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Ausgabe:

November/2003

Spalte:

1123–1138

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Schwienhorst-Schönberger, Ludger

Titel/Untertitel:

Neuere Veröffentlichungen zum Buch Kohelet (1998-2003)

In der gegenwärtigen Koheletforschung lassen sich - vereinfachend gesprochen - zwei Richtungen unterscheiden. Die eine Richtung betont vor allem die pessimistischen Aussagen des Buches. In Kohelet sieht sie den Vertreter einer skeptischen Philosophie und vertritt die Ansicht, dass das Buch - von der Sache her geurteilt - eigentlich nicht in den alttestamentlichen Kanon gehöre. Die andere Richtung hebt die positiven Aussagen hervor, sieht in Kohelet den "Prediger der Freude" und weist auf die starken Verbindungen zur alttestamentlichen Schöpfungstheologie hin.

1. Kommentare

In den Jahren 1987-1997 sind, soweit mir bekannt, zwölf Kommentare zum Koheletbuch erschienen.1 Seit dieser Zeit haben, wenn ich recht sehe, sechs weitere Kommentare das Licht der Welt erblickt.2 Der Kommentar von Thomas Krüger3 bietet sowohl eine informative und ausgewogene Bestandsaufnahme gegenwärtiger Forschung, als auch eine methodisch reflektierte und inhaltlich profilierte Auslegung. Ursprünglich für die amerikanische Kommentarreihe "Hermeneia" konzipiert, ist der Kommentar als Sonderband in der noch nicht abgeschlossenen Reihe "Biblischer Kommentar Altes Testament" erschienen.4 Er tritt damit an die Stelle des im Jahre 1978 erschienen Kommentars von Aarre Lauha.5

Ging Lauha von einer mehr oder weniger einheitlichen "Botschaft" des Buches aus, die er freilich in scharfem Kontrast zur israelitisch-jüdischen Tradition stehend ansah, so setzt Krüger unter einem stärker rezeptionsästhetisch orientierten Ansatz den Akzent auf Mehrdeutigkeit und Sinnoffenheit. Er weist zu Recht darauf hin, dass das Koheletbuch eudämonistische Ethik und Hedonismus miteinander verbindet. Es sieht in der Glückseligkeit das Ziel menschlichen Handelns und dieselbe im sinnlichen Genuss gottgegebener Gaben verwirklicht. Die adäquate Haltung des Menschen gegenüber Gott ist die Gottesfurcht, die sich im Hören auf Gott, im Eingeständnis eigener Schuld und im kritisch-reflektierten Umgang mit religiöser Praxis konkretisiert. Flüchtigkeit und Vergänglichkeit menschlichen Lebens verleihen der Freude und dem Genuss in der Gegenwart ihren besonderen Wert. "Trotz aller kritischen Äußerungen über die Weisheit und die Weisen lehnt das Koheletbuch diese doch nicht völlig ab" (18).

Ein eigenes Thema in der Koheletforschung bilden Spannungen und Widersprüche, die das Buch tatsächlich oder vermeintlich durchziehen. Einmal wird die Weisheit gepriesen (2,13 f.), ein anderes Mal verworfen (6,8); der Reichtum wird für gut befunden (7,11), aber auch getadelt (5,9-14); vor der Frau wird gewarnt (7,26), es wird aber auch dazu aufgerufen, mit der geliebten Frau das Leben zu genießen (9,9). Trotz wiederholter Lektüre fällt es schwer zu erkennen, was das Buch eigentlich lehrt. Krüger diskutiert die in der Forschung vertretenen Erklärungsmodelle (32-39): Das biographische Modell erklärt Spannungen und Widersprüche als Folge einer sich über einen längeren Zeitraum hin erstreckenden Niederschrift, in dem der Autor unter dem Einfluss unterschiedlicher Stimmungen stand und zu unterschiedlichen Ansichten gelangte, also gewissermaßen eine Entwicklung durchmachte. Zwar kann nach Krüger dieses Erklärungsmodell "Spannungen und Widersprüche zwischen verschiedenen, relativ abgeschlossenen Texteinheiten im Koheletbuch plausibel machen, weniger gut aber Spannungen und Widersprüche innerhalb solcher Texteinheiten" selbst (33).

Ein weiteres Modell versucht, die Spannungen und Widersprüche literarkritisch zu erklären. Das Modell existiert in zwei Varianten: einer gemäßigten und einer radikalen. Die gemäßigte Variante rechnet mit einigen wenigen redaktionellen Zusätzen (vor allem 2,26; 3,17abg; 7,26; 8,5.12-13a; 11,9b), die die Lehre Kohelets vor allem im Bereich der Eschatologie ("Gericht Gottes") im Sinne der sich herausbildenden jüdischen Orthodoxie uminterpretieren. Radikal literarkritisch orientierte Modelle, die vor allem Anfang des vergangenen Jahrhunderts vertreten wurden, sahen im Koheletbuch das Werk einer zum Teil bis zu acht Schichten umfassenden literarischen Fortschreibung. Sie konnten sich forschungsgeschichtlich nicht durchsetzen. Den literarkritischen Ansätzen steht Krüger äußerst skeptisch gegenüber. Er weist zu Recht darauf hin, "dass das Koheletbuch in seiner vorliegenden Textgestalt durchaus als kohärenter Text verstanden werden kann, sofern man seinem diskursiven Charakter Rechnung trägt und die Möglichkeit eines ironischen Spiels mit vorgegebenen Gattungen und Themen in Betracht zieht" (35). Frühere Auslegungen verstanden das Buch gern als einen Dialog (Hieronymus, Herder, Eichhorn). Daran knüpft die sog. Zitatentheorie an, vertreten u. a. von Norbert Lohfink und Diethelm Michel. Sie erklärt die Spannungen und Widersprüche des Buches vor allem mit der Annahme, Kohelet zitiere fremde Meinungen, um sich kritisch mit ihnen auseinander zu setzen. Krüger lehnt - zumindest in der Einleitung seines Kommentars - die Zitatentheorie nicht grundsätzlich ab. Er möchte sie jedoch "im Sinne eines rezeptionsorientierten Interpretationsansatzes (vgl. Schwienhorst-Schönberger, Backhaus)" etwas offener handhaben. Er rechnet damit, dass die Texte "in ihrer Argumentation ein hohes Maß an interpretierender Mitarbeit der Leser voraussetzen. ... So ist es z.B. möglich, dass Zitate von einem zeitgenössischen Leser auch ohne explizite Markierung problemlos identifiziert werden konnten, weil sie ihm als selbstverständlicher Bestandteil seines Weltwissens vertraut waren (38).

Was Entstehungszeit und Entstehungsort des Koheletbuches anbetrifft, so verbleibt Krüger im Mainstream gegenwärtiger Forschung. Die neuerdings von Choon-Leong Seow vertretene Frühdatierung in die persische Zeit (5./4. Jh.)6 oder gar die von Daniel Fredericks vorgenommene extreme Frühdatierung in das 8. oder 7. Jh.7 lehnt er ab und plädiert für die zweite Hälfte des 3. Jh.s v. Chr. als Entstehungszeit und für Jerusalem als Entstehungsort. Unter den Stichworten "griechische Literatur und Philosophie, Weisheit, Thora, Eschatologie, Tempel und Kult" zeichnet Krüger sehr differenziert den entstehungsgeschichtlichen Kontext des Koheletbuches nach. Hier treten das besondere Anliegen und die Stärken des Kommentars hervor. Statt, wie es in älteren Auslegungen noch oft der Fall war, das Koheletbuch gegen "die alttestamentlich-jüdische Tradition" zu stellen, zeigt Krüger, dass in ihm eine oder sogar mehrere Stimmen in einem offenen und durchaus vielstimmigen zeitgenössischen Diskurs vernehmbar werden. Krüger hält es für möglich, allerdings nicht nachweisbar, "dass der Verfasser des Koheletbuches über Kenntnisse im Bereich der griechischen Philosophie verfügte. In jedem Fall sind Entsprechungen und Differenzen zwischen dem Koheletbuch und philosophischen Texten und Konzepten der hellenistischen Zeit für ein kulturgeschichtliches Verständnis des Buches von Interesse" (43).

