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Ausgabe:

Juli/August/2001

Spalte:

701–720

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Bergunder, Michael

Titel/Untertitel:

Reinkarnationsvorstellungen als Gegenstand von Religionswissenschaft und Theologie

Im europäischen Kontext finden sich Reinkarnationsvorstellungen als häufiger Bestandteil alternativ-religiöser Bewegungen jenseits der großen Kirchen,1 und im Zuge fortschreitender religiöser Pluralisierung sind sie inzwischen auch weiten Teilen der europäischen Bevölkerung geläufig. Meinungsumfragen in Deutschland und Europa belegen überdies, dass ein erstaunlich hoher Prozentsatz (zwischen 10-25 %) der Befragten den Gedanken an Reinkarnation zu akzeptieren scheint.2 Damit ist die Dringlichkeit einer religionswissenschaftlichen und theologischen Behandlung der Thematik angedeutet. Die folgende Darstellung möchte einen Überblick über die wichtigsten Problemfelder des wissenschaftlichen Reinkarnationsdiskurses bieten. Da die bisherige Forschung gezeigt hat, dass grundsätzliche methodische Fragestellungen noch ungenügend geklärt sind, liegt der Schwerpunkt der Ausführungen in diesem Bereich. Anhand von exemplarischen Fallbeispielen werden methodische Rahmenbedingungen für eine sinnvolle wissenschaftliche Behandlung von Reinkarnationsvorstellungen nachgezeichnet. Dabei wird in drei Schritten verfahren. Es ist in der Forschung bisher nur ungenügend beachtet worden, welche Signifikanz die Frage hat, wer oder was eigentlich reinkarniert wird. Die philosophische Diskussion um die diachrone Identität der Person legt die logischen Probleme offen, die bei vielen systematischen Begründungen von personalen Reinkarnationsvorstellungen anzutreffen sind, und leistet damit einen wichtigen Beitrag zum besseren Verständnis verschiedener Reinkarnationslehren. Nach
dieser religionsphilosophischen Vorüberlegung werden Metho-
denfragen des religionswissenschaftlichen Vergleichs problematisiert und anschließend in drei Fallbeispielen - wobei die Besprechung des Hinduismus den größten Raum einnimmt - konkrete Reinkarnationsvorstellungen analysiert und auf ihre Vergleichbarkeit hin befragt. In der gebotenen Kürze werden in einem dritten Schritt, ausgehend von den Ergebnissen der religionswissenschaftlichen Analyse, einige elementare Überlegungen zu einer theologischen Auseinandersetzung mit der Reinkarnationsthematik angestellt.

Religionsphilosophische Vorüberlegung: das Problem der personalen Identität

Die neuere analytische Philosophie befasst sich intensiv mit der Frage nach der personalen Identität des Menschen und versucht dabei, zu formallogisch widerspruchsfreien Aussagen zu gelangen, die möglichst nicht kontraintuitiv erscheinen. Die Grundfrage lautet dabei, unter welchen Bedingungen es möglich ist zu
sagen, dass die Entität X zu einem Zeitpunkt t1 und die Entität Y zu einem Zeitpunkt t2 ein und dieselbe Person sind.3 Der Beginn dieser philosophischen Diskussion wird meist bei John Locke verortet, dessen "Essay concerning human understanding" ein eigenes Kapitel über "Identität und Verschiedenheit" enthält, das ausführlich das Problem der diachronen Identität der Person behandelt.4 Nach Lockes radikaler These kann "von
uns die personale Identität nur im Bewußtsein (was allein das ausmacht, das wir unser Selbst nennen) verortet werden, ohne
uns in große Absurditäten zu verwickeln"5. Das Bewusstsein erinnert sich an vergangene Taten und Gedanken als solche des aktuellen Selbst, und von einer personalen Identität kann nur dann gesprochen werden, wenn eine solche Erinnerung existiert. Person wird dabei juridisch verstanden, da sie für Handlungen verantwortlich gemacht werden kann.

Ausgehend von seiner These, dass personale Identität ohne Erinnerung keine sinnvolle Vorstellung darstellt, lehnt Locke einen Reinkarnationsgedanken, der nicht auf einer Kontinuität des Bewusstseins basiert, ab.6 Unter forensischer Perspektive gibt es dann auch keine vorgeburtlichen Sünden:

"Denn angenommen, ein Mensch würde jetzt dafür bestraft, was er in einem anderen Leben getan hatte, von dem bei ihm überhaupt kein Bewußtsein hervorgebracht werden könnte. Welcher Unterschied ist da zwischen dieser Bestrafung und der Situation, elend erschaffen zu sein?"7

Die von Locke angestoßene Diskussion konzentrierte sich in jüngster Zeit auf die Auseinandersetzung mit dem vor allem von B. Williams geltend gemachten Einwand, dass das Erinnerungskriterium ungenügend und jeglichen Inhalts beraubt sei, da es keine eineindeutige Relation gewährleiste.8 Erst die zusätzliche Bedingung körperlicher Kontinuität ermögliche die widerspruchsfreie Bestimmung der diachronen Identität einer Person. Die gegenwärtige Diskussion versucht Erinnerungs- und Körperkriterium genauer zu verstehen und greift dabei, wie schon Locke, auch auf das Gedankenexperiment Reinkarnation zurück: In einer formallogischen Durchleuchtung des Falles, dass eine Person in einem anderen Körper wiedergeboren wird, kommt J. J. MacIntosh zu dem Ergebnis, dass dies "logisch unmöglich" sei, da Reduplikationen des Reinkarnierten, die über
dieselben Erinnerungen verfügen und zwischen denen keine Entscheidung über einen richtigen oder falschen Identitätsanspruch möglich ist, nicht auszuschließen sind.9 Die Versuche, MacIntoshs These zu entkräften, zeugen von immensen logischen Schwierigkeiten. So kann Noonan die logische Möglichkeit der Reinkarnation nur um den Preis höchst kontraintuitiver Konsequenzen aufzeigen. Ihm zufolge wäre es möglich anzunehmen, dass die Reduplikation des Reinkarnierten nur eine räumliche Distinktion ist, die ihre Ursache in Zuständen aus anderen Zeiten hätte (Multiple Occupancy Thesis), oder dass nur im Falle einer Reduplikation keine Reinkarnation vorliegt, aber im Falle des Vorhandenseins nur eines Kandidaten eine Reinkarnation den Gesetzen der Logik nicht widerspricht (Best Candidate Thesis).10

Die hier angedeutete Diskussion zeigt, welche Probleme damit verbunden sind, in logisch widerspruchsfreier Form die Reinkarnation eines "Ichs" zu denken, das seine personale Iden-
tität vollständig (auch im juridischen Sinne) beibehält. Philosophisch-logisch reflektierte Reinkarnationsvorstellungen haben
große Schwierigkeiten, eine diachrone Identität der Person plausibel zu machen. Angesichts der engen Verknüpfung von ethischer Zurechenbarkeit mit dem Vorhandensein personaler Identität hat dies oft nicht geringe Auswirkungen auf die ethische und religiöse Relevanz einer Reinkarnationsvorstellung im Rahmen eines religiösen oder weltanschaulichen Gesamtsystems. Auch wenn, wie Cockburn sehr richtig betont hat, analytisch-philosophische Fragestellungen zunächst rein theoretischer Natur sind, bieten sie doch ein geeignetes Modell zum Verständnis häufig auftauchender Widersprüche bei konkreten Reinkarnationsvorstellungen und sind deshalb für die religionswissenschaftliche Analyse von großem Nutzen.11

Theorie- und Methodenprobleme des Religionsvergleichs

Eine vergleichende religionswissenschaftliche Untersuchung von Reinkarnationsvorstellungen ist mit erheblichen methodischen Problemen verbunden, da die Religionsphänomenologie als der Locus classicus für die Beschreibung und den Vergleich religiöser Phänomene in das Schussfeld der Kritik geraten ist. Neben grundlegenden erkenntnistheoretischen Einwänden - wie etwa der Vorwurf, verkappte Theologie zu betreiben - ist insbesondere die methodische Vorgehensweise, die van der Leeuw als Suche nach dem "idealtypischen Zusammenhang" kennzeichnete, problematisch.12 Es liegt hier die Gefahr begründet, dass konkrete religiöse Tatbestände als Ausdruck abstrakter, ahistorischer und transkultureller Idealtypen aufgefasst und diese Tatbestände nur noch daraufhin untersucht werden, ob und wie sie mit den Idealtypen, deren Klassifikationskriterien nicht hinterfragt werden, übereinstimmen. Diesen Perspektivenwechsel, der keineswegs ein notwendiger Bestandteil der religionsphänomenologischen Methode sein muss,13 gilt es in der Tat in jedem Fall zu vermeiden. Mit der Diskreditierung der Religionsphänomenologie hat jedoch die vergleichende religionswissenschaftliche Forschung allgemein an Attraktivität eingebüßt.

Angesichts derart umstrittener Methodenfragen erscheint es ratsam, die eigenen methodisch-theoretischen Voraussetzungen, die dem nachfolgenden Vergleich von Reinkarnationsvorstellungen zu Grunde liegen, auf möglichst allgemein anerkannte Grundlagen zu stellen und gleichzeitig explizit zu machen. J.Carter hat gezeigt, dass die Typentheorie B. Russells eine geeignete einfache Grundlegung des Vergleichs religiöser Phänomene bieten kann, da sie nur auf basalen formallogischen Annahmen beruht.14

Er unterscheidet zwei Formen des Vergleiches, die deskriptive Komparation und die explanative Komparation. Die deskriptive Komparation - als das grundlegende Arbeitsverfahren jeder akademischen Beschreibung - dient dazu, die Besonderheiten eines Phänomens zu erkennen. Dies geschieht dadurch, dass ein Phänomen mit den Hauptmerkmalen seines Kontextes und mit den epistemologischen Kategorien des Beschreibenden verglichen wird. Die explanative Komparation dient dazu, einem Phäno-
men Generalität zuzuschreiben. Mittels Abstraktion und durch einen Pro-
zess des Einzeichnens einer Theorie in deskriptive Fakten werden Ähnlichkeiten, Relationen oder Verbindungen zu einem anderen Phänomen
festgestellt. - Im Sinne von Russells Typentheorie bilden nach Carter die Ergebnisse der explanativen Komparation eine logische Klasse, deren Glieder Deskriptionen sind und die einen im streng hierarchischen Sinne höheren logischen Typ als ihre Glieder bildet. Die Klassen sind logische Fiktionen, die auf Induktionen beruhen, deren Durchführung ein bestimmtes Erkenntnisziel zu Grunde liegt und die jeweils bestimmte Adressaten antizipieren. Von daher lassen sich diese logischen Grundlegungen mit hermeneutischen Methoden, wie z. B. die Neustil-Religionsphänomenologie von J. Waardenburg,15 verbinden, die die Beschreibung als notwendigen ersten und unabhängigen Schritt religionswissenschaftlicher Arbeit verstehen. Die festgestellte Intentionalität explanativer Komparation lässt überdies die Möglichkeit zu, wichtige Probleme, wie z. B. den Methoden-Eurozentrismus oder die Orientalismus-Debatte,16 innerhalb dieses Theorierahmens zu diskutieren.

