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Ausgabe:

März/2000

Spalte:

231–250

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Lurz, Friedrich

Titel/Untertitel:

Die Einführung des Evangelischen Gottesdienstbuches - ein Ereignis von ökumenischer Relevanz

Am 1. Adventssonntag 1999 wurde in Wittenberg feierlich das neue Evangelische Gottesdienstbuch (= EG) der VELKD und EKU,1 die erste gemeinsame Agende der beiden Kirchenbünde eingeführt, zu denen die Mehrheit der evangelischen Christinnen und Christen in Deutschland gehört. In bislang unbekanntem Maße sind liturgische Formen und Texte anderer Kirchen integriert worden. Diese ökumenische Dimension regt dazu an, das EG, seine Entstehungsgeschichte und die sie begleitende Diskussion auch von Seiten der katholischen Liturgiewissenschaft kritisch zu beleuchten. Die Position eines ,Außenseiters’ macht die Beschränkung auf das publizierte Material notwendig, um einige Hauptpunkte der Diskussion und Konzeption herauszustellen.2

1. Entstehung und Einführung

Mit dem Gottesdienstbuch geht ein jahrelanger Prozess zu Ende, dessen Wurzeln bis in die 60er Jahre zurückreichen.3 Die Agenden der 50er Jahre wurden bald als restaurativ erfahren und boten wenig Möglichkeiten, dem rapide zurückgehenden Gottesdienstbesuch entgegenzuwirken. Die Einsicht in die Zeitgebundenheit und ,Vergänglichkeit’ von Agenden führte zu einer Überarbeitung der Gebetstexte in den 70er Jahren.4 Zugleich erwies sich das Agendenproblem als nicht nur sprachlicher, sondern liturgietheologischer Natur. Das Aufkommen neuer, offener Formen (Feierabendmahl, politisches Nachtgebet etc.) stellte nicht nur die herkömmlichen Agenden in Frage, sondern auch die sie verantwortenden kirchlichen (Leitungs-) Institutionen, da die liturgische Entwicklung vermehrt über den Buchmarkt beeinflusst wurde.

Die konzeptionelle Plattform für die Erstellung des EG bildete das Strukturpapier mit seinem Versuch, sowohl traditionelle wie offene liturgische Formen auf parallele Strukturen zurückzuführen. Damit war der Weg frei für eine Agendenrevision, für die 1980 eine Arbeitsgruppe mit Vertretern beider Kirchenbünde eingesetzt wurde. 1990 wurde der Vorentwurf (=VEA) publiziert5 und den Gemeinden zur Erprobung und Stellungnahme zugewiesen, begleitet von einführenden Schriften.6 Als Folge haben sich Gemeinden und kirchliche Gremien in bislang ungewohntem Maße mit liturgischen Fragen befasst.7 Auf der Grundlage der zahlreichen Stellungnahmen verfertigte eine neue Arbeitsgruppe den eigentlichen Entwurf (= EEA),8 der sich deutlich vom VEA unterschied und 1997 den kirchlichen Gremien zur letzten Korrektur vorgelegt wurde. Die Zustimmung zur Endfassung erfolgte durch die jeweiligen Beschlussgremien im Oktober 1998 (VELKD) und im Juni 1999 (EKU). Damit ist nicht nur die Erstellung von den Gemeinden erheblich beeinflusst, sondern die Ausrichtung des EG auf eine wirkliche Akzeptanz vor Ort macht eines ihrer entscheidenden Charakteristika aus.

Der Weg der Erstellung und der Einführung des EG hat nicht nur Befürworter gefunden. Die Ansätze der Kritik reichen von praktisch-theologischen, bei denen die anthropologische Dimension des Gottesdienstes im Vordergrund steht, bis zu systematischen, die meist das ,evangelische’ Profil gefährdet sehen.9 Aber nicht nur Einzelaspekte werden in Frage gestellt: "Wozu brauchen wird diese Agende eigentlich?" und "Ist nicht vielleicht das Zeitalter der Agenden vorbei?" wird das ganze Projekt hinterfragt.10 Dieser grundsätzlichen Kritik hat man durch die Begriffsverschiebung im Titel von Agende zu Gottesdienstbuch zu begegnen versucht, die die veränderte Funktion kenntlich macht; es geht nicht mehr um das Ablesen von Gottesdienstformularen, sondern um eine Gestaltungsaufgabe, die letztlich die ganze Gemeinde betrifft.11 Entsprechend formuliert das EG als 1. Kriterium: "Der Gottesdienst wird unter der Verantwortung und Beteiligung der ganzen Gemeinde gefeiert" (EG 15).12 Dem Buch kommt der Charakter eines Arbeitsbuches zu,13 der ausdrücklich mit der Situation einer säkularisierten Gesellschaft begründet wird: "Das Evangelische Gottesdienstbuch unterscheidet sich von herkömmlichen Agenden, die nur ordnen, ,was zu tun ist’. Es enthält Anregungen, Hilfen und einen Rahmen, um Gottesdienste so zu gestalten, dass sie für Menschen in einer säkularisierten, multikulturell geprägten Gesellschaft einladend wirken und mitvollzogen werden können." (EG 14). Mit der daraus resultierenden Gestaltungsaufgabe14 der Liturgen erhält das EG einen gegenüber bisherigen Agenden veränderten Rechtscharakter, denn die Verbindlichkeit betrifft nur noch den inhaltlichen und strukturellen Kern der Liturgie.15 Das EG spricht deshalb von einer Verbindlichkeit, die der Verbundenheit dient: a) mit den Kirchen aller Zeiten und Orte, b) mit den Gemeinden einer Region und c) innerhalb einer einzelnen Gemeinde (vgl. EG 18).