Ich halte den Kommentar von Krüger aufs Ganze gesehen für ausgezeichnet und empfehlenswert. Bei aller Anerkennung soll aber eine kritische Anfrage nicht verschwiegen werden: Ist die Sinneinheit des Buches für einen "von vorn kommenden Leser" nicht doch größer als vielfach von Krüger angenommen? In einer bisweilen scholastisch anmutenden Distinktionsfreude zeigt Krüger verschiedene Verständnismöglichkeiten einzelner Texteinheiten auf. Vieles davon ist interessant und enthält darüber hinaus Anregungen, über das exegetische Verfahren der Sinnerschließung von Texten nachzudenken. Einige dieser Möglichkeiten sind meiner Ansicht nach aber rein theoretischer Natur, sie atmen mehr den Geist der Dekonstruktion als dass sie "die Bedeutung des Textes in seiner Entstehungszeit" (62), auf die sich Krüger seinem eigenen Bekunden nach konzentrieren will, auf ihrer Seite hätten. Methodisch hängt das damit zusammen, dass Krüger bisweilen einen Leser anzunehmen scheint, der "irgendwo" mit der Lektüre des Buches einsetzt. In der nicht veröffentlichten Habilitationsschrift8 beginnt Krüger bezeichnenderweise die Auslegung des Buches mit Koh 8,1-9. Wer die Lektüre mit 8,1-9 beginnt, stößt in der Tat auf sehr viele Uneindeutigkeiten. Sie reduzieren sich allerdings für einen Leser, der Koh 1-7 einigermaßen verstanden hat. So erscheint es mir fraglich, ob Krügers Interpretation von 8,1-9 "Der Text macht dem Adressaten gerade nicht klar, wie er sich verhalten soll" (278) Bedeutung und Funktion dieser Texteinheit im Kontext des Koheletbuches richtig erfasst hat. "Dass das Buch - wenigstens auf den ersten Blick - keine klare Gliederung und keinen durchgängigen Gedankenfortschritt erkennen lässt, mag man als literarische Eigenart noch in Kauf nehmen, vielleicht sogar als interessant empfinden. Wenn sich aber zu verschiedenen Themen vielfach im weiteren oder engeren Kontext höchst widersprüchliche Aussagen finden, beginnt man sich zu fragen, welchen Sinn dieses Buch haben und welche Absicht darin zum
Ausdruck kommen könnte" (11). Wie aber, so möchte ich fragen, zeigt sich das Buch "auf den zweiten Blick"? Sind seine Mehrdeutigkeiten und Widersprüche nicht letztlich doch Strategien einer Argumentation, die ein geschlossenes Sinnsystem aufbrechen, dann aber auch eine neue Lehre, ein neues Wissen vermitteln wollen?

Die mexikanische Theologin Elsa Tamez kommentiert das Koheletbuch im Horizont jener sozialen und ökonomischen Verwerfungen, die als Schattenseite der Globalisierung vor allem die Armen treffen.9 Vor allem die sozialkritischen Passagen gewinnen im Rahmen dieser Kontextualisierung ein scharfes Profil. Im Anschluss an 3,16 und 4,1 deutet Tamez die Welt Kohelets als eine zutiefst repressive und unsolidarische Welt (7). Menschen arbeiten, ohne den Ertrag ihrer Arbeit genießen zu können (5), ihre Hoffnungen bleiben unerfüllt (7), staatliche Institutionen können dem Recht keine Geltung verschaffen (vgl. 5,8). Im Anschluss an Franz Hinkelammert spricht Tamez von der "verborgenen Utopie" Kohelets. Sie findet sie zum einen implizit in dem, was Kohelet leugnet, als Verlangen nach Gerechtigkeit, Freiheit und Glück, zum anderen explizit in dem, wozu Kohelet aufruft: zu einem Leben in der Gegenwart inmitten der Mühe und Sinnlosigkeit, diese aber gleichsam kontrafaktisch unterlaufend, in einer alternativen Logik der Freude die Würde und Fülle des Lebens feiernd. Als Appendix sind dem anregenden, mit theologischem Engagement und exegetischer Kompetenz geschriebenen Kommentar lateinamerikanische Sprichwörter, die Entsprechungen zur "Weisheit Kohelets" aufweisen, in spanischem Original und englischer Übersetzung beigegeben.

In der "for Teaching and Preaching" konzipierten Reihe "Interpretion" hat William P. Brown das Buch kommentiert als "notebook of a resigned cynic" (17).10 Dem Buch gehe es weniger darum, fertige Weisungen zu erteilen, als vielmehr darum, einen Prozess des Suchens, der Reflexion zu initiieren ("wisdom for the sage is ever on the move", 18). "Ecclesiastes is a book about seeking, one that moves between cynicism and acceptance, worldliness and spirituality, anxiety and serenity" (18). Brown lehnt ein Verständnis des Buches als Negativfolie des christlichen Glaubens ab und plädiert für eine integrative Sicht.

Der erstmals 1980 in der Reihe "Die Neue Echter Bibel" erschienene Kommentar von Norbert Lohfink, der in dieser Reihe inzwischen in 5. Auflage vorliegt, ist nun in einer von Sean McEvenue angefertigten Übersetzung und in einer vom Autor überarbeiteten Form in der Reihe "Continental Commentaries" auf Englisch erschienen.11 Auf Grund der Zielsetzung der "Neuen Echter Bibel" in seiner Form nicht als wissenschaftlicher Kommentar im engeren Sinn angelegt,12 hat er gleichwohl in der Forschung ein breites Echo ausgelöst, so dass hier noch einmal die ihn charakterisierenden Eigenschaften genannt werden sollen: die besondere Berücksichtigung der literarischen
Form (das "fast spielerisch hingeworfene Zugleich von Diatribe und Palindromie") verbunden mit dem Nachweis, dass sich einige der sog. Widersprüche des Buches dadurch erklären lassen, dass der Autor Meinungen anderer zitiert; die These, dass Kohelet nicht nur mit der israelitischen sondern auch mit der hellenistischen Weisheit im Disput steht ("the most transparent place, within the Bible, where Israel meets with Greek philosophy", 14); die besondere Berücksichtigung des sozialen und ökonomischen Kolorits Palästinas in der Ptolemäerzeit ("Qoheleth belongs to the upper echelons of Jewish society in Jerusalem, and he writes for that class", viii); die Erschließung einer Affinität zwischen dem Denken Kohelets und demjenigen der Existenzphilosophie. Der im Vergleich zur deutschen Version großzügig ausgestattete Kommentar (statt 86 sind es nun 158 Seiten) enthält eine ausgewählte Bibliographie, Indices der zitierten antiken Quellen, Autoren, Gruppen, der hebräischen und griechischen Wörter und ein Stichwortverzeichnis.

2. Einflüsse und soziokultureller Kontext

Die tatsächliche oder vermeintliche Außenseiterposition des Koheletbuches innerhalb der Bibel wird gern mit außerisraelitischen Einflüssen erklärt. Dabei richtet sich die Aufmerksamkeit vor allem auf drei kulturelle Traditionen: die ägyptische, die babylonische und die griechische. Zu allen drei möglichen Einflussbereichen liegen neuere Arbeiten vor.

Mit dem Verhältnis des Koheletbuches zur ägyptischen Tradition befassen sich die Arbeiten von Stefan Fischer und Shannon Burkes.13 Dabei fällt auf, dass beide gemäß ihrem unterschiedlichen Koheletverständnis einen je anderen Vergleichspunkt bestimmen. Für Fischer ist es die Freude, für Burkes der Tod. Burkes arbeitet das Todesverständnis des Koheletbuches in scharfer Abgrenzung von demjenigen der hebräisch-biblischen Tradition heraus. Kennt die biblische Tradition vor und neben Kohelet durchaus archaisch-korporative Formen eines (individuellen) Fortlebens nach dem Tod (im Gedenken der Nachwelt, im guten Namen, im Weiterleben in Kindern und Kindeskindern), so bildet der Tod für Kohelet ein absolutes Ende. Nach Burkes nehmen die ägyptischen Biographen der Spätzeit, näherhin die Inschriften der Isenkhebe (ca. 650-630 v. Chr.), der Taimhotep (ca. 42/41 v. Chr.) und des Petosiris (ca. 323-316 v. Chr.) innerhalb ihrer Tradition denselben "Gegen-Ort" ein wie das Koheletbuch in der seinigen. Herrscht in der altägyptischen Tradition ein Sinnsystem vor, welches den Tod als eine überwindbare Grenze thematisiert und differenzierte Anweisungen gibt, wie diese Grenze zu überschreiten und der Weg in das Land des Lebens zu finden sei, so werden in der Spätzeit verstärkt jene Stimmen laut, die genau dies bestreiten. Interessanterweise findet sich in demselben Zusammenhang - ähnlich wie im Koheletbuch - der Aufruf, eben dieses Leben, solange es noch gegeben ist, zu genießen. Wie ist das zu erklären? Burkes spricht sich gegen das in ihren Augen zu simple Modell einer literarischen Abhängigkeit aus. Stattdessen erklärt sie die Parallelen mit analogen sozio-kulturellen Entwicklungen und Verwerfungen in der jeweiligen Kultur. Dabei greift sie das religionshistorische Modell von J. Z. Smith auf. Dieser sieht in der 2. Hälfte des 1.Jt.s v. Chr. in der mediterranen und nahöstlichen Welt eine große Veränderung von einer "lokalen" (locative) zu einer "utopischen Weltsicht" (utopian worldview). Nationale Königtümer machten transnationalen kosmopolitischen Großreichen Platz. Menschen fielen aus sinnstiftenden, überschaubaren Ordnungen heraus, fanden sich als "Individuen" wieder und mit dem Tod konfrontiert. Dass der Tod ein zu besiegender Feind sei (vgl. 1Kor 15,26), ist der traditionellen ägyptischen Religion wie dem althebräischen Denken fremd. Kohelet und die ägyptischen Biographien gehen nicht soweit, aber sie stehen doch an einer Kreuzung, die die alte Weltsicht hinter sich lässt und eine Entwicklung einleitet, die u. a. zu Sinnsystemen wie Gnosis, Paulinisches Christentum und Rabbinisches Judentum führt (259). Mit der gediegenen Arbeit von Burkes liegt ein anregender und bedenkenswerter Versuch vor, das Koheletbuch aus einer größeren sozial- und geistesgeschichtlichen Entwicklung des Vorderen Orients heraus zu verstehen. Fraglich erscheint mir jedoch, ob die Autorin dabei dem intellektuellen Anspruch und Eigenwert des Buches immer gerecht wird, und ob sie das Verhältnis von Tod und Freude adäquat erfasst hat, wenn sie schreibt: "Some have taken the counsel to make merry as the main theme of the book, and therefore read the text largely as a divine imperativ of joy [R. Gordis]. However, the context as a whole suggests that these notes of joy are a meager tune in a work that plays in a somber key" (73 f.).

