung von Torageboten nach der Sicht des Briefautors (176-185) und seine Annahme, die Diskussion von pistis und erga in 2,14-26 sei im Licht paulinischer Formulierungen zu verstehen (185). Bezeichnend für seine Argumentation ist es jedenfalls, wenn er eine soteriologische Deutung von 1,18 mit der Begründung ablehnt: "Given James’ dependence upon a philosophical understanding of law which, originally at least, conceived it as having been implanted by God in all of humanity when he created them, the assumed dichotomy between cosmological and soteriological interpretations which underlies this formulation of the problem is entirely unnecessary." (235 f.) Das mag wohl sein. Nur ist damit noch keineswegs das Urteil begründet, "the context in which this reference is made indicates that he considers this logos to be the common possession of all humanity rather than the peculiar possession of Christians" (238), jedenfalls sofern man zu diesem Kontext auch das Präskript mit der Selbstbezeichnung des Autors als theu kai kyriu Iesu Christu dulos, die ständige Anrede der Briefadressaten als Christen (so betont gerade im Umfeld von 1,18, vgl. adelphoi mu agapetoi 1,16; adelphoi mu agapetoi 1,19; adelphoi mu 2,1) und vor allem die klar christologisch-soteriologisch gefüllte Aussage von 2,1 (he pistis tu kyriu emon Iesu Christu tes doxes) rechnet.


2.2 Zur theologisch-ethischen "Mitte" des

Jakobusbriefes und ihrer aktuellen Bedeutung


Zwei neuere Gesamtdarstellungen zum Jakobusbrief, die gänzlich die "paulinische Brille" abgesetzt haben, wenden sich dem zentralen theologisch-ethischen Anliegen des Briefes zu, das sie in einem tätigen Glauben sehen, der seinen maßgeblichen Impuls von Jesus von Nazaret empfangen hat. Beide führen am Ende zu bemerkenswerten Reflexionen über die Bedeutung gerade dieser neutestamentlichen Schrift für christlichen Glauben und christliches Leben heute.


Richard Bauckham41 wählt als Zugang zum Jakobusbrief Sören Kierkegaards Reflexion über das Blicken in den Spiegel (Jak 1,22-25). Nach Kierkegaard müsse der Christ, der die Schrift als Gottes Wort lesen will, zuerst sich selbst im Spiegel des Gotteswortes betrachten und dann das, was er dort wahrgenommen hat, in die Praxis umsetzen (3). Mit Kierkegaard wendet B. diese Metapher auf die neuzeitliche biblische Wissenschaft an, die in der Gefahr stehe, sich mit ihrem Streben um eine möglichst genaue und objektive Untersuchung der biblischen Texte zwischen die Schrift und ihre Leser bzw. Hörer zu stellen: "But in all honesty it has to be acknowledged that biblical scholarship does pose a temptation, both for scholars and those who read their books: the temptation to substitute study for faith and action." (5) Das würde bedeuten, beim Blicken in den Spiegel nur noch den Spiegel und nicht mehr sich selbst zu sehen. B. möchte wegen dieses Anstoßes von Kierkegaard her einen hermeneutischen Zugang zum Jakobusbrief eröffnen "which transcends the opposition between learning about the text and hearing the text’s address". "The difference which situating historical and literary methods within a hermeneutic of personal engagement makes will be like the difference between learning the life-story of someone one loves and learning the life-story of someone one has never met in order to write a biographical dictionary entry." (9)


Dazu dienen zwei stärker an historischen und literarischen Methoden ausgerichtete und zwei stärker theologisch reflektierende Teile. B. sieht im Jakobusbrief eine paränetische Enzyklika (13). Aus dem Briefpräskript und unserem Wissen um die Beziehungen zwischen Jakobus, Jerusalem und den Judenchristen in der Diaspora und angesichts der Tradition frühjüdischer Diasporabriefe ergebe sich "a highly plausible epistolary situation for a letter actually sent from James of Jerusalem to the Jewish Christian communities in the eastern and western Diasporas" (19). Adressat des Briefes sei nicht eine spezifische Gemeinde wie im Fall der Paulusbriefe, sondern: "James is an encyclical addressing any Jewish Christian community anywhere in the Diaspora in appropriately general terms" (27). Dementsprechend sei der Brief "a compendium of James’ wisdom, arranged in various topical sections and encapsulated in memorable aphorisms", "a resource for the churches to draw on regularly and whenever necessary" (28).