2. Grundstruktur und Varianten

Den hermeneutischen Schlüssel des Gottesdienstbuches bildet das Strukturpapier Versammelte Gemeinde, als dessen Ziel formuliert war, "der Gewinnung neuer Einsichten in die Vielfalt und Einheit des christlichen Gottesdienstes zu dienen".16 In der Spannung zwischen unelastischer Starre agendarischer Gottesdienste und willkürlicher Auflösung der gottesdienstlichen Ordnung versuchte das Papier anhand der christlichen Tradition eine gemeinsame Grundstruktur des sonntäglichen Gottesdienstes (Eröffnung, Anrufung, Verkündigung und Bekenntnis, Abendmahl, Sendung) zu beschreiben, um in dieser, die Identität und Kontinuität christlichen Gottesdienstes gewährleistenden Grundstruktur Ausformungsvarianten zu ermöglichen. Unterschiedliche Gottesdienstformen der evangelischen Tradition wurden in diese Grundstruktur integriert17; zudem wurde eine Brücke zu offenen Formen geschlagen.

Dieses Papier hat eine Diskussion ausgelöst, die bis in die Stellungnahmen zum EG weiterwirkt.18 Bieritz macht in seiner profilierten Kritik deutlich, dass liturgische Texte und Bücher bislang ohne eine Strukturierung des Gottesdienstes ausgekommen seien19 und dass es sich bei einer Strukturierung zudem um einen Interpretationsvorgang handle. Außerdem werde durch die Rede von einer Grundstruktur die implizite Deutung nicht als je eigene und kontextgebundene verständlich, so dass bestimmte Formen und Elemente des Gottesdienstes, die sich in der Geschichte finden, als Ausformungsvarianten ein- und untergeordnet würden und so den Charakter einer ,Gestaltungsmöglichkeit’ erhielten, die sich letztlich als ,reichere’ oder ,schlichtere’ Form erweise. Für Bieritz hat die Struktur nur als Deutung ihren Sinn, weil sie Kommunikation ermögliche, als Bedeutungssystem aber fraglich werde: "Die Frage, ,ob die solchermaßen identifizierte Struktur an sich existiert’ ist in der Tat ... eine nutzlose Frage; sie geht an der eigentlichen Funktion des Phänomens - nämlich Kommunikation und damit organisiertes Verhalten zu ermöglichen - vorbei."20 Für Cornehl hat das Papier mit seiner groben Strukturierung vor allem ,liturgiepolitische’ Funktion; es sei aber insofern problematisch, als "eine morphologisch-didaktische Frage im Grunde noch unter normativen Vorzeichen abgehandelt wird".21 Andere sehen durch das Strukturpapier die konfessionelle Identität in Frage gestellt: "Denn hier droht jede konfessionelle Profilierung, die ja nicht nur Enge bedeuten muß, sondern gerade als ökumenischer Reichtum erfahren werden kann, in einen panchristlichen Einheitsbrei eingeebnet zu werden".22 Die Anfrage konkretisiert sich an der Integration des Predigtgottesdienstes ,aus dem reformierten Winkel’, der die Forderung nach Profilierung gemäß der lutherischen Agende gegenübergestellt wird.23

Das EG nimmt das Paradigma der erkennbaren, stabilen Grundstruktur auf und begründet sie theologisch: "Das Zeugnis der Schrift und Grunderkenntnisse des Glaubens haben sich in elementaren Texten der Christenheit ebenso niedergeschlagen wie in der Struktur des Gottesdienstes" (EG 15). Das EG fasst aber Eröffnung und Anrufung zusammen und gliedert so den Gottesdienst in vier Abschnitte (vgl. VEA 14.32.42; EG 15.32-35). Es nimmt die zuvor geäußerte Kritik insofern auf, als es nun zwei Grundformen (Messtyp und Predigtgottesdienst) nebeneinander stehen lässt (vgl. VEA 14-16.32-47; EG 24-57), aber deren strukturelle Kongruenz behauptet: "In beiden Grundformen haben die vielfältig gestalteten Gottesdienste ihre Einheit und bleiben darin in der Einheit mit den Feiern der weltweiten Christenheit" (EG 14). Im Abschnitt Die Gottesdienste an Sonn- und Feiertagen werden die beiden Grundformen I und II ausführlich dargestellt. Nach grundlegenden Erläuterungen zu gleichbleibenden Texten und den liturgischen Gesängen in Grundform I (vgl. EG 23-35) werden die Elemente der Grundformen erläutert. Dazu werden die vorgesehenen Einzelelemente in Spalten aufgelistet, in der rechten Spalte jeweils veranschaulicht und Gestaltungsmöglichkeiten benannt (vgl. EG
36-57). Aus diesen vielfältigen Erläuterungen ergibt sich de facto eine kleine Liturgik.24 In diese Schemata sind jetzt auch die Ausformungsvarianten der Grundform I integriert (vgl. EG 40.45.49), die im VEA noch separat aufgeführt wurden (vgl. VEA 97-124) und deshalb nicht selten Kritik auf sich zogen.25 Sie werden nur noch tabellarisch angeführt, die dazu notwendigen Texte finden sich im Textteil. Angefügt sind entsprechend der Grundformen die jeweils ausgeformte Liturgie I (mit und ohne Noten) und Liturgie II, die auch als Standardvorlagen für den liturgischen Gebrauch dienen können (vgl. EG 59-148).26