Eine Forschungslücke versucht die Dissertation von Stefan Fischer zu schließen. Es hatte bisher keine monographische Untersuchung zum Verhältnis des Koheletbuches zu den ägyptischen Harfnerliedern gegeben. Zwar wurde in der Koheletforschung immer wieder darauf verwiesen, aber eine systematische Untersuchung, wie etwa die zwischen Kohelet und dem mesopotamischen14 oder griechisch-hellenistischen Kulturraum15 hatte es bisher - abgesehen von einem neueren umfangreichen Aufsatz von Christoph Uehlinger16 - zu diesem Thema nicht gegeben. Fischer gehört zur Fraktion jener Koheletexegeten, die die "Lehre" des Buches als eine "positive" verstehen (vgl. ebd. 107). Seiner Ansicht nach ist das für das Koheletbuch zentrale Thema der Freude nicht aus einer rein inneralttestamentlichen Entwicklung heraus zu verstehen (113-121). Damit wird der Weg frei, nach anderweitigen Rezeptionsmöglichkeiten Ausschau zu halten. Dabei kommen zunächst Texte der ägyptischen Tradition in den Blick. Fischer stellt alle in Frage kommenden Texte und Traditionen kurz vor, wobei den sog. "häretischen" Harfnerliedern besondere Aufmerksamkeit zuteil wird. Als "häretisch" bezeichnet man diese, in der späten Armanazeit (ca. 14.Jh.) aufkommende Dichtung, weil sie in kritischer Absetzung vom altägyptischen Jenseitsglauben zum Genuss des diesseitigen Lebens aufruft. Die Parallelen zum Koheletbuch sind offenkundig und schon von P. Humbert 1929 gesehen worden.17 Die These von Fischer lautet: "Die vielfältigen Übereinstimmungen zwischen Kohelet und den häretischen Harfnerliedern sprechen gegen eine zufällige Parallelentwicklung und dafür, daß der Verfasser des Buches Kohelet auf eine Vorlage der häretischen Harfnerlieder zurückgegriffen hat, die ihren Weg nach Israel gefunden hat. Er hat diese Vorlage nicht kopiert, sondern als Modell für seine eigene Komposition genommen" (227). Besonders eng sind die Anklänge an das sog. Lied des Antef, "so daß es wahrscheinlich ist, daß dem Verfasser des Buches Kohelet eine Variante des Antefliedes ... vorgelegen hat" (228).

Von Zeit zu Zeit wird in der Koheletforschung die Frage aufgeworfen, ob Kohelet ein Determinist gewesen sei. Dominic Rudman hat ihr eine eigene Monographie gewidmet und die Frage bejaht: "Qoheleth is a determinist" (200).18 Die Besonderheit des Buches lässt sich nach Rudman kaum aus einer innerisraelitischen Entwicklung allein erklären (23). Von den drei klassischen Möglichkeiten der "Anregungen" - Mesopotamien, Ägypten, Griechenland - plädiert er für letztere, im Rückgriff, aber auch in leichter Modifikation der ähnlich von Rainer Braun19 und Norbert Lohfink20 vertretenen Positionen. Von den drei Hauptströmungen der hellenistischen Philosophie Epikureismus, kyrenäische Philosophie und Stoizismus sieht Rudman die stärksten Affinitäten zu der bei den Stoikern diskutierten Frage nach der Verhältnisbestimmung von Willensfreiheit und Determinismus. Mit Hinweis auf Sir 15,11-20 betont Rudman, dass diese Frage innerhalb der jüdischen Tradition sehr wohl diskutiert wurde. In älteren Texten des Alten Testaments könne nicht von Determinismus gesprochen werden, in jüngeren Schriften im zeitlichen Umfeld Kohelets (Daniel, Henoch, Jubiläenbuch, Ben Sira, Psalmen Salomos) jedoch verstärken sich derartige Tendenzen. Im Zusammenhang dieser Entwicklung sei das Koheletbuch zu verstehen (171). Aber es gibt auch Differenzen, und diese weisen eine direkte Parallele im stoischen Denken auf (173-199). Die stärksten Entsprechungen finden sich zu Kleantes: "the righteous are stated to be under God's deterministic control, while the wicked are said to act outside it" (198). Das Koheletbuch, so Rudman, muss vor einem doppelten Hintergrund verstanden werden: einem jüdischen und einem griechischen (199).

In diesem Zusammenhang sei kurz auf eine Arbeit hingewiesen, die zwar nicht mehr in den hier zu behandelnden Zeitraum fällt, sich aber ebenfalls mit der Frage der "Einflüsse" befasst. Johan Yeong-Sik Pahk21 hat im Rahmen einer minutiösen Textanalyse die These aufgestellt, dass die seit Hubert Grimme22 behaupteten Entsprechungen zwischen der altbabylonischen Fassung des Gilgameschepos und dem Buch Kohelet weitaus größer sind als bisher angenommen und dass sich die Entsprechungen zur Rede der Schenkin im Gilgameschepos (Me. iii: "Gilgamesch, wohin stürmst du? ...") nicht nur auf Koh 9,7-10 ("Auf, iss mit Freuden dein Brot ...") erstrecken, sondern den größeren Komplex von 8,16-9,10 umfassen. Mit dieser Arbeit liegen zu allen drei großen möglichen kulturellen "Ideenspendern" Kohelets neuere Untersuchungen vor.23

3. Themen und Perikopen

Franz Josef Backhaus, der mit seiner Dissertation aus dem Jahre 1993 dem Urteil Norbert Lohfinks zufolge die Einheit des Koheletbuches nachgewiesen hat und dessen Strukturanalyse von Choon-Leong Seow als die derzeit gründlichste und überzeugendste bezeichnet wurde, hat mit den hier anzuzeigenden "Studien zur Komposition und zur Weisheitskritik im Buch Kohelet" erneut in die aktuelle Diskussion eingegriffen.24 Die Studien enthalten zwei umfangreiche Teile. Der erste Teil (3- 206) versucht, in detailliertem Gespräch mit neueren Arbeiten (vor allem denen von Th. Krüger, L. Schwienhorst-Schönberger, A. Fischer, N. Lohfink) den Nachweis zu erbringen, dass die erste Teilkomposition, wie von Backhaus bereits in seiner Dissertation angenommen, bis 3,22 reicht und nicht schon mit 3,15 endet. Der zweite Teil (207-305) beschäftigt sich mit der Eigenart der Weisheitskritik im Koheletbuch. Die bereits aus der Dissertation bekannten scharfsinnigen Textanalysen von Backhaus werden hier methodologisch durch ein rezeptionsorientiertes Textverständnis erweitert: "Nach diesem Modell ist durch den Leseprozeß die Mitarbeit des Lesers für die Konstituierung der Textbedeutung unabdingbar" (1). Die Fruchtbarkeit dieses Ansatzes zeigt Backhaus u. a. an einer sorgfältigen Analyse von 7,23-29 ("Bitterer als der Tod ist die Frau") auf (260-304): "Während auf der ersten Verstehensebene sich Kohelet in 7,25- 29 gegen misogyne Behauptungen der Weisheit(slehrer) wendet, ergibt sich - wenn 7,25-29 von 7,23-24 her gelesen wird - auf der zweiten Verstehensebene eine kritische Auseinandersetzung mit dem Weisheitskonzept von Spr 1-9, die sich u. a. in der ironischen Verfremdung der Frau Torheit zeigt" (305). Bezüglich der Weisheitskritik möchte Backhaus das Phänomen der Ironie stärker in Anschlag bringen. Ironie "bildet einen wesentlichen Charakterzug des Kohelet-Buches" (305). Nicht betroffen von ihr ist allerdings die Aufforderung zum "carpe diem" und zur "Gottesfurcht"

Kohelets Ironie steht auch im Zentrum der Studie von Bernd Willmes.25 Nach einem sachkundigen Bericht zum Forschungsstand der Kohelet-Exegese (5-22) gibt der Verfasser einen instruktiven Überblick zum Thema "Ironieforschung" (22-51). In einem vollständigen Durchgang durch alle Texte des Buches in Form eines Kurzkommentars versucht Willmes zu zeigen, dass das Koheletbuch "als Werk literarischer Ironie oder Fiktionsironie zu deuten" (52) sei.