Im Folgenden untersucht B. ausführlich die im Brief verwendeten literarischen Formen (35-60), die Struktur des Gesamttextes (61-73) und die traditionsgeschichtlichen Zusammenhänge mit besonderem Blick auf Ben Sira und Jesus von Nazaret (74-93). Hier knüpft ein Vergleich zwischen Jakobus und Jesus an (The Wisdom of Jesus and the Wisdom of James, 93-108), mit dem bemerkenswerten Ergebnis, dass sich dieselben signifikanten Unterschiede zwischen der "Weisheit Jesu" und der jüdischen Weisheitstradition auch in der "Weisheit des Jakobus" wieder finden (95). Ganz unabhängig von der Frage nach möglichen Abhängigkeiten einzelner Aussagen des Jakobusbriefes von Jesus oder der Jesusüberlieferung könne so herausgearbeitet werden "that James’ wisdom has been decisively shaped by the distinctive character and emphases of Jesus" (100). Besonders prägnant sei die Übereinstimmung mit Jesus bei gleichzeitiger signifikanter Differenz zur jüdischen Weisheitsüberlieferung hinsichtlich der Eschatologie: "Arguably, it is to a large extent the radicalizing of wisdom and Torah by theocentric eschatology which gives the wisdom of Jesus and of James their distinctiveness and commonalty. Their wisdom of counter-order is not intelligible without the eschatology that informs it." (104) Gerade in der Beziehung zur jüdischen Überlieferung zeige sich damit eine zentrale Übereinstimung zwischen Jakobus und Jesus: "James’ relationship to Judaism simply parallels Jesus’ relationship to Judaism. There is nothing un-Jewish in the teaching either of Jesus or of James ... The wisdom of Jesus functions for James as the focus and principle guiding his appropriation of other Jewish traditions. His wisdom is the Jewish wisdom of a faithful disciple of Jesus the Jewish sage." (108) Mit seiner kreativen Weiterentwicklung wesentlicher Aspekte der jüdischen Weisheitstradition, die maßgeblich durch Jesu eigene weisheitlich geprägte Verkündigung angestoßen und geformt worden sei, stelle der Jakobusbrief wichtige kanonische Anknüpfungspunkte zur biblischen Weisheitsliteratur ebenso wie zu den synoptischen Evangelien her (111).


Solchen kanonischen Bezügen wendet B. sich im folgenden Kapitel zu (James in Canonical Context, 112-157). Zunächst setzt er sich mit der paulinischen Perspektive auf den Jakobusbrief kritisch auseinander und versucht, die Aussagen zu Glaube und Werken in 2,14-26 ohne Bezug zu Paulus auf der Basis einer beiden gemeinsamen jüdischen Tradition zu verstehen, die beide in verschiedenen Situationen mit unterschiedlichen Zielen weiterentwickelt haben (113-140). In einem zweiten Schritt rückt er den Brief unter den Aspekten Prophetie, Gesetz und Weisheit in den Zusammenhang mit anderen Teilen des biblischen Kanons (James for Messianic Jews and Gentile Christians, 140-157) und stellt dabei insbesondere mit Blick auf sein Gesetzesverständnis noch einmal sein Verhältnis zu Paulus und abschließend zum 1. Petrusbrief in den Mittelpunkt der Überlegungen. Mit Blick auf das Gesetz im Jakobusbrief formuliert er: "In other words, the law as James reads it for the Messianically renewed Israel is the law interpreted by Jesus in his preaching of the kingdom, the law as expressing God’s will for his people in the dawning of his eschatological rule." (143) Im Blick auf Heidenchristen, um die es in den paulinischen Argumentationen zum Gesetz geht, lässt sich über das Liebesgebot eine kanonische Beziehung zwischen Jakobus und Paulus herstellen. "Thus it seems that the way James interprets the law for his Jewish Christian audience - as internalized in transformed hearts, concentrated in the summary principle of love for the neighbour, and intensified in line with Jesus’ teaching - is also the way Paul understands it in relation to Gentile Christians. In what James says positively about the law there is very striking continuity between James and Paul. It is only in what James does not say that there is discontinuity." (151)


