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Ausgabe:

September/2000

Spalte:

863–880

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Hüttenhoff, Michael

Titel/Untertitel:

Ewiges Leben.Dogmatische Überlegungen zu einem Zentralbegriff der Eschatologie1

In den theologischen Texten, die das ewige Leben bzw. die ewige Seligkeit thematisieren, stößt man häufig auf den Hinweis, dass unser Nachdenken und Reden über diesen Gegenstand weit hinter dessen wahrer Beschaffenheit und Fülle zurückbleibt.2 Auch die neutestamentlichen Schriften sind in ihren Aussagen über die eschatologische Vollendung eher zurückhaltend. Sie sind mehr daran interessiert, auf den Weg zum ewigen Leben hinzuweisen, als eine detaillierte Beschreibung seines Zieles zu liefern. Doch die Unbestimmtheit reizt, das Fehlende mit Hilfe der Phantasie durch eigene Gedanken und Vorstellungen zu ergänzen. Johannes Calvin warnte davor, diesem Reiz nachzugeben, und spottete über ein zu großes Interesse am Vollendungszustand: "Denn wenige aus der gewaltigen Menge sorgen sich darum, auf welchem Wege man zum Himmel wandern soll; aber alle begehren vor der Zeit zu wissen, was dort geschieht. Obwohl fast alle faul und träge sind, wenn es darum geht, sich Kämpfen auszusetzen, malen sie sich schon eingebildete Triumphe aus."3 Dennoch sah er sich genötigt, in knapper Form etwas über die ewige Seligkeit zu sagen, weil "es nötig ist, durch einen Geschmack von ihrer Süße in uns die Glut des Verlangens zu schüren".4

Wenn das Evangelium als eine Botschaft, die Heil verkündigt, verstanden werden soll, muss zumindest eine vage Vorstel-
lung davon möglich sein, worin dieses Heil besteht.5 Von den
Ausdrücken, die in der Sprache des christlichen Glaubens das eschatologische Heil bezeichnen und charakterisieren, ist ,ewiges Leben' einer der umfassendsten und gebräuchlichsten. Indem dieser Ausdruck auf das eschatologische Heil angewendet wird, wird das Adjektiv ,ewig', das ursprünglich ein göttliches Attribut ist, menschlichem Leben zugesprochen. Aber wie und in welchem Sinn kann das göttliche Attribut zum Attribut menschlichen Lebens werden? Dieser Aufsatz soll einen Beitrag zur Beantwortung dieser Frage leisten, indem er vier Bestimmungen des ewigen Lebens hervorhebt und interpretiert: 1. die Theozentrik, 2. die zeitliche Dauer, 3. die Zukünftigkeit und 4. die personale Identität trotz des Todes.

1. Der theozentrische Charakter des ewigen Lebens

Die grundlegende Antwort auf die Frage, wie es möglich ist, dass einem geschöpflichen Leben das Attribut ,ewig' zukommt, lautet: Möglich ist das nur, wenn das geschöpfliche Leben ein theozentrisches Leben ist. Die Theozentrik betrifft erstens die Verwirklichung des ewigen Lebens, sein Dass-Sein. Ein Geschöpf kann sich nicht selbst das Leben geben. Ebensowenig kann es sein Leben zu einem ewigen Leben machen. Es ist darauf angewiesen, dass Gott das ewige Leben schenkt. Aber der Gottesbezug des ewigen Lebens beschränkt sich nicht darauf, dass Gott es hervorgebracht hat. Zweitens betrifft die Theozentrik auch das So-Sein des ewigen Lebens. Dieses So-Sein wird durch eine Beziehung auf Gott konstituiert, die sich unter den Bedingungen irdischen Lebens nicht oder nur anfänglich und fragmentarisch verwirklichen kann. Inhaltlich ist diese Beziehung oft als visio Dei, als Schau Gottes,6 oder als Gemeinschaft mit Gott7, mit Christus8 oder mit beiden9 bestimmt worden.

Die Beziehung auf Gott bleibt dem Geschöpf nicht äußerlich, sondern prägt die Bestimmtheit seines Selbst-Seins. Die Rückwirkung auf das menschliche Sein drückt z. B. Johann Gerhard prägnant aus, wenn er die Form der Seligkeit bestimmt als "die Schau Gottes selbst und die aus ihr hervorgehende Herrlichkeit der Seele und des Körpers und insofern die ewige Freude der Seligen"10. Den Primat des Gottesbezugs wahrt Gerhard dadurch, dass er die Herrlichkeit der Seele und des Körpers als aus der Schau Gottes hervorgehend bestimmt. Die Schau Gottes ist die Quelle aller Güter,11 die den Seligen zuteil werden.

Der Primat der Gottesbeziehung hat nicht zur Folge, dass die aus dieser Beziehung hervorgehende Vollendung des menschlichen Lebens unwesentlich wird. Brächte das ewige Leben nicht die dem menschlichen Sein entsprechende Vollendung, könnte es nicht als das den Menschen bestimmte ,Heil' qualifiziert werden. Aber indem die Theologie den Primat des Gottesbezugs betont, distanziert sie sich von einem die christliche Hoffnung entstellenden Heilsegoismus, der nur am eigenen Glück, der vollkommenen Entfaltung des eigenen Lebens und der Verewigung der eigenen individuellen Existenz interessiert ist.

Ein solcher Egoismus setzt sich durch, wenn das Interesse am Heil die für das Heil konstitutive Beziehung auf Gott ausblendet oder zur Bedeutungslosigkeit herabsetzt. Für David Friedrich Strauß trat ein solcher Heilsegoismus besonders in dem Unsterblichkeitsglauben seiner Zeit zu Tage, der den "ganzen reichen Hausrath der kirchlichen Eschatologie" preisgegeben hatte und damit zufrieden war, "seine nackte Fortdauer nach dem Tode zu retten".12 Über diesen Unsterblichkeitsglauben spottete er mit Recht: "Der Spruch des Psalmisten: Wenn ich nur dich (Gott) habe, so frage ich nichts nach Himmel und Erde, ob mir auch Leib und Seele verschmachte (Ps. 73,25 f.), hat sich in der Denkweise der neueren Zeit so umgekehrt, dass
es jetzt heisst: Wenn ich nur mein Ich in Sicherheit habe, so frage ich nichts nach Gott und Welt."13

Eine subtilere Gestalt nimmt der Heilsegoismus an, wenn er an der Bedeutung der Gottesbeziehung festhält, sie aber im Interesse des eigenen Heils funktionalisiert. Die Gottesbeziehung wird dann nicht um ihrer selbst willen erstrebt, sondern um der Auswirkungen willen, die sie für das eigene Sein hat. Einen solchen Egoismus entdeckte Ludwig Feuerbach dort, wo Demut gegenüber Gott in der Hoffnung auf eine spätere Herrlichkeit geübt wird. "Das Individuum wirft sich nur weg, um von Gott sich wieder zugeworfen zu werden, es demütigt sich nur vor Gott, um in ihm sich selbst widerzuspiegeln, sein Selbstverlust ist Selbstgenuß, die Demut Selbsterhebung".14 Angesichts dieser sich verstellenden Selbstbezogenheit fragte Feuerbach: "Handelt es sich etwa in ihrer Religion um Gott, um Gottes willen, um Gott an und für sich, und dreht sich nicht vielmehr alles nur um ihre Erlösung und Versöhnung, um ihr Heil, um ihre Seligkeit und Unsterblichkeit herum?"15

Um die heilsegoistische Entstellung der christlichen Hoffnung zu vermeiden, müssen die christliche Theologie und die Verkündigung dem theozentrischen Charakter des ewigen Lebens gerecht werden. Allerdings dürfen sie sich durch den Vorwurf des Heilsegoismus nicht so beeindrucken lassen, dass sie, um jeden Verdacht von vornherein auszuschließen, das Interesse am eigenen Heil prinzipiell verurteilen und Aussagen darüber vermeiden, warum sich im ewigen Leben das uns Menschen entsprechende Heil verwirklicht.16 Angesichts dessen, dass Gott selbst nach Überzeugung des christlichen Glaubens das Heil der Menschen will, wäre ein derartiges Zurückweichen vor dem Vorwurf des Heilsegoismus theologisch verfehlt. Überwunden wird der Heilsegoismus weder dadurch, dass die Hoffnung auf das Heil aufgegeben, noch dadurch, dass eine Abkehr vom Heils-egoismus gefordert wird, sondern das Heil selbst macht den Heilsegoismus unmöglich, indem es sich als theozentrisches Leben verwirklicht.

2. Die Zeitlichkeit des ewigen Lebens

2.1 Der qualitative und der formale Aspekt

des Ewigkeitsbegriffs

Der Begriff der Ewigkeit hat einen qualitativen und einen formalen Aspekt.17 Qualitativ drückt der Ewigkeitsbegriff eine Steigerung des Seins bzw. Lebens, eine Ursprünglichkeit und/ oder Überlegenheit gegenüber dem aus, was nicht ewig ist. Der erste Abschnitt des Aufsatzes thematisierte das ewige Leben im Blick auf den qualitativen Aspekt. Formal bezeichnet ,Ewigkeit' entweder eine ins Unfassbare oder gar Unendliche ausgedehnte Zeit, oder er meint eine der Zeitlichkeit überlegene oder entgegengesetzte Seinsform. Sachlich lässt sich die qualitative Verwendung des Ewigkeitsbegriffs nicht von der formalen ablösen, denn die Ewigkeit als Seinsform ist der ontologische Möglichkeitsgrund für die Ewigkeit als qualitative Steigerung des Seins und Lebens. Die Frage, wie das geschöpfliche Leben zu einem ewigen werden kann, erfordert daher die Thematisierung des formalen Aspekts und damit des Verhältnisses von Zeit und Ewigkeit.18

Weil ,Ewigkeit' ursprünglich ein Attribut Gottes ist und weil einem Geschöpf ewiges Leben nur zukommen kann, wenn ihm dieses Leben von Gott verliehen und sein So-Sein durch die Gottesbeziehung bestimmt wird, muss zunächst geklärt werden, welchen Sinn der Ausdruck ,ewig' hat, wenn er auf Gott angewendet wird. Erst dann kann bestimmt werden, in welchem Sinn das vollendete menschliche Leben als ,ewig' zu qualifizieren ist.

2.2 ,Ewigkeit' als Attribut Gottes

Versucht man den Begriff der Ewigkeit zu bestimmen, legt sich zunächst eine Alternative nahe: Entweder wird ,Ewigkeit' im Gegensatz zur Zeit als ,Zeitlosigkeit' verstanden, oder ,Ewigkeit' wird als Zeitbegriff im Sinne von ,endlos sich erstreckender Zeit' verwendet.