Die Gottesvorstellungen im Koheletbuch sind Thema der Dissertation von Andreas Vonach.26 Er untersucht sämtliche Belege des Wortes "Gott" (elohim) im Koheletbuch und widmet den drei theologisch zentralen Texteinheiten, in denen das Wort gehäuft vorkommt (3,1-15; 4,17-5,6; 5,17-6,2), eine eingehende Untersuchung. Bezüglich Aufbau und Komposition greift Vonach auf das zu Unrecht (noch) kaum rezipierte "Frame-narrative-Konzept" von Michael V. Fox zurück:27 Es "kann
davon ausgegangen werden, daß das Koheletbuch ein einheitliches Werk eines einzigen Autors ist. Dieser läßt zwei Personen auftreten, nämlich einen Erzähler und einen Protagonisten Kohelet. Der Erzähler spricht im Rahmen (1,1; 12,9-14) sowie in den Einschüben in 1,2; 7,27; 12,8, alles andere sind Worte des Protagonisten. Die Worte beider stammen aus der Feder des Autors, der damit seine Überlegungen bezüglich Welt, Mensch und Gott zum Ausdruck bringen will. Sowohl die Worte des Protagonisten als auch jene des Erzählers geben also die Meinung des Autors wieder" (15). Nicht selten wurde und wird in der Forschung das Gottesbild Kohelets als ausgesprochen finster beurteilt, als nicht oder kaum vereinbar mit der übrigen Tradition der Heiligen Schrift. Dass ein solches Urteil unzutreffend ist, hat m. E. Vonach in unprätentiöser Art und Weise gezeigt. Im Anschluss an 4,17-5,6 spricht Vonach von einer "aufgeklärten Religiosität" (53). Der Autor des Koheletbuches halte prinzipiell an der Sinnhaftigkeit gottesdienstlicher Vollzüge fest (54), verabschiede sich aber von einem "reinen Beschwörungs- und Opferdenken" (53). "Nicht die äußere Handlung, sondern die innere Einstellung ist für ihn bei jeglicher Kontaktaufnahme des Menschen mit Gott entscheidend" (148). So hält Vonach als Ertrag seiner Arbeit die zutreffende Auskunft bereit: "Der Gott des Koheletbuches ist ... kein anderer als der Gott Israels" (150). "Dadurch daß dieser Gott aber nicht völlig durchschaubar ist, bleibt er letztlich auch wirklich Gott im eigentlichen Sinn, weil er damit seinen Geheimnischarakter und seine Souveränität behält. Der Mensch kann mit ihm rechnen, aber er kann über ihn nicht verfügen" (148).

Zwischen einer "optimistischen" und einer "pessimistischen" Koheletdeutung versucht Tilmann Zimmer die rechte Balance zu halten.28 Für Kohelet stehe das Leben "in der Spannung zwischen Tod und Lebensglück" (223). Die Arbeit orientiert sich an zentralen Begriffen (Kap. 1) und Themen (Kap. 2) koheletscher Anthropologie, fragt nach dem Verhältnis des Menschen zu Gott (Kap. 3) und gelangt in einer Schlussbetrachtung (Kap.4) zu einer Reihe von Aspekten, die das schwer zu deutende Buch enthalte. Häufig gelangt Zimmer zu einem "sowohl als auch": Einerseits haben "wir mit dem Buch Kohelet keine in sich geschlossene und systematisch aufgebaute philosophische Schrift vor uns", andererseits "bildet das Ganze ohne Zweifel eine Einheit" (217). Wer gleichsam in einer ersten Orientierung Informationen über Bedeutung und Verwendung zentraler Begriffe des Koheletbuches sucht und sich dabei gleichzeitig einen Überblick über die Forschung verschaffen will, wird dankbar zu dieser Arbeit greifen. Ein detailliertes Stellen- und Stichwortverzeichnis werden ihn dabei unterstützen. Zu fragen ist jedoch, ob die hier untersuchten Begriffe und Themen insgesamt nicht doch stärker aus einem größeren, mehrere Texteinheiten umgreifenden Argumentationszusammenhang heraus zu interpretieren sind, als Zimmer dies in vielen Fällen tut.

Thomás Frydrych29 verfolgt das Ziel, die in Proverbien und im Koheletbuch jeweils enthaltene Weltsicht (worldview) herauszuarbeiten, beide miteinander zu vergleichen und weiterhin nach ihren Entstehungsbedingungen zu fragen. Er ist, wie er ausdrücklich sagt, nicht in erster Linie an der Bedeutung der Texte interessiert, sondern vielmehr "about the kind of people that these books represent, their concerns, aspirations, joys and
struggles; about the kind of world in which they belong" (15). Das methodologische Problem besteht allerdings darin, dass er zur Rekonstruktion der Weltsicht dieser Bücher ("to formulate a worldview for each of the two books", p. 10) auf das Verständnis derselben verwiesen bleibt. So scheint er mir nicht immer den spezifischen buchinternen Ort und die sich daraus ergebende Bedeutung von Texten, die er miteinander vergleicht, erfasst zu haben. Insgesamt betont Frydrych die Unterschiede zwischen beiden Büchern (222). Beide, so Frydrych, stammen aus radikal unterschiedlichen Welten (168).

Für Naoto Kamano30 sind die kosmologischen Texte 1,4-11 und 3,1-8 grundlegend für das Verständnis des gesamten Buches. Kohelets kosmologisches Ethos gründet letztlich in der Souveränität Gottes (250). Seine Spitzenaussage lautet: "Denk an deinen Schöpfer" (12,1a). Eng verbunden mit ihr ist die Aufforderung zur Gottesfurcht. Der Rahmenerzähler (12,9-12) nimmt nichts von Kohelets Lehre zurück. Ebenso ist nach Kamano die viel diskutierte Ermahnung des Kolophonisten (12,13f.) in 12,13b "Fürchte Gott und beachte seine Gebote!" nicht als orthodoxe Korrektur zu verstehen. Vielmehr greift der Kolophonist Kohelets Lehre auf und verbindet sie mit der Toraobservanz, so dass auf diese Weise Kohelets Weisheitslehre zu einer Einführung in die Tora wird (252). Kamano, der in seiner Arbeit eine gründliche Kenntnis insbesondere auch der deutschsprachigen Koheletforschung erkennen lässt, hat das Buch unter der von ihm anvisierten Fragestellung durchgehend kommentiert und eine in vielerlei Hinsicht anregende und bedenkenswerte Interpretation vorgelegt.