Im letzten Kapitel kommt B. wieder auf Kierkegaards Impuls zurück, nach welchem der Leser der Schrift sich selbst ihrer Anrede unmittelbar auszusetzen habe. Zunächst zeichnet er Kierkegaards Lektüre des Jakobusbriefes nach (Reading James in Nineteenth-Century Copenhagen, 159-174). Dann gibt er Anstöße für einen hermeneutischen Prozess "in which reflective understanding of the text, informed by historical and literary study, can lead to that appropriation and practice of the text which the text itself so clearly expects, in ways that respond and relate to our contemporary context" (159; vgl. 174-208: Reading James at the Turn of the Millenium). Anhand konkreter Textteile und -aussagen des Jakobusbriefes reflektiert er Verhaltensweisen und Maßstäbe für eine christliche Gemeinschaft heute, die vor der Aufgabe steht "to develop as a counter-cultural alternative to the dominant culture, in its own life together both distinctive and outgoing, shaping its members’ lives, both with and without the community’s own life, in ways that witness to Jesus Christ, in critical solidarity with all that is good in the dominant society and in prophetic critique of all that is corrupting and destructive" (174 f.).


Auch Patrick J. Hartin, der schon mit einer Monographie zum Jakobusbrief und der Jesus-Überlieferung hervorgetreten war,42 setzt sich in seinem neuen Buch dafür ein, den Jakobusbrief zu seinem eigenen Recht kommen zu lassen, anstatt ihn von vornherein mit den Augen anderer Traditionen, z. B. der paulinischen, zu betrachten und zu bewerten.43 Gleichzeitig bemüht er sich, ähnlich wie Bauckham, die besondere Spiritualität des Briefes und ihre theologischen Implikationen für heutige Leser freizulegen (Preface, vii-viii). Dabei geht er aus von dem Konzept der Vollkommenheit, das den Jakobusbrief in besonderer Weise prägt, nimmt aber in den sieben Kapiteln seiner Untersuchung auch das Ganze des Briefes und darüber hinaus noch seine religions- und traditionsgeschichtlichen Zusammenhänge in den Blick.


Nach einem knappen Blick auf die jüngere Interpretationsgeschichte und die Anlage seiner eigenen Studie (A Call to Perfection, 1-15) arbeitet er zunächst den antiken Hintergrund und Kontext des Konzeptes der Vollkommenheit in der klassisch-griechischen Welt, im Alten Testament mit besonderem Blick auf die Septuaginta, im Frühjudentum und im Neuen Testament heraus (An Overview of the Concept of Perfection in the Ancient World as a Background to the Letter of James, 17-39). Anschließend behandelt er in drei Kapiteln den Jakobusbrief selbst, zuerst seine Gattung und Zielstellung (The Nature and Purpose of the Letter of James, 41-56), dann die ethische Unterweisung des Briefes mit dem charakteristischen Zusammenhang von Glaube und Werken (Faith Perfected through Works: A Context for the Moral Instructions in the Letter of James, 57-92), schließlich die Eigenart seiner Spiritualität (ASpiritua

Summary

Recent studies on the Letter of James have been characterised by a departure from the "Pauline perspective". Instead of judging the Letter on the basis of the position it takes on Paul, present-day scholars increasingly view it as an autonomous and significant document of New Testament theology. In doing so, they consider the meaning of the opening words and the naming of James as its author to be of particular importance, regardless of how one chooses to judge the epistle's authorship from a historical standpoint. In any case, from the point of view of its addressees the Letter of James must be understood and interpreted as a letter from one of the brothers of the Lord, even if one considers it to be a pseudepigraphic document. The Letter's autonomous theological concern lies in the instruction and encouragement of believers to a sustained and active faith, which received its fundamental impulse from Jesus and is rooted in the Easter event.