Die Anwendung dieser Methoden hat einige konkrete Implikationen. So ist in der esoterischen Literatur die angebliche Universalität und Transkulturalität der Reinkarnationsvorstellung eine häufig wiederkehrende Behauptung, die damit begründet wird, dass sich Reinkarnation in nahezu allen Religionen der Geschichte und Gegenwart nachweisen lasse. Zum Beweis werden Belege aus populären Kompilationen angeführt,17 in denen Quellen zu Reinkarnationsvorstellungen unkritisch und ohne Beachtung von Kontexten gesammelt sind. Die Beweiskraft dieser Kompilationen stützt sich aber auf eine implizite Akzeptanz idealtypischer Prämissen.

Auch in der wissenschaftlichen Forschung wird die Reinkarnationsvorstellung oft unreflektiert als ein Idealtypus betrachtet. Ein gutes Beispiel dafür ist die bekannte These von Ernst Benz:

"... so kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, als ob die Reinkarnationsidee selbst eine Art Drang entwickelte, sich in allen nur möglichen Religionen zu reinkarnieren und zu diesem Zweck auch die listigsten Anknüpfungspunkte in der Überlieferung der betreffenden Religion benutzte, um sich in sie einzuschmuggeln, sich in ihr auszubreiten und sie letzthin nach ihrer eigenen inneren Logik umzugestalten."18

Eine derartige Perspektive gilt es zu überwinden. Es geht nicht darum, die Reinkarnationsvorstellungen verschiedener Religionen zu vergleichen, sondern darum, Deskriptionen aus verschiedenen Religionen daraufhin zu untersuchen, ob es sinnvoll ist, sie mittels explanativer Komparation zu einer Klasse "Reinkarnationsvorstellungen" zu vereinen. Das wird im Folgenden an drei Fallbeispielen exemplarisch erläutert. Die im Rahmen dieser Darstellung notwendige Beschränkung ermöglicht es leider nicht, auf das Vorkommen in allen wichtigen Religionen, wie z. B. Buddhismus und Islam,19 einzugehen.

Wiedergeburt der Ahnen

In ethnographischen Quellen finden sich zahlreiche Belege für Reinkarnationsvorstellungen.20 Bei einer Untersuchung ethnographischer Quellen stellen sich allerdings zahlreiche methodisch-
theoretische Probleme, da die neuere ethnologische Diskussion eine radikale Hinterfragung der Feldforschungsmethode und der Zuverlässigkeit ihrer Ergebnisse mit sich gebracht hat. Weiterhin beruht der Vergleich ethnographischer Quellen auf dem Postulat der relativen Einheitlichkeit "indigener" Kulturen, das sich nur unter sehr eingeschränkten Bedingungen sinnvoll vertreten lässt, auch wenn es lange Zeit den selbstverständlichen Ausgangspunkt ethnologischer Forschung bildete. Die Deutekraft einer Darstellung und Analyse von Reinkarnationsvorstellungen in der ethnographischen Literatur ist somit begrenzt.

Dennoch lassen sich unter besonderer Berücksichtigung sozio-religiöser Kriterien sinnvolle Klassifikationen vornehmen.21 Danach ist die "Ahnenreinkarnation" typisch für Reinkarnationsvorstellungen, wie sie in den ethnographischen Quellen belegt sind. Unter Ahnenreinkarnation wird ein Vorstellungskomplex gefasst, dessen zentrale Größe die Wiedergeburt eines Verstorbenen, der über einen Ahnenstatus verfügt, in einem neugeborenen Kind darstellt. In den meisten Fällen ist es ein im weitesten Sinne Verwandter aus der Großeltern- oder Urgroßelterngeneration, der sich reinkarniert.

Besonders zu beachten ist, dass die Reinkarnation in der Regel einhergeht mit einer gleichzeitigen Gegenwart der betreffenden reinkarnierten Person im Totenreich, zudem kann sich der Verstorbene in mehreren Nachkommen reinkarnieren. Daneben werden sogar Fälle berichtet, in denen sich ein lebender Großelternteil in der Enkelgeneration reinkarniert, so dass es zur Konvivenz von der vorigen Persönlichkeit mit der sich reinkarnierenden kommt. Diese logisch-widersprüchliche Mehrfachgegenwart lässt sich beispielsweise durch die Annahme einer partizipatorisch verstandenen Identität im Sinne Lévy-Bruhls erklären. Dennoch handelt es sich in den meisten Fällen zugleich um eine sehr konkrete, individuell gefasste Form von Wiedergeburt.

In der überwiegenden Zahl der ethnographischen Belege wird eine spezielle Zeremonie zur Identitätsbestimmung des Neugeborenen erwähnt. Auffällig dabei ist, dass das Kind, respektive der in ihm reinkarnierte Ahne, oft einen aktiven Anteil an der Identitätsbestimmung hat. Die so ermittelte Identität bestimmt meist auch den Namen, den das Kind erhält. Bemerkenswerterweise macht sich die Reinkarnation in den meisten Fällen am Kind fest. Im Zusammenhang mit Tod und Begräbnis ist von Reinkarnation viel seltener die Rede.

Die sozio-religiösen Bezüge der Ahnenreinkarnation weisen eine relative Geschlossenheit auf. Fast könnte man sagen, dass durch die Reinkarnation mehr der soziale Aspekt (corporate personality) wiedergeboren wird, während im Totenreich mehr der individuelle Ahne zu denken ist. Das Kind wird bis zu einem gewissen Grade durch die Geburt in den Sozialnexus des Ahnen, der in ihm reinkarniert ist, integriert. Gleichzeitig gibt es durchaus eine Verschiedenheit von reinkarniertem Ahnen und der Persönlichkeit des Kindes, die sich meist so löst, dass die Reinkarnation nur in den ersten Lebensjahren des Kindes als aktuelle und affirmativ-bewusste Tatsache in der Gemeinschaft von Bedeutung ist. Die Initiation, die mit der Pubertät erfolgt, schafft neue Referenzen, die die reinkarnatorischen dann meist verdrängen.

Zum einen bedeutet die Ahnenreinkarnation also, dass ein Mensch erneut in die Gemeinschaft wiedereingebunden wird, er geht nicht verloren, sondern bleibt durch seine Wiedergeburt der Gemeinschaft erhalten. Zum anderen ist die Reinkarnation
auch Ausdruck der Schutzfunktionen, die ein Ahne zu erfüllen hat. Die Macht und Kraft des wiedergeborenen Ahnen sind ein Garant für das gesunde Heranwachsen des Kindes.

Von der Ahnenreinkarnation klar zu unterscheiden ist die "Säuglingsreinkarnation", welche die Wiedergeburt eines früh verstorbenen Kindes in "seiner" Mutter, in der Regel als das Nächstgeborene, beschreibt. Dieser Vorgang kann sich wiederholen, und die damit verbundenen Riten und Handlungen zeigen eine große Ambivalenz im Umgang mit dieser mehrmaligen Wiedergeburt. Auf der einen Seite steht der Versuch, das Kind zum Bleiben oder zur Wiederkehr zu drängen, auf der anderen Seite, meistens im Sinne eines letzten Mittels, das Bemühen, sich des Kindes (endgültig) zu entledigen. Während in der Ahnenreinkarnation die Erlangung des Ahnenstatus die Bedingung für die Wiedergeburt ist, darf in der Säuglingsreinkarnation der Prozess der gesellschaftlichen Angliederung des Kindes noch nicht abgeschlossen sein. Insofern sind beide Vorstellungen fast diametral entgegengesetzt. Während in der Ahnenreinkarnation die Wiedergeburt des Vorfahren den Fortbestand der Gemeinschaft sichert, also ein extrem wichtiges kollektives Ereignis darstellt, bedeutet die Säuglingsreinkarnation eher die individuelle Tröstung der Eltern über den Schmerz des Verlustes eines Kindes hinweg.

In der ethnographischen Literatur finden sich darüberhinaus vereinzelte Berichte, die nicht unter Ahnen- oder Säuglingsreinkarnation subsumiert werden können, sondern als selbständige Vorstellungskomplexe zu klassifizieren sind, worauf hier nicht näher eingegangen werden kann.

Punarjanman und Sraddha

In den ausgeprägten Reinkarnationsvorstellungen des Hinduismus wird die Wiedergeburt (punarjanman) eng mit einer Karmalehre verbunden. Der Konzeption von Wiedergeburt und Karma liegt die Idee zu Grunde, dass es eine kausale Kontinuität gibt, die wiederum eine sich selbst regulierende ausgleichende Gerechtigkeit innerhalb eines Kreislaufs von Wiedergeburten (samsara) bewirkt. Die Lehre von Karma und Wiedergeburt gehört zum Allgemeingut der hinduistischen Hochtraditionen, allerdings findet sich ihre Ausformulierung oft in sehr unterschiedlicher Akzentsetzung.22

Die Karmalehre bietet einen "Rahmen und Leitfaden für die sittliche und religiöse Orientierung"23. Jede menschliche Handlung und Entscheidung kann zukünftige Tatfolgen als Lohn oder Strafe auslösen; und soziale Verhältnisse oder lebensweltliche Ereignisse erfahren eine Erklärung und Rechtfertigung, da sie als Tatfolgen auf vergangene Handlungen und Entscheidungen zurückgeführt werden können. So finden sich in der Gesetzesliteratur (dharmasastra), z. B. im letzten Buch der Manusmr.ti, exakte Kataloge, die aufführen, welches Fehlverhalten zu welcher Art von Wiedergeburt führen kann.24 Die so entwickelten Karmavorstellungen rechtfertigen und begründen zugleich die gesellschaftlichen Normen einer nach sozio-religösen Hierarchien strukturierten Gesellschaft (varnasramadharma), wie sie dem brahmanischen Idealbild entspricht. In der traditionellen Medizin (ayurveda) werden Krankheiten, deren Ursachen nicht erklärt werden können oder bei denen die gängigen Heilungsmethoden nicht anschlagen, als karmisch (karmaja) bezeichnet.25 In der Astrologie (jyotisa) herrscht die Vorstellung, dass die planetarische Position zur Zeit der Geburt das Karma eines Menschen, das seine Zukunft bestimmt, sichtbar macht, so dass Karma hier praktisch für Schicksal steht, auch wenn dieses theoretisch als selbstgeschaffen gedacht wird.26

In den Systemen der hinduistischen Philosophie (darsana) ist die Karmalehre meist Teil naturphilosophischer Spekulationen, die Verschiedenheiten von Lebensformen und Lebensschicksalen und die scheinbaren Ungerechtigkeiten in einer Welt ohne Anfang und Ende erklären wollen und darüber nachdenken, wie eine Seele (atman, jiva, purusa) beschaffen sein muss, um als identische Entität durch den Kreislauf der Wiedergeburten (sammsara) zu gehen.27 Dabei wird die kausale Kontinuität des Kosmos als zutiefst problematisch reflektiert und bildet einen wichtigen Ausgangspunkt für die hinduistische Soteriologie (moksa).