Marie Maussion31 fragt in ihrer Dissertation nach dem Übel, dem Guten und dem Gericht Gottes und deren Verhältnis zueinander im Koheletbuch. Sie untersucht alle Texteinheiten, in denen die jeweiligen Begriffe vorkommen, in ihrem Kontext und gelangt zu dem meines Erachtens ausgewogenen und plausiblen Ergebnis, dass das Böse in der Welt nach Kohelet zwar eine tatsächliche und für den Menschen unumgängliche, aber keineswegs eine alles bestimmende Realität darstellt. Der Mensch tut Böses und wird nicht selten von den Folgen desselben getroffen, aber ihm bietet sich auch die Möglichkeit, sich für das Gute zu öffnen und in der Freude eine Antwort Gottes (5,19) zu vernehmen. Wie ein roter Faden durchziehen sieben Refrains über das Glück das Buch in allen seinen Teilen (2,24- 25; 3,12-13; 3,22; 5,17-19; 8,15; 9,7-9; 11,9-12,1). Freude als Gabe Gottes vermag der Mensch aber erst in ihrer eigentlichen Tiefe zu erfassen, wenn ihm zuvor die Nichtigkeit der äußeren und vergänglichen Dinge bewusst geworden ist und er sein Leben von diesen nicht mehr bestimmen lässt. Die Autorin führt beachtenswerte Argumente für die Authentizität des häufig einem orthodoxen Redaktor zugeschriebenen Verses 11,9b an: "Und sei dir bewusst, dass Gott dich für all das zu Gericht ziehen wird!" So besteht der Zusammenhang zwischen dem Glück und dem Gericht Gottes nicht zuletzt darin, dass der Mensch von Gott für die nicht angenommenen Gaben des Glücks zur Verantwortung gezogen wird. Die übersichtlich angelegte, durchgehend im Gespräch mit der neueren Forschung stehende Arbeit reiht sich in jene Richtung der Forschung ein, die in Kohelet nicht den universalen Pessimisten sieht, sondern einen in
der jüdischen Tradition stehenden Weisen, bei dem die Freude in ihrem Verhältnis zum Übel der Welt im Zentrum eines existentiellen Denkens steht.

4. Literarkritisch orientierte Arbeiten

In den "Erträgen der Forschung" hatte Diethelm Michel im Jahre 1988 festgestellt: "Der Versuch, mit Hilfe der Literarkritik die Schwierigkeiten des Buches Qohelet zu lösen, hat sich totgelaufen - er wird heute von keinem maßgeblichen Exegeten mehr vertreten."32 Inzwischen sind jedoch zwei umfangreiche Arbeiten erschienen, die genau diesen Versuch unternehmen.

Für Martin Rose ist das Koheletbuch Ergebnis einer Fortschreibung.33 Seiner Ansicht nach wurde eine Grundschrift im Rahmen einer zweifachen "relecture" entscheidend erweitert. Die Grundschrift, die nach Rose nur etwa 7 % des kanonischen Buches umfasste (1,1a.4-9a; 2,20a*; 3,9-12*; 8,9.*15; 12,10. 13a), stamme vom Lehrer einer Weisheitsschule der Perserzeit des 5. Jh.s ("le livret de Qohéleth le Sage"). Sie lade den Hörer bzw. Leser ein, trotz aller negativen Erfahrungen im Leben an der Freude festzuhalten. Eine erste Überarbeitung aus der beginnenden Diadochenzeit (Ende des 4. Jh.s), unter der das Werk auf etwa 30 % seines kanonischen Umfangs anwachse, stelle es mit dem neuen Leitwort "Windhauch" unter das Thema der totalen Sinnlosigkeit. Eine zweite Neufassung ("un Théologien-Rédacteur") versuche, zwischen Lebensfreude und Pessimismus zu vermitteln. Dabei deute sich an, dass die negativen Erfahrungen der Welt und der Zeit des Menschen zugewiesen werden, das Positive aber von Gott und Ewigkeit erwartet wird. Themawort dieser Redaktion sei "Gottesfurcht". Die Entstehung des Koheletbuches vollzog sich Rose zufolge also gleichsam nach dem dialektischen Dreischritt von Optimismus, Pessimismus, Dualismus. Rose weiß um die Problematik des li- terarkritischen Zugriffs. Er versucht sein Vorgehen durch breit ansetzende methodologische Reflexionen (7-42) zu rechtfertigen. Ich teile seine Auffassungen letztlich nicht. Das müsste am Text selbst in Einzelheiten aufgewiesen werden, was im Rahmen dieses Beitrags jedoch nicht möglich ist. Um nur ein Beispiel aufzugreifen: Es ist mir unverständlich, weshalb 1,9a "Das, was war, wird wieder sein, und das, was getan wurde, wird wieder getan werden" und 1,9b "Es gibt nichts Neues unter der Sonne" auf zwei verschiedene Schichten aufgeteilt werden. Liegt es am Fehlen oder Vorhandensein von Negationen (cf. 89)? Ungeachtet meines grundsätzlichen Vorbehalts gegenüber Roses Fortschreibungsmodell bleibt anzumerken, dass er seine Ausführungen unter kenntnisreicher Berücksichtigung der Auslegungs- und Forschungsgeschichte des Koheletbuches vorträgt. Das mehr als 600 Seiten umfassende Werk enthält eine von Béatrice Perregaux Allisson erstellte Kohelet-Bibliographie der Jahre 1988- 1998, ferner einen Stellenindex mit bibliographischen Angaben zu den angeführten Versen, auf die die zukünftige Koheletforschung dankbar zurückgreifen wird.

Nicht viel anders ist die Habilitationsschrift von Renate Brandscheidt zu beurteilen.34 Auch sie setzt literarkritisch an, gelangt aber zu gänzlich anderen Ergebnissen als Rose. Die Arbeit "beharrt ... auf dem Ernstnehmen der offenkundig nicht zu vereinbarenden sprachlichen, stilistischen und inhaltlichen Spannungen und damit auf dem Gebrauch der literarkritischen Methode" (2). Diese Methode sollte nach Ansicht von Brandscheidt "bei einem ausdrücklich als Traditionsliteratur ausgewiesenen Buch (vgl. Koh 1,2 f.12; 7,27; 12,9 ff.) eigentlich keiner Diskussion mehr bedürfen" (510). Das ist jedoch nach Meinung des Rez. ganz und gar nicht der Fall. Alternative Deutungen (Zitatenmodell, rezeptionsorientierte Vorgehensweise) erwähnt sie in einem Halbsatz, setzt sich aber argumentativ nicht mit ihnen auseinander. Die literarkritische Analyse (7- 130) ist mir nicht nachvollziehbar. Als Resultat wird eine Grundschicht mit zwei Bearbeitungen präsentiert. Die von Brandscheidt erarbeitete Grundschicht (1,12; 2,4b.5-7a.8.9a. 12a.13a.14-15a.18; 3,14a.18.19b,.20-21; 4,7-8ba.9.10a.12; 6,3aa.b-7a.10; 7,26.28-29; 8,1a; 9,1aa.b.2aa.4-6; 11,7-9.10; 12,1-2.5aa.6-7a. - wobei in einigen Versen noch einige Worte wegfallen), die sie in die Regierungszeit von Ptolemaios II. (282-242 v. Chr.) datiert, setzt sich ihrer Meinung nach "mit einem Denken auseinander, das in den Bedingungen des Diesseits die Ermöglichung von Glück und Lebenserfolg sucht und dabei die Traditionen des Offenbarungsglaubens ideologisch diesem Streben unterordnet" (316). Der Autor der Grundschicht stehe in der "Auseinandersetzung mit der durch den Hellenismus provozierten säkularen Geisteshaltung" (318). Im Buch Kohelet werde "im Horizont des Offenbarungsglaubens eine als Offenbarungserkenntnis aufgefaßte Neuorientierung geboten" (320 f.). "Die Weisheit des Buches Koh ist eine schriftgelehrte Weisheit" (320). Es fällt mir schwer zu erkennen, dass sich ausgerechnet das Buch Kohelet oder dessen von Brandscheidt herausgearbeitete Grundschicht als eine "Offenbarungserkenntnis" präsentiert und dass ausgerechnet die Weisheit des Koheletbuches als "schriftgelehrte Weisheit" zu verstehen sei.