Fussnoten:

1) Neuere Forschungsberichte zum Jak: P. H. Davids, The Epistle of James in Modern Discussion, ANRW II 25,5 (1988), 3621-3645; F. Hahn/P. Müller, Der Jakobusbrief, ThR 63, 1998, 1-73; M. Konradt, Theologie in der "strohernen Epistel". Ein Literaturbericht zu neueren Ansätzen in der Exegese des Jakobusbriefes, VF 44, 1999, 54-78.

2) M. Dibelius, Der Brief des Jakobus (KEK 15), Göttingen 1921, 121984.

3) Wichtige Impulse kamen hier von der linguistisch beeinflussten Exegese, vgl. W. H. Wuellner, Der Jakobusbrief im Licht der Rhetorik und Textpragmatik, LingBibl 43, 1978, 5-66; E. Baasland, Literarische Form, Thematik und geschichtliche Einordnung des Jakobusbriefes, ANRW II 25,5 (1988), 3646-3684; H. Frankemölle, Das semantische Netz des Jakobusbriefes. Zur Einheit eines umstrittenen Briefes, BZ 34, 1990, 161- 197.

4) Um die Erhellung der Adressatensituation hat sich insbesondere verdient gemacht W. Popkes, Adressaten, Situation und Form des Jakobusbriefes (SBS 125/126), Stuttgart 1986; ders., James and Paraenesis, Reconsidered, in: T. Fornberg/D. Hellholm (Hrsg.), Texts and Contexts. Biblical Texts in Their Textual and Situational Contexts (FS L. Hartmann), Oslo 1995, 535-561; vgl. auch schon R. Hoppe, Der theologische Hintergrund des Jakobusbriefes (fzb 28), Würzburg 1977.

5) Inzwischen urteilt R. Hoppe, Art. Jakobusbrief, RGG4 4, 2001, 361-363: 362, "daß der Jak ein situationsbezogener und adressatenorientierter Brief mit einer durchdachten Disposition ist".

6) Schon 1984 erschien der Aufsatz von U. Luck, Die Theologie des Jakobusbriefes, ZThK 81, 1984, 1-30; vgl. auch M. Karrer, Christus der Herr und die Welt als Stätte der Prüfung. Zur Theologie des Jakobusbriefs, KuD 35, 1989, 166-188; Ch. Burchard, Zu einigen christologischen Stellen des Jakobusbriefes, in: Anfänge der Christologie (FS F. Hahn), hrsg. v. C. Breytenbach/H. Paulsen, Göttingen 1991, 353-368. Die verdienstvolle Reihe "New Testament Theology" (Cambridge University Press) enthält auch einen gewichtigen Beitrag zum Jakobusbrief: A. Chester, The Theology of James, in: Ders./R. P. Martin, The Theology of the Letters of James, Peter, and Jude, Cambridge 1994, 1-62. Noch relativ stark von der Gattungsbestimmung als "Paränese" und der damit gegebenen Zurückhaltung gegenüber einer eigenständigen theologischen Prägung bestimmt ist dagegen F. Hahn, Theologie des Neuen Testaments, Bd. I: Die Vielfalt des Neuen Testaments. Theologiegeschichte des Urchristentums, Tübingen 2002, 395-407. Zu neueren Monographien mit Schwerpunkt bei den theologischen Aussagen des Briefes s. u. 2.

7) In Aufnahme von Anstößen des "canonical approach" von B. S. Childs (vgl. zum Jak: The New Testament as Canon: An Introduction, London 1984, 431-445; ders., Die Theologie der einen Bibel, Bd. 1: Grundstrukturen, Darmstadt 2003, 355-361) wird diese Linie gegenwärtig besonders ausgezogen von R. W. Wall, Community of the Wise. The Letter of James, Valley Forge 1997; vgl. ders., James and Paul in Pre-Canonical Context, in: R. W. Wall/E. E. Lemcio, The New Testament as Canon. A Reader in Canonical Criticism (JSNT.S 76), Sheffield 1992, 250-271; ders., A Unifying Theology of the Catholic Epistles: A Canonical Approach, im Druck [Colloquium Biblicum Lovaniense 2003].

8) Zum Begriff und seinem forschungsgeschichtlichen Kontext vgl. K.-W. Niebuhr, Die paulinische Rechtfertigungslehre in der gegenwärtigen exegetischen Diskussion, in: T. Söding (Hrsg.), Worum geht es in der Rechtfertigungslehre? Das biblische Fundament der "Gemeinsamen Erklärung" von Katholischer Kirche und Lutherischem Weltbund (QD 180), Freiburg u. a. 1999, 106-130.