Im Hinblick auf den religionswissenschaftlichen Vergleich bleibt hier besonders festzuhalten, dass im Zusammenhang mit der Karmalehre in den hinduistischen Hochtraditionen nirgends über eine personale Identität berichtet wird, die durch die Wiedergeburten hindurchgeht.28 Die Feststellung, dass jemand sein Leiden oder sein Glück in diesem Leben den Taten eines früheren Lebens verdankt, bleibt z. B. dahingehend völlig abstrakt, dass zwar die genaue Tat genannt werden kann, aber nicht versucht wird, einen bestimmten, konkreten, historischen Menschen zu identifizieren, der vormals diese Tat begangen hat. Angeborene Fähigkeiten und Verhaltensdispositionen, die mitunter als Erweis für Erfahrungen aus vorigen Leben betrachtet werden, sind in der Regel ebenfalls nicht darauf angelegt, ein
historisch-konkretes Vorleben zu eruieren. Hinzu kommt, dass die Erinnerung an frühere Leben in den hinduistischen Hochtraditionen kaum eine Rolle spielt,29 so dass die Karmalehre postuliert, "daß wir Leben gelebt haben, an die wir uns nicht erinnern und die wir deshalb nicht spüren können".30

In diesem Zusammenhang ist auch zu beachten, dass in maßgeblichen hinduistischen Strömungen die Karmaregel negiert bzw. ihrer Gültigkeit beraubt wird. So gehören Karma und Wiedergeburt im Advaita Veda-nta nur zum Bereich des niederen Wissens (vyavahara-avastha), und sind vom Standpunkt der höchsten Realität (paramartha-avastha), den es für die Erlösung zu erlangen gilt, nichts anderes als Ausdruck einer kosmischen Scheinwelt (maya, avidya).31 In den theistischen Bhakti-Tradi-
tionen steht die liebende Hingabe zu einem Gott im Mittelpunkt, und dieser Gott kann die Karmaregeln außer Kraft setzen und jedem Menschen unmittelbar Erlösung schenken.32 So wird in den tamilischen Hymnen des Manikkavacakar der Gott Siva vom Dichter wie selbstverständlich dazu aufgefordert, dass er das Karma (tam. vinai) des Gläubigen zu Asche machen soll,33 wie überhaupt die Frage der Wiedergeburt in der tamilischen Bhakti-Tradition keine große Rolle spielt.34

Obwohl auch im populären Hinduismus die Idee von Wiedergeburt und Karma bekannt ist, lässt sich hier nur eine geringe Relevanz für das religiöse Leben feststellen. Leider fehlt bisher eine umfassende Übersicht zu dieser Fragestellung.35 Bei einer parapsychologisch motivierten statistischen Erhebung im Agra-Distrikt (Uttar Pradesh), wurden unter 8611 befragten Personen nur 19 Reinkarnationsfälle, das entspricht etwa 0,2 %, gefunden.36 Parapsychologische Zusammenstellungen von konkreten Reinkarnationsfällen in Indien erhalten zudem einen überaus hohen Anteil von gewaltsamen Todesfällen im vermeintlichen Vorleben (44-72 %),37 was zusätzlich darauf hindeutet, dass konkrete Reinkarnationsfälle im populären Hinduismus eine Ausnahmeerscheinung darstellen, da gewaltsam zu Tode gekommene Menschen meist mit außergewöhnlichen nachtodlichen Vorstellungskomplexen assoziiert werden.38

Die Karma-Konzeptionen im populären Hinduismus haben überdies meist keinen Bezug zum Wiedergeburtsgedanken. So ist es ein typischer Fall, wenn Ayrookuzhiel bei seinen Feldforschungen in Kerala "nicht ein einziges Individuum" finden konnte, "das sein eigenes Leiden als das Resultat seiner vergangenen üblen Taten beschrieb".39 Im populären Hinduismus kann Karma als eine Art Synekdoche für das von Gott verordnete Schicksal (daiva, vidhi) aufgefasst und von daher zur Erklärung von Unglücksfällen herangezogen werden, jedoch tritt es meist hinter andere Erklärungsmöglichkeiten für Unglücksfälle (wie z. B. populäre Astrologie, böse Geister, schwarze Magie, common sense) zurück.40 Wie schon in einigen hinduistischen Hochtraditionen angelegt, wird überdies der eigentlich streng individualistische Ansatz des Karmadenkens oft durchbrochen und der Transfer von Karma innerhalb einer Verwandtschaftsgruppe als möglich erachtet.41 Auch wird immer wieder berichtet, dass die Karmalehre als Begründung der hierarchischen Kastenordnung gerade von Dalits entschieden abgelehnt wird, die diesen Begründungsversuchen eigene mythologische Konzeptionen entgegensetzen.42

Es ist weiterhin zu betonen, dass hinduistische Wiedergeburtsvorstellungen praktisch nirgends rituell verankert sind, denn es findet sich in keinem Passageritus (samskara) eine direkte Bezugnahme zu einer etwaigen Wiedergeburt. Dafür bezeugen aber die Totenrituale eine ausgeprägte Ahnenverehrung (ssraddha), deren Kenntnisnahme unbedingt erforderlich ist, um den Stellenwert von Wiedergeburtsvorstellungen innerhalb des Hinduismus richtig zu verorten.

Die mit den Ahnen verbundenen Jenseitsvorstellungen und ihre rituelle Verankerung sollen deshalb im Folgenden kurz skizziert werden. Wenn Hindus sterben, werden an ihnen die letzten Riten (antyesti) vollzogen, um den Verstorbenen die Reise in das Jenseits zu ermöglichen.43 Damit soll auch verhindert werden, dass sie fortan als böse Geister (skt. pisaca; tam. pey), die auf Erden herumschweifen, die die Menschen bedrohen. Es sei ausdrücklich betont, dass sich die hinduistischen Totenrituale regional und je nach sozio-religiösem Kontext erheblich voneinander unterscheiden und hier nur einige sehr häufig anzutreffende Grundzüge Erwähnung finden können.44

Es wird angenommen, dass der Geist (preta) des Verstorbenen den Körper durch eine bestimmte Öffnung am Kopf (brahmarandhra) verlässt, während der Leichnam auf dem Scheiterhaufen liegt. Nach der Kremation werden in den nächsten 10-13 Tagen Ahnenopfer (sraddhas) durchgeführt, um den Preta, von dem angenommen wird, dass er sich zunächst noch in der Nähe des Hauses oder des Begräbnisplatzes aufhält, rituell in das Jenseits zu geleiten, wo er dann den Status eines Ahnen (pitr) einnehmen wird.

Eine zentrale Rolle spielt dabei das Opfer von Reisklößen (pinda), die im allgemeinen als Speise für den Preta auf seiner Reise in das Ahnenreich gedacht sind. Bei Brahmanen und orthodoxen Kastenhindus findet sich, in Anlehnung an Aussagen aus den entsprechenden Ritualtexten, die Vorstellung, dass die Opferung von Reisklößen dazu dient, dem seines materiellen Leibes (sthulasarira) beraubten Preta, der nach dem Tode zunächst nur über eine ätherische Leibhülle (lingasarira) verfügt, mit einem für die Jenseitsreise benötigten zeitweiligen Körper (yatanasarira) auszustatten.45

Nach Erreichen des Ahnenreiches (pitrloka) vereinigt sich der Preta mit den Ahnen und wird in den Status eines Ahnen erhoben. Diese Transformation wird rituell in sehr unterschiedlicher Form ausgedrückt, wobei der brahmanische Ritus (sapindikarana) am bekanntesten sein dürfte. In ihm werden drei Reißklöße, die die drei Vorvätergenerationen verkörpern, jeweils mit einem Teil des Reiskloßes vermengt, der den Verstorbenen repräsentieren soll. Als Ahne erhält der Verstorbene dann auch einen dauerhaften himmlischen Leib (divyadeha).46

Auch unabhängig von den Totenritualen werden regelmäßig Ahnenopfer (ssraddha) dargebracht, denn die Missachtung der Ahnen gilt als gefährlich für die Lebenden. Umgedreht ist aber auch die Vorstellung verbreitet, dass das Wohlergehen der Ahnen von den regelmäßigen Ahnenopfern der Menschen abhängt.47 In der Regel werden drei Generationen Verstorbener als Ahnen (pitr) namentlich verehrt, während die länger Verstorbenen in einen entindividualisierten, generalisierten Ahnenpool (visve devah) aufrücken und ihnen nur noch kollektiv geopfert wird. Mit Jan Assmann
könnte man sagen, dass die Reichweite des kommunikativen Gedächtnisses auch die Grenze der individualisierten Ahnenverehrung markiert.48

Interessanterweise gibt es überdies die Vorstellung, die insbesondere in den Puranas sehr stark verbreitet ist, dass die Toten bei ihrem Eintritt ins Ahnenreich zunächst vor den Totengott Yama treten müssen, der sie gemäß ihrer Taten im vergangenen Leben richtet und ihnen entweder einen Platz in der Hölle oder in einem höheren Himmel zuweist.49 Diese Vorstellung ist von der Ahnenverehrung relativ unabhängig, da die Ahnen bei jedem Opfer als anwesend gedacht werden und ein eventueller Aufenthaltsort in Himmel oder Hölle in diesem Zusammenhang nirgendwo reflektiert wird.

Die Forschung hat bisher keine befriedigende Antwort darauf gefunden, wie die mit den Ahnen verbundenen Nachtodkonzeptionen mit den hinduistischen Reinkarnationsvorstellungen zusammenzudenken sind.50 Meist wird der Widerspruch einfach hingenommen, und man spricht wie z. B. K. Klostermaier von einer "unvollkommenen Synthese verschiedener Stränge von Glaubensvorstellungen bezüglich eines Leben nach dem Tode"51. Soweit in hinduistischen Schriften dieses Problem überhaupt reflektiert wird, findet sich meist die Konstruktion, dass die Menschen nach einem gewissen Aufenthalt im Ahnenreich dort sterben und auf der Erde wiedergeboren werden. Da aber selbst die im Ahnenpool (visve devah) zusammengefassten Ahnen, die am ehesten für eine Reinkarnation in Frage kommen, noch verehrt und bei jedem Opfer als anwesend gedacht werden, handelt es sich hier wohl lediglich um eine sekundäre Konstruktion.

Es sei an dieser Stelle nachdrücklich festgehalten, ohne diesem Problem hier weiter nachgehen zu können, dass jede Betrachtung hinduistischer Vorstellungen vom Leben nach dem Tode diese Pluralität der Konzepte ernst zu nehmen hat.