Hier werden alle Konturen verwischt. Von "schriftgelehrter Weisheit" wird man bei Ben Sira sprechen können, nicht jedoch bei Kohelet. Hier - wie durchgehend in der Arbeit - kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass es Brandscheidt darum geht, eine ihr am Herzen liegende Theologie ("schriftgelehrte Weisheit contra säkulare Weltsicht") in einem Buch wiederzufinden, das - wie sie sehr wohl weiß (1-3) - nach allgemeiner Auffassung dieser Theologie nicht nahe steht. Eine erste Bearbeitung (B1), die in die Zeit von Antiochus III. (223-187 v.Chr.) datiert wird (419), führe die Intention der Grundschicht, die Auseinandersetzung mit dem säkularen Denken hellenisierter Kreise im Judentum (418), weiter. Wie die Grundschicht (3,18; 11,9), so hebt auch B1 den Gedanken des göttlichen Läuterungsgerichtes hervor (3,17; 12,14). Wie die Grundschicht (3,14.18; 9,4; 12,1), so dient auch B1 "die eschatologische Erwartung (3,15; 8,11) als hermeneutischer Schlüssel zum Verständnis der Gegenwart" (420). Die zweite Bearbeitung (B2), die Brandscheidt in die Regierungszeit Seleukos' IV. (187-175 v. Chr.) datiert, macht im Grunde das Gleiche wie die erste Bearbeitung (B1), ebenso wenig weicht sie von der Intention der Grundschicht ab (503). Man fragt sich, warum Brandscheidt das Buch dann nicht doch als einheitlich ansieht. Darüber hinaus nimmt sie weitere "Ergänzungen, Glossen und Zusätze" (130) an, darunter unter anderem auch 4,17-5,6. Einmal abgesehen von der nicht reflektierten literarkritischen Methode scheint mir eines der Probleme der Arbeit in Folgendem zu liegen: Brandscheidt hat eine klare Vorstellung vom "Offenbarungsgut des Jahweglaubens", und ebenso weiß sie, wie sich dieses Offenbarungsgut in weisheitlichen Kreisen entfaltet hat. Für die Zeit, für die man die Entstehungsgeschichte des Koheletbuches annehmen kann (ca. 250-175 v. Chr.) - in diesem Punkt bleibt sie im Rahmen dessen, was in der gegenwärtigen Forschung weitgehend vertreten wird -, hängt sie gewisse Etappen der von ihr "gewussten" geschichtlichen Entfaltung des Jahweglaubens an Textteilen auf, die sie in ein zeitliches Nacheinander setzt. Wo sie inhaltlich interpretiert, lädt sie die Texte, vor allem durch zeitgeschichtliche Bezüge, derart auf, dass sie beinahe jeden Eigenwert verlieren - gewissermaßen nach der Maxime: Was dort steht, steht eigentlich woanders. Als Beispiel sei auf die Interpretation von Koh 3,4 verwiesen (438f.). In einer Anmerkung am Ende der kurzen Einleitung (1-3) deutet Brandscheidt allerdings einen Ausweg aus dem Dilemma derartig extremer Amplifikationen an. Sie zitiert H. A. J. van der Wal: "In my opinion the Book of Qohelet has to be read not only separately, but also as a part of the canon. It has many elements in common with other books."35 Will sie damit andeuten, dass sie das Koheletbuch kanonisch-intertextuell liest? Das tut sie aber nicht. Sie fragt nach Aussageintentionen historisch eruierbarer Verfasser. So führt, bei allem Fleiß, aller Sorgfalt und Belesenheit, die in der Arbeit zum Ausdruck kommt, die hier vorgelegte Koheletinterpretation in eine falsche Richtung.

5. Erzähltheorie, Literaturtheorie, Hermeneutik

Für eine ausgesprochen anregende und keineswegs nur koheletinteressierten Theologinnen und Theologen zu empfehlende Arbeit halte ich die Dissertation von Craig G. Bartholomew.36 Der Autor zieht die Geschichte der Koheletexegese als Paradigma heran, um in einem weit ausholenden Ansatz die Probleme biblischer Hermeneutik zu diskutieren. Sein besonderes Interesse gilt jenem Bruch bzw. Übergang, den wir gegenwärtig zwischen modernen und postmodernen Theorien der Textauslegung beobachten können. Er rechtfertigt sein Unternehmen mit der meines Erachtens zutreffenden Einsicht, dass jede Form von Textauslegung theoriegeleitet ist, auch wenn sie dies leugnet oder nicht wahrhaben will ("Ignoring theory will not make it disappear, it simply goes underground as it were!" - S. 3, Anm. 10). Seine Kernthese lautet: Historisch-kritische Exegese, die noch bis vor kurzem das vorherrschende Paradigma alttestamentlicher Wissenschaft war, wird in zunehmendem Maße relativiert und zu einer Methode neben anderen (1). In der Qualifikation der Ansätze üben die Begriffe "prämodern", "modern", "postmodern" eine gewisse Leitfunktion aus. Die christliche prämoderne Interpretation der Heiligen Schrift weist hinsichtlich ihres Gemeinschaftsbezuges Parallelen zu postmodernen Theorien auf, in denen eben dieser Bezug hinsichtlich der Interpretation literarischer Texte als unhintergehbar behauptet wird ("Interpretationsgemeinschaft") - etwa im Unterschied zum Individualismus der Moderne (7, Anm. 15). Die These des Autors lautet: Historisch-kritische Exegese ist eine Form kontextueller Schriftauslegung, auch wenn sie ihre Kontextualität gerne zu verschleiern sucht. Nach der Tour d'horizon durch die Geschichte der Koheletexegese samt ihrer philosophischen und literaturtheoretischen Implikationen stellt Bartholomew im abschließenden 7. Kap. "Reading Ecclesiastes" (207-270) sein eigenes Modell vor: Er nennt es "communication model". Es versucht, der historischen, literarischen und theologischen Dimen- sion der biblischen Texte gerecht zu werden und plädiert für
einen gewissen Pluralismus im Rahmen der (christlichen) Interpretationsgemeinschaft.

Den Geist der Postmoderne atmet die Dissertation von Christina Spaller.37 Sie stellt vier Auslegungen von Koh 1,3-11 vor, diejenige von A. Lauha, N. Lohfink, D. Michel und T. Krüger, und diskutiert sie im Rahmen einer literaturwissenschaftlichen Position, die "von einer positiven Einschätzung der Vielstimmigkeit eines Textes, der Pluralität von Lektüren, der Zeitbedingtheit des Verstehens" (3) ausgeht. Der gewählte Titel der Arbeit ist ein Zitat des französischen Rabbiners M.-A. Ouaknin: "Die Geschichte des Buches ist die Geschichte seiner Auslöschung, und der Mensch ist dazu verurteilt, zu interpretieren."38 Dazu schreibt sie: "Es handelt sich um eine Auslöschung durch Hinzufügen von Sinn" (1). Nach Spaller wird der so genannte erste Sinn eines Textes im Prozess des Lesens "durch die folgenden zeitbedingten Hinzufügungen verdeckt, eben ausgelöscht, und bleibt fortan in dieser Fülle unauffindbar oder letztlich unbestimmbar. Jedes Lesen fügt dem Text eine weitere Stimme hinzu und es entsteht ein unendliches Gespräch" (2). Nach Aussage von Spaller handelt es sich bei ihrer Arbeit "nicht um eine exegetische Arbeit im herkömmlichen Sinn" (6). Dem kann ich nur zustimmen. Am Ende heißt es: "Niemand hat Recht und alle haben Recht" (277). Zwar verabschiedet sie sich zu Recht von der Eindeutigkeit des Textes, ihr scheint aber zu entgehen, dass Mehrdeutigkeit und Vielstimmigkeit der Heiligen Schrift nicht mit Beliebigkeit und Unverbindlichkeit zu verwechseln sind, sondern unterschiedliche Weisen darstellen, in denen sich die eine Wahrheit in der Eindeutigkeit ihres Anspruchs und der Unauslotbarkeit ihrer Tiefe zeigt.

Einen innovativen und in der zukünftigen Koheletforschung ernsthaft zu bedenkenden Ansatz hat Eric S. Christianson entwickelt.39 Er entfaltet und untersucht die für das Gesamtverständnis des Koheletbuches grundlegende aber in der bisherigen Forschung kaum bedachte Tatsache, dass sich das Buch als eine Erzählung präsentiert. Ein Rahmenerzähler (1,1.2; 7,27; 12,8- 14) erzählt die Geschichte einer Person namens Kohelet, die ihrerseits eine Geschichte erzählt. Christianson untersucht die narrative Strategie des Rahmenerzählers (52-125) und diejenige Kohelets (128-258). In Form einer Prolepse präsentiert der Rahmenerzähler in 1,2 die fundamentale Einsicht Kohelets ("Everything is absurd"), und ab 1,12 wird Kohelet als eine Person vorgestellt, die in autobiographischer Form erzählt, wie sie zu dieser Einsicht gekommen ist. Sie tut dies in "salomonischer Fiktion", die sich nach Christianson nicht nur auf 1,12-2,26 erstreckt, sondern das ganze Buch durchzieht. Dabei treten zwei "Kohelets" in Erscheinung: Der Kohelet der Vergangenheit, der in jungen Jahren eifrig nach Weisheit gesucht hat, und der Kohelet der Gegenwart, der von dieser Suche desillusioniert ist ("the disillusioned rationalist", 11) und die sich für ihn daraus ergebenden Ratschläge erteilt. Von beiden zu unterscheiden ist der Rahmenerzähler, der nach Christianson mit der Lehre Kohelets nicht übereinstimmt (11; 121).