Die Grundform I entspricht dem Messtyp und "schließt in ihrer vollen Gestalt und Intention die Feier des heiligen Abendmahls ein" (EG 14). Dennoch gesteht die Agende in der Praxis der Grundform I ebenso eine Feier ohne Abendmahl zu, wie sie der Grundform II eine Integration des Abendmahls konzediert (vgl. EG 14).27 Vom EG wird die Grundform II als Elementarisierung der Grundform I verstanden: "Somit ist die Grundform II eine auf die wesentlichen Inhalte konzentrierte, elementare Gottesdienstform, leicht zugänglich, weil keine besonderen Anforderungen gestellt werden".28 Dieser Einschätzung entsprechend sind auch die für Grundform II zur Verfügung gestellten Texte formuliert: Die Abendmahlsbetrachtungen und Abendmahlsgebete sind kurz und konzentrieren sich auf einige Grundgedanken (vgl. EG 661-669). Die im VEA noch enthaltenen Überarbeitungen zweier klassischer Texte für diese Liturgieform (Osianders Vermahnung [vgl. VEA 646 f.] und das kurpfälzische Abendmahlsgebet [vgl. VEA 651 f.]) finden sich nun nicht mehr. Im Vergleich zu bisherigen Agenden überrascht zudem die Anmerkung: "Es ist daher möglich, an Stelle der folgenden Gebete vor dem Abendmahl nach Grundform II auch kürzere Eucharistiegebete der Grundform I zu verwenden."29 Diese veränderte Einschätzung und Gestaltung der Grundform II ist von katholischer Seite nur zu beobachten: Anscheinend sind mit dieser Form nur noch geringe konfessionelle bzw. landeskirchliche Identitäten verbunden, so dass Annäherungen an den Messtyp möglich sind, die jedoch nicht erst mit dem EG begonnen haben.

Das EG hat aber auch die Integration der Gottesdienste in offener Form aus dem Strukturpapier übernommen. Damit unternimmt erstmals eine Agende den Versuch, sich nicht von sonst als liturgischem Wildwuchs diffamierten Formen abzugrenzen, sondern Brücken zwischen ihnen und den traditionsgebundenen Gestaltungsformen zu schlagen. Der VEA sprach ausdrücklich davon, er wolle "diese Formen aus der Isolation herausholen und in die gewachsene Ordnung sonntäglicher Gottesdienste einbeziehen und einwurzeln" (VEA 14). Der VEA hatte hinter den Varianten (außer zu C1) jeweils kursorische Hinweise für die Gestaltung in offener Form gestellt (vgl. VEA 99.102.104.106.109.111.120.122.124). Das EG hat diese Einzelabschnitte zu einem separaten Kapitel Gottesdienstgestaltung in offener Form zusammengefasst (vgl. EG 203-238)30. In ihm stellen der Familiengottesdienst und das Feierabendmahl zwei konkrete und in der Praxis weit verbreitete Beispiele dar.

Auch beim EG und seinen Entwürfen ist das angewandte Paradigma des Strukturpapiers auf Kritik gestoßen. Bieritz hat seine Kritik erneuert, ohne daraus eine Ablehnung der Agende abzuleiten.31 Für Cornehl ist das EG der Ausdruck des integrativen Volkskirchenmodells der EKD, das eine konfessionelle Profilierung zu überwinden versuche.32 Josuttis hat der Agende postmoderne Beliebigkeit vorgeworfen: "Indem das Pluralitätsmodell verschiedene Wege zur Annäherung an das Heilige toleriert, eröffnet es einen Gestaltungsreichtum in den Gottesdienstformen, aber zersetzt gleichzeitig den Ernst jeder einzelnen Form, indem sie ihr den Charakter der Beliebigkeit zuschreibt. ,Es geht auch anders, aber so geht es auch’. Ein Gottesdienst, der nicht mehr den Anspruch erhebt, sein Vollzug sei in Inhalt und Form lebensnotwendig, muss nicht mehr vollzogen werden."33 Auch andere bemängeln, dass das EG nicht auf einer konkreten Gottesdiensttheologie aufbaue,34 die sich in einer konkreten, verbindlichen Gottesdienstordnung ausdrücke.35 Dieses systematische Argument wird in der Diskussion auch zu einem anthropologischen gewendet, dass die unterschiedlichen Ausformungsvarianten das Heimatgefühl der Gemeinden bedrohen.36 Neben Stimmen, denen das Struktur-modell des EG viel zu funktionalistisch und rationalistisch ist,37 gibt es solche, denen die liturgischen Freiheiten nicht weit genug gehen.38

Meines Erachtens bleibt als vorläufiges Resümee der Diskussion festzuhalten, dass die Strukturierung Kommunikation ermöglicht und genau deshalb von liturgiewissenschaftlicher Seite angewandt wird. Heute steht der Gottesdienst - noch anders als vor wenigen Jahrzehnten - unter dem Anspruch der Kommunikabilität über die lokale, konfessionell geprägte Kirche hinaus. Weil die christlichen Kirchen heute im Horizont der Ökumene vor dieser Anforderung stehen39 und beim Got-tesdienst - besonders beim Abendmahl - zugleich nicht auf den Anspruch einer normativen Bindung verzichten können, ohne dass schon eindeutig klar wäre, worin denn diese Normativität besteht (so das Missverständnis beim Verlangen nach einer bestimmten Struktur),40 existiert eine der entscheidenden Möglichkeiten zu einer solchen Kommunikation in der Strukturierung. Auch die veränderte Anforderung an die Leitung von Gottesdiensten verlangt danach: Bestand Leitung noch vor wenigen Jahrzehnten in der Umsetzung des in der Agende vorgegebenen Textes, so müssen heute die vorbereitenden und leitenden Personen eine Gestaltungsaufgabe erfüllen, in der sie gewählte Varianten untereinander und nach außen theologisch verantworten, d. h. kommunikabel machen müssen.