Die heute weit verbreitete Ansicht, dass Karma und Wiedergeburt die tragenden Säulen hinduistischer Welt- und Lebensauffassung seien, geht auf eine andere Konstellation zurück. Bereits bei Herder findet sich die Aussage, dass die Reinkarnationslehre das "Opium" sei, dass den Indern ein Leben in ruhiger Passivität und in Akzeptanz der strengen Kastenhierarchien ermögliche.52 In der Folgezeit bildete diese These einen eigenständigen Topos sowohl in der orientalistischen Forschung als auch in der christlichen Missionsliteratur, und noch Max Weber spricht davon, dass die "geniale Verknüpfung von Kastenlegitimität und Karmalehre", die "mit der realen sozialen Ordnung durch die Wiedergeburtsverheißungen" verbunden werde, "das feste Schema" schaffe, dass eine starre und nicht dynamische, hierarchische Kastengesellschaft legitimiere.53 Diese westliche
Kritik wurde, unterstützt durch theosophische Propaganda, von neohinduistischen Denkern in der zweiten Hälfte des 19. Jh.s aufgegriffen und apologetisch gewendet, so dass die Karma- und Wiedergeburtslehre zeitweilig "ins Zentrum der indischen Selbstbehauptung gegenüber dem Westen" rückte.54 Den Beginn dieser hinduistischen Neubesinnung markiert Bankimchandra Chattopadhyay, der in seinem bengalischen Bhagavadgita-Kommentar, unter scharfer Kritik christlicher Jenseitskonzeptionen, die Karma- und Wiedergeburtslehre, obwohl wissenschaftlich weder beweis- noch widerlegbar, als logisch und ethisch vernünftig verteidigt.55 Ähnliche Argumentationen finden sich z. B. auch bei Swami Vivekananda, obwohl Wiedergeburt und Karma für ihn keineswegs zentral sind.56 Ein Schritt weiter geht S. Radhakrishnan, der den Kreislauf der Wiedergeburten (samsara), den er auf die menschliche Reinkarnation beschränkt sieht, positiv fasst, weil darin ein spiritueller Fortschritt des Geistes ermöglicht werde.57 Allerdings bleibt für Radhakrishnan, vom Standpunkt seines Neo-Vedanta aus, diese Welt als Maya letztlich nur "Durchgangsstadium von der Existenz zur Realität"58. Direkt von Radhakrishnan beeinflusst, fasst D. S. Sarma den Kreislauf der Wiedergeburten als ein "riesiges Erziehungssystem", in dem Gott den Menschen erlaubt, die Konsequenzen ihres Denkens, Wollens und Tuns zu erfahren, damit sie sich für die endgültige Erlösung (moksa) "reinigen" können.59

Die radikalste neohinduistische Interpretation, die auch im Westen große Beachtung fand, unternahm Aurobindo Ghose,60 der die sittliche Vergeltungskausalität der Karmalehre als "primitive, barbarische Gerechtigkeit"61 ablehnte, die keine sittliche Orientierung geben könnte. Aurobindo widmete sich als einer der wenigen Neohinduisten explizit dem Problem der personalen Identität, da es "das Überleben der identischen Personalität" sei, "das den europäischen Geist heute zur Reinkarna-
tionstheorie hinzieht"62. Er vertritt die Ansicht, dass der Mensch
jeweils als eine neue Persönlichkeit mit einem neuen Körper ohne Erinnerung an seine Vorleben wiedergeboren wird.63 Der karmische Prozess ist für Aurobindo eine evolutionäre, kosmische Selbstentfaltung des Geistes zu einer höheren Bewusstseinskraft, dem supramentalen Bewusstsein.

Diese Versuche, Karma und Wiedergeburt im Zentrum hinduistischen Denkens zu verorten, sind jedoch kein allgemein gültiges Kennzeichen des Neohinduismus. Bei Ramakrishna lässt sich z. B. ein völliges Desinteresse an der Thematik vermuten.64 Die moderne hinduistische Religionsphilosophie ist bemerkenswerterweise ebenfalls nur am Rande an der Thematik interessiert.65

Reinkarnationsvorstellungen im Westen

Die Frage nach Vorkommen, Art, Geschichte und Bedeutung von Reinkarnationsvorstellungen im europäischen Kontext hat durch die äußerst breit angelegte Studie von H. Zander eine grundlegende Klärung erfahren.66 Der Autor sichtet soweit wie nur möglich alle Quellen der abendländischen Religions- und Geistesgeschichte, in denen Reinkarnationsvorstellungen oder verwandte Konzepte verhandelt werden und ordnet sie in ihren jeweiligen zeitgeschichtlichen Kontext ein, um auf dieser Grundlage dann die Frage nach einem diachronen Reinkarnationsdiskurs zu stellen. Zander kommt zu dem Ergebnis, dass
sich in der Zeit von der Antike bis heute in fast jeder Epoche ausgeprägte, wenn auch jeweils bis in die Begrifflichkeit sehr
unterschiedliche Reinkarnationsvorstellungen ausmachen lassen. Einen fortlaufenden, kontinuierlichen esoterischen Reinkarnationsdiskurs gibt es aber nicht, sondern, soweit sich Tradierungsvorgänge nachweisen lassen, sind diese komplex und widersprüchlich. Von den Vorsokratikern bis zur Spätantike gibt es, stark propagiert durch Pythagoräer und Neuplatoniker, eine kontinuierliche philosophische Diskussion um Reinkarnation (metempsychosis, metensomatosis, palingenesia), die jedoch dann bis zum Frühmittelalter abbricht. Um 1200 tauchen Reinkarnationskonzeptionen in der Kabbala (Gilgul) und bei den Katharern auf, ohne dass sich hier bisher direkte Anknüpfungen an die Antike nachweisen lassen. Über Frederikus Mercurius van Helmont, der das Erscheinen von Knorr von Rosenroths "Kabbala denudata" entscheidend förderte und selbst Schriften zur Reinkarnationsthematik verfasste,67 erlangen zu Ende des
17. Jh.s kabbalistische Reinkarnationsvorstellungen auch unter
christlichen Intellektuellen größere Bekanntheit. Dies wird zum Ausgangspunkt einer intensiven Reinkarnationsdebatte im 18. Jh., deren Traditionsstränge bis in die Gegenwart reichen.68 Es war dann Lessing, der Reinkarnation (Seelenwanderung) unter der damaligen deutschen Bildungsschicht zu einem öffentlichen Thema machte.69 Indem Lessing die Seelenwanderung als eine Möglichkeit zum Erkenntnisfortschritt charakterisiert und, ohne weiter darüber zu reflektieren, die Reinkarnation einer personalen Identität ("ich") annimmt,70 finden sich bei ihm auch erstmals zwei Motive, die in den Reinkarnationsvorstellungen des 19. und 20. Jh.s häufig wiederkehren.

Eine neue Qualität erfährt die Diskussion mit dem Erscheinen von Allan Kardecs Buch "Le livre des esprits" (1857), das die umfassende und systematische Gesamtdarstellung eines spiritistischen Konzepts von "Reinkarnation" - hier ist dieser Neo-
logismus zum ersten Mal als Terminus technicus nachweisbar - enthält und eine ungeheure Wirkungsgeschichte bis in die Gegenwart hinein entfaltete. Kardec betrachtet das "materielle Leben" als eine "Prüfung, welche die Geister zu wiederholten Malen zu bestehen haben, um einen gewissen Grad der Vollkommenheit zu erlangen"71.

Eine Fortbestehen der personalen Identität versucht Kardec durch die Annahme plausibel zu machen, dass der Mensch beim Tode zwar seinen materiellen Leib verliert, aber die Seele zusammen mit einem Ätherleib (périspirit), der die körperliche Kontinuität sichern soll,72 in das Geisterreich eingeht. Im Geisterreich behält die Seele ihre Individualität und verfügt über ein Erinnerungsvermögen an frühere Existenzen, und auch auf Erden ist es dem Menschen nicht unmöglich, über seine vergangenen Leben Bescheid zu wissen.73 Die große Verbreitung des Kardecschen Spiritismus in nahezu allen Schichten Kontinentaleuropas sorgte für eine nicht zu unterschätzende Popularisierung von Reinkarnationsvorstellungen in der zweiten Hälfte des 19. Jh.s.

Auch die im Jahre 1875 in New York gegründete Theosophische Gesellschaft entstammte spiritistischen Kreisen. Sie zeichnete sich aber bald durch ein eigenständiges Programm aus, in dessen Mittelpunkt die Idee einer esoterisch verstandenen Einheit aller Religionen stand. Eine Folge davon war die explizite Öffnung für buddhistisches und hinduistisches Gedankengut - wozu eben auch die Reinkarnationsvorstellungen in diesen Religionen gehörten -, um dieses in das Gesamtsystem einer eso-
terischen Universallehre, dessen hermeneutische Voraussetzungen allerdings westlich geprägt blieben, zu integrieren.74 Damit war eine universalreligiöse Bewegung entstanden, die zu einer Art Prototyp alternativer esoterischer Bewegungen des 20. Jh.s werden sollte.75

Aus der Theosophischen Gesellschaft und ihr nahestehenden Kreisen ging eine Vielzahl verschiedener Gruppen hervor (einschließlich neue Rosenkreuzer, Anthroposophie etc.), die auch heute noch die esoterische Landkarte im Westen bestimmen. In dem umfangreichen Schrifttum werden Lehrsysteme dargeboten, die in der Regel ausgearbeitete Reinkarnationsvorstellungen enthalten. Obwohl diese sich in vieler Hinsicht erheblich voneinander unterscheiden, weisen sie einige charakteristische Gemeinsamkeiten auf. Reinkarnation ist danach Teil eines evolutionären Prozesses, der die Höherentwicklung des Geistes zum Ziel hat. Innerhalb eines komplexen Menschenbildes wird meist prinzipiell zwischen einem höheren Selbst des Menschen, das Anteil an einer transzendenten Geisteswelt hat, und der Persönlichkeit, die das Individuum als personale Identität in seinem irdischen Leben charakterisiert, unterschieden. Derjenige Teil des Menschen, der der Reinkarnation unterliegt, ist aber nur das höhere Selbst, denn nach dem Tode kommt es zur Auflösung der Persönlichkeit. Die Erfahrungen aus diesem irdischen Leben gehen dann allerdings in das Gedächtnis des höheren Selbst über.

Diese theoretische Esoterik unterscheidet sich damit erheblich von der nach außen hin weitaus bekannteren populären Esoterik, die - in gewisser Weise die Tradition des Spiritismus weiterführend - von einer Reinkarnation der menschlichen Persönlichkeit ausgeht, wobei die Übergänge allerdings oft fließend sind.76 Bestes Beispiel für eine populäre esoterische Reinkarnationsvorstellung ist die sogenannte Reinkarnationstherapie, in der Patienten von ihren psychischen Problemen durch Bewusstmachung bis dahin unbewusster Erinnerungen an frühere Erdenleben geheilt werden sollen.77 Für Reinkarnationsvorstellungen im Westen, zu denen auch die Konzepte der theoretischen Esoterik gehören, sind diese populären Ansichten aber eben nur beschränkt repräsentativ.

Reinkarnation und der religionswissenschaftliche Vergleich

Die religionsvergleichende Analyse hat exemplarisch gezeigt, dass Reinkarnationsvorstellungen sehr weit verbreitet sind. Auch in Europa findet sich ein eigener, allerdings nicht kontinuierlicher und über weite Strecken subalterner Reinkarna-tionsdiskurs. Darüberhinaus ist deutlich geworden, dass der Reinkarnationsgedanke keineswegs die Vorstellung eines Totenreiches ausschließen muss. Das Kriterium der personalen Identität veranschaulicht, wie unterschiedliche anthropologische Grundannahmen zur Folge haben, dass auch die daraus entwickelten Reinkarnationsvorstellungen und ihre existentielle Bedeutung für das Leben der Menschen meist völlig verschieden sind.