6. Sammelwerke

Das in jüngster Zeit gestiegene theologische und exegetische Interesse am Koheletbuch dokumentiert sich in einigen Sammelbänden, die auf fachwissenschaftliche Tagungen zurückgehen. Die Arbeitsgemeinschaft der deutschsprachigen katholischen Alttestamentlerinnen und Alttestamentler hat sich auf ihrer Tagung im Jahre 199640, das Colloquium Biblicum Lovaniense im Jahre 199741, die Theologische Fakultät von Sizilien im Jahre 2000 im Rahmen eines internationalen Symposions mit dem Koheletbuch beschäftigt.42

7. Zusammenfassung

Generell lässt sich beobachten, dass die Zahl derer, die das Koheletbuch pauschal als Symptom einer Krise der Weisheit, als Ausdruck einer nihilistischen, mit den übrigen alttestamentlichen Traditionen nicht zu vermittelnden Lehre ansehen, abnimmt. An deren Stelle treten Interpretationen, die im Rahmen einer differenzierten historischen Rekonstruktion das Buch in einem polyphonen zeitgenössischen Diskurs verorten. In gewisser Weise könnte man von einer Reintegration des Koheletbuches in den durchaus vielstimmigen Kanon und die ebenfalls vielstimmige jüdische Tradition der nachexilischen Zeit sprechen. Wie dieser Ort näherhin zu bestimmen ist, bleibt weiterhin umstritten. Überwiegen die hellen oder die dunklen Töne? Lässt sich das Werk von einem Thema her erfassen? Wenn dies möglich ist, wie ist es zu bestimmen? Ist es der Tod, die Freude, eine deterministische Weltsicht?

Als einen bleibenden Ertrag der Forschung wird man Beobachtungen zur Erzählstruktur des Buches ansehen dürfen. Genau besehen präsentiert sich das Buch nämlich als eine Erzählung. Kohelet darf nicht einfachhin mit dem Autor des Buches identifiziert werden. Die differenzierteste These besagt, dass ein Autor einen Erzähler zu Wort kommen lässt, der die "Geschichte" einer Person namens Kohelet erzählt, wobei diese Geschichte fast ausschließlich darin besteht, dass diese Person ihre eigene Geschichte erzählt und die daraus von ihr selbst gezogenen Schlussfolgerungen als Lehre präsentiert. Eine sorgfältige Analyse der diffizilen Stimmenstruktur des Buches scheint mir eine lohnende Aufgabe der künftigen Forschung zu sein. Von ihr her dürften sich Lösungen für einige Probleme des Buches ergeben.

Methodologisch lässt sich in der jüngeren Koheletforschung ein gewisser Trend zu einem rezeptionsorientierten Textverständnis beobachten. Offensichtlich erschöpft vom Kampf um die eine, wahre Bedeutung vermeintlich monosemer Texte, setzt sich zunehmend die Einsicht durch, dass die Bedeutung eines Textes vom Standpunkt und von den Wissensgehalten der Leser mitbestimmt wird. Welche Leser dabei vor Augen stehen, bleibt allerdings oft unklar. Ob man überhaupt weiterhin von feststehenden Bedeutungen sprechen kann, wie das Verhältnis von
Autorintention zur Bedeutungskonstitution im Rahmen eines kontextuellen Lesens zu bestimmen ist, kommt nur selten in den Blick. Hier tangiert die Koheletexegese eine Grundlagenproblematik gegenwärtiger Bibelwissenschaft.

Ein klassisch literarkritisch orientierter Zugriff auf das Koheletbuch schien sich totgelaufen zu haben. In zwei neueren Arbeiten taucht er jedoch wieder auf, bleibt aber aufs Ganze gesehen innerhalb der Koheletforschung ein isoliertes Phänomen. Er wird nach dem Urteil des Rezensenten der Sache nicht gerecht und zudem methodologisch zu wenig reflektiert.

Offen ist nach wie vor die Frage, ob "äußere Faktoren" auf das Koheletbuch eingewirkt haben. Unbestritten dürfte sein, dass sich das Profil des Buches in Korrelation und Konfrontation mit benachbarten, in etwa zeitgleichen "Sinnsystemen" schärfer herausarbeiten lässt: Die ägyptischen Harfnerlieder, ägyptische Biographien der Spätzeit, das Gilgameschepos, griechisch-hellenistische Philosophien - sie alle leisten einen wertvollen Beitrag zur Sinnerschließung des Buches. Offen ist jedoch nach wie vor die Frage, ob und gegebenenfalls in welcher Form diese Traditionen auf das Buch eingewirkt haben. Dokumentieren sich in ihnen lediglich unabhängige Parallelentwicklungen, die durch analoge sozio-ökonomische Faktoren hervorgerufen wurden, oder zeigen sich in ihnen indirekte oder direkte athmosphärische Beeinflussungen, oder hat der Autor gar Texte dieser Traditionen gekannt und möglicherweise sogar als Vorlage benutzt? Alle Positionen sind in der gegenwärtigen Forschung anzutreffen. Vermutlich ist damit zu rechnen, dass sich die oft alternativ diskutierten Einflussfaktoren (Ägypten, Mesopotamien, Griechenland) nicht ausschließen, dass vielmehr für das 3. Jh. v.Chr. in Jerusalem zumindest in der Form mit einer kulturellen Gemengelage gerechnet werden kann, dass ein weltoffener jüdischer Weisheitslehrer sehr wohl auf Traditionen unterschiedlicher Kulturen zugreifen konnte. Wenn dies der Fall wäre, wird aber weiterhin zu fragen sein, ob im Koheletbuch so etwas wie ein primärer kultureller Bezugspunkt erkennbar ist. Gab es einen Kulturdruck, eine kulturelle Diskurshegemonie, eine für intellektuelle jüdische Kreise persuasive Leitkultur, auf die sich das Koheletbuch indirekt bezieht? Nach Ansicht des Rez. ist diese am ehesten in der hellenistischen Kultur zu sehen.

Summary

The number of those who see the book Kohelet as the expression of nihilist doctrine with the rest of the Old Testament teachings which cannot be passed on is falling. It is being replaced by interpretations in the framework of differentiated historical reconstructions that place the book in polyphonic contemporary discourse. A lasting result of this research can be seen in the analysis of the narrative structure of the book. In recent research, there is also a methodological trend towards a reception-orientated understanding of the text. Some interpretations still follow a literary criticism approach, but on the whole they are an isolated phenomenon and according to the present reviewer, not fair to the book. The question remains open whether external factors have influenced the book. Can its special charater be explained in terms of Egyptian culture (songs on the harp, biographies), the Mesopotamian Gilgamesch epic, or Greek culture (the Hellenic school of philosophers)?

Fussnoten:

1) In der Sammelrezension "Neues unter der Sonne. Zehn Jahre Kohelet-Forschung (1987-1997)": ThRv 94 (1998), 363-376 habe ich sie kurz vorgestellt (ebd. 373-374).

2) Longman III, Tremper: The Book of Ecclesiastes, NICOT, Grand Rapids-Cambridge 1998, wurde von mir in: Biblica 80 (1999), 574-577 besprochen und Fox, Michael V.: A Time to Tear Down and a Time to Build Up. A Rereading of Ecclesiastes, Grand Rapids-Cambridge 1999, wurde von Thomas Krüger in ThLZ 125 (2000), 1139-1141 besprochen. Die übrigen vier sollen hier vorgestellt werden.

3) Krüger, Thomas: Kohelet (Prediger). Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlag 2000. XXI, 376 S. gr.8 = Biblischer Kommentar Altes Testament, 19 (Sonderband). Geb. Euro 79,00. ISBN 3-7887-1783-1.

Fett gesetzte Titel verweisen auf Publikationen, die in der ThLZ bisher noch nicht besprochen wurden.

4) In der Reihe Hermeneia soll der Kommentar Ende 2003/Anfang 2004 erscheinen.

5) Lauha, Aarre: Kohelet, BK XIX, Neukirchen-Vluyn 1978. VIII, 232 S.

6) Seow, Choon-Leong: Ecclesiastes. A New Translation with Introduction and Commentary, AB 18C, New York 1997.

7) Fredericks, Daniel: Qoheleth's language: Re-evaluating its nature and date, ANETS 3, Lewiston-New York 1988.

8) Krüger, Thomas: Theologische Gegenwartsdeutung im Kohelet-Buch. Habilitationsschrift, eingereicht an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität München, 1990. Vgl. dazu meine Besprechung in: ThRv 94 (1998), 366-367.

9) Tamez, Elsa: When the Horizons Close. Rereading Ecclesiastes. Transl. from Spanish by M. Wilde. Maryknoll-New York: Orbis Books 2000. VI, 170 S. 8. Kart. US$ 18,00. ISBN 1-57075-313-X. Original edition: Cuando los horizontes se cierran. Relectura del libro de Eclesiastés o Qohélet, San José, Costa Rica: Editorial Departamento Ecuménico de Investigaciones 1998.

10) Brown, William P.: Ecclesiastes, Interpretation. A Bible Commentary for Teaching and Preaching. Louisville: Westminster John Knox 2000. XIV, 143 S. gr.8. Geb. US$ 21,95. ISBN 0-8042-3146-X.