Als Zeitlosigkeit wurde die Ewigkeit in der Tradition platonischer Philosophie gedeutet. Plato bestimmte im Timaios die Zeit als "bewegtes Abbild der Ewigkeit (eiko ... kineton tina aionos)"19. Der Unterschied zwischen der Zeit und der Ewigkeit liege darin, dass die Ewigkeit in dem Einen bleibe, während die Zeit der Zahl entsprechend fortschreite. Werden und Bewegung gebe es nur in der Zeit, das Ewige sei unbeweglich und bleibe sich selbst gleich. Die Modi der Vergangenheit und der Zukunft, das ,es war' und das ,es wird sein', kämen daher bloß der Zeit zu, für die Ewigkeit gebe es nur das ,es ist', also den Modus der Gegenwart. Dagegen ist im Alten Testament olam (hebr.) bzw. alam (aram.) ein Zeitbegriff. In seiner Grundbedeutung bezeichnet olam die sehr ferne Zeit, und zwar im Blick auf die Vergangenheit ebenso wie im Blick auf die Zukunft.20 Nur im attributiven Gebrauch kann es die Bedeutung "(unbegrenzte, unabsehbare) Dauer"21 annehmen. Die mehrfach wiederkehrende Wendung "von Ewigkeit zu Ewigkeit (meolam ad-olam)"22 impliziert ein Auseinandertreten von Vergangenheit und Zukunft. Für das ,von Ewigkeit zu Ewigkeit' Seiende gibt es nicht nur das ,es ist', sondern auch ein ,es war' und ,es wird sein'. Obwohl olam in der Grundbedeutung nicht die grenzenlos sich erstreckende Zeit selbst, sondern das unfassbare Wohin und Woher beständiger Dauer bezeichnet, lässt sich das Verständnis von Ewigkeit als grenzenloser Zeit mit dem alttestamentlichen Verständnis von olam verbinden.

In der Geschichte der christlichen Theologie dominierte lange das Verständnis der Ewigkeit als Zeitlosigkeit bzw. als reine Gegenwart, als unveränderliches ,es ist'. Die Probleme, die sich aus dem Verständnis der Ewigkeit als Zeitlosigkeit für das christliche Verständnis Gottes und seiner Beziehung zur Welt ergeben, haben im 20. Jh. zu einer Revision des Ewigkeitsverständnisses geführt. Diese Revision bestand jedoch bei den meisten Systematikern nicht in einer einfachen Hinkehr zum zeitlichen Ewigkeitsverständnis, sondern in dem Versuch, den Gegensatz zwischen dem zeitlosen und dem zeitlichen Ewigkeitsverständnis zu überwinden und beide zu einer Synthese zu führen. Paul Tillich sprach nicht nur für sich, als er schrieb: "Der Gedanke der Ewigkeit muß gegen zwei falsche Deutungen geschützt werden. Ewigkeit ist weder Zeitlosigkeit noch Endlosigkeit der Zeit."23 Die von Tillich zurückgewiesenen Deutungen hat Gerhard Ebeling polemisch die "beiden vulgären Verständnisse von Ewigkeit"24 genannt. Im Rahmen der Bemühungen um eine Neufassung des Ewigkeitsbegriffs gewann die Ewigkeits-Definition des Boëthius in seiner Philosophiae consolatio eine neue, überraschende Popularität. Boëthius definierte: "Aeternitas igitur est interminabilis vitae tota simul et perfecta possessio (Ewigkeit also ist der zugleich vollständige und vollkommene Besitz unbegrenzbaren Lebens)".25 Karl Barth, Gerhard Ebeling, Wolfhart Pannenberg, Joachim Ringleben, Wilfried Härle und Jürgen Moltmann lesen diese Definition als Überwindung des Gegensatzes von Ewigkeit und Zeit.26 Überraschend ist die Popularität der Boëthius-Definition insofern, als sie in der Vergangenheit für das zeitlose Ewigkeitsverständnis in Anspruch genommen wurde, so z. B. von Thomas von Aquin und Friedrich Schleiermacher.27

Die Popularität der Definition erklärt sich daraus, dass sie die Ewigkeit von ihrer Beziehung auf das unbegrenzbare Leben her definiert. Damit ist, wie Ringleben meint, "eine Möglichkeit angedeutet, Ewigkeit der Zeit nicht nur entgegenzusetzen, sondern sie als deren schöpferische Integration zu denken".28 Indem die Definition diese Möglichkeit andeutet, kommt sie dem Vorschlag entgegen, die Mängel des zeitlosen Ewigkeitsverständnisses dadurch zu überwinden, dass die Ewigkeit als beständige Einheit der Zeitmodi, also der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft, gedacht wird. So schrieb z. B. Paul Tillich: "In Gott sind die Momente der Zeit nicht von einander getrennt. Die Gegenwart wird nicht von Vergangenheit und Zukunft verschlungen. Doch schließt das Ewige das Zeitliche in sich ein. Ewigkeit ist die transzendente Einheit der getrennten Momente existentieller Zeit."29 Da dieses Ewigkeitsverständnis eine Synthese der Zeitmodi postuliert, wird es - mangels eines besseren Ausdrucks - im Folgenden das synthetische Ewigkeitsverständnis genannt. An der Annahme, die Ewigkeit sei die Einheit der Zeitmodi, ist problematisch, dass für Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ihr Auseinanderfallen und das Verhältnis, das sie als auseinandergefallene Zeitmodi zueinander haben, konstitutiv ist.30 Wo es kein Auseinander der Zeitmodi, Zeitpunkte und Zeiträume gibt, herrscht die Zeitlosigkeit31 - und der Tod.

Angesichts der Schwierigkeiten, in die sich das zeitlose und das synthetische Ewigkeitsverständnis verwickeln, ist zu bedenken, ob die Dogmatik nicht einen engeren Anschluss an das zeitliche und damit an das alttestamentliche Verständnis suchen sollte.32 Am radikalsten wird dieser Anschluss von dem Vorschlag vollzogen, das ewige Sein Gottes selbst als ein zeitliches zu verstehen, und zwar ohne den Sinn von ,zeitlich' wesentlich zu modifizieren.33 Die Bedenken gegen diesen Vorschlag liegen auf der Hand: Er laufe auf einen kruden Anthropomorphismus hinaus, verendliche Gott34 und negiere die Vorordnung Gottes vor der Welt und damit den Unterschied zwischen Gott und Welt. Doch die Bedenken sind nur teilweise berechtigt. Die Vorordnung Gottes besagt, dass die Welt von Gott her ist, dass Gott die Bedingungen setzt, innerhalb deren sich geschöpfliches Leben entfaltet, und dass er dieses Leben in eine Vollendung führt, die es nicht von sich aus zu erreichen vermag. Um dieser Vorordnung Gottes vor der Welt gerecht zu werden, ist es nicht nötig, Gott nach Maßgabe eines vorgegebenen Begriffs absoluter Unendlichkeit zu denken, d. h. von einem Begriff her, der Gottes Sein in jeder Beziehung Unendlichkeit zuschreibt. Außerdem ist dieser Begriff absoluter Unendlichkeit problematisch, weil er die Tendenz zur absoluten Unbestimmtheit hat. Dagegen ist das biblische Reden von Gott, von seiner Überlegenheit und von seiner Gnade ein bestimmtes Reden, das in seiner Bestimmtheit Möglichkeiten ausschließt und damit eine Begrenztheit aussagt.

Der Anthropomorphismusverdacht, dass die Interpretation von Ewigkeit als Zeitbegriff eine menschliche Bedingung des Seins und Verstehens zu einer absoluten Bedingung hypostasiere, lässt sich dagegen aus prinzipiellen Gründen nicht restlos ausräumen. Um ihn zu entschärfen, könnte man etwas vorsichtiger in Bezug auf Gott von einer der Zeitlichkeit analogen Seinsform sprechen. Aber diese Sprachregelung würde nur unsere Unfähigkeit verschleiern, eine nicht im strengen Sinn zeitliche Seinsform zu beschreiben, die Bewegung und Leben ermöglichen würde. Es legt sich daher nahe, Ewigkeit nicht als Attribut von Gottes In-sich-Sein, sondern als Attribut seiner Beziehung zur Welt zu interpretieren. Diese Beziehung realisiert sich nicht nach dem Modell eines Naturgesetzes, das - selber zeitlos - zeitliche Prozesse prägt, sondern sie verwirklicht sich, indem Gott zeitlich wirkt, und zwar sowohl initiativ wie reaktiv. Der Ewigkeitscharakter der Beziehung liegt darin, dass sie trotz der Zeitlichkeit ihrer Verwirklichung ein dauerhaftes und verlässliches Gepräge aufweist. Biblische Aussagen wie "Seine Güte (hasad) währet ewiglich" (Ps 118,1) und "Gott ist Liebe" (1Joh 4,8.16) bringen dieses Gepräge zur Sprache. Über Gottes In-sich-Sein lässt sich nur sagen: Es muss so beschaffen sein, dass es sowohl Grund des dauerhaften und verlässlichen Gepräges der Beziehung als auch Grund der Zeitlichkeit ihrer Verwirklichung sein kann.

2.3 ,Ewig' als Attribut des vollendeten

menschlichen Lebens


Auf Grund der Differenz zwischen Schöpfer und Geschöpf ist es nicht selbstverständlich, dass ,ewig' als Attribut des vollendeten menschlichen Lebens die gleiche Bedeutung hat wie ,ewig' als Attribut Gottes. So ist es möglich, einerseits die Ewigkeit Gottes als Zeitlosigkeit oder als Einheit der Zeitmodi zu bestimmen und andererseits die des ewigen menschlichen Lebens als grenzenlos sich in die Zukunft erstreckende Dauer zu verstehen. Doch dieser Weg wird, soweit ich sehe, in der gegenwärtigen evangelischen Theologie nicht beschritten. Die Theologen, die das synthetische Ewigkeitsverständnis vertreten, übertragen es auch auf das ewige Leben oder beschränken sich darauf, dessen Ewigsein als Partizipation an der Ewigkeit Gottes zu deuten. Eine auf die boëthianische Definition zurückgreifende Übertragung auf das ewige Leben findet sich z. B. bei Jürgen Moltmann: "Der ganze, gleichzeitige und vollkommene Besitz und Genuß des Lebens ist die Fülle der Zeit in der Fülle des geliebten Lebens. Auch damit ist eine aionische Ewigkeit gemeint, und zwar die des neuen Lebens in der zukünftigen Welt".35 Doch selbst wenn das synthetische Verständnis der Ewigkeit Gottes geteilt wird, ist zu fragen, ob die Übertragung auf das vollendete Leben des Geschöpfs nicht dessen Endlichkeit aufhebt. Ist denkbar, dass einem endlichen Geschöpf die Totalität des Lebens ,gleichzeitig' gegenwärtig ist?