Eine derartige Vielfalt von Vorstellungen, wie sie in den Fallbeispielen zum Ausdruck kommt, berechtigt aber dann auch zu der fundamentalen Frage, welcher heuristische Wert darin besteht, die fraglichen Konzepte unter dem gemeinsamen Begriff "Reinkarnation" zu klassifizieren. In einer Situation, in der die klassische religionsphänomenologische Methode ihre Plausibilität verloren hat, erscheint diese Frage mehr als berechtigt.78 Wer dennoch "Reinkarnation" weiterhin als Sammelbegriff verwenden will, muss dies jedenfalls gut begründen.79

Reinkarnationsvorstellungen und christliche Theologie

Ungeachtet der jahrtausendelangen Präsenz im Abendland waren explizite Reinkarnationsvorstellungen nie ein Bestandteil der offiziellen christlichen Lehrtraditionen. Auch bei Origenes, obwohl er in der esoterischen Literatur immer wieder als altchristlicher Hauptzeuge angeführt wird, finden sich keine stichhaltigen Belege dafür, dass er Reinkarnation lehrte.80 Andererseits hat Zander zurecht darauf verwiesen, dass sich im Westen ein Großteil der nachantiken Reinkarnationsvertreter als Christen verstand und sich dieses erst am Ende des 19. Jh.s, namentlich mit der Theosophie, ändert.81 Reinkarnationsvorstellungen sind somit im weitesten Sinne auch Teil der europäischen Christentumsgeschichte.

Der Befund des Religionsvergleichs impliziert die Konsequenz, dass eine theologische Auseinandersetzung mit der Reinkarnationsvorstellung wenig Sinn hat. Viele, insbesondere apologetisch-theologisch ausgerichtete Schriften reflektieren dieses Problem in der Praxis nur ungenügend und stehen so in der Gefahr, einen pauschalen ",Scheingegner' Reinkarnation"82 zu
konstruieren, dessen Ablehnung ins Leere geht und eher eine Art theologische Selbstimmunisierung bewirkt. Wenig fruchtbar scheinen auch theologische Versuche, eine abstrakte Versöhnung zwischen Reinkarnation und christlicher Eschatologie zu versuchen.83

Eine einseitige Entgegensetzung von Reinkarnation und Auferstehung greift auch deshalb zu kurz, weil die christliche Eschatologie nur vom Zentrum der christlichen Botschaft, der Soteriologie, her richtig verstanden werden kann.84 Dennoch ist es durchaus sinnvoll, gewisse Einzelfragen in direktem Verweis zur christliche Lehre von der Auferstehung zu diskutieren.

Dies betrifft z. B. die Frage nach der personalen Identität. Im Bewusstsein um die erkenntnistheoretischen und ontologischen Probleme sind neuere theologische Eschatologien meist sehr vorsichtig in ihren Aussagen über die nachtodliche Existenz des Verstorbenen. Im Hinblick auf die Frage nach der personalen Identität ist es aber wichtig festzuhalten, dass die christlich-dogmatische Tradition davon ausgeht, dass carnis resurrectio bzw. resurrectio mortuorum die Auferstehung des ganzen Menschen in seiner personalen Gesamtheit und Einheit von Leib und Seele beinhal-
tet. Selbst wenn, wie z. B. in traditioneller katholischer Lehre oder in der lutherischen Orthodoxie, die Vorstellung von einem Zwischenzustand, in dem die leiblose anima separata verweilt, verbindliches Lehrgut ist, so wird doch zumindest theoretisch auch hier immer daran festgehalten, dass die Seele zur Auferstehung wieder mit "ihrem" Leib vereinigt wird.85 Im 20. Jh. hat die These vom "Ganztod" eine radikale Diskontinuität der Identität des Auferweckten mit dem Verstorbenen postuliert. Die Problematik dieser Diskontinuitätstheorie wird aber inzwischen allgemein gesehen.86 Mit einer gewissen Einschränkung könnte man also sagen, dass zumindest die Reinkarnationsvorstellungen, die keine personale Identität kennen, mit einer fundamentalen christlichen Grundannahme unvereinbar sind.

Grundsätzlich sollten theologische Auseinandersetzungen immer mit konkreten weltanschaulichen und religiösen Entwürfen, die Reinkarnationslehren vertreten, geführt werden. Damit sind in der Regel Einzelfallstudien gemeint.87

Die Anthroposophie ist im deutschsprachigen Bereich die vielleicht einflussreichste Reinkarnationsvertreterin und in ihrem Umfeld erscheinen zahlreiche Publikationen die allein dieser Thematik gewidmet sind. Von daher war eine theologische Auseinandersetzung mit der anthroposophischen Idee der Reinkarnation (Wiederverkörperung), wie sie von H. Zander aus katholischer Perspektive geliefert wurde,88 längst überfällig. Zander, der sich auf die Steinerschen Anschauungen konzentriert, argumentiert, dass entscheidende Weichenstellungen bereits in den hermeneutischen Vorentscheidungen Steiners gesucht werden müssen, wobei er vor allem die anthroposophische Anthropologie (Dualismus, Präexistenz, Emanation) für unvereinbar mit dem Christentum (und mit moderner Naturwissenschaft) ansieht. Der anthroposophischen Karmaidee und dem damit verbundenen Leistungsprinzip (Selbsterlösung) hält er die christliche Gnadenlehre entgegen. Andererseits sieht Zander in der kosmischen Dimension der anthroposophischen Erlösungslehre eine sehr ernste Anfrage an die zeitgenössische Theologie. Zander - dessen Darstellung paradigmatisch zeigt, dass eine Auseinandersetzung mit der anthroposophischen Reinkarnationsvorstellung zwangsläufig eine Auseinandersetzung mit dem gesamten anthroposophischen Lehrsystem ist - will seine Darstellung ausdrücklich als Grundlage für einen
Dialog verstanden wissen, argumentiert aber leider sehr stark aus einer theologisch-apologetischen Binnenperspektive.89

Abgesehen von der Anthroposophie finden sich bisher leider kaum wissenschaftlich fundierte Auseinandersetzungen mit spezifischen Reinkarnationsvorstellungen in einzelnen esoterischen Richtungen und religiösen Gemeinschaften.90

Aus ökumenischer und missionswissenschaftlicher Perspektive ist es sehr bedauerlich, dass theologische Positionen aus nicht-westlichen Kontexten in der europäischen Diskussion um Reinkarnationsvorstellungen keine Berücksichtigung finden. Im Folgenden soll deshalb auf das indische Christentum und seine Positionierung zu hinduistischen Reinkarnationsvorstellungen kurz eingegangen werden.91 Bereits im umfangreichen Werk von
R. de Nobili findet sich eine eigene tamilische Schrift mit dem Titel "Widerlegung der Wiedergeburt",92 die ungefähr in der Mitte des 17. Jh.s verfasst wurde. De Nobili, der sich darin mit Lehren der sanskritisch-brahmanischen Hochtraditionen auseinandersetzt, argumentiert im aristotelisch-scholastischen Sinne (vgl. DH 902), dass die Seele die Form des Leibes sei und deshalb eine Seele nicht mehrere Körper haben könne. Gegen die brahmanische Rechtfertigung sozialer Hierarchien durch Karma und Wiedergeburt wendet er u. a. ein, dass dies im internen Widerspruch zu alternativen Erklärungsversuchen (Schicksal, Himmel/Hölle) stehe, die sich gleichfalls im Hinduismus finden.

In der Missionsliteratur nach De Nobili sind aber nur sporadisch gesonderte Auseinandersetzungen mit hinduistischen Reinkarnationsvorstellungen zu finden.

Die wenigen Abhandlungen europäischer Missionare bemühen sich meist um eine fundierte theologische Kritik brahmanischer Konzepte.93 Jedoch war Reinkarnation anscheinend keine wirklich drängende Frage im missionarischen Kontext Indiens, was sicher auch damit zusammenhängt, dass sich vor allem gesellschaftliche Schichten zum Christentum bekehrten, die nur wenig vom brahmanischen Hinduismus geprägt waren (z. B. Dalits, Adivasi). Eine der letzten größeren Abhandlungen stammt von H. W. Schomerus.94 Schomerus kritisiert an der philosophischen Karmalehre, dass die zugrunde liegende Seelenkonzeption keine personale Identität kenne: "Gelingt es einem aber, wirklich Ernst mit dem Begriff des Persönlichen zu machen, dann wird man schwerlich die Versuchung spüren, die Wege der Karmalehre zu gehen." Den Persönlichkeitsbegriff will er dabei auch auf Gott als die "vollkommenste, absolute Persönlichkeit" angewendet wissen und damit gegen das spekulative Konzept eines Absoluten (brahman) setzen.95

Indisch-christliche Theologen setzen sich ebenfalls nur selten ausführlicher mit hinduistischen Reinkarnationsvorstellungen auseinander. Für eine explizite, profunde Diskussion von Konzepten der hinduistischen Religionsphilosophie sind nur wenige Beispiele vorhanden.96 Am ehesten finden Karma und Wiedergeburt bei indischen Theologen Berücksichtigung, die sich in ihren Bemühungen um eine Kontextualisierung der
christlichen Botschaft an den hinduistischen Bhakti-Traditio-
nen orientieren. Hier trifft man oft auf eine erstaunliche Flexibilität im Umgang mit der Karmalehre. So wirft A. J. Appasamy, Bischof der Kirche von Südindien, den hinduistischen Bhakti-Traditionen auf der einen Seite Inkonsequenz vor, weil sie die Karmalehre nicht explizit ablehnen. Auf der anderen Seite benutzt er aber selbst den Karmabegriff - der dann ein Prinzip bezeichnet, dass den Menschen ihre Gefangenheit in der Sünde vor Augen führt -, um die Aussage machen zu können, dass ein Leben in Christus auch Freiheit vom Karma bedeutet. In ähnlicher Zielrichtung benutzt der bekannte Laientheologe V. Chakkarai das Karmaprinzip als Bild für den Menschen, der durch die Sünde gebunden ist, und er stellt sogar Ähnlichkeiten zwischen Karmalehre und paulinischem Gesetzesverständnis fest. Letztlich geht es auch ihm aber vor allem um die Aussage, dass Christus vom Karma erlöst.97

Völlig aus der Reihe fällt dagegen die ausdrücklich als Vorschlag gekennzeichnete Theorie von O. V. Jathanna, Rektor des United Theological College in Bangalore.98 Vor dem Hintergrund der Minderheitensituation der indischen Christenheit stellt sich für Jathanna der von ihm bejahte universale und absolute Erlösungsanspruch des Christentums in besonderer Schärfe als Problem dar. Bisherige theologische Klärungsversuche über das Schicksal derjenigen, die entweder vor Christi Geburt gelebt haben oder keine Gelegenheit hatten, seine Botschaft zu vernehmen, hält er für ungenügend. Zur Lösung dieser Frage schlägt Jathanna nun vor, für diese Menschen die Möglichkeit einer Reinkarnation in Betracht zu ziehen, um ihnen in einem neuen Leben die Chance zu geben, sich zum Christentum zu bekehren. Allerdings muss ihm zufolge ein solches Reinkarnationskonzept ganz auf christlichen Prämissen beruhen und sich scharf von Vorstellungen abgrenzen, die mit dem Christentum unvereinbar sind (Karmalehre, Evolution, ewiger Kreislauf etc.).