9) Besonders eindrücklich wird das sichtbar in der Dissertation von M. Konradt, Christliche Existenz nach dem Jakobusbrief. Eine Studie zu seiner soteriologischen und ethischen Konzeption (StUNT 22), Göttingen 1998 (vgl. dazu meine Rez. in ThLZ 125 [2000], 756-759).

10) In Beziehung zur "New Perspective on Paul" gerückt hat den Jakobusbrief kürzlich F. Avemarie, Die Werke des Gesetzes im Spiegel des Jakobusbriefs. A Very Old Perspective on Paul, ZThK 98, 2001, 282-309. Avemarie möchte mit seiner Interpretation von Jak 2,14-26 nachweisen, dass der nachpaulinische pseudepigraphische Verfasser die paulinischen Rechtfertigungsaussagen durchaus richtig als prinzipielle Auseinandersetzung mit der Toraerfüllung durch "Werke des Gesetzes" im Judentum verstanden habe, eine Position, die er freilich ausdrücklich abgelehnt habe, eine doppelt "alte" Perspektive somit, deren Voraussetzung, die Bezugnahme des Jak auf Paulus, m. E. auch bei Avemarie nicht ausreichend gesichert ist. In weit umfassenderer und detaillierterer Weise antipaulinisch hat Martin Hengel den Jakobusbrief interpretiert: Der Jakobusbrief als antipaulinische Polemik, in: Tradition and Interpretation in the New Testament (FS E. E. Ellis), hrsg. v. G. F. Hawthorne/O. Betz, Grand Rapids-Tübingen 1987, 248-278, wesentlich erweitert in: Ders., Paulus und Jakobus. Kleine Schriften III (WUNT 141), Tübingen 2002, 511-548.

11) In jüngerer Zeit wird bei der Frage nach Form und Gattung des Briefes das Präskript stärker berücksichtigt. Dabei wird die Nähe zur (in sich durchaus vielschichtigen) Gattung frühjüdischer Diasporabriefe deutlich, die sich, wenngleich anders als beim Jakobusbrief, offenbar auch auf die paulinische Briefform und die des 1. Petrusbriefes ausgewirkt hat. Vgl. dazu grundlegend I. Taatz, Frühjüdische Briefe. Die paulinischen Briefe im Rahmen der offiziellen religiösen Briefe des Frühjudentums (NTOA 16), Freiburg-Göttingen 1991, sowie in Anwendung auf den Jakobusbrief M. Tsuji, Glaube zwischen Vollkommenheit und Verweltlichung. Eine Untersuchung zur literarischen Gestalt und zur inhaltlichen Kohärenz des Jakobusbriefes (WUNT II/93), Tübingen 1997, 5-50; K.-W. Niebuhr, Der Jakobusbrief im Licht frühjüdischer Diasporabriefe, NTS 44, 1998, 420-443; D. J. Verseput, Genre and Story: The Community Setting of the Epistle of James, CBQ 62, 2000, 96-110.

12) Vgl. 1Kor 15,7 sowie zum Martyrium des Jakobus Josephus, Ant XX 197-203 (bei Euseb, HistEccl II 23,20-25 im Kontext einer Sammlung von Überlieferungen zum Tod des Herrenbruders).

13) Zu den gattungsbedingten Vorgaben frühjüdischer Diasporabriefe vgl. die in Anm. 11 genannte Literatur. Wo genau die Grenzen des biblischen Israel in frühjüdischer Zeit im Allgemeinen und zur Abfassungszeit des Jakobusbriefes im Besonderen zu ziehen sind, ist freilich keineswegs ausgemacht.

14) Zu weiteren Differenzierungen mit Blick auf die frühjüdischen Diasporabriefe vgl. L. Doering, Jeremia in Babylonien und Ägypten. Mündliche und schriftliche Toraparänese für Exil und Diaspora nach 4QApocryphon of Jeremiah C, in: W. Kraus/K.-W. Niebuhr (Hrsg.), Frühjudentum und Neues Testament im Horizont Biblischer Theologie. Mit einem Anhang zum Corpus Judaeo-Hellenisticum Novi Testamenti (WUNT 162), Tübingen 2003, 50-79: 68-71.