Wenn jedoch das zeitlose und das synthetische Verständnis der Ewigkeit schon im Rahmen der Gotteslehre aufgegeben werden müssen, scheidet die Übertragung auf das vollendete menschliche Leben von vornherein aus. Angesichts der Differenz zwischen Gott und seiner Schöpfung ist allerdings auch gegenüber der These, Gottes In-sich-Sein komme zeitliche Ewigkeit zu, Zurückhaltung geboten. Da aber das ewige menschliche Leben, auch wenn es eine qualitative Steigerung gegenüber dem irdischen Leben darstellt, auf die Seite der Schöpfung gehört, fällt dieser Vorbehalt weg. Zwar lässt sich auch von dem ewigen menschlichen Leben nicht mit Gewissheit sagen, es sei ein zeitliches Leben, aber es gibt keine durchschlagenden Argumente gegen diese Annahme.36 Die Scheu vor dem Rückfall in ein angeblich naives oder vulgäres Ewigkeitsverständnis ist kein Argument.37 Daher besteht m. E. kein Grund, für das ewige Leben eine uns unbekannte Seinsform zu postulieren, die irgendwie Zeitlichkeit und Negation der (uns bekannten Form von) Zeitlichkeit verbindet. Im Folgenden wird deshalb mit der Hypothese gearbeitet, dass das ewige Leben ein zeitliches Leben ist. Seine Ewigkeit besteht formal darin, dass es ein dauerhaftes, sich unbegrenzt in die Zukunft erstreckendes Leben ist. Diese Ewigkeit ist keine Ewigkeit im strengen Sinn, weil sie einen zeitlichen Anfang hat und weil sie ihren Grund nicht in sich selbst trägt. Denn seinen Grund hat das ewige Leben in der Dauerhaftigkeit, Beständigkeit und Verlässlichkeit, kurz: in der Ewigkeit von Gottes Güte und Liebe.

3. Die Zukünftigkeit des ewigen Lebens

Das ewige Leben ist entweder a) nur gegenwärtig oder b) nur zukünftig oder c) sowohl gegenwärtig als auch zukünftig. Die These, dass das ewige Leben ein dauerhaftes, sich unbegrenzt in die Zukunft erstreckendes Leben sei, impliziert bereits die Ablehnung einer rein präsentischen Deutung, aber diese Ablehnung wurde argumentativ noch nicht abgesichert. Das soll nun nachgeholt werden.

3.1 Argumente zu Gunsten einer

präsentischen Deutung des ewigen Lebens

a) Die johanneische Eschatologie und das Geschehensein der Offenbarung: Nach Rudolf Bultmanns bekannter These vertrat das ursprüngliche Johannesevangelium konsequent eine präsentische Eschatologie. Ansätze zu einer solchen Eschatologie fänden sich zwar auch bei Paulus, aber Johannes habe das "Verständnis der Eschatologie als gegenwärtigen Geschehens ... radikaler als Paulus ... durchgeführt", weil er "auf die apokalyptische Zukunftseschatologie"38 vollkommen verzichtet habe. Ohne zu bestreiten, dass Johannes die Gegenwart des Heils betont, hat man gegen Bultmanns Deutung eingewandt, die futurische Dimension lasse sich aus der johanneischen Eschatologie nicht vollständig eliminieren.39 Oft wird dabei nicht zur Kenntnis genommen, dass nach Bultmann auch Johannes "auf eine künftige Vollendung des jetzigen Lebens des Glaubens" ausblickt. Aber dieser Ausblick beziehe sich bei Johannes "auf die Zukunft des einzelnen Glaubenden nach dem Ende seines irdischen Lebens". Dabei rede er in der "Vorstellungsweise der gnostischen Eschatologie".40 Doch diese war für Bultmann nicht weniger mythologisch als die Hoffnungsbilder jüdischer Herkunft.41 Daraus erklärt sich, dass Bultmann sich diesen Aspekt der johanneischen Eschatologie nicht selbst aneignete.

Unabhängig von der historischen Frage, ob und in welchem Maße die ursprüngliche johanneische Eschatologie einen futurischen Aspekt einschließt, ist systematisch-theologisch von Bedeutung, dass es Bultmann gelang, im Anschluss an die johanneischen Schriften eine präsentische Eschatologie von hoher Konsistenz zu entwerfen. Im Zentrum der Konzeption steht ein exklusivistisches Offenbarungsverständnis: Weil das Kommen des Offenbarers "das eschatologische Ereignis"42 war, ist das "Entscheidende" bereits "geschehen. Die Stunde ist da, da die Toten die Stimme des Gottessohnes hören; und wer sie hört, der ist vom Tode zum Leben hinübergeschritten".43

Doch der Zusammenhang, den Bultmann zwischen Offenbarung, Predigt, Glauben und Heil herstellt,44 ist zwar konsistent, aber nicht zwingend. Wenn man den exklusivistischen Offenbarungsbegriff zurückweist, entzieht man Bultmanns Entwurf die Grundlage. Aber selbst im Rahmen eines exklusivistischen Offenbarungsverständnisses, das im Christusereignis das Heilsereignis erblickt, sind Alternativen denkbar.

b) Der zeitlose Ewigkeitsbegriff als Grundlage einer präsentischen Eschatologie: In der zweiten Ausgabe seiner Römerbriefauslegung vertrat Karl Barth eine präsentische Eschatologie auf der Grundlage des zeitlosen Ewigkeitsverständnisses. Aus dem ",unendlichen qualitativen Unterschied' von Zeit und Ewigkeit"45 ergab sich für ihn eine Entzeitlichung des Augenblicks der Offenbarung. Der Augenblick der Offenbarung sei ein ewiger46, kein zeitlicher. In ihm stünden "Vergangenheit und Zukunft"47 still. Die den Römerbrief leitende Dialektik von Nein und Ja schlägt jedoch auch hier durch. Der Augenblick, der kein zeitlicher ist, kann alle zeitlichen Augenblicke qualifizieren. Dieser Dialektik folgt auch der berühmte Satz über die Parusie: "Will das unnütze Gerede von der ,ausgebliebenen' Parusie denn gar nicht aufhören? Wie soll denn ,ausbleiben', was seinem Begriff nach überhaupt nicht ,eintreten' kann? ... Nicht die Parusie ,verzögert' sich, wohl aber unser Erwachen."48 Dementsprechend ist das ewige Leben nicht ein Leben zu einer bestimmten Zeit, sondern es ist "zeitlos, eine bestimmte Qualifizierung aller Menschenzeit".49 Aber das Ja bleibt in Barths Römerbriefauslegung im Banne des Nein. Denn das Ewige, das alle Menschenzeit qualifiziert, kann auf Grund des Gegensatzes zur Zeit nicht in die Zeit eintreten, auch nicht in die Gegenwart. Der in der Zeit existierende Mensch kann nicht der neue Mensch sein, und der neue Mensch lebt nicht in der Zeit.50 Eine Identität des zeitlich existierenden Menschen mit dem neuen Menschen gibt es nur "durch den Glauben"51 und "in Christus"52, ohne dass sie jemals zu einer Erfahrung für den zeitlich existierenden Menschen werden kann. Unter dieser Voraussetzung bleibt dunkel, wie das Heil denen zu Gute kommen kann, die seiner bedürfen, weil sie unter der Macht des Unheils stehen: den in der Zeit lebenden Menschen.53

3.2 Argumente gegen eine futurische Deutung des ewigen Lebens

a) Der Egoismusvorwurf: An dieser Stelle muss noch einmal das Problem des Heilsegoismus aufgegriffen werden. Der Verdacht des Heilsegoismus richtet sich vor allem gegen die Hoffnung auf ein postmortales individuelles Heil. Dieser Hoffnung wird vorgeworfen, dass sie die Bedeutung der eigenen individuellen Existenz überschätze und dass ihr ein egoistisches Interesse am eigenen Glück und der eigenen Fortexistenz zugrunde liege. Das unter 3.3 entwickelte Argument versucht, den Egoismusvorwurf zu berücksichtigen.

b) Der Undenkbarkeitsvorwurf: Unsere geistigen Funktionen sind an unseren Leib gebunden.54 Die Existenz einer vom Leib unabhängigen Seele wird durch unsere Erfahrung nicht gestützt, und die Versuche, sie rational zu beweisen, überzeugen nicht. Diese Situation scheint der Hoffnung auf die Auferstehung des Leibes gegenüber dem Glauben an die Unsterblichkeit der Seele einen Vorteil zu verschaffen. Aber da der irdische Leib verwest, kann es eine materielle Kontinuität zwischen dem irdischen und dem Auferstehungsleib nicht geben.55 Selbst wenn
man die Auffassung verträte, der Zeitpunkt der Auferstehung
wäre mit dem des Todes identisch, müsste man einen Übergang von der irdischen zu einer neuen Form von Leiblichkeit annehmen. Das bedeutet, dass zumindest für die Zeit des Übergangs mit einer Auflösung der leibseelischen Einheit gerechnet werden muss. Folglich kann auch die Hoffnung auf die Auferstehung des Leibes zumindest für den Zeitpunkt oder Zeitraum des Übergangs nicht vermeiden, eine vom Leib unabhängige Kontinuität des Lebens anzunehmen. Das Fazit des Undenkbarkeitsvorwurfs ist: Da ein vom Leib unabhängiges Leben nicht möglich ist, ist ein postmortales ewiges Leben nicht denkbar. Eine Antwort auf den Undenkbarkeitsvorwurf stellen die unter 4. vorgetragenen Überlegungen dar.

3.3 Ein Argument zu Gunsten einer futurischen

Deutung des ewigen Lebens

Die Entscheidung zu Gunsten einer futurischen Deutung des ewigen Lebens kann systematisch-theologisch nicht einfach dadurch begründet werden, dass auf die neutestamentlichen Aussagen hingewiesen wird, die von einer Auferstehung der Toten und einem postmortalen Leben sprechen. Denn erstens könnte diesem Hinweis unter Rückgriff auf den Undenkbarkeitsvorwurf entgegengehalten werden, die Vorstellungsform dieser Aussagen sei weltbildbedingt. Damit der Gehalt der Aussagen heute zur Geltung gebracht werden könne, müssten sie von ihrer tradierten Form befreit und reformuliert werden. Zweitens kann sich die Systematische Theologie nicht damit begnügen, einzelne Aussagen durch dicta probantia abzusichern, sondern sie muss sie in den Zusammenhang mit anderen theologischen Aussagen stellen und aus diesem Zusammenhang verständlich machen und begründen. Von zentraler Bedeutung ist dabei die Rückbindung aller theologischen Aussagen an das christliche Gottesverständnis. Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte sind mehrere einander ergänzende Argumentationen möglich.56 Der folgende Gedankengang ist so angelegt, dass er den Vorwurf des Heilsegoismus berücksichtigt:

Gegen ein rein präsentisches Verständnis des ewigen Lebens spricht, dass es die vom Heil ausschließen würde, die in der Zeit des irdischen Lebens keine Erfüllung finden können, weil die sozialen, politischen und wirtschaftlichen Lebensumstände, der weltanschaulich-religiöse Kontext oder die persönliche Lebensgeschichte das ausschließen. Zu denken ist z. B. an Menschen, die vom Leid niedergedrückt werden und für die es keine Hoffnung auf eine leidensfreie und erfüllte irdische Zukunft gibt. Wer solchen Menschen verkündigt, Gott komme in jedem Augenblick auf sie zu, öffne ihnen neue Möglichkeiten und schenke ihnen im Glauben das ewige Leben, wird der Heillosigkeit ihrer Situation nicht gerecht. Für die überwiegende Mehrheit dieser Menschen ist nicht wahr, was Bultmann am Ende von Geschichte und Eschatologie schreibt: "In jedem Augenblick schlummert die Möglichkeit, der eschatologische Augenblick zu sein. Du mußt ihn erwecken."57 Für diese Menschen trifft auch nicht zu, was Ludwig Feuerbach verkündigt: "Da du alles schon warst in diesem Leben, was du sein konntest, schon in ihm das Höchste erreicht hast, was bleibt dir denn nach dem Leben noch übrig als der blasse Mondschein von dem gegenwärtigen Sonnenlicht?"58 Eine rein präsentische Eschatologie muss in Kauf nehmen, dass nur eine elitäre, durch die Lebensumstände begünstigte Minderheit von Menschen zu einer ,ewigen' Qualität des Lebens gelangt.59

Angesichts der Menschen, die in ihrem irdischen Leben kein Heil erfahren, ist allerdings auch die Deutung des ewigen Lebens, die Karl Barth in der Kirchlichen Dogmatik entwickelte, unbefriedigend. Zwar liegt nach Barth die Teilnahme der zeitlichen Existenz am ewigen Leben in der Zukunft, aber diese Teilnahme bedeutet nicht, dass das Leben der einzelnen Menschen andauert. Es bedarf dieser Fortdauer nicht, weil Gott dem Geschöpf "in den ihm gesetzten Schranken schon Alles, nämlich in seinem Sohn sich selber, gegeben hat"60. Die vollendete Offenbarung Jesu Christi bringt zwar den "Anfang der Erhebung" der "zeitlichen Existenz und aller ihrer Inhalte ins ewige Licht und so ins ewige Leben"61, aber die Einzelnen als Einzelne kommen mit dieser Offenbarung an ihr Ende: "Bis hieher und nicht weiter! Du hast deine Zeit gehabt und hast nun weiter keine mehr vor dir. Dir waren deine Chancen, Möglichkeiten, Kräfte gegeben".62 Aber wann hatte das verhungerte Kind "Chancen, Möglichkeiten, Kräfte"?

Wenn die, die in diesem Leben kein Heil erfahren, am Heil Anteil haben sollen, muss es für sie ein zukünftiges Leben jenseits des Todes geben. Anzunehmen, dass gerade sie vom Heil ausgeschlossen sind und dass nur eine Minderheit privilegierter Menschen die ewige Qualität des Lebens erreicht, widerspricht dem Glauben an die Liebe Gottes und seine ewige Güte.

Dieses Argument bindet die futurische Deutung des ewigen Lebens an das christliche Gottesverständnis und zeigt, dass die Transformation der futurischen Eschatologie in eine präsentische Wesentliches preisgeben muss. Der Vorwurf des egoistischen Interesses an einer persönlichen Fortexistenz lässt sich gegen diese Argumentation zumindest auf der Ebene der expliziten Gedankenführung nicht erheben, weil sie die Konsequenzen bedenkt, die sich aus der Liebe und Güte Gottes im Blick auf die Hoffnung für andere ergeben. Nicht schützen lässt sie sich gegen den Verdacht, der die Ebene des ausdrücklichen Gedankengangs verlässt und ihr unterstellt, sie verberge den Heilsegoismus hinter dem Interesse am Heil der anderen und lasse ihn dadurch besonders raffiniert zum Zuge kommen.

3.4 Die Gegenwart des Heils und die Verwendung

von ,ewiges Leben'

Obwohl ein rein präsentisches Verständnis des ewigen Lebens abzulehnen ist, muss dessen Anliegen zur Geltung gebracht werden, dass für den Glauben und im Glauben das Heil bereits Gegenwart ist. Ist es in diesem Sinne angemessen zu sagen, das ewige Leben sei schon gegenwärtig? Oder sollte der Ausdruck ,ewiges Leben' für das zukünftige, vollendete Leben reserviert werden? Der neutestamentliche Sprachgebrauch lässt beides zu. Die johanneischen Schriften sprechen von der Gegenwart des ewigen Lebens (vgl. z. B. Joh 3,36; 5,24). Dagegen verstand Paulus das ,ewige Leben' vermutlich als eine zukünftige Größe.63 Aber das schloss für ihn nicht aus, dass das Heil auch schon gegenwärtig ist (vgl. 2Kor 5,17; 6,2).

Die präsentische Verwendung von ,ewiges Leben' würde die Kontinuität zwischen dem in der Gegenwart anbrechenden und dem zukünftigen Heil betonen und die Gewissheit der Glaubenden ausdrücken, dass nichts und niemand die Heilsteilhabe wieder rückgängig machen kann. "Und ich gebe ihnen ewiges Leben, und sie werden gewiss niemals (Ôé Ìc ... Âå ÙeÓ åáÓ) umkommen, und niemand kann sie aus meiner Hand reißen. Mein Vater, der sie mir gegeben hat, ist größer als alle, und niemand kann aus der Hand des Vaters reißen." (Joh 10,28f.) Dagegen würde die futurische Verwendung akzentuieren, dass es eine Differenz zwischen der gegenwärtigen und der zukünftigen Heilswirklichkeit gibt und dass erst das zukünftige Leben das vollendete Leben ist.

Zwingende Argumente zu Gunsten des johanneischen oder des paulinischen Sprachgebrauchs gibt es m. E. nicht, so dass eine Entscheidung nicht frei von legitimer Willkür ist. Da die Gegenwärtigkeit des Heils auf der Ebene der Erfahrung fragmentarisch und zweideutig bleibt und da die für das ewige Leben konstitutive Gottesbeziehung unter den Bedingungen irdischen Lebens ihre Vollendung nicht erreicht, bevorzuge ich die futurische Verwendung. Die Gegenwärtigkeit des Heils und die Heilsgewissheit der Glaubenden lassen sich, wie zum einen 2Kor 6,2; 5,17 und zum anderen Röm 8,31 ff. zeigen, auch mit anderen sprachlichen Mitteln aussagen. Sucht man einen Ausdruck, der sowohl die Gegenwart als auch die Zukunft des Heils umfasst, bietet sich ,neues Leben' an. Neu wird das Leben im Glauben bereits in der Gegenwart, aber seine Vollendung findet dieses neue Leben erst in der Zukunft als ewiges Leben.

4. Personale Identität trotz des Todes64

Das ewige Leben ist vom irdischen Leben durch den Bruch des Todes getrennt. Wenn ,ewiges Leben' Individuen zuteil werden soll, kann es im irdischen Leben nur dann ein Gegenstand der Hoffnung sein, wenn es eine den Bruch des Todes überbrückende personale Identität gibt. Wenn die Person, der das ewige Leben zuteil wird, eine ganz andere ist als die, die jetzt lebt, ist für die jetzt lebende Person die Hoffnung auf das ewige Leben nichtig.

Die personale Identität und das Identitätsbewusstsein sind unter den Bedingungen des irdischen Lebens aufs engste mit dem eigenen Leib verbunden. Doch da der Leib verwest, kann er nicht die Grundlage personaler Identität über den Bruch des Todes hinweg sein. Welche Möglichkeit besteht, die Identität zu denken, wenn nicht auf die Vorstellung einer unsterblichen Seele, die unabhängig vom Leib existieren kann, zurückgegriffen werden soll?

Ein wichtiger Faktor des Bewusstseins personaler Identität ist die Erinnerung. Indem ich mich an Teile meiner Lebensgeschichte erinnere, bin ich meiner selbst als in der Zeit mit sich identisch bleibende Person bewusst. Dass sich dieses Bewusstsein auf der Grundlage der Erinnerung bildet, hat zur Folge, dass es nicht Bewusstsein eines unbestimmten Ich oder einer reinen Subjektivität ist. Vielmehr ist dieses Bewusstsein personaler Identität immer schon ein bestimmtes Bewusstsein. Ich weiß mich als der, der eine bestimmte Lebensgeschichte hat, dem Bestimmtes widerfahren ist, der Bestimmtes getan oder unterlassen hat, der bestimmte Eigenschaften hat, der in bestimmten Beziehungen steht usw.

Auf Grund der Bedeutung, welche die Erinnerung für das Bewusstsein der personalen Identität hat, legt sich nahe, die Erinnerung an das irdische Leben als die grundlegende Dimension der den Tod übergreifenden Identität anzusehen.65 Indem eine bestimmte Lebensgeschichte aus der Perspektive der erlebenden Person heraus erinnert wird, kann sich ein Identitätsbewusstsein über den Bruch des Todes hinweg realisieren.

Allerdings kennen wir eine abgelöst vom Leib existierende Erinnerung ebensowenig wie eine abgelöst vom Leib existierende unsterbliche Seele. Auch die Erinnerungen brauchen, soweit wir es beurteilen können, eine Subsistenzgrundlage. Daher gibt der Verweis auf die Erinnerungen zwar eine Antwort auf die Frage, worin die Identität des ewigen mit dem irdischen Leben besteht, aber er lässt eine andere Frage offen, nämlich wie die Identität über den Bruch des Todes hinweg bewahrt werden kann.

Auf diese Frage, wird häufig geantwortet, die Identität werde extern durch Gott aufrechterhalten.66 Wenn die Antwort präzisiert wird, so wird z. B. gesagt, die Identität werde durch das Wissen Gottes um eine Person bzw. seine Erinnerung an die Person bewahrt.67 Aber diese Präzisierung reicht nicht aus. Reduziert man das ewige Leben auf ein Überleben in der Erinnerung Gottes, dann wird, so Theodor Mahlmann, die Auferstehung der Toten aufgegeben, denn dieses Überleben wäre nur "das Überleben im Erinnern eines anderen".68 Nimmt man daher an, dass Gott in der Auferweckung der Toten eine Person nach seiner göttlichen Erinnerung wiederherstellt, bleibt die Frage, wie gewährleistet ist, dass diese nicht ein bloßer Doppelgänger ihres Urbildes ist. Eine mögliche, den bisherigen Überlegungen zur personalen Identität entsprechende Antwort auf diese Frage könnte sein, dass Gott auf Grund seiner Erinnerung an eine Person die Erinnerung an deren Lebensgeschichte aus der Perspektive der erlebenden Person weckt und ihr eine neue Subsistenz gibt.69 Dieses Handeln Gottes setzt nicht voraus, dass die Person in ihrem irdischen Leben bereits über die Fähigkeit zur Erinnerung verfügte. Wenn ein Mensch gestorben ist, bevor er eine bewusste Erinnerung ausbilden konnte, oder wenn er auf Grund einer schweren Behinderung nicht fähig gewesen ist, sich an Vergangenes zu erinnern, bedeutet das Wecken der Erinnerung, dass Gott ihm im ewigen Leben eine Erinnerung an seine Lebensgeschichte und ein Bewusstsein personaler Identität erstmals ermöglicht.