Zugleich aber birgt die Integration von Gottesdienstformen in eine Struktur die Gefahr, durch die übergreifende Struktur auf eine Einheit der Gottesdiensttheologie zu schließen, die theologisch (noch) nicht eingeholt ist. Das EG geht hier be-wusst den (kirchenpolitisch gewollten) Weg, auf eine einheitliche Theologie des Gottesdienstes zu verzichten. Deshalb gilt es weiterhin, unterschiedliche Gottesdiensttheologien wahrzunehmen, auch wenn all diese Formen "aus dem gleichen ursprungsbezogenen Kern erwachsen sind".41 Da die Varianten im EG gerade beim Abendmahl gegenüber früheren Agenden noch weniger konfessionell geprägt sind, scheinen sie doch Antworten auf andere als konfessionelle Fragen zu sein. Vieles spricht dafür, sie als Gestaltung für bestimmte kulturelle Milieus, als Form der Inkulturation zu verstehen, denen es nicht primär um eine Antwort auf die Wahrheitsfrage christlichen Glaubens geht, sondern um dessen Erfahrungsqualität!42

3. Frauengerechte Liturgie

Erst im Laufe der Arbeit am EG wurde die Notwendigkeit einer frauengerechten Liturgie in ihrer Bedeutung bewusst. Im VEA wurde dieser Komplex noch als Sprachproblem angesehen und unter dem 5. Kriterium einer inklusiven Sprache subsumiert (vgl. VEA 10). Spätestens in den Reaktionen auf den VEA wurde erkannt, dass es nicht nur um die Vermeidung von Frauen diskriminierender Sprache geht, die Lösung also nicht in einer Auslassung bestimmter Termini oder in der Hinzufügung weiblicher Formen zur Herstellung einer Gleichwertigkeit zwischen der Nennung von Frauen und Männern besteht.43 Es geht vielmehr um die Suche nach einer Sprache, die die Glaubens- und Gotteserfahrung, aber auch die Welterfahrung der Mehrheit der Menschen, die heute Gottesdienste feiern (eben der Frauen), ausdrücken kann.44 Unter dem Kriterium einer nichtausgrenzenden Sprache fordert man jetzt, "eingeschliffene Sprachgewohnheiten zu durchdenken und gemäß den unterschiedlichen Lebens- und Glaubenserfahrungen von Männern und Frauen zu verändern" (EG 16). Dies wirkt sich auf die Gottesbilder und die Gottesanreden aus, in denen nun Gott seltener als Herr und Vater angesprochen und noch seltener mit Attributen wie allmächtig versehen wird.45 Viel deutlicher wird der analoge Charakter unserer Rede von Gott herausgestellt.46 Die neue Perspektive wirkt sich aber auch in der Verwendung ganz neuer Sprachbilder aus, deren prägnantestes Beispiel ein Tagesgebet zum Sonntag Rogate darstellt: "O Gott, dich rufen wir an, wir sehnen uns nach dir, wie sich eine Frau in den Wehen nach der Entbindung sehnt. Gib uns den Mut zu warten, die Kraft zu drängen, bis der Glaube in uns zum Leben gekommen ist, und dann bringe deinen Frieden und deine Freude durch uns zur Welt." (EG 335) Eine Besonderheit bildet Bergers Forderung nach frauengerechten Eucharistiegebeten, die sie aufgrund von Defiziten in den Eucharistiegebeten des VEA stellt47 und die z.T. im EG verwirklicht ist. Häufiger ist die Rede von Gott als Mutter (vgl. EG 641.654), von Gottes Töchtern und Söhnen (vgl. EG 641.655) und von unseren Schwestern und Brüdern (vgl. EG 642). Vor allem aber stammen nun zwei Eucharistiegebete aus dem Kontext von Frauengottesdiensten.48

Ein weiterer Aspekt, dessen Fehlen gerade von Frauen häufiger am VEA moniert wurde, ist die Einbeziehung der leiblichen Dimension des Gottesdienstes. Diese im evangelischen Gottesdienst noch wenig aktualisierte Dimension,49 wird nun als zusätzliches, eigenständiges Kriterium des EG aufgeführt: "Liturgisches Handeln und Verhalten bezieht den ganzen Menschen ein; es äußert sich auch leibhaft und sinnlich" (EG 16). Mehrfach werden konkrete Gestaltungsmöglichkeiten durch Gestik, Bewegung und Tanz angesprochen, ohne allerdings zu einer Rubrizistik zu gelangen.

4. Liturgische Sprache

Der VEA bekannte in der Einführung mit resignativem Unterton: "Es gibt derzeit keine allgemein anerkannte und nachvollziehbare liturgische Sprache." (VEA 20)50 Die Problematik zeigt sich in hervorragender Weise am Beispiel der Kollektengebete, die bislang durch typische Inhalte und Stilistik geprägt waren. Zu jedem Formular bietet das EG drei Kollektengebete zur Auswahl an, die sich in Sprache und Stil z. T. erheblich unterscheiden und somit wirkliche Alternativen darstellen.