15) Vgl. dazu und zur Paränese im Neuen Testament insgesamt W. Popkes, Paränese und Neues Testament (SBS 168), Stuttgart 1996 (zu Jak: 107-111); K.-W. Niebuhr, Art: Paränese II. Neues Testament, RGG4 6, 2003, 930-931.

16) Vgl. dazu jüngst W. Popkes, Traditionen und Traditionsbrüche im Jakobusbrief, im Druck [Colloquium Biblicum Lovaniense 2003].

17) Vgl. hierzu grundlegend M. Hengel, Christologie und neutestamentliche Chronologie. Zu einer Aporie in der Geschichte des Urchristen-tums, in: Neues Testament und Geschichte (FS O. Cullmann), hrsg. v. H. Baltensweiler/B. Reicke, Zürich-Tübingen 1972, 43-67.

18) Burchard, Christoph: Der Jakobusbrief. Tübingen: Mohr Siebeck 2000. XII, 217 S. gr.8 = Handbuch zum Neuen Testament, 15/1. Kart. Euro 29,00. ISBN 3-16-147368-X.

19) Vgl. dazu K.-W. Niebuhr, "Judentum" und "Christentum" bei Paulus und Ignatius von Antiochien, ZNW 85, 1994, 218-233.

20) Popkes, Wiard: Der Brief des Jakobus. Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 2001. XXXVIII, 357 S. gr.8 = Theologischer Handkommentar zum Neuen Testament, 14. Geb. Euro 34,00. ISBN 3-374-01813-0.

21) L. T. Johnson, The Letter of James. A New Translation with Introduction and Commentary (AncB 37A), New York u. a. 1995, 1-164. Der Kommentar wurde in der ThLZ nicht besprochen. - Zu H. Frankemölle, Der Brief des Jakobus (ÖTBK 17), 2 Bde., Gütersloh-Würzburg 1994, vgl. die Rez. von E. Baasland in ThLZ 120 [1995], 650-651.

22) Johnson, Luke Timothy: Brother of Jesus, Friend of God. Studies in the Letter of James. Grand Rapids-Cambridge: Eerdmans 2004. X, 290 S. gr.8. Kart. US$ 30,00. ISBN 0-8028-0986-3.

23) Moo, Douglas J.: The Letter of James. Grand Rapids-Cambridge: Eerdmans; Leicester: Apollos 2000. XVI, 271 S. gr.8 = The Pillar New Testament Commentary. Lw. US$ 30,00. ISBN 0-8028-3730-1 (Eerdmans); 0-85111-977-8 (Apollos).

24) M. folgt in dieser Datierung und ihrer Begründung G. Kittel, Der geschichtliche Ort des Jakobusbriefes, ZNW 41, 1942, 71-105.

25) Diese Position wurde schon von L. R. Donelson, Pseudepigraphy and Ethical Argument in the Pastoral Epistles (HUTh 22), Tübingen 1986, vertreten und jüngst stark unterstrichen von A. D. Baum, Pseudepigraphie und literarische Fälschung im frühen Christentum. Mit ausgewählten Quellentexten samt deutscher Übersetzung (WUNT II/138), Tübingen 2001. Vgl. auch die vorsichtig abwägenden Darlegungen bei H.-J. Klauck, Die antike Briefliteratur und das Neue Testament. Ein Lehr- und Arbeitsbuch (UTB 2022), Paderborn 1998, 301-305, der selbst freilich den Jakobusbrief für ein Pseudepigraphon hält (vgl. 254 f.).

26) Bottini, Giovanni Claudio: Giacomo e la sua lettera. Una introduzione. Jerusalem: Franciscan Printing Press 2000. 311 S. gr.8 = Studium Biblicum Franciscanum Analecta, 50. Kart. US$ 25,00. ISBN nicht vorhanden.