Nimmt man ernst, dass Erinnerung die grundlegende Dimension der personalen Identität zwischen dem irdischen und dem ewigen Leben ist, impliziert das, dass auch die Sünde, die Leiden, die Unzulänglichkeiten des irdischen Lebens eine Präsenz im ewigen Leben haben. Aber im Unterschied zum irdischen Leben haben diese Übel keine Präsenz als Erfahrung und als jetzt sich verwirklichende, sondern nur als erinnerte. Augustin formulierte diesen Unterschied prägnant: "Insofern es also das vernünftige Wissen betrifft, wird er sich auch seiner vergangenen Übel erinnern; insofern es aber die Sinneserfahrung betrifft, wird er sich ihrer ganz und gar nicht erinnern".70

Die Präsenz der Sünde in der Erinnerung entspricht dem Wesen der Vergebung. Gottes Vergebung trennt die Sünde so vom Sünder, dass die Vollendung des Lebens von den Werken der Person unabhängig gemacht wird und daher nicht mehr an der Sünde scheitern kann. Aber die Vergebung macht die Tatsache nicht rückgängig, dass eine Person sich durch ihr Leben als Sünder bestimmt und ihr Sündersein in ihren Werken konkretisiert hat. Die Erinnerung an die Sünde hält auch im ewigen Leben das Bewusstsein wach, dass eine Person ihre Vollendung nicht sich selbst, sondern dem Gott verdankt, der die Sünderinnen und Sünder rechtfertigt. Wenn die Heiligen, so schrieb Augustin, "vergessen hätten, dass sie einmal elend waren, wie könnten sie ... die Erbarmungen des Herrn in Ewigkeit besingen?"71

Resümee

Die Leitfrage des Aufsatzes war: Wie und in welchem Sinn kann ,ewig' zum Attribut menschlichen Lebens werden? Resümierend seien die Teilantworten des Aufsatzes in einigen Thesen zusammengefasst:

1. Das Attribut ,ewig' kann menschlichem Leben nur zukommen, wenn Gott es zum ewigen Leben macht und wenn es in jeder Hinsicht durch die Beziehung auf Gott bestimmt wird.

2. In formaler Hinsicht bezeichnet ,ewig' als Attribut des menschlichen Lebens die in der Beständigkeit und Verlässlichkeit der Liebe Gottes begründete zeitliche Dauer des durch die Beziehung auf Gott bestimmten Lebens. Das ewige Leben hat zwar einen Anfang, aber kein Ende in der Zeit.

3. Obwohl mit dem Bestimmtsein durch die Gottesbeziehung das neue Leben bereits im irdischen Leben beginnt, vollendet es sich als ewiges Leben erst nach dem Tod.

4. Die Zukünftigkeit des ewigen Lebens eröffnet Menschen, für die es im irdischen Leben kein Heil gibt, die Möglichkeit der Teilhabe am Heil.

5. Die Erinnerung an die Lebensgeschichte aus der Perspektive der erlebenden Person ist die grundlegende Dimension personaler Identität über den Bruch des Todes hinweg.

6. Die personale Identität wird aus dem Tod gerettet, indem Gott sich an die Person und ihre Lebensgeschichte erinnert und indem er auf Grund seiner Erinnerung die Erinnerung aus der Perspektive der erlebenden Person weckt und ihr eine neue Subsistenzweise gibt.

Obwohl Plato im Phaidon für die Unsterblichkeit der Seele und nicht für ein ewiges Leben im Sinne des christlichen Glaubens eintritt, soll der Aufsatz mit den Worten schliessen, die Sokrates dem Mythos über das Geschick der Seele folgen lässt. Mutatis mutandis lassen sie sich auf dogmatische Überlegungen zum ewigen Leben übertragen: "Daß sich nun dies alles gerade so verhalte, wie ich es auseinandergesetzt, das ziemt wohl einem vernünftigen Mann nicht zu behaupten; daß es jedoch, sei es nun diese oder eine ähnliche Bewandtnis haben muß mit unseren Seelen und ihren Wohnungen, wenn doch die Seele offenbar etwas Unsterbliches ist, dies, dünkt mich, zieme sich gar wohl und lohne auch, es darauf zu wagen, daß man glaube, es verhalte sich so. Denn es ist ein schönes Wagnis, und man muß mit solcherlei gleichsam sich selbst besprechen".72

Summary

This article is concerned with the question of how, and in what sense, one can speak about a completed human life as one which has the quality of eternal life. The first section formulates the basic answer: human life can only be eternal insofar as God himself chooses to make it eternal and when it is defined in every sense by its relationship to God. The second section argues that 'eternal as an attribute of human life means in a formal sense a life which in the future is lasting and unlimited. The third section defends this future aspect of eternal life in its discussion with interpretations limited to the present (präsentische Deutungen). This futuristic quality alone opens a possiblity of salvation for people for whom there is no salvation in earthly life. In the concluding section an attempt is made as a basis for discussion to think about personal identity in spite of death. Personal identity is saved from death in a way that God, who remembers the individual and her or his life-story, awakens the memory of this life-story through the perspective of the person who has experienced it.

Fussnoten:

1) Der Aufsatz ist eine überarbeitete Fassung der Probevorlesung, die der Verfasser am 2. Juni 1999 vor dem Habilitationsausschuss der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Münster gehalten hat.

2) Vgl. z. B. M. Luther, TR 3339, WA.TR 3, 276,26 f.; J. Calvin, Inst. III, 25, 10 (Opera selecta, hrsg. v. P. Barth u. W. Niesel, Bd. 4, München 31968, 452,4-453,2); Fr. Schleiermacher, Der christliche Glaube nach den Grundsätzen der evangelischen Kirche im Zusammenhange dargestellt, 157, 2; 158, 3; Zusatz zu den prophetischen Lehrstücken (Ausg. M. Redeker, 2 Bde., Berlin 71960, hier: Bd. 2, 409 f. 415 f. 439 f.); E. Güder, Art. Leben, ewiges, in: RE2 8, 1881, 509-517, hier: 512. 517; P.Althaus, Die letzten Dinge. Lehrbuch der Eschatologie, Gütersloh 91964, 80-82; G. Ebeling, Dogmatik des christlichen Glaubens, 3 Bde., 3., durchges. Aufl., Tübingen 1987-1993, hier: Bd. 3, 426. - Die Unvorstellbarkeit und Unaussprechlichkeit des ewigen Heils wird häufig durch den Verweis auf 1Kor 2,9 unterstrichen: "Was kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hat und in keines Menschen Herz gekommen ist, was Gott bereitet hat denen, die ihn lieben". Siehe z. B. Gregor von Nyssa, Oratio cathechetica, c. 40 (Gregorii Nysseni opera III/4, Leiden/New York/Köln 1996, 105, 13 f.; [unbek. Autor] De triplici habitaculo liber unus, c. 1 (PL 40, 991-998, hier: 991 f.); Anselm von Canterbury, Proslogion, c. 25 (Opera omnia, Bd. 1, hrsg. von F. S. Schmitt, Seckau 1938, 89-122, hier: 118,14); J. Gerhard, Loci theologici, Bd. 9, Leipzig 1875, 331 (Cottasche Ausgabe: XX, 362). Nicht berücksichtigt wird dabei, dass Paulus fortfährt: "Uns aber hat es Gott offenbart durch den Geist" (1Kor 2,10).

3) "Nam pauci ex ingenti multitudine qua in caelos eundum sit curant: omnes autem quid illic agatur scire ante tempus appetunt. Omnes fere ad obeundum certamina pigri et lenti, triumphos imaginarios sibi iam depingunt" (J. Calvin, Inst. III, 25, 11; Opera selecta, Bd. 4, 455,24-28). Bei der Übersetzung der Calvin-Zitate wird die Übertragung von O. Weber (J. Calvin, Unterricht in der christlichen Religion. Institutio christianae religionis, Neukirchen 51988) berücksichtigt.

4) "Quia tamen rursum aliquo suavitatis illius gustu accendi in nobis desiderii fervorem oportet, in hoc praecipue cogitando immoremur" (J. Calvin, Inst. III, 25, 10; Opera selecta, Bd. 4, 453,6-8).

5) Mit Recht urteilt G. Ebeling: "Wenn die Rechenschaft über den christlichen Glauben nicht mehr in der Lage sein sollte, darüber Auskunft zu geben, was mit dem ewigen Leben gemeint ist und inwiefern in Jesus Christus ewiges Leben gegenwärtig geworden ist, müßte man überhaupt darauf verzichten, die Sache des christlichen Glaubens zu vertreten" (a.a.O. [Anm. 2], Bd. 1, 110).

6) Einen Überblick aus katholischer Sicht geben K. Forster, Art. Anschauung Gottes, in: LThK2 1, 1957, 583-591, und M. Kehl, Art. Anschauung Gottes, in: LThK3 1, 1993, 706-710. Für den protestantischen Bereich siehe z. B. J. Gerhard, a. a. O. (Anm. 2), Bd. 9, 319 (Cotta: XX, 340); D. Hollaz, Examen theologicum acroa-maticum (1707) I, 7, 3 (Nachdruck, Darmstadt 1971, Bd. 1, 668); E. Schlink, Ökumenische Dogmatik. Grundzüge. Mit Geleitworten von H. Fries und N. A. Nissiotis, Göttingen 21985, 716. - Bei M. Luther tritt der Begriff der ,visio' prägnant in den Wochenpredigten über Joh 16-20 (1528/29), WA 28, 31-500, in der Auslegung von Joh 17, 24 hervor. Allerdings spricht er dort nicht von der ,visio Dei', sondern von der Schau der Herrlichkeit Christi: "Huc sollen sie hinkomen, ut veniant in das klare anschauen und sehen sollen sie gloriam, quam dedisti mihi." (194, 11 f.) "Haec erit salus, quando amplius non cognoscemus, credemus sed clare mit den oculis videbimus." (195, 5 f.) "Sed ista visio est vita aeterna, da kein sorg hin kompt pestis, quia videt rem aeternam. Ergo ista visio est vivere aeterne in omni gaudio et frolickeit, quae unausprechlich" (196, 4-6). Zum Schauen Gottes vgl. ders., Kirchenpostille (1522), WA 10 I/1, 222,21 f.; ders., Fastenpostille (1525), WA 17 II, 169,14-170,11.