Holzkorn stellt bei seiner Untersuchung der Kollektengebete im VEA fest, dass die erstellende Arbeitsgruppe fast keine eigenen Entwürfe eingebracht, sondern vorliegende Gebete aus den unterschiedlichsten Epochen einer intensiven Überarbeitung unterzogen hat.51 Die geplante Reduktion der Alternativen von vier auf zwei pro Formular wurde aufgegeben, da sonst gerade die Kollekten der Reformationszeit herausgefallen wären;52 dies zeigt deutlich den Konflikt zwischen der Notwendigkeit einer zeitgemäßen Sprache und der identitätsstiftenden Anknüpfung an liturgisches Erbe an. Durch eine den Texten eigene Wirkkraft und nicht aufgrund (letztlich vergeblicher) landeskirchlicher Weisung sollten sie zum Ausdruck evangelischen Glaubens in unserer Zeit werden (vgl. ebd. 400 f.). Holzkorn macht am Beispiel des Begriffs der Sünde deutlich, dass das sprachliche Problem theologische Entscheidungen verlangt: "Der Begriff Sünde kann nicht selbstverständlich und unbefragt in Gebeten aufgenommen werden. Umschreibungen sind in vielen Fällen notwendig und legitim. Es ist aber illegitim, den Begriff aus allen Gebeten zu streichen oder nur solche Gebete aufzunehmen, die ohne diese Begriffe auskommen, denn letztlich würde das bedeuten, daß mit dem Begriff auch die damit verbundenen Inhalte aus dem Bewußtsein der Gemeinde fallen." (ebd. 407)

Das EG hat aber die Kollektengebete des VEA nochmals einer Totalrevision unterzogen oder ausgetauscht. Das dritte Gebet jedes Formulars lässt nun durch Veränderungen in Sprachstil, Gottesbild und Gottesanrede gegenüber den klassischen Vorbildern "in besonderer Weise die Mitarbeit von Frauen erkennen".53 Damit stellt das EG sehr verschiedene Gebete entsprechend dem 3. Kriterium nebeneinander: "Bewährte Texte aus der Tradition und neue Texte aus dem Gemeindeleben der Gegenwart erhalten den gleichen Stellenwert." (EG 15; vgl. VEA 10) Keineswegs unproblematisch sind die zahlreichen an Christus und einige an den Hl. Geist gerichteten Gebete. Positiv fällt auf, dass in der Anrede Gottes z. T. neue Wege beschritten und die Attribute, die Gott zugesprochen werden, deutlich erweitert werden. Gott ist nicht nur ewig, barmherzig, gütig oder (selten) allmächtig, er ist nicht nur himmlischer Vater, lieber Gott oder (sehr selten) Herr, sondern auch unerforschlicher Gott, unbegreiflicher Gott, verwundbarer Gott, schenkender Gott, wunderbarer Gott, reicher Gott, versöhnender Gott, Gott unser Befreier, Gott unser Richter und Retter, Gott des Lebens, Schöpfer des Lebens, Lebenshauch des Paradieses, Balsam unserer Seele.54 Insgesamt ist die formalisierte Gottesanrede klassischer Orationen aufgebrochen,55 und häufiger werden biblische Bezüge (meist aus dem Tagesevangelium) in die Orationen aufgenommen. Es finden sich aber auch Formen, die merkbar von Struktur und Stil traditioneller Kollektengebete abweichen: "Wie Bäume auf festem Grund so strecken wir unsere Wurzeln zu dir, Gott. Du nährst uns, du stärkst uns. Die Frucht unseres Lebens wächst aus deiner Kraft. Lob und Dank sei dir in Ewigkeit" (EG 351). Daneben stehen prägnante Anknüpfungen an traditionelle Formen, wie die Imperativ-Konstruktion der Exita-Oration des 1. Adventssonntags: "Brich auf, Christus, in deiner Macht und komm ..." (EG 243). Nur wenige Orationen enthalten einen moralisierenden Unterton, wenn z. B. Reichtum als ungehörig hingestellt wird: "Bei dir finden die Ausgenutzten Erfüllung, die Überanstrengten Ruhe; die Armen finden Schätze und die Reichen begreifen ihre Armut" (EG 259).56

Als weiteres Kriterium wurde schon im VEA - als Folge eines Lernprozesses in der Arbeitsgruppe57 - eine inklusive Sprache gefordert (vgl. VEA 10). Die Formulierung des Kriteriums hat nach Kritik deutliche Überarbeitung erfahren und konstatiert nun realistischer: "Im Gottesdienstbuch ist ein Anfang dazu gemacht; bei der konkreten Gottesdienstgestaltung in der Gemeinde kann und soll er weitergeführt werden." (EG 16) Dadurch wird eine inklusive Sprache viel stärker als ständig zu bewältigende Aufgabe herausgestellt. Die Sensibilität für das Problem ist für zukünftige katholische Reformen vorbildhaft.