27) Gemünden, Petra von, Konradt, Matthias, u. Gerd Theißen: Der Jakobusbrief. Beiträge zur Rehabilitierung der "strohernen Epistel". Münster: LIT Verlag 2003. X, 189 S. gr.8 = Beiträge zum Verstehen der Bibel, 3. Kart. Euro 25,90. ISBN 3-8258-6860-5.

28) Der Jakobusbrief als Brief des Jakobus. Erwägungen zum historischen Kontext des Jakobusbriefes im Lichte der traditionsgeschichtlichen Beziehungen zum 1. Petrusbrief und zum Hintergrund der Autorfiktion, 16-53.

29) M. Konradt, "Geboren durch das Wort der Wahrheit" - "gerichtet durch das Gesetz der Freiheit". Das Wort als Zentrum der theologischen Konzeption des Jakobusbriefes, 1-15; P. von Gemünden, Einsicht, Affekt und Verhalten. Überlegungen zur Anthropologie des Jakobusbriefes, 83-96; dies., Die Wertung des Zorns im Jakobusbrief auf dem Hintergrund des antiken Kontextes und seine Einordnung, 97-119.

30) Die pseudepigraphe Intention des Jakobusbriefes. Ein Beitrag zu seinen Einleitungsfragen, 54-82.

31) Ähnliche Schemata eines durch den Jakobusbrief repräsentierten antipaulinisch ausgerichteten, an der Erfüllung der Ritualgebote orientierten, der christologisch-soteriologischen Lehrbildung im Urchristentum fern bleibenden Judenchristentums finden sich bei F. Siegert, Vermeintlicher Antijudaismus und Polemik gegen Judenchristen im Neuen Testament, in: P. J. Tomson/D. Lambers-Petry (Hrsg.), The Image of the Judaeo-Christians in Ancient Jewish and Christian Literature (WUNT 158), Tübingen 2003, 74-105 (zu Jak 101 f.).

32) Nächstenliebe und Egalität. Jak 2,1-13 als Höhepunkt urchristlicher Ethik, 120-142.

33) Ethos und Gemeinde im Jakobusbrief. Überlegungen zu seinem "Sitz im Leben", 143-165.

34) Chilton, Bruce, and Craig A. Evans [Eds.]: James the Just and Christian Origins. Leiden-Boston-Köln: Brill 1999, XI, 299 S. gr.8 = Supplements to Novum Testamentum, 98. Lw. Euro 73,00. ISBN 90-04-11550-1.

35) Vgl. z. B. U. Schnelle, Einleitung in das Neue Testament, 4., neubearb. Aufl. Göttingen 2002, 429-444.

36) Von diesem Grundsatz gehen neben den schon erwähnten Arbeiten von Konradt, Existenz (Anm. 9), und Tsuji, Glaube (Anm. 11), auch eine Reihe von weiteren neueren Untersuchungen zum Jakobusbrief aus, auf die hier nicht weiter eingegangen werden kann: T. B. Cargal, Restoring the Diaspora. Discursive Structure and Purpose in the Epistle of James (SBL.DS 144), Atlanta 1993; M. Ludwig, Wort als Gesetz. Eine Untersuchung zum Verständnis von "Wort" und "Gesetz" in israelitisch-frühjüdischen und neutestamentlichen Schriften. Gleichzeitig ein Beitrag zur Theologie des Jakobusbriefes (EHS 23, 502), Frankfurt/M. u. a. 1994; M. Klein, "Ein vollkommenes Werk". Vollkommenheit, Gesetz und Gericht als theologische Themen des Jakobusbriefes (BWANT 139), Stuttgart 1995; T. C. Penner, The Epistle of James and Eschatology. Re-reading an Ancient Christian Letter (JSNT.S 121), Sheffield 1996.

37) In der hier skizzierten Gliederung des Briefes folge ich im Wesentlichen Burchard.

38) Vgl. bes. Ludwig, Wort (Anm. 36); Klein, Werk (Anm. 36); Tsuji, Glaube (Anm. 11).

39) Jackson-McCabe, Matt A.: Logos and Law in the Letter of James. The Law of Nature, the Law of Moses, and the Law of Freedom. Leiden-Boston-Köln: Brill 2000. XV, 281 S. gr.8 = Supplements to Novum Testamentum, 100. Geb. Euro 101,00. ISBN 90-04-11994-9.