7) "Ewiges Leben ist schon hienieden Gemeinschaft mit Gott in Christo - es kann auch jenseit dieses Lebens nichts andres sein" (M. Kähler, Die Bedeutung welche den "letzten Dingen" für Theologie und Kirche zukommt, in: ders., Dogmatische Zeitfragen. Alte und neue Ausführungen zur Wissenschaft der christlichen Lehre, Bd. 2: Angewandte Dogmen, zweite gänzl. veränd. u. verm. Aufl., Leipzig 1908, 487-521, hier: 492). Vgl. außerdem z. B. K. Barth, KD IV/1, 77.121; O. Weber, Grundlagen der Dogmatik, Bd. 2, Neukirchen/Moers 1962, 758; W. Pannenberg, Systematische Theologie, 3 Bde., Göttingen 1988-1993, hier: Bd. 3, 563.692.

8) Vgl. P. Althaus, Die christliche Wahrheit. Lehrbuch der Dogmatik, 5. durchges. Aufl., Gütersloh 1959 (81972), 663; E. Schlink, a. a. O. (Anm. 6), 717.

9) ",Ewiges Leben' ist das Ziel, zu dem Gott die Menschheit bestimmt hat: das Teilhaben an Gottes eigenem vollkommenen unsterblichen Leben ... in der vollendeten Gemeinschaft mit ihm, durch die Gemeinschaft mit Christus" (P. Althaus, Die letzten Dinge, 9. Aufl. [Anm. 2], 319). Die Vorstellung der Gottesgemeinschaft und die der Gottesschau werden von Althaus an dieser Stelle verbunden: "Die Gemeinschaft mit Gott erfährt ihre Vollendung darin, daß wir Gott ,schauen' dürfen" (ebd.). - Vgl. außerdem Chr. E. Luthardt, Kompendium der Dogmatik, vierte verb. u. verm. Aufl., Leipzig 1873, 315. W. Joest, Dogmatik, Bd. 2: Der Weg Gottes mit den Menschen, Göttingen 1986 (41996), 653, wählt eine trinitarische Formulierung.

10) J. Gerhard, a. a. O. (Anm. 2), Bd. 9, 319 (Cotta: XX, 340): "ipsa Dei visio et ex ea orta animae et corporis gloria, adeoque aeterna beatorum laetitia".

11) Ders., a. a. O., Bd. 9, 382 (Cotta: XX, 452): "Visio Dei beatifica est fons omnium bonorum ac gaudiorum coelestium". - Leider lässt Gerhard in seiner zusammenfassenden Definition die Theozentrik, die für das So-Sein des ewigen Lebens konstitutiv ist, nicht so deutlich hervortreten wie an anderen Stellen (vgl. a. a. O., Bd. 9, 427; Cotta: XX, 533).

12) D. Fr. Strauß, Die christliche Glaubenslehre in ihrer geschichtlichen Entwicklung und im Kampfe mit der modernen Wissenschaft dargestellt, Bd. 2, Tübingen/Stuttgart 1841, 697.

13) Ders., a. a. O., 697 f.; vgl. dazu auch A. E. Biedermann, Christliche Dogmatik, Bd. 2: Der positive Theil, Zweite, erw. Aufl., Berlin 1885, 645 f.; E. Güder, a. a. O. (Anm. 2), 515 f. - Nach Fr. Schleiermacher gibt es neben einem frommen Glauben an das in der Gemeinschaft mit dem Erlöser begründete Fortbestehen der Persönlichkeit ein unfrommes, sinnliches Interesse. Dieses sei gegeben, "wenn die Unsterblichkeit postuliert wird um der Vergeltung willen, indem vorausgesetzt wird, es gebe keine reine und unmittelbare Richtung auf Frömmigkeit und Sittlichkeit, sondern beide würden nur angestrebt als Mittel, um dort zu einer vollkommenen Glückseligkeit zu gelangen" (Der christliche Glaube [Anm. 2], 158, 1; Bd. 2, 413). Vgl. auch ders., Über die Religion. An die Gebildeten unter ihren Verächtern (1799), 130-132 (Kritische Gesamtausgabe I/2, Berlin/New York 1984, 183-326, hier: 246,9-247,4).

14) L. Feuerbach, Gedanken über Tod und Unsterblichkeit aus den Papieren eines Denkers, nebst einem Anhang theologisch-satirischer Xenien herausgegeben von einem seiner Freunde (Gesammelte Werke, hrsg. v. W. Schuffenhauer, Bd. 1: Frühe Schriften, Kritiken und Reflexionen [1828-1834], Berlin 1981, 175-515, hier: 199). Obwohl die Einstellung, die Feuerbach beschreibt, eine Versuchung für Pietismus und Mystik darstellen (aber nicht nur für diese), urteilt er zu pauschal, wenn er seine Kritik gegen die "ganze pietistische und moderne mystische Theologie" (ebd.) richtet.

15) Ders., a. a. O., 201. Ähnliche Überlegungen finden sich auch in: ders., Das Wesen des Christentums, Gesammelte Werke, hrsg. v. W. Schuffenhauer, Bd. 5, Berlin 1973, 293-315. Dort heißt es u. a.: "Das Interesse, daß Gott ist, ist eins mit dem Interesse, daß ich bin, ewig bin" (299).

16) Mit Recht fordert W. Pannenberg, dass eschatologische Aussagen anthropologisch zu bewähren sind (vgl. a. a. O. [Anm. 7], Bd. 3, 583-588). Siehe auch K. Rahner, Theologische Prinzipien der Hermeneutik eschatologischer Aussagen, in: ders., Schriften zur Theologie, Bd. 4: Neuere Schriften, Einsiedeln/Zürich/Köln 1964, 401-428, hier: 410-414.

17) Die beiden Aspekte lassen sich sowohl in der griechischen als auch in der hebräischen Sprachgeschichte weit zurückverfolgen. Zur Sprachgeschichte von aion siehe H. Echternach, Art. Ewigkeit, in: HWP 2, 1972, 838-844; zu olam siehe E. Jenni, Art.olamEwigkeit, in: THAT 2, 1976, 228-243; H. D. Preuß, Art.olam in: ThWAT 5, 1986, 1144-1159.

18) Mit Recht schreibt W. Pannenberg: "Das Verhältnis von Zeit und Ewigkeit ist das Schlüsselproblem der Eschatologie, und die Auswirkungen seiner Auflösung erstrecken sich auf alle Teilbereiche der christlichen Lehre" (a. a. O. [Anm. 7], Bd. 3, 641).

19) Plato, Timaios, 37d5.

20) Vgl. E. Jenni, a. a. O. (Anm. 17), 230; H. D. Preuß, a. a. O. (Anm. 17), 1145; Kl. Koch, Art. Geschichte/Geschichtsschreibung/Geschichtsphilosophie II: Altes Testament, in: TRE 12, 1984, 569-586, hier: 573.

21) E. Jenni, a. a. O. (Anm. 17), 230. Indem Jenni diese Bedeutung auf den attributiven Gebrauch einschränkt, präzisiert er Ausführungen J. Barrs (vgl. ders., Biblical Words for Time, second [revised] edition, London 1969, 73, Anm. 1). Die Bedeutung ,(unbegrenzte, unabsehbare) Dauer' olam z. B. Gen 9,16; Jes 35,10; Ps 112,6b.

22) Vgl. Ps 90,2; 103,17; 1Chr 29,10; Dan 2,20 (aram.); mit Artikel Ps 41,14; 106,48; 1Chr 16,36; Neh 9,5.

23) P. Tillich, Systematische Theologie, Bd. 1/2, Nachdruck d. 8. Aufl., Bd. 3, Nachdruck d. 4. Aufl., Berlin/New York 1987, hier: Bd. 1, 315. Zu dieser doppelten Abgrenzung vgl. auch P. Althaus, Die letzten Dinge. Entwurf einer christlichen Eschatologie, Gütersloh 1922, 16 f.; W. Pannenberg, a. a. O. (Anm. 7), Bd. 1, 440.

24) G. Ebeling, a. a. O. (Anm. 2), Bd. 2, 352.

25) A. M. S. Boethius, Philosophiae consolatio, V, 6, 4 (CChr.SL 94, 101,8 f.).

26) Vgl. K. Barth, KD II/1, 688; G. Ebeling, a. a. O. (Anm. 2), Bd. 3, 417 f.; W. Pannenberg, a. a. O. (Anm. 7), Bd. 1, 437; Bd. 3, 642; J. Ringleben, Gott und das ewige Leben. Zur theologischen Dimension der Eschatologie, in: K. Stock (Hrsg.), Die Zukunft der Erlösung. Zur neueren Diskussion um die Eschatologie, Gütersloh 1994 (Veröffentlichungen der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Theologie 7), 49-87, hier: 60; W. Härle, Dogmatik, Berlin/New York 1995, 263; J. Moltmann, Das Kommen Gottes. Christliche Eschatologie, Gütersloh 1995, 320.

27) Vgl. Thomas von Aquin, Summa theologica I, 10, 1. Nach Fr. Schleiermacher muss "die göttliche Ursächlichkeit ..., da ja auch die Zeit selbst durch dieselbe bedingt ist, um so mehr vollkommen zeitlos gedacht werden" (Der christliche Glaube [Anm. 2], 52, 1; Bd. 1, 268). In einer Anmerkung zu diesem Satz verweist Schleiermacher auf Augustin und Boëthius. Vom traditionellen Ewigkeitsverständnis unterscheidet sich das Schleiermachers vor allem dadurch, dass er die Ewigkeit nicht als Eigenschaft des göttlichen Wesens, sondern - der Grundentscheidung seiner Lehre von den göttlichen Eigenschaften entsprechend (vgl. 50 f.) - als Eigenschaft der göttlichen Ursächlichkeit auffasst. Doch insofern er diese Ursächlichkeit als zeitlose versteht, bleibt er im Rahmen der traditionellen Ewigkeitsdefinition. - Auch nach N. Pike, God and Timelessness, London 1970 (Studies in Ethics and the Philosophy of Religion), 10-15, bes. 15; R. Swinburne, The Coherence of Theism, Oxford 1977, 216 f., und St. T. Davis, Logic and the Nature of God, Grand Rapids, Mich. 1983, 9, versteht Boëthius die Ewigkeit als Zeitlosigkeit. Doch im Unterschied zu Thomas und Schleiermacher lehnen sie diese Auffassung ab.

28) J. Ringleben, a. a. O. (Anm. 26), 61.

29) P. Tillich, a. a. O. (Anm. 23), Bd. 1, 315. Ähnlich äußern sich K. Barth, KD II/1, 689; W. Pannenberg, a. a. O. (Anm. 7), Bd. 1, 443; W. Härle, a. a. O. (Anm. 26), 263.