5. Verhältnis des Christentums zum Judentum

Das 7. Gestaltungskriterium ("Die Christenheit ist bleibend mit Israel als dem erstberufenen Gottesvolk verbunden" [EG 16]) ist erst in der Diskussion58 des VEA herausgearbeitet worden. Eine Sensibilität für das besondere Verhältnis des Christentums zum Judentum bildete sich konfessionsübergreifend erst in den letzten Jahren aus, als (u. a. ausgelöst durch eine gesamtbiblische Hermeneutik) deutlich wurde, dass eine theologisch verantwortete Rede von Israel und Judentum nicht nur den Verzicht auf antijüdische Aussagen beinhaltet, sondern das Wissen um den nie gekündigten Bund JHWHs mit Israel einholen muss. Damit steht christliche Theologie zugleich vor der Aufgabe, nicht ihr eigenes Christusbekenntnis zu relativieren. Besondere Beachtung erlangten in der Kritik die Formulare zum 10. Sonntag nach Trinitatis, dem Israelsonntag, und zum Thema Christen und Juden59, die einer genaueren Analyse unterzogen und erheblich revidiert wurden.60 Im Formular Christen und Juden (vgl. EG 450 f.) finden sich jetzt nicht mehr Formulierungen wie "In Jesus Christus schenkst du diesem Volk und allen Völkern dein Heil" (VEA 429) oder "Siehe an dein Volk und laß es in Jesus seinen Messias erkennen, damit alle deine Gläubigen als ein heiliges Volk dich ehren und loben" (ebd.), die letztlich doch wieder das christologische ,Plus’ der Kirche herausstellen.61 Die Orationen zum Israelsonntag (vgl. EG 369) heben nun die bleibende Erwählung Israels hervor, ohne sich von Israel christologisch-soteriologisch abzugrenzen, machen aber zugleich deutlich, dass die Kirche selbst ihre Hoffnung nur aus Jesus Christus zu schöpfen vermag. Paradigmatisch ist die Bitte "Hilf, dass wir alle Zeit unserer Erwählung in Christus vertrauen und uns mit Israel deiner Gnade freuen" (ebd.), in der keine Aussage über den Weg Israels zum Heil gemacht wird. Dennoch bildet die Hoffnung auf die Einheit im Reiche Gottes die Perspektive des Gebets: "Stärke unser Verlangen nach deinem Reich, in dem beide, Juden und Christen, vereint sein werden, dich zu loben in Ewigkeit" (ebd.).62

6. Feier des Abendmahls

Mit besonderem Interesse nimmt ein katholischer Liturgiewissenschaftler den ganzen Bereich der Abendmahlsfeier wahr, war doch bereits die Aufnahme von 15 Eucharistiegebeten eine der größten Überraschungen des VEA.63 Zudem wird nach Grundform I der Vollzug des Abendmahls mit Eucharistiegebet als obligatorisch angesehen und die bisherige Form A (VELKD) nur noch als zweite Form angeführt. Darin spiegelt sich der in der Literatur häufig dokumentierte Drang nach Ausweitung der eucharistischen Dimension - teilweise ausgedehnt bis zum Wunsch nach einem eucharistischen Lebensstil.64 Nur 5 Eucharistiegebete sind jedoch aus dem VEA nach Überarbeitung in das EG übernommen worden; die 13 abgedruckten bilden aber ein breites Spektrum: "Zwei Eucharistiegebete sind Beiträge von Frauen; ein Eucharistiegebet mit häufigen Akklamationen ist für Abendmahlsfeiern gedacht, an denen Kinder teilnehmen; zwei Eucharistiegebete dokumentieren ökumenische Gemeinsamkeit; drei kürzere Eucharistiegebete berücksichtigen eine allsonntägliche Abendmahlsfeier; zwei Eucharistiegebete sind mit Noten für die Rezitation versehen."65 Die Hochgebete der Lima-Liturgie (vgl. EG 656-658) und der Traditio Apostolica (vgl. EG 645 f.) dürften die ökumenisch relevantesten sein. Damit besitzt das EG mehr Eucharistiegebete als das Messbuch mit seinen offiziellen Zusatzpublikationen auf katholischer Seite. Von katholischer Seite wird ihr hoher Wert für die Ökumene unterstrichen.66 Bieritz betont ihre Bedeutung für den evangelischen Gottesdienst, der im Charakter einer Tisch-, Erinnerungs- und Erzählgemeinschaft evident werde und so einer postmodernen Gleichgültigkeit entzogen sei: "Zugleich wird die Sprachhandlung des Mahls dadurch der Beliebigkeit entnommen: Wer sich ihr einfügt, wird in die hier danksagend erinnerte, lobpreisend erzählte Geschichte hineingezogen; und die ist eindeutig in ihrem Namen, ihrem Grund, ihrem Ziel. Für frei schwebendes ,Erleben’ läßt sie eigentlich keinen Raum."67

Eine eingehende Analyse der Eucharistiegebete des VEA und des EEA hat Jörg Neijenhuis vorgelegt.68 Entsprechend seiner Grundthese, dass das Eucharistiegebet als Opfergeschehen verstanden werden muss (vgl. ebd. 20), unterzieht er die einzelnen Texte einer eingehenden Kritik (vgl. ebd. 192-311), macht für einen Teil der Texte weitere Verbesserungsvorschläge (vgl. ebd. 312-343) und präsentiert schließlich eigene Hochgebetstexte (vgl. ebd. 344-348). Die Intention der Arbeit, das Profil der Eucharistiegebete des EG zu schärfen, wie auch weite Teile der Analyse und der Kritik an Einzeltexten dürften von katholischer Seite geteilt werden. Zu diskutieren bleibt allerdings, ob das Eucharistiegebet ganz von der Opferkategorie her bestimmt werden kann (und ob dieser Ansatz die Kommunikation über das Eucharistiegebet auf evangelischer Seite nicht eher hemmt als befördert).69 Deutlich wird, dass das grundlegende Problem des Verhältnisses von anabatischer und katabatischer Dimension des Gottesdienstes im evangelischen Raum noch keine konsensfähige Lösung gefunden hat.