40) R. Fabris, Legge della Libertà in Giacomo (RivBib Supplementi 8), Brescia 1977.

41) Bauckham, Richard: James. Wisdom of James? Disciple of Jesus the Sage. London-New York: Routledge 1999. X, 246 S. gr.8. Kart. £19,99. ISBN 0-415-10370-3.

42) P. J. Hartin, James and the Q Sayings of Jesus (JSNT.S 47), Sheffield 1991 (vgl. dazu die Rez. von M. Hüneburg in ThLZ 119 [1994], 1078-1080).

43) Hartin, Patrick J.: A Spirituality of Perfection. Faith in Action in the Letter of James. Collegeville: The Liturgical Press 1999. VIII, 192 S. gr.8. Kart. US$ 17,95. ISBN 0-8146-5895-4.

44) 2,14-26 ist ein "Exkurs zu 2,12 f." (so Burchard, 110)!

45) Vgl. dazu einstweilen meine Überlegungen zu Jesus (Jesus als Lehrer der Gottesherrschaft und die Weisheit. Eine Problemskizze, ZPT 53, 2001, 116-125) und Jakobus (Tora ohne Tempel. Paulus und der Jakobusbrief im Zusammenhang frühjüdischer Torarezeption für die Diaspora, in: B. Ego/A. Lange/P. Pilhofer [Hrsg.], Gemeinde ohne Tempel - Community without Temple. Zur Substituierung und Transformation des Jerusalemer Tempels und seines Kults im Alten Testament, antiken Judentum und frühen Christentum [WUNT 118], Tübingen 1999, 427-460).

46) Vgl. Ansätze dazu bei K. Haacker, Justification, salut et foi. Étude sur les rapports entre Paul, Jacques et Pierre, ETR 73, 1998, 177-188.

47) Vgl. zum Folgenden meinen Aufsatz: Exegese im kanonischen Zusammenhang. Überlegungen zur theologischen Relevanz der Gestalt des neutestamentlichen Kanons, in: J.-M. Auwers/H. J. de Jonge (Hrsg.), The Biblical Canons (BEThL 163), Leuven 2003, 557-584.

48) Novum Testamentum Graecum. Editio Critica Maior. Hrsg. v. Institut f. Neutestamentliche Textforschung. Bd. IV: Die Katholischen Briefe. 1. Lfg.: Der Jakobusbrief. Hrsg. v. B. Aland, K. Aland , G. Mink u. K. Wachtel. Teil 1: Text. Teil 2: Begleitende Materialien. Stuttgart: Deutsche Bibelgesellschaft 1997. XII, 19*, 102 und 39 S. 4. Kart. Euro 18,00. ISBN 3-438-05600-3.

49) Vgl. die Rezension der als zweiter erschienenen Lieferung des Gesamtwerkes zu den Petrusbriefen von David C. Parker in ThLZ 127 [2002], 297-300 und die Rezension zum 1. Johannesbrief von J. K. Elliott in diesem Heft unten Sp. 1068. Zur Editio Critica Maior insgesamt vgl. mit zahlreichen Beispielen aus dem Jakobusbrief und den beiden Petrusbriefen J. K. Elliott, The Editio Critica Maior: One Reader's Reactions, in: W. Weren/D.-A. Koch, Recent Developments in Textual Criticism. New Testament, Other Early Christian and Jewish Literature. Papers Read at a Noster Conference in Münster, January 4-6, 2001 (Studies in Theology and Religion 8), Assen 2003, 129-144.

50) Vgl. z. B. zu Augustin ausführlich P. Bergauer, Der Jakobusbrief bei Augustinus und die damit verbundenen Probleme der Rechtfertigungslehre, Wien 1962, 45-81.

51) Vgl. demgegenüber C.-P. März, Von der "evangelischen Art" der "strohernen Epistel". Die neuere Auslegung des Jakobusbriefes und der ökumenische Dialog, in: Unterwegs zum einen Glauben (FS L. Ullrich), hrsg. v. W. Bienert u. a. (EThSt 74), Leipzig 1997, 44-62.

52) G. Theißen, Der Schatten des Galiläers. Historische Jesusforschung in erzählender Form, München 1986.