30) Einen Versuch, die Ewigkeit Gottes als Einheit von Zeitlosigkeit und Zeitlichkeit trinitarisch zu denken, hat I. U. Dalferth vorgelegt. Seine Überlegungen fasst er folgendermaßen zusammen: "Gott ist als unterschiedene Einheit von Vater, Geist und Sohn dreifach auf seine Schöpfung bezogen: als zeitloser Grund von allem, als vielzeitiger Begleiter von jedem und als zeitlicher Vermittler des Heils in der bestimmten Lebens-Zeit Jesu Christi und aller, die an ihn glauben. Seine Ewigkeit ist der Inbegriff dieser Zeit-Verhältnisse und mit keinem als solchem zu identifizieren" (Gott und Zeit, in: ders., Gedeutete Gegenwart. Zur Wahrnehmung Gottes in den Erfahrungen der Zeit, Tübingen 1997, 232-267, hier: 266). Indem Dalferth den Vater als zeitlosen Grund denkt, verschiebt er das Problem, wie eine ,lebendige' Beziehung des Zeitlosen zum Zeitlichen gedacht werden kann, von dem Verhältnis zwischen Gott und Welt auf das Verhältnis des Vaters zu dem Geist und dem Sohn.

31) P Tillich sah, daß "Zeit ohne Modi ... Zeitlosigkeit" ist (a. a. O. [Anm. 23], Bd. 1, 315), aber er verkannte, daß die Einheit der Modi ihre Aufhebung bedeuten würde, weil sie durch ihr Auseinander konstituiert werden. Deshalb konnte er behaupten, daß die Ewigkeit als die transzendente Einheit der Modi keine Zeitlosigkeit sei. Die Möglichkeit einer die Modi bewahrenden Einheit versuchte Tillich durch eine Analogie deutlich zu machen: "die Einheit von erinnerter Vergangenheit und vorweggenommener Zukunft in der Erfahrung der Gegenwart" (Bd. 1, 316; vgl. auch Bd. 3, 361 f.). Doch die Analogie scheitert, weil in dieser Einheit nur die Gegenwart wirklich ist; Vergangenheit und Zukunft sind in ihr nur als Vorstellungen präsent. Ein weiteres Problem ergibt sich aus Tillichs Bestimmung von ,Zeitlichkeit': "Die Zeitlichkeit ist das ,Nacheinander' in jeder Form von Zeit" (Bd. 3, 358). Aber wie kann dann die Zeitlichkeit "ein Element in dem überzeitlichen Grund der Zeit" (Bd. 3, 359), der Ewigkeit Gottes, sein, wenn in diesem die Modi der Zeit eine Einheit bilden? Wenn die Zeitmodi eine Einheit bilden, kann es kein Nacheinander geben. Wenn aber die Einheit kein ,Nacheinander' zulässt und die Zeitlichkeit im Nacheinander besteht, kann der Einheit keine Zeitlichkeit zugesprochen werden. Die Einheit impliziert also Zeitlosigkeit. Es gelingt Tillich daher nicht, dem Verständnis der Ewigkeit als Zeitlosigkeit zu entrinnen.

32) Zu beachten ist, dass hier nicht dem zeitlichen Ewigkeitsverständnis der Vorzug gegeben wird, weil es das biblische Verständnis ist. P. Althaus hat eine solche Argumentation, wie er sie bei O. Cullmann, Christus und die Zeit. Die urchristliche Zeit- und Geschichtsauffassung, Zollikon-Zürich 1946, 52-59, gefunden hat, mit Recht zurückgewiesen (Die letzten Dinge, 9. Aufl. [Anm. 2], 339 f.). Dem zeitlichen Ewigkeitsverständnis wird vielmehr der Vorzug gegeben, weil die Alternativen nicht überzeugend sind. Das gilt auch für das Argument, das Althaus Cullmann entgegenhält: Die Zeitlichkeit der Zeit und die der Ewigkeit seien "durch ein wesentliches Merkmal unterschieden". "Daß die Ewigkeit voll Bewegung und Geschehen, in diesem Sinne also ,Zeit' ist, leugnet niemand von uns. Aber unsere irdische Zeitlichkeit wird gekennzeichnet durch das oben erwähnte Gesetz des Auseinander, und dieses ist nichts anderes als eine Gestalt des Todes. Ewigkeit aber ist auf alle Fälle das Jenseits des Todes" (340). Das von Althaus vorgebrachte Argument scheitert daran, dass das Auseinander die Bedingung von Bewegung und damit die Bedingung von Leben ist. Die Aufhebung des Auseinanders brächte die Starre des Todes.

33) Vgl. dazu N. Pike, a. a. O. (Anm. 27), bes. 190 (zurückhaltend); R. Swinburne, a. a. O. (Anm. 27), 210-222; St. T. Davis, a. a. O. (Anm. 27), 8-24; Th. Mahlmann, Auferstehung der Toten und ewiges Leben, in: K. Stock (Hrsg.), a. a. O. (Anm. 26), 108-131, hier: 129 f.

34) Die Zeitlichkeit Gottes impliziert die Endlichkeit Gottes, wenn die Zeit, wie z. B. P. Tillich meinte, "die zentrale Kategorie der Endlichkeit" (a. a. O. [Anm. 23], Bd. 1, 226) bzw. "in einem vorzüglichen Sinn die Kategorie der Endlichkeit" (315) ist.

35) J. Moltmann, a. a. O. (Anm. 26), 320. - Auch W. Pannenberg (vgl. a. a. O. [Anm. 7], Bd. 3, 641-654) und W. Härle (vgl. a. a. O. [Anm. 26], 645 f., mit Modifikation) übertragen die umgedeutete boëthianische Formel auf das ewige Leben. Ebenso entspricht G. Lohfinks Begriff der verklärten Zeit, mit dessen Hilfe er die Seinsweise des vollendeten geschöpflichen Lebens charakterisiert, dem synthetischen Ewigkeitsverständnis, obwohl Lohfink selbst die verklärte Zeit nicht unter den Begriff der Ewigkeit fasst (vgl. ders., Zur Möglichkeit christlicher Naherwartung, in: G. Greshake/G. Lohfink, Naherwartung - Auferstehung - Unsterblichkeit. Untersuchungen zur christlichen Eschatologie, Freiburg/Basel/Wien 1975 [QD 71], 38-81, hier: 67-70).

36) W. Pannenberg argumentiert: "Wollte man eine Vollendung annehmen ohne Ende der Zeit, so würde die weiterlaufende Zeit allen Inhalts beraubt sein müssen" (a. a. O. [Anm. 7], Bd. 3, 632). Diese Argumentation überzeugt jedoch nur unter der Voraussetzung, dass die Vollendung Vollkommenheit im strengsten Sinn bzw. Verwirklichung einer "Ganzheit" (647) ist. Eine solche Vollkommenheit oder Ganzheit könnte sich nicht verändern, ohne dass sie ihren Vollkommenheits-Charakter verliert. Eine weiterlaufende Zeit wäre also leer, weil in ihr keine Veränderungen stattfinden dürften. Auf Grund seiner Analyse der Möglichkeit von Erfahrung (636) und seines Verständnisses personaler Identität muss Pannenberg die Vollendung als Verwirklichung einer Ganzheit verstehen. (Zu Pannenbergs Verständnis personaler Identität siehe z. B. ders., Person und Subjekt, in: ders., Grundfragen systematischer Theologie. Gesammelte Aufsätze, Bd. 2, Göttingen 1980, 80-95, hier: 91; ders., Tod und Auferstehung in der Sicht christlicher Dogmatik, in: ders., Grundfragen systematischer Theologie, Bd. 2, 146-159, hier: 153 f.) Stimmt man ihm darin nicht zu, dann kann die Vollendung als ein Zustand gedacht werden, der eine Vielzahl von Variationen zulässt, ohne dass der Vollendungscharakter verloren geht. Eine andauernde Zeit wäre dann nicht allen Inhalts beraubt.

37) Besonders heftig polemisierte P. Tillich gegen das Verständnis der Ewigkeit als unbegrenzter Zeit: Nur "eine schlechte Theologie" gebrauche "das endlose Weiterlaufen dieser Art von Zeit als symbolisches Material für die Ewigkeit" (a. a. O. [Anm. 23], Bd. 3, 361). Eine Zeit ohne Ende wäre nicht Ewigkeit, sondern im Gegenteil "Endlosigkeit ohne Ewigkeit" (a. a. O., Bd. 2, 78). Doch Tillichs Polemik ist nur berechtigt, wenn der formale Aspekt des Ewigkeitsbegriffes isoliert wird. Wenn er dagegen mit dem qualitativen verbunden wird, der Bestimmtheit des So-Seins durch den Gottesbezug, ist sie verfehlt.

38) R. Bultmann, Geschichte und Eschatologie, 3., photomech. gedr. Aufl., Tübingen 1979, 53; vgl. ders., Die christliche Hoffnung und das Problem der Entmythologisierung (1954), in: GuV 3, 81-90, hier: 89; ders., Theologie des Neuen Testaments, 8., durchges., um Vorwort und Nachträge wesentl. erw. Aufl., hrsg. v. O. Merk, Tübingen 1980 (UTB 630), 361 f.

39) Vgl. J. Roloff, Neues Testament, 4. durchges. u. erg. Aufl., Neukirchen-Vluyn 1985, 146-148; C. K. Barrett, Das Evangelium nach Johannes, Göttingen 1990 (KEK.S), 83-86; J. Frey, Die johanneische Eschatologie, Bd. 1: Ihre Probleme im Spiegel der Forschung seit Reimarus, Tübingen 1997 (WUNT 96), 409-413; A. Hammes, Der Ruf ins Leben. Eine theologisch-hermeneutische Untersuchung zur Eschatologie des Johannesevangeliums mit einem Ausblick auf ihre Wirkungsgeschichte, Bodenheim 1997 (BBB 112), z. B. 63 f.; U. Schnelle, Das Evangelium nach Johannes, Berlin 1998 (ThHK 4), 23-25.

40) R. Bultmann, Geschichte und Eschatologie (Anm. 38), 56. - Zum Folgenden vgl. J.Frey, a. a. O., 117 f.

41) Vgl. Bultmann, Die christliche Hoffnung (Anm. 38), 83.

42) Ders., Theologie des Neuen Testaments (Anm. 38), 389. - Zum exklusivistischen Charakter von Bultmanns Offenbarungsverständnis vgl. auch ders., Der Begriff der Offenbarung im Neuen Testament (1929), in: GuV 3, 1-34, bes. 18.33.

43) Ders., Die Eschatologie des Johannes-Evangeliums (1928), in: GuV 1, 134-152, hier: 145.

44) Zu Bultmanns Verständnis dieses Zusammenhangs vgl. ders., Der Begriff der Offenbarung (Anm. 42), 30 f.

45) K. Barth, Der Römerbrief, 13. unveränd. Abdr. d. neuen Bearb. von 1922, Zürich 1984 (151989), S. XIII. - Zum Heilsverständnis von Barths zweiter Römerbriefauslegung vgl. M. Beintker, Die Dialektik in der "dialektischen Theologie" Karl Barths. Studien zur Entwicklung der Barthschen Theologie und zur Vorgeschichte der "Kirchlichen Dogmatik", München 1987 (BEvTh 101), 40-59.