Die indisch-christliche Debatte macht einmal mehr deutlich, welche große Bandbreite die theologische Diskussion über das Verhältnis von Reinkarnationsvorstellungen und Christentum aufweist, wenn auch bestimmte Argumentationsfiguren, wie die Frage nach der personalen Identität, häufig wiederkehren.

Dies zeigt, dass nur diejenigen theologischen Diskurse methodisch empfehlenswert sind, die sich mit konkreten Konzepten auseinandersetzen, die enge Bezüge zum zugrunde liegenden Gesamtsystem - einschließließlich der sozio-religiösen Kontexte- herstellen und die, ohne dabei die Wahrheitsfrage zu relativieren, dialogisch orientiert sind.

Summary

An attempt is made here to summarize the most problematic issues in academic discourse about the topic Reincarnation. Much of what follows concentrates on questions of method, since research so far has shown that some essential clarification is necessary now. Three case studies, 'Indigenous Religion', Hinduism, and alternative Religions in the West, show the immense variety of views on Reincarnation. It becomes clear that such views are so different as to make any inclusion under the topic Reincarnation only of limited heuristic value. This result has direct consequences for theological debate about views of Reincarnation. Only such theological discourses are recommended as far as method which have a critical look at concrete programmes, create close references to the basic system (including socio-religous contexts), and are orientated in a dialogue form without making the question of truth relative.

Fussnoten:

1) Soweit nicht anders angezeigt, wird "Reinkarnation" hier, der gängigen Konvention folgend, als allgemeiner Sammelbegriff verwendet.

2) Die genaue Interpretation der Zahlen ist allerdings nicht gesichert. Für eine Diskussion der Statistiken vgl. N. Bischofberger, Werden wir wiederkommen?, Mainz 1996: 18-21; H. Zander, Geschichte der Seelenwanderung in Europa, Darmstadt 1999: 598-602.

3) Vgl. M. Quante, Einleitung, in: Personale Identität, ders. [Hrsg.], Paderborn 1999: 9-29.

4) 2. Buch, 27. Kapitel (findet sich erst ab der 2. Aufl. von 1694). Zitation erfolgt nach der Ausgabe von P. H. Nidditsch (Oxford 1979), 328-348. Die reinkarnatorischen Gedankenexperimente von Locke sind in der Reinkarnationsliteratur bisher selten thematisiert worden. Vgl. aber J.Hick, Death and Eternal Life, Louisville 21994: 305-306; vgl. auch Anm. 68.

5) Locke, a. a. O., 341 ( 21).

6) Vgl. bes. a. a. O., 338-340 ( 14).

7) A. a. O., 347 ( 26).

8) Vgl. B. Williams, Personal Identity and Individuation (1956-57), Deutsch in: ders., Probleme des Selbst, Stuttgart 1978: 7-35. Für eine allgemeine Übersicht über die neuere Diskussion vgl. bes. H. Noonan: Personal Identity, London 1989.

9) Vgl. J. J. MacIntosh, Reincarnation and relativized Identity, in: Relig. Stud., 25, 1989: 153-165.

10) Vgl. H. W. Noonan, The Possibility of Reincarnation, in: Relig. Stud., 26, 1990: 483-491. Vgl. auch C. B. Daniels (In Defence of Reincarnation, in: Relig. Stud., 26, 1990: 501-504), der ähnlich, wenn auch weniger ausführlich, argumentiert. Vgl. darauf die Antwort von MacIntosh, Reincarnation, Closest Continuers, and the Three Card Trick, in: Relig. Stud., 28, 1992: 235-251.

11) Vgl. D. Cockburn, The Evidence for Reincarnation, in: Relig. Stud., 27, 1991: 199-207; P. Schmidt-Leukel, Der Reinkarnationsgedanke, in: Die Idee der Reinkarnation in Ost und West, ders. [Hrsg.], Stuttgart 1996: 177-204, hier 196-203.

12) Vgl. G. v. d. Leeuw: Phänomenologie der Religion, Tübingen 1933: 634-643, hier 641. Vgl. auch H. Zinser, Art. Religionsphänomenologie, in: Handbuch religionswissenschaftlicher Grundbegriffe, 1, 1988: 306-309.

13) Vgl. z. B. M. Bergunder, Wiedergeburt der Ahnen, Münster 1994: 86-93; J. Waardenburg: Art. Religionsphänomenologie, in: TRE 28, 1997, 731-49; W. Gantke, Der umstrittene Begriff des Heiligen, Marburg 1998.

14) Vgl. zum Folgenden J. R. Carter, Description is not Explanation, in: Method & Theory in the Study of Religion, 10, 1998, 133-148.

15) Vgl. J. Waardenburg: Ansätze zu einer religionswissenschaftlich angewandten Hermeneutik, in: ZMR 77, 1993, 216-234. Vgl. auch J. Daniels, How New is Neo-Phenomenology?, in: Method & Theory in the Study of Religion 7, 1995, 43-55.

16) Vgl. G. Ahn: Eurozentrismen als Erkenntnisbarrieren in der Religionswissenschaft, in: ZfR 5, 1997, 41-58; A. W. Geertz, Global Perspectives on Methodology in the Study of Religion, in: Method & Theory in the Study of Religion 12, 2000, 49-73; J. Lütt u. a., Die Orientalismus-Debatte im Vergleich, in: Gesellschaften im Vergleich, H. Kaelble/J. Schriewer [Hrsg. ], Frankfurt 1998: 511-567.

17) Vgl. die Übersicht bei Zander (s. Anm. 2): 648-649.

18) E. Benz: Vorwort des Herausgebers, in: ZRGG 9, 1957, 97-103, hier 101.

19) Auch im Islam gibt es Reinkarnationsvorstellungen. Zur ersten Orientierung vgl. R. Freitag, Seelenwanderung in der islamischen Häresie, Berlin 1985.

20) Vgl. Bergunder (s. Anm. 13). Vgl. auch Amerindian Rebirth (A. C. Mills/R. Slobodin [Hrsg.], Toronto 1994), wo zusätzliches Material über Nordamerika geboten wird. Zum genauen methodischen Vorgehen vgl. Bergunder, ebd.: 3-93, 343-355.

21) Vgl. zum Folgenden Bergunder, ebd.: 361-387; 388-398; 399-402.

22) Vgl. Karma and Rebirth in Classical Indian Traditions, W. D. O'Flaherty [Hrsg.], Berkeley 1980; Karma and Rebirth, R. W. Neufeldt [Hrsg.], Albany 1986; The Dimensions of Karma, S. S. R. R. Pappu [Hrsg.], Delhi 1987; Y. Krishan, The Doctrine of Karma, Delhi 1997; W. Halbfass, Karma und Wiedergeburt im indischen Denken, Kreuzlingen 2000.

23) Halbfass, ebd. 24.

24) Vgl. bes. L. Rocher, Karma and Rebirth in the Dharmasastras, in: Karma and Rebirth in Classical Indian Traditions (s. Anm. 22): 61-89.

25) Vgl. M. G. Weiss, Caraka Samhita on the Doctrine of Karma, in: Karma and Rebirth in Classical Indian Traditions (s. Anm. 22): 90-115: 109-110; vgl. auch Halbfass (s. Anm. 22): 226-237.

26) Vgl. Krishan (s. Anm. 22): 267-282; H.-G. Türstig, Jyotisa, Wiesbaden 1980: XIV; B. V. Raman, Hindu Predictive Astrology, New Delhi 201992: 3.

27) Vgl. Krishan (s. Anm. 22): 141-168; Halbfass (s. Anm. 22): 129-175.

28) Vgl. C. F. Keyes: Introduction, in: Karma, C. F. Keyes/E. V. Daniel [Hrsg.], Berkeley 1983: 1-24, hier 20 f.; R. W. Perrett, Rebirth, in: Relig. Stud. 23, 1987, 41-57. Vgl. aber W. D. O'Flaherty (Emotion und Karma, in: Max Webers Studie über Hinduismus und Buddhismus, W. Schluchter [Hrsg.], Frankfurt 1984: 87-103, hier 96-101), die versucht - m. E. allerdings nicht überzeugend - diesem Argument etwas die Schärfe zu nehmen.

29) Vgl. bes. A. Sharma, Attitudes Towards Past Lives in Theravada Buddhism and Advaita Vedanta, in: Studies on Buddhism (FS A. K. Warder), N. K. Wagle/F. Watanabe [Hrsg.], Toronto 1993: 145-148; ders., The Issue of Memory as a Pramana, in: Journal of Indian Philosophy 24, 1996, 21-36.

30) W. Doniger [O'Flaherty], Reinkarnation im Hinduismus, in: Concilium 29, 1993, 380-388, hier 386. Einzig von Yogis wird angenommen, dass sie einen Zustand erreichen können, der ihnen diese Erinnerung ermöglicht. Allerdings hat bereits J. Hick darauf hingewiesen, dass dies nicht als personale Identität gelten kann, da damit noch keine intrinsische Kontinuität des Bewusstseins während der Wiedergeburten ausgesagt wird (vgl. Hick [s. Anm. 4]: 329).

31) Vgl. H. v. Glasenapp, Der Stufenweg zum Göttlichen, Baden-Baden 1948; T. P. Ramachandran, The Concept of the Vyavaharika in Advaita Vedanta, Madras 21980; W. Halbfass, Tradition and Reflection, Albany 1991: 323-328.

32) Vgl. Halbfass (s. Anm. 22): 256-260; K. K. Klostermaier, A Survey of Hinduism, Albany 1989: 210-225.

33) Tiruva-cakam, 5, 89.

34) Vgl. G. L. Hart, The Theory of Reincarnation among the Tamils, in: Karma and Rebirth in Classical Indian Traditions (s. Anm. 22): 116-33.

35) Der Band Karma (s. Anm. 28) ist hier kaum mehr als ein erster Anfang.

36) Vgl. D. R. Barker/S. K. Pasricha, Reincarnation Cases in Fatehabad, in: Journal of Asian and African Studies 14, 1979, 231-240.

37) Vgl. S. Pasricha/I. Stevenson, Indian Cases of Reincarnation Type Two Generations apart, in: Journal of the Society for Psychical Research 54, 1987, 239-246, hier 243; S. Pasricha, Claims of Reincarnation, Delhi 1990: 122.

38) Vgl. dazu z. B. S. Blackburn, Death and Deification, in: History of Religions 24, 1985, 255-274.

39) A. M. A. Ayrookuzhiel, The Sacred in Popular Hinduism, Madras 1983: 125.

40) Vgl. P. M. Kolenda, Religious Anxiety and Hindu Fate, in: Religion in South Asia, E. B. Harper [Hrsg.], Seattle 1964: 71-81; M. Moffatt, An Untouchable Community in South India, Princeton 1979: 296-97; Ayrookuzhiel (s. Anm. 39): 122-144; P. Hiebert, Karma and Other Explanation Traditions, in: Karma (s. Anm. 28): 119-130; L. Babb, Destiny and Responsibility, in: Karma (s. Anm. 28): 163-181.

41) Vgl. C. J. Fuller, The Camphor Flame, Princeton 1992: 245-250. Vgl. auch Halbfass (s. Anm. 22): 235.

42) Vgl. z. B. Kolenda (s. Anm. 40): 74-75; Ayrookuzhiel (s. Anm. 39): 130-131; S. M. Parish, Hierarchy and its Discontents, Philadelphia 1996: bes. 51-53.