Deshalb ist die Profilierung des Eucharistiegebets im EG auch keineswegs unumstritten.70 Die wohl entschiedenste Kritik stammt von Wendebourg, auch wenn sie nur an einer Stelle dezidiert auf das EG eingeht.71 Sie erkennt in der liturgischen Entwicklung der letzten Jahrzehnte das ökumenische Programm einer Eucharistisierung, die die für die Reformation zu konstatierende Herauslösung und Isolierung der Einsetzungsworte aus dem Eucharistiegebet rückgängig machen möchte (vgl. ebd. 437-441). Dieser - sicher nicht falsch beobachteten - Tendenz liege das Paradigma zugrunde, dass die Reformation den ökumenisch gesehen irrigen Weg des Westens einer Hervorhebung der Einsetzungsworte im Eucharistiegebet als Konsekrationsworte zu Ende gegangen sei, indem sie das dankende Gebet marginalisiert und die Herrenworte als aktuelle Verkündigung an die Gemeinde ins Zentrum der Feier gestellt habe (vgl. ebd. 444-457). Wendebourg hingegen sieht diese Entwicklung nicht als Fehlentwicklung, sondern als eigentliche liturgische Entfaltung der synoptisch-paulinischen Tradition, die keineswegs zugunsten einer erneuten, letztlich verunklarenden Eucharistisierung aufzugeben sei (vgl. ebd. 444.457-467). Die Einsetzungsworte seien nicht so sehr durch ihre Funktion als zitatartiger Rückbezug zum Stiftungsereignis charakterisiert, entsprechend jüdischer Vorbilder in Form eines Embolismus in das Eucharistiegebet eingeschoben und deshalb sprachlich von diesem klar abgrenzbar, sondern sie seien direkte Ansprache der Gemeinde durch Christus selbst, "die die hier und jetzt sich vollziehende Feier bestimmt" (ebd. 447) und die sich deshalb einer Integration widersetze.72

Den Thesen widersprochen haben bislang nur einige evangelische Theologen. Nicht so sehr die von Wendebourg angeführten historischen Fakten, sondern ihre Auswahl und Interpretation werden kritisiert.73 Ob damit die Diskussion beendet ist, bleibt zu bezweifeln: Die in vielem systematische Fragestellung ist bislang zu sehr historisch diskutiert worden. Es handelt sich letztlich um die - keineswegs konfessionsgebundene - Frage nach der normativen Grundgestalt christlicher Eucharistiefeier und der Rolle, die das Eucharistiegebet darin einnimmt, verbunden mit der Frage nach berechtigten Formen liturgischer Entwicklung. Beide Fragen fordern die katholische Liturgiewissenschaft in gleicher Weise heraus.

Nun kann hier nicht der Ort für eine eingehende Einzelanalyse der Eucharistiegebete sein.74 Nur auf zwei Aspekte soll aufmerksam gemacht werden, die mit der oben referierten Kritik zusammenhängen: die Gestaltung der Epiklese und die Formulierung von Darbringungsaussagen. Neben der nun in einigen Hochgebeten stärker entfalteten Anamnese der Heilsgeschichte (die alttestamentliche Zeit ist explizit eingeschlossen [vgl. EG 643.652.654.656]) erhält die Epiklese einen bislang unbekannten Stellenwert. Josuttis charakterisiert die Situation recht positiv: "Neuere Arbeiten haben gezeigt, daß Luther mindestens in seinen theoretischen Aussagen, wenn auch nicht in den Gottesdienstordnungen selbst, eine Vielzahl von anamnetischen und epikletischen Aspekten eingebracht hat. Das ermöglicht im Luthertum eine neue Unbefangenheit gegenüber alten Texten der eucharistischen Tradition, die man wohl auch in einer gewissen konfessionalistischen Engherzigkeit ausgegrenzt hatte."75 Von den 15 Eucharistiegebeten des VEA enthielten nur zwei keine Epiklese, die meisten besaßen entsprechend dem antiochenischen Typ eine kombinierte Gaben- und Kommunionepiklese nach den Einsetzungsworten.76 Dass dort noch von ,Gaben’ die Rede war, stieß in der Reaktion teilweise auf Ablehnung, da man eine ungenügende Abgrenzung vom katholischen Opferverständnis zu erkennen meinte.77

Während im EG gegenüber dem VEA keine großen Änderungen bei der Stellung der Epiklese zu verzeichnen sind, finden sich in den Formulierungen deutlichere Abweichungen von den altkirchlichen Vorbildern, wenn es z. B. heißt: "Sende, oGott, deinen Geist. Gib der Welt ein neues Gesicht. Schenke Frieden, überall wo Menschen wohnen, Frieden, der höher ist als alle Vernunft und stärker als alle Gewalt, deinen Frieden, der uns verheißen ist in Jesus Christus." (EG 640) In einem an der Didache orientierten Gebet finden sich die traditionellen Inhalte in einer allgemeinen Bitte formuliert ("Wie wir das Brot des Lebens teilen und aus dem Kelch des Heils trinken und ein Leib sind in Christus, so bringe deine Töchter und Söhne zusammen von den Enden der Erde, damit wir mit allen, die dir vertrauen, das Mahl der Freude feiern in deinem Reich"), während die dahinter folgende Geistbitte inhaltlich neue Wege geht: "Gieße deinen Geist aus, dass unsere Söhne und Töchter weissagen, dass unsere Alten Träume haben und die Jungen Gesichte sehen. Dein Reich komme!" (EG 655 f.).

Einige, gegenüber den Textvorlagen merkbar überarbeitete, Eucharistiegebete des VEA enthielten sogar Darbringungsaussagen bzw. Annahmebitten, die sich aber nie auf die Gaben, sondern immer auf die Gemeinde bezogen.78 Dennoch stoßen solche Formulierungen auf Skepsis, da man die Aufgabe der reformatorischen Position zur Messopfertheorie des Tridentinums befürchtet,79 auch wenn man sieht, dass diese in die altkirchlichen Texte hineininterpretiert wurde.80 Von katholischer Seite fordert Stuflesser, dass der im ökumenischen Gespräch herausgearbeitete Konsens deutlicher in die Texte eingetragen wird, würdigt aber den VEA als positiven Schritt in diese Richtung.81 Dennoch sind im EG fast alle Darbringungsaussagen gegenüber dem VEA revidiert bzw. die entsprechenden Eucharistiegebete ganz ausgelassen.82 Selbst für den Tod Christi meidet man nun den Opfer-Begriff: "Vergleicht man die vor der Vollendung stehende Endfassung der Erneuerten Agende mit dem Vorentwurf 1990, so kann man eine überraschende und, wenn man will, bedenkliche Feststellung machen: Der Tod Jesu am Kreuz wird nicht mehr ausdrücklich als Opfer bezeichnet; der Opferbegriff ist in dieser Hinsicht gänzlich vermieden. Lediglich an zwei Stellen kommt das Wort Opfer noch vor, aber bezeichnet jetzt nur noch entweder das Opfer der Christen oder die Opfer der Gewalt."83 Damit bezieht sich Schulz auf ein Eucharistiegebet, in dem es anstelle der speziellen Anamnese altkirchlicher Gebete heißt: "Gedenke, Gott, all der Opfer von Unmenschlichkeit und Gewalt, die sonst vergessen wären" (EG 654). Es ist interessant, dass gerade eine evangelische Agende eine neue Opferkategorie einführt, allerdings indem sie die spezielle Anamnese zur Interzession umformt!



Bereits bei diesen beiden Aspekten wird die differenzierte Gestaltung der Eucharistiegebete deutlich, die sich nicht scheut, wegen konkreter Probleme mit traditionellen Formulierungen ungewohnte Wege zu gehen. Erst die zukünftige Praxis und die fachliche Diskussion werden erkennen lassen, ob diese Lösungen innerhalb der evangelischen Kirchen und der Ökumene Wertschätzung erfahren werden. Sicher werden sie der Akzeptanz einer vielfach erst bevorstehenden Einführung von Eucharistiegebeten in den Gemeinden förderlich sein.

7. Die ökumenische Dimension des EG

Spätestens mit der Abendmahlsliturgie steht die Frage nach der Relevanz der (synchronen und diachronen) Ökumene für die Erstellung des EG im Raum.84 Es definiert als 4. Kriterium: "Der evangelische Gottesdienst steht in einem lebendigen Zusammenhang mit den Gottesdiensten der anderen Kirchen in der Ökumene" (EG 15) und leitet daraus seine Verbindlichkeit ab (vgl. EG 18). Ein Großteil der Revisionen liturgischer Bücher in allen Konfessionen steht in diesem Jahrhundert unter dem Einfluss ökumenischer Annäherungen und Austauschbewegungen. Jede Revision wird somit zur Frage nach der eigenen Identität, so dass beim EG die (vermeintliche) Angleichung an römisch-katholische liturgische Formen aufmerksam beobachtet wird. Dabei stehen weniger einzelne Texte in der Diskussion, sondern vor allem Änderungen im Ordinarium (Liturgischer Gruß schon nach Eröffnungsgesang, obligatorische alttestamentliche als erste von drei Lesungen, die Stellung des Credos hinter der Predigt, Gabenbereitung mit entsprechendem Gebet, Eucharistiegebet mit Gemeindeakklamation und Aufforderung zum Friedensgruß mit Geste).85 Schulz versucht hingegen deutlich zu machen, dass es sich dabei weniger um eine Orientierung an der katholischen Kirche, als vielmehr an der weltweiten Ökumene handelt.86 Andere sehen dennoch die Traditionen und den Wunsch nach einer einheitlichen Liturgie statt die heutigen Menschen im Mittelpunkt solcher Reformen.87

Weder die Akzeptanz der einzelnen Teile des EG, noch der Platz des EG in den theologischen und kirchlichen Entwicklungen der nächsten Jahrzehnte können vorausgesehen werden. Ein gewisses Maß an Ernüchterung klingt bei Bieritz mit, wenn er dem EG bescheinigt, dass es nicht die liturgisch-theologischen Entwicklungen der Zukunft präge, aber "einen vorzüglichen Rahmen [biete], in dem sich jene künftigen Bewegungen liturgisch entfalten und gestalten können. Darin liegt seine eigentliche innovatorische Bedeutung."88 Vor allem in den Bereichen Abendmahlsfeier und Struktur des Gottesdienstes wird die Diskussion konfessionsübergreifend weitergehen und weitergehen müssen. Über die Bedeutung innerhalb der evangelischen Kirchen hinaus erhält das EG auch dadurch einen hohen ökumenischen Wert, dass es auf einige relativ junge liturgische Fragenkomplexe (frauengerechte Liturgie, liturgische Sprache, Verhältnis des Christentums zum Judentum) innerhalb eines liturgischen Buchs Antworten zu geben versucht, an der andere Konfessionen bei der Erstellung neuer liturgischer Bücher nicht vorbei gehen können.

Summary

The publication of the Evangelisches Gottesdienstbuch (Service Book) after two draft versions and public discussion marks the introduction for the first time of a common rite for both the Lutheran and the United Churches. It is based on the modified structural model outlined in the memorandum ,Versammelte Gemeinde’, where the Mass and the Service with a Sermon liturgies stand side by side. Variants of these allow adaptation to the particular circumstances of the congregation: the integrated open formulae capture the reality of worship as it is practised in the individual congregations. The Service Book merits special ecumenical significance insofar as it takes into account a passionate demand for a Service Book which suits todays needs: a liturgy which is fair to women; an inclusive liturgical language which acknowledges traditional and modern forms; a description of the Judeo-Christian inheritance and connection which ensures that the later is not monopolized by Christology. Relevant too from an ecumenical perspective is Grundform I (Rite A), the Celebration of Holy Communion, where a Eucharistic Prayer chosen from thirteen alternative versions, traditional and new