46) Vgl. K. Barth, a. a. O., 381.406.

47) A. a. O., 481.

48) A. a. O., 484.

49) A. a. O., 231.

50) Vgl. a. a. O., 211.

51) A. a. O., 126.

52) A. a. O., 181.

53) Eine ähnliche Argumentation wie Barth hat im selben Jahr P. Althaus vorgelegt (vgl. ders., Die letzten Dinge, 1. Aufl. [Anm. 23], 19. 98). Allerdings sind zwei signifikante Unterschiede festzuhalten: a) Althaus versuchte bereits damals die Alternative von zeitlosem und zeitlichem Ewigkeitsverständnis zu überwinden (vgl. 16 f.). Er bestimmte die Ewigkeit als Überzeitlichkeit, als das "Jenseits der Zeitlichkeit", das in zeitlichen Ausdrücken andeutend "als das Jenseits des Gegensatzes von Werden und Sein bezeichnet" (130) werden könne. - b) Althaus nahm an, dass dem in der Gegenwart sich realisierenden ewigen Leben Dauer zukomme, und zwar "Dauer über den Tod hinaus". "Gewiß ist mit dem ,ewigen Leben' als einer durch und durch inhaltlichen Bestimmung viel mehr gemeint als Fortdauer der Existenz und das genaue Gegenteil von dem Fortbestehen des natürlichen Ich und natürlichen Lebens, aber das ,ewige Leben' schließt das, was wir Fortdauer nennen müssen, ein" (36).

54) Vgl. Fr. Schleiermacher, Der christliche Glaube (Anm. 2), 161, 1 (Bd. 2, 424); D. Fr. Strauß, a. a. O. (Anm. 12), 646-663.

55) Wie die Theologie eine materielle Kontinuität zwischen dem irdischen Leib und dem Auferstehungsleib verteidigte, zeigen exemplarisch Augustinus, De civitate Dei, XXII, 12-21 (CChr.SL 48, 831-842), und J. Calvin, Inst. III, 25, 8 (Opera selecta, Bd. 4, 449,30-451,4).

56) Vgl. z. B. Fr. Schleiermacher, Der christliche Glaube (Anm. 2), 158 (Bd. 2, 410-416); Fr. H. R. Frank, System der christlichen Gewissheit, Bd. 1, Erlangen 1870, 199 f.; M. Kähler, Die Wissenschaft von der christlichen Lehre von dem evangelischen Grundartikel aus im Abrisse dargestellt, Erlangen 1883, 437-443 (Dritte, sorgfältig durchgearbeitete u. durch Anführungen aus der Heiligen Schrift vermehrte Aufl., Leipzig 1905 [Nachdruck: Neukirchen 1966], 439-446); K. Rahner, a. a. O. (Anm. 26), 414-419. 428; W. Pannenberg, Systematische Theologie (Anm. 7), Bd. 3, 574-588.

57) R. Bultmann, Geschichte und Eschatologie (Anm. 38), 184.

58) L. Feuerbach, Gedanken über Tod und Unsterblichkeit (Anm. 14), 221 (Text der 2. Aufl.).

59) Vgl. zu dieser Formulierung J. Hicks Vorwurf an die Vertreter einer nicht-realistischen Interpretation der Religion: "He or she can then rejoice with the élite few whose heredity or environment or both are such that they are able to attain to personal blessedness, purity, the eternal quality of life, moksha, nirvana, satori, before death extinguishes them." (Religious Realism and Non-realism, in: ders., Disputed Questions in Theology and the Philosophy of Religion, Houndmills u. a. 1993, 3-16, hier: 14.)

60) K. Barth, KD III/3, 100.

61) Ders., KD IV/3, 1065.

62) Ders., a. a. O., 1063.

63) J. Becker vertritt die These, dass für Paulus das "erwartete ,Leben' ... oder seltener das ,ewige Leben' ... eine zukünftige Größe" sei (W. H. Schmidt/J. Becker, Zukunft und Hoffnung, Stuttgart u. a. 1981 [BiKon], 153). Diese These reduziert nach G. Klein die "Komplexität des Sprachgebrauchs". Die "Mehrheit der geltend gemachten terminologischen Belege" pointiere "das Leben als gegenwartsprägenden Faktor" (Aspekte ewigen Lebens im Neuen Testament. Ein theologischer Annäherungsversuch, in: ZThK 82, 1985, 48-70, hier: 61). Ob die These Beckers in Bezug auf den absoluten Gebrauch von zutrifft, muss hier nicht geprüft werden. Im Blick auf zoe aionios ist ihr m. E. zuzustimmen: Röm 2,7; 6,22 und Gal 6,8 sprechen eindeutig vom ewigen Leben als einer zukünftigen Größe. Der Kontext legt es nahe, auch zoe aionios in 6,23 zukünftig zu verstehen. Nicht eindeutig ist die eis-Formulierung in Röm 5,21. Der Konjunktiv basileuse lässt offen, ob sich die Herrschaft der Gnade bereits im irdischen Leben oder erst in der Zukunft durchsetzen wird. Doch 6,14 dürfte dafür sprechen, daß die Herrschaft der Gnade bereits eine gegenwärtige ist. Aber auch wenn das der Fall ist, bleibt offen, ob das Ziel dieser Herrschaft, das ewige Leben, schon im irdischen Leben erreicht wird oder noch nicht. M. E. macht die sachliche Nähe zu 6,22 to de telos zven aionion wahrscheinlich, dass auch die eis-Formulierung futurisch zu interpretieren ist.

64) Die Ausführungen in diesem Abschnitt sind die gewagtesten des ganzen Aufsatzes. Es sei daher ausdrücklich gesagt, dass sie nicht mehr beanspruchen, als eine Denkmöglichkeit zur Diskussion zu stellen.

65) Diese Überlegungen zur personalen Identität berühren sich mit denen von Th. Mahlmann (a. a. O. [Anm. 33], bes. 123-125). Ein wichtiger Unterschied zu Mahlmann liegt darin, dass hier darauf verzichtet wird, den durch substanzontologische Assoziationen belasteten Begriff der ,Seele' aufzugreifen. Mahlmann selbst vertritt allerdings keinen substanzontologischen Seelenbegriff (vgl. 125). - Auch Fr. Schleiermacher berücksichtigt die Bedingtheit des Identitätsbewusstseins "durch die Erinnerung". Weil auch die Erinnerung "an das Leibliche gebunden ist", können wir uns nach Schleiermacher "nicht vorstellen ..., wie unter vollkommen anderen leiblichen Verhältnissen eine solche einigende Erinnerung sich einstellen könnte, ohne welche doch die Seele für sich selbst nicht dieselbe wäre" (Der christliche Glaube [Anm. 2], 161, 1; Bd. 2, 424). Schleiermachers Argumentation ist jedoch nicht überzeugend. Richtig ist, dass die Annahme einer Erinnerung ohne leibliche oder leibanaloge Subsistenzgrundlage problematisch ist. Aber dass die Subsistenzgrundlage eine andere ist, schließt nicht aus, dass die Person aus einer früheren, vortodlichen Geschichte Erinnerungen bewahrt. Allerdings muß angenommen werden, dass die Andersartigkeit der Subsistenzgrundlage und der geistigen Funktionen eine überlegene ist, die ein Verstehen der Bedingungen des früheren, irdischen Lebens ermöglicht.

66) Vgl. z. B. P. Althaus, Wahrheit (Anm. 8), 661; W. Härle, a. a. O. (Anm. 26), 635 f.; W. Joest, a. a. O. (Anm. 9), Bd. 2, 652.

67) Vgl. E. Jüngel, Tod (ThTh 8), Stuttgart/Berlin 41977, 148-154; W. Joest, a. a. O. (Anm. 9), Bd. 2, 652; W. Pannenberg, Systematische Theologie (Anm. 7), Bd. 3, 652; J. Ringleben, a. a. O. (Anm. 26), 71 f. 75 f. Ringleben hebt dabei hervor, dass "Gottes Erinnerung ... als schöpferisch verstanden werden" (72) muss.

68) Th. Mahlmann, a. a. O. (Anm. 33), 118.

69) Nach J. Ringleben ist "im ewigen Leben ... unser Selbstbewußtsein Moment von Gottes Selbstbewußtsein, der alles in allem sein wird" (a. a. O. [Anm. 26], 76). Dagegen wird hier die These vertreten, dass das Selbstbewusstsein, das auf Grund der Erinnerung in einer Kontinuität zum irdischen Selbstbewusstsein eines Menschen steht, im ewigen Leben als ein von Gottes Selbstbewusstsein unterschiedenes wiederhergestellt wird. Dieser Unterschied wird durch den konstitutiven Gottesbezug nicht aufgehoben. Die Person weiß sich daher als auf Gott bezogen und von ihm unterschieden.

70) Aurelius Augustinus, De civitate Dei, XXII, 30 (CChr.SL 48, 864,79 f.): "quantum ergo adtinet ad scientiam rationalem, memor praeteritorum etiam malorum suorum; quantum autem ad experientis sensum, prorsus immemor". Bei der Übersetzung der Augustinzitate wurde die Übersetzung von C. J. Perl (Aurelius Augustinus, Der Gottesstaat. De civitate Dei, 2 Bde., Paderborn u. a. 1979) berücksichtigt. - Nach P. Tillich wird das Negative "überhaupt nicht erinnert; es wird als das ,durchschaut', was es ist, als Nicht-Sein. Trotzdem bleibt es nicht ohne Wirkung auf das, was auf ewig erinnert wird. Es ist in der ewigen Erinnerung als das gegenwärtig, was überwunden und in sein nacktes Nicht-Sein geworfen ist" (a. a. O. [Anm. 23], Bd. 3, 452). Der merkwürdige Gedanke, dass etwas in der Erinnerung gegenwärtig sein soll, ohne erinnert zu werden, hat zur Voraussetzung, dass Tillich die ewige Erinnerung als "lebendige Bewahrung der erinnerten Sache" (ebd.) versteht. Die Bewahrung des ,Negativen' würde in der Tat die Vollendung des Lebens verhindern. Im Verhältnis zur Bewahrung muß es das Überwundene sein, nicht aber im Verhältnis zur Erinnerung. Es sollte daher zwischen der lebendigen Bewahrung, die etwas in der Wirklichkeit festhält, und der Erinnerung klar unterschieden werden.

71) Augustinus, De civitate Dei, XXII, 30 (CChr.SL 48, 864,95-97): "Alioquin si se fuisse miseros nescituri sunt, quo modo, sicut ait psalmus, misericordias Domini in aeternum cantabunt?"

72) Platon, Phaidon, 114d1-7 (Übersetzung: Platon, Sämtliche Werke, Bd. 3: Phaidon, Politeia. In der Übersetzung von Fr. Schleiermacher mit der Stephanus-Nummerierung hrsg. von W. F. Otto, E. Grassi, G. Plamböck, Hamburg 1958 [Nachdruck 1978], 63).