43) Vgl. allgemein zum hinduistischen Totenritual und zur Ahnenverehrung P. V. Kane, History of the Dharmasastra, Poona 31991: IV. 179-551; G. Evison, Indian Death Rituals, Diss. Oxford 1989; K.-W. Müller, Das brahmanische Totenritual nach der Antyestipaddhati des Narayanabhatta, Stuttgart 1992; G. G. Filippi, Mrtyu, New Delhi 1996; A. Michaels, Der Hinduismus, München 1998: 148-175.

44) Vgl. aber Evison, ebd.: 448-469, der in Auswertung ethnographischer Erhebungen (vor allem aus der britischen Kolonialzeit) in tabellarischer Form die regionale und soziale Variationsbreite von Todesritualen zu erfassen sucht.

45) Vgl. S. Stevenson, The Rites of the Twice-Born, London 1920: 156-192; Evison, ebd.: 84-86, 234-241; Müller (s. Anm. 43): 80.

46) Vgl. Evison, ebd.: 98-118; D. M. Knipe, Sapindikarana, in: Religious Encounters with Death, F. E. Reynolds/E. H. Waugh [Hrsg.], University Park 1977: 111-124; Michaels (s. Anm. 43): 159.

47) Vgl. A. Sharma, On the Distinction Between Karma and Rebirth in Hinduism, in: Asian Philosophy 6, 1996, 29-35, hier 30.

48) Vgl. J. Assmann: Das kulturelle Gedächtnis, München 1992: 48-66.

49) Vgl. Stevenson (s. Anm. 45): 195; Filippi (s. Anm. 43): 190-203.

50) Da sich die Idee einer Wiedergeburt (punarjanman) nicht explizit in vedischen Hymnen findet, wird mitunter auch eine historisch-genetische Erklärung erwogen, die aber kaum weiterhilft, will man die gegenwärtige Pluralität erklären. Zur andauernden Diskussion um den Ursprung der indischen Reinkarnationsvorstellung vgl. zuletzt W. W. Bodewitz, Redeath and its Relation to Rebirth and Release, in: Veda-Vyakarana-Vyakhyana (FS P. Thieme), H.-P. Schmidt [Hrsg.], Reinbeck bei Hamburg 1996: 27-46; K. Butzenberger, Ancient Indian Conceptions on Man's Destiny After Death, in: Berliner Indologische Studien 9, 1996, 55-118.

51) Klostermaier (s. Anm. 32): 182. Vgl. aber Bergunder (s. Anm. 13): 417-422, vgl. auch 378-387, wo versucht wird, das bei der Ahnenreinkarnation entwickelte Modell für das Verständnis des gleichzeitigen Vorhandenseins von Jenseits- und Reinkarnationsvorstellungen im Hinduismus fruchtbar zu machen.

52) Vgl. J. G. Herder, Palingenesie (1797), in: ders., Werke in 10 Bänden, Frankfurt 1998: VIII, 257-282, hier 263 f. ( 23-25).

53) M. Weber, Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie II, Tübingen 1921: 131. Zur Kritik an Weber vgl. J. C. Heesterman, Kaste und Karma, in: Max Webers Studie über Hinduismus und Buddhismus (s. Anm. 28): 72-86, und - sehr viel schärfer, wenn auch undifferenzierter - J. Rösel, Die Hinduismusthese Max Webers, München 1982. Vgl. auch U. Barth (Max Webers Darstellung der hinduistischen Religion, in: Kulturelle Identität, H. Turk/A. Bhatti [Hrsg.], Berlin 1997, 20-58), der Kriterien und Kategorien von Webers Hinduismusdarstellung aus dessen Theorie über kulturelle Rationalisierungsprozesse herleitet.

54) Halbfass (s. Anm. 22): 287. Vgl. allgemein zum Folgenden Halbfass, ebd.: 287-300.

55) Vgl. H. Harder, Bankimchandra Chattopadhyay's Shrimadbhagabadgita, New Delhi (im Druck): 49-60 (Kommentar zu Bhagavadgita 2,13).

56) Vgl. G. W. Williams, Swami Vivekananda's Conception of Karma and Rebirth, in: Karma and Rebirth (s. Anm. 22): 41-60. Man beachte, dass, anders als in Williams, ebd.: 57, und bei Halbfass (s. Anm. 22): 289, berichtet, Vivekananda nicht gesagt hat, dass er bereit wäre, "in der Heimat oder in der Fremde" den Glauben an Reinkarnation "zu verteidigen", sondern es sich um die Aussage eines westlichen Journalisten handelt (vgl. The Complete Works of Swami Vivekananada, Bd. 7, Calcutta 81972: 423).

57) Vgl. R. N. Minor, In Defense of Karma and Rebirth, in: Karma and Rebirth (s. Anm. 22): 15-40.

58) S. Radhakrishnan, The Brahma Sutra, London 1962: 139. Vgl. auch R. King, Orientalism and Religion, London 1999: 135-142.

59) Vgl. D. S. Sarma, Renascent Hinduism, Bombay 1966: 64; vgl. auch D. S. Sarma: A Primer to Hinduism, Madras 1981: 48-59.

60) Vgl. Aurobindo, The Life Divine, Twin Lakes 1990: bes. 773-857; ders., Rebirth and Karma (=The Problem of Rebirth), Wilmot 1991; Vgl. auch O. Wolff, Das Problem der Wiedergeburt nach Shri Aurobindo, in: ZRGG 9, 1957, 116-129; R. N. Minor (s. Anm. 57); H.-P. Müller, "Karma" und "Wiedergeburt" im Denken moderner Hindus und Buddhisten, in: Die Idee der Reinkarnation in Ost und West (s. Anm. 11): 57-73.

61) Aurobindo, The Life Divine, ebd.: 839 (Kap.: Rebirth and Other Worlds).

62) Aurobindo, Rebirth and Karma, ebd.: 14 (Kap.: The Reincarnating Soul).

63) Vgl. Aurobindo, ebd.: 82-83 (Kap.: Karma and Freedom).

64) In: The Gospel of Sri Ramakrishna (M. Gupta [Hrsg.], New York 1942) findet Wiedergeburt nur an drei Stellen (153, 416, 912) in ganz beiläufiger Form Erwähnung.

65) Vgl. A. B. Creel, Contemporary Philosophical Treatments of Karma and Rebirth, in: Karma and Rebirth (s. Anm. 22): 1-14.

66) Vgl. Zander (s. Anm. 2). Das Buch von Zander enthält äußerst umfangreiche bibliographische Nachweise, so dass in diesem Abschnitt in der Regel nur über Zander hinausgehende Literaturnachweise angeführt werden.

67) Für die Frage nach der personalen Identität ist von besonderem Interesse, dass van Helmont selbst in seinem Versuch, Kabbala und Christentum miteinander zu verbinden, eine mehrfache Wiederverkörperung der Seele im gleichen Körper behauptet. Für ihn stellt demnach eine Identitätskonzeption, die Leib und Seele nicht als Einheit betrachtet, ein entscheidendes Problem dar, um eine Reinkarnationslehre mit christlichen Vorstellungen zusammenzudenken (vgl. Zander [s. Anm. 2]: 263-269). Auf Grund desselben Problems entwickelt dann auch Herder, als Gegenentwurf gegen Schlossers Reinkarnationsvorstellung, die Idee einer Planetenwanderung, in der der Mensch seine Leib-Seele-Einheit behält (vgl. Zander [s. Anm. 2]: 356-361). Interessant ist, dass J. Hick, dem diese Diskussion wahrscheinlich nicht bekannt war, aus ähnlichen Gründen ebenfalls mit einer Art Planetenwanderung sympathisiert (vgl. Hick [s. Anm. 4]: 414-422).

68) Die starke Betonung des Einflusses van Helmonts steht bei Zander aber in der Gefahr, andere Disskussionsstränge zu vernachlässigen. So ist Zander anscheinend entgangen (vgl. 282-283), dass die Reinkarnationsdiskussion, die Leibniz im 27. Kap. des 2. Buches der "Nouveaux essais sur l'entendement humain" führt (bes. 6 und 26), ausschließlich eine Auseinandersetzung mit reinkarnatorischen Gedankenexperimenten darstellt, die J. Locke, der bei Zander nirgends Erwähnung findet, zur Klärung der Frage nach der personalen Identität heranzog.

69) Hintergründe, Quellen und Umfeld von Lessings Reinkarnationsvorstellungen konnten auch bei Zander noch nicht ausreichend geklärt werden und sind Gegenstand weiterer Forschungen. Vgl. L. E. Kurth-Voigt, Continued Existence, Reincarnation and the Power of Sympathy in Classical Weimar, Columbia 1999; D. Cyranka, Zwischen Neurophysiologie und "Indischen Märchen", in: Religiöser Pluralismus und das Christentum, FS H. Obst, M. Bergunder [Hrsg.], Göttingen 2001: 35-54. Cyranka (Theologische Fakultät Halle) arbeitet gegenwärtig an einer Dissertation unter dem Arbeitstitel: "Reinkarnation und Geschichte. Untersuchung zu Lessings Reinkarnationshypothesen."

70) Vgl. z. B.: "Warum sollte ich nicht so oft wiederkommen, als ich neue Kenntnisse und Fertigkeiten zu erlangen geschickt bin?" (Erziehung des Menschengeschlechts, 98).

71) A. Kardec, Das Buch der Geister [dt.], Freiburg 1964: 22 (Einleitung).

72) Kardec, ebd.: 74 (Frage Nr. 150).

73) Vgl. Kardec, ebd.: bes. 141-144 (Fragen Nr. 392-399).

74) Die Rezeption östlicher Religionen durch die Theosophie, die ihrerseits großen Einfluss auf den indischen Neohinduismus, den singhalesischen und tamilischen Neo-Buddhismus ausübte, ist bisher ungenügend erforscht. Der Autor arbeitet gegenwärtig an einem Forschungsprojekt zum Thema "Universale Esoterik: Die Stellung von Theosophie und Anthroposophie innerhalb der europäischen Religionsgeschichte".

75) Vgl. auch J. Figl, Die Mitte der Religionen, Darmstadt 1993; J. Godwin, The Theosophical Enlightment, New York 1994; W. J. Hanegraaff, New Age Religion and Western Culture, Leiden 1996: 442-462.

76) Vgl. auch J. Wichmann, Die Renaissance der Esoterik, Stuttgart 1990: 146-153; ders., Zur Veränderung des Reinkarnationsglaubens in der westlichen Kultur und Esoterik, in: Reinkarnation oder Auferstehung, H. Kochanek [Hrsg.], Freiburg 1992: 181-193. Vgl. auch Hanegraaff, ebd.: 210-224, 262-275, der nachweist, dass im New Age, das in vielerlei Hinsicht in der Tradition der theosophischen Esoterik steht, ebenfalls eine Unterscheidung zwischen theoretischen, unpersönlichen und praktischen, persönlichen Reinkarnationsvorstellungen ("I have been so-and-so in a former life") zu finden ist. Allerdings ist zu beachten, dass für die Strömungen, die unter dem schillernden Begriff New Age zusammengefasst werden, Reinkarnationsvorstellungen nicht konstitutiv sind, vgl. C. Bochinger, Reinkarnationsidee und New Age, in: Die Idee der Reinkarnation in Ost und West (s. Anm. 11): 115-130.