11) Lohfink, Norbert: Qoheleth. A Continental Commentary. Translated by Sean McEvenue, Minneapolis 2003.

12) Eine Reihe von Aufsätzen, die die im Hintergrund stehende wissenschaftliche Position argumentativ entfalten, ist jetzt leicht zugänglich in: Lohfink, Norbert: Studien zu Kohelet, SBAB 26, Stuttgart 1998. Vgl. die Rezension von O. Kaiser in ThLZ 124 (1999), 1217-1219.

13) Burkes, Shannon: Death in Qoheleth and Egyptian Biographies of the Late Period. Atlanta: Society of Biblical Literature 1999. X, 298 S. 8 = Dissertation Series, 170. Geb. US$ 49,95. ISBN 0-88414-005-9.

Fischer, Stefan: Die Aufforderung zur Lebensfreude im Buch Kohelet und seine Rezeption der ägyptischen Harfnerlieder. Frankfurt a. M.-Berlin-Bern-Bruxelles-New York-Wien: Lang 1999, 269 S. 8 = Wiener Alttestamentliche Studien, 2. Kart. Euro 46,00. ISBN 3-631-35163-1.

14) Loretz, Oswald: Qohelet und der Alte Orient. Untersuchungen zu Stil und theologischer Thematik des Buches Qohelet. Freiburg: 1964.

15) Braun, Rainer: Kohelet und die frühhellenistische Popularphilosophie, BZAW 130, Berlin 1973.

16) Uehlinger, Christoph: Qohelet im Horizont mesopotamischer, levantinischer und ägyptischer Weisheitsliteratur der persischen und hellenistischen Zeit, in: Schwienhorst-Schönberger, Ludger [Hrsg.]: Das Buch Kohelet. Studien zur Struktur, Geschichte, Rezeption und Theologie, BZAW 254, Berlin-New York 1997, 155-247.

17) Humbert, Paul: Recherches sur les sources égyptiennes de la littérature sapientale l'Israel, Neuchatel 1929. Vgl. die Rezension von W. Staerk in ThLZ 54 (1929), 385 f.

18) Rudman, Dominic: Determinism in the Book of Ecclesiastes. Sheffield: Sheffield Academic Press 2001. 232 S. gr.8 = Journal for the Study of the Old Testament. Supplement Series, 316. Geb. £ 45,00. ISBN 1-84127-153-5.

19) Siehe Anm. 15.

20) Siehe Anm. 11.

21) Pahk, Johan Yeong-Sik: Il canto della gioia in Dio. L'itinerario sapienziale espresso dall' unità letteraria in Qohelet 8,16-9,10 e il parallelo di Gilgames Me. iii, Istituto Universitario Orientale Dipartimento di Studi Asiatici, Series Minor LII, Napoli 1996.

22) Grimme, Hubert: Babel und Koheleth-Jojakhin: OLZ 8 (1905), 432-433. Vgl. insbesondere auch O. Loretz (s. Anm. 14).

23) An dieser Stelle sei der Hinweis erlaubt, dass die Mongraphie von Schwienhorst-Schönberger, Ludger: "Nicht im Menschen gründet das Glück" (Koh 2,24). Kohelet im Spannungsfeld jüdischer Weisheit und hellenistischer Philosophie, HBS 2, Freiburg 1994, 21996, den Versuch unternimmt, das Koheletbuch im Kontext der im Rahmen der hellenistischen Philosophenschulen geführten Diskussion über das Glück (Eudämonie) zu verstehen.

24) Backhaus, Franz Josef: "Es gibt nichts Besseres für den Menschen" (Koh 3,22). Studien zur Komposition und zur Weisheitskritik im Buch Kohelet. Berlin: Philo 1998. 330 S. gr.8 = Bonner Biblische Beiträge, 121. Geb. Euro 50,00. ISBN 3-8257-0122-0.

25) Willmes, Bernd: Menschliches Schicksal und ironische Weisheitskritik im Koheletbuch. Kohelets Ironie und die Grenzen der Exegese. Neukirchen-Vluyn: Neukirchener 2000. IX, 278 S. 8 = Biblisch-theologische Studien, 39. Kart. Euro 34,00. ISBN 3-7887-1825-0.

26) Vonach, Andreas: Nähere Dich um zu hören. Gottesvorstellungen und Glaubensvermittlung im Koheletbuch. Berlin: Philo 1999. 169 S. gr.8 = Bonner Biblische Beiträge, 125. Geb. Euro 32,50. ISBN 3-8257-0154-9.

27) Fox, Michael V.: Frame-narrative and composition in the Book of Qohelet: HUCA 48 (1977), 83-106.

28) Zimmer, Tilmann: Zwischen Tod und Lebensglück. Eine Untersuchung zur Anthropologie Kohelets. Berlin-New York: de Gruyter 1999. VIII, 277 S. gr.8 = Beihefte zur Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft, 286. Lw. Euro 88,00. ISBN 3-11-016637-2.

29) Frydrych, Thomás: Living under the Sun. Examination of Proverbs and Qoheleth. Leiden-Boston-Köln: Brill 2002. XVI, 255 S. gr.8 = Supplements to Vetus testamentum, 90. Lw. Euro 68,00. ISBN 90-04-12315-6.

30) Kamano, Naoto: Cosmology and Character. Qoheleth's Pedagogy from a Rhetorical-Critical Perspective. Berlin-New York: de Gruyter 2002. XVI, 308 S. gr.8 = Beihefte zur Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft, 312. Lw. Euro 88,00. ISBN 3-11-017242-9.

31) Maussion, Marie: Le mal, le bien et le jugement de Dieu dans le livre de Qohélet. Fribourg: Universitätsverlag; Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2003. VIII, 199 S. gr.8 = Orbis Biblicus et Orientalis, 190. Geb. Euro 48,90. ISBN 3-525-53047-1.

32) Michel, Diethelm: Qohelet, EdF, 258, Darmstadt 1988, 20 f.

33) Rose, Martin: Rien de nouveau. Nouvelles aproches du livre de Qohéleth. Avec une bibliographie (1988-1998) élaborée par B. Perregaux Allisson. Fribourg: Universitätsverlag; Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1999, 640 S. gr.8 = Orbis Biblicus et Orientalis, 168. Geb. Euro 92,10. ISBN 3-7278-1255-9.

34) Brandscheidt, Renate: Weltbegeisterung und Offenbarungsglaube. Literar-, form- und traditionsgeschichtliche Untersuchung zum Buch Kohelet. Trier: Paulinus 1999. IX, 539 S. gr.8 = Trierer Theologische Studien, 64. Kart. Euro 45,50. ISBN 3-7902-1293-8.

35) Van der Wal, H. A. J.: Qoheleth 12,1a: A Relatively Unique Statement in Israel's Wisdom Tradition; in: Schoors, Antoon [Ed.]: Qohelet in the Context of Wisdom, BETL CXXXVI, Leuven 1998, 418.

36) Bartholomew, Craig G.: Reading Ecclesiastes. Old Testament Exegesis and Hermeneutical Theory. Roma: Editrice Pontificio Istituto Biblico 1998. IX, 319 S. gr.8 = Analecta Biblica 139. ISBN 88-7653-139-4.

37) Spaller, Christina: "Die Geschichte des Buches ist die Geschichte seiner Auslöschung ...". Die Lektüre von Koh 1,3-11 in vier ausgewählten Kommentaren. Münster-Hamburg-London: LIT 2001. XXIV (XXX), 292 S. 8 = Exegese in unserer Zeit, 7. Kart. Euro 25,90. ISBN 3-8258-5395-0.

38) Ouaknin, Marc-Alain: Das verbrannte Buch. Den Talmud lesen, Weinheim-Berlin 1990, 14.

39) Christianson, Eric S.: A Time to Tell. Narrative Strategies in Ecclesiastes. Sheffield: Sheffield Academic Press 1998. 299 S. gr.8 = Journal for the Study of the Old Testament, Supplement Series, 280. Lw. £49,00. ISBN 1-85075-982-0.

40) Schwienhorst-Schönberger, Ludger [Hrsg.]: Das Buch Kohelet. Studien zur Struktur, Geschichte, Rezeption und Theologie. Berlin-New York: de Gruyter 1997. 389 S. gr.8 = Beihefte zur Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft, 254. Lw. Euro 98,00. ISBN 3-11-015757-8.

41) Schoors, Antoon [Ed.]: Qohelet in the Context of Wisdom, BETL CXXXVI, Leuven 1998. Vgl. die Rezension von O. Kaiser in ThLZ 125 (2000), 52-54.

42) Bellia, Guiseppe/Passaro, Angelo [Eds.]: Il libro del Qohelet. Tradizione, redazione, teologia, Milano 2001.