77) Vgl. R. Sachau, Westliche Reinkarnationsvorstellungen, Gütersloh 1996: 161-177; Bischofberger (s. Anm. 2): 86-94. Auch hier sind die Übergänge zur theoretischen Esoterik aber fließend. So hat z. B. Th. Dethlefsen, der Hauptvertreter der Reinkarnationstherapie in Deutschland, seinen therapeutischen Ansatz im Laufe der Zeit immer stärker mit theoretisch-esoterischen Überlegungen angereichert.

78) Die Frage wird auch virulent, wenn man methodisch seriöse parapsychologische Versuche betrachtet, die "Reinkarnation" als wissenschaftliche Tatsache beweisen wollen, wie es vor allem Ian Stevenson versucht hat (vgl. zuletzt I. Stevenson, Reincarnation and Biology, Westport 1997). Neben den immensen und wahrscheinlich prinzipiell unüberwindbaren methodischen Problemen bei der Versuchsanordnung (vgl. z. B. J. Mischo, Methodenprobleme der empirischen Reinkarnationsforschung, in: Reinkarnation oder Auferstehung [s. Anm. 76]: 134-158.) steht vor allem auch die Schwierigkeit, dass höchstens eine bestimmte Reinkarnationsvorstellung bewiesen werden könnte.

79) Wie wichtig solche methodischen Grundsätze sind, zeigt beispielhaft eine Arbeit von G. Obeyesekere, der Reinkarnationsvorstellungen bei den Tlingit (Nordamerika) und im Buddhismus miteinander vergleicht. Das Ergebnis kann leider kaum befriedigen, da in sehr spekulativer Weise unterschiedliche Wiedergeburtseschatologien typisiert werden, für die dann ein historisch-evolutionärer Enwicklungszusammenhang konstruiert wird. Vgl. G. Obeyesekere, Amerindian Rebirth and Buddhist Karma, Amsterdam 1996; ders., Reincarnation Eschatologies and the Comparative Study of Religions, in Amerindian Rebirth (s. Anm. 20): XI-XXIV.

80) Vgl. zuletzt L. Lies, Origenes und Reinkarnation, in: ZKTh 121, 1999, 139-158, 249-268.

81) Vgl. Zander (s. Anm. 2): 13.

82) N. Bischofberger, Werden wir wiederkommen?, in: Wie wir wurden, wer wir sind, N. Rohlfs [Hrsg.], Stuttgart 1999: 20.

83) Dennoch ist es nicht uninteressant, wie N. Bischofberger die katholische Vorstellung von der Läuterung im Zwischenzustand (purgatorium) als Ausgangspunkt nimmt, eine christliche Reinkarnationsvorstellung als "denkerische Möglichkeit" zu entwickeln, um dadurch einen Dialog mit Menschen, die an Reinkarnation glauben, zu fördern (vgl. Bischofberger [s. Anm. 2]: 273-282). Auch der anglikanische Theologe Geddes MacGregor geht vom Gedanken des purgatorium aus und betrachtet die Reinkarnationsvorstellung als Mittel zur Läuterung, wobei er eine carnis resurrectio ablehnt und über ein Karmaprinzip eine Vermittlung christlicher Lehre mit dem Gedanken einer spirituellen Evolution herstellen zu können glaubt (vgl. Reincarnation in Christianity, Wheaton 1978; Reincarnation as a Christian Hope, Totowa 1982). Mit seinem Entwurf, der vor allem in esoterischen Kreisen rezipiert wird, plaziert sich MacGregor allerdings als völliger Außenseiter, auch deshalb, weil in seiner Darstellung kaum Bezüge zur zeitgenössischen systematischen Theologie hergestellt werden.

84) Vgl. W. Härle, Dogmatik, Berlin-New York 1995: 609.

85) Vgl. z. B. L. Ott, Grundriss der katholischen Dogmatik, Freiburg 1952: 561-563; H. Schmid, Die Dogmatik der evangelisch-lutherischen Kirche, Gütersloh 121998: 399-401 ( 64).

86) Vgl. z. B. W. Härle, a. a. O., 631-636. Bezeichnend ist auch, dass J. Moltmann in seiner Eschatologie (Das Kommen Gottes, Gütersloh 1995: 92-93) ausdrücklich die Kontinuität der personalen Identität in der Auferstehung betont und seine früheren Aussagen von der Auferstehung als creatio ex nihilo bzw. nova creatio (Theologie der Hoffnung, München 1964: 162, 197 ff.) explizit dahingehend präzisiert sehen möchte.

87) Einen gewissen Sonderfall stellt der Ansatz von R. Friedli dar, der mittels einer "dialogischen Kulturanthropologie" versucht, "funktionale Grundanliegen und Äquivalenzen zu zeigen" (R. Friedli, Zwischen Himmel und Hölle, Freiburg 1986: 97). Er typisiert hinduistisch-buddhistische, afrikanische und christliche Kontexte im Hinblick auf funktionale Übereinstimmungen gewisser existentialer Grunderfahrungen und sieht dabei das christliche Äquivalent zur Reinkarnation in der Erbsündenlehre und der Wiedergeburt durch Taufe und Bekehrung gegeben. In jedem typisierten Kontext werden nach Friedli unterschiedliche Antworten gegeben, die aber potentiell dazu in der Lage sind, sich gegenseitig zu bereichern und zu korrigeren. Obwohl Friedlis Ansatz in der Konsequenz sicher zu reduktionistisch ist, kann er wichtige Impulse für eine dialogische Grundlage der theologischen Auseinandersetzung mit Reinkarnationsvorstellungen bieten (vgl. auch Bergunder [s. Anm. 13]: 426-429; Bischofberger [s. Anm. 2]: 258-263).

88) Zander, Helmut: Reinkarnation und Christentum. Rudolf Steiners Theorie der Wiederverkörperung im Dialog mit der Theologie. Paderborn-München-Wien-Zürich: Schöningh 1995. X, 347 S. gr.8. Kart. DM 84,-. ISBN 3-506-79769-7.

89) Auf den "Christus-Impuls", der von Anthroposophen als zentral angesehen wird, und dessen Implikationen (Christus als Herr des Karma) wird z. B. nicht weiter eingegangen. Aus dieser Perspektive unternimmt aber K. v. Stieglitz eine kritische Auseinandersetzung mit der anthroposophischen Reinkarnationsvorstellung. Stieglitz, der von vielen Anthroposophen als christlicher Gesprächspartner sehr geachtet wird, versucht auszuloten, inwieweit sich über das anthroposophische Christus-Verständnis und die vermittelnde Rolle der Christengemeinschaft trotz der starken Fokussierung auf Karma und Reinkarnation dialogische Brücken schlagen lassen. Vgl. K. v. Stieglitz, Einladung zur Freiheit, Stuttgart 1996: 89-105; ders., Reinkarnation und Auferstehung, in: FS Obst (s. Anm. 69): 125-141.

90) Vgl. aber H. Obst, Der Reinkarnationsgedanke in christlichen Sondergemeinschaften der Neuzeit, in: Reformation und Neuzeit. Hrsg. von U. Schnelle, Berlin 1994: 235-263; R. Hummel, Reinkarnation statt Schöpfungsglaube, in: Reinkarnation oder Auferstehung (s. Anm. 76): 100-118; H. Lamprecht, Rosenkreuzerische Reinkarnation, in: FS Obst (s. Anm. 69): 74-87.

91) Weitere Beispiele wären die Auseinandersetzung lateinamerikanischer Theologen mit den Reinkarnationsvorstellungen im dortigen Spiritismus und in afro-amerikanischen Religionen.Vgl. dazu z. B. R. v. Rossum, Reinkarnation in ihrer Beziehung zum Spiritismus und Umbanda, in: Concilium 29, 1993, 409-416; M. A. Camurca, Entre a graca e a evolucao, in: Revista Eclesiástica 58, 1998, 385-402. Auch das populäre Buch von R. J. Blank (Auferstehung oder Reinkarnation?, Mainz 1996) ist vor dem Hintergrund der Auseinandersetzung mit dem lateinamerikanischen Spiritismus geschrieben, wenn auch eine Betrachtung der Reinkarnationsvorstellung im allgemeinen angestrebt ist.

92) punar jenma aksepam, S. Rajamanickam [Hrsg.], Tuticorin 1963. Vgl. dazu auch S. Rajamanickam, The First Oriental Scholar, Tirunelveli 1972: 131-134. Auch andere Tamil-Schriften von De Nobili enthalten ausführliche Besprechungen der Wiedergeburt: nanopateca kurippitam, S. Rajamanickam [Hrsg.], Tuticorin 1965: 58-65 (9. Kapitel); attuma nirnayam, S. Rajamanickam [Hrsg.], Tuticorin 1967: 209-323 (15.-22. Kapitel); nanopatecam (26 piracankal), S. Rajamanickam [Hrsg.], Palayankottai 1970: 38-48 (8. Predigt).

93) Vgl. z. B. A. G. Hogg, Karma and Redemption, London 21910; W. Dilger, Der indische Seelenwanderungsglaube, Basel 1910; S. Zehne, Die Lehre von der Seelenwanderung in ihrer Bedeutung für das religiös-sittliche Leben des Inders, Leipzig 21928.

94) Vgl. Die indische Karmalehre und das Christentum, in: ders., Indien und das Christentum, Halle 1931-1933: III.118-150. Daneben hat Schomerus eine allgemeine Darstellung von Reinkarnationsvorstellungen vorgelegt, die auch ein kurzes theologisches Resümee enthält, das aber in seiner Pauschalität nicht befriedigen kann (vgl. Der Seelenwanderungsgedanke im Glauben der Völker, in: ZSTh 6, 1929, 209-277).

95) Schomerus, Karmalehre, ebd.: III.147, 149. Man vergleiche in diesem Zusammenhang einen Entwurf von M. v. Brück. Inspiriert von Bede Griffith' Vedanta-Interpretationen hat er in seiner Habilitationsschrift einen Vergleich zwischen Christentum und Advaita Vedanta versucht. Nach Brück ist eine Versöhnung zwischen vedantischer Karmalehre und Christentum zumindest hypothetisch denkbar, wenn man über die klassische veda-ntische Theorie hinausgeht und ein personales Zentrum für den Menschen annimmt. Vgl. M. v. Brück, Einheit der Wirklichkeit, München 1986: 203-223.

96) Vgl. z. B. N. N. S. Goreh, A Rational Refutation of the Hindu Philosophical Systems, Calcutta 1862; J. G. Arapura, An Approach to the Indian Belief in Rebirth, in: Asia Journal of Theology 9, 1995, 275-288.

97) Vgl. The Christian Bhakti of A. J. Appasamy. A Collection of His Writings, T. Dayananadan Francis [Hrsg.], Madras 1992: 194-196; R. H. S. Boyd, An Introduction to Indian Christian Theology, Madras 21975: 130-135; Vengal Chakkarai, Volume I, Hrsg. P. T. Thomas, Madras 1981: 212-240.

98) Vgl. O. V. Jathanna, The Decisiveness of the Christ-event and the Universality of Christianity, Berne 1981: 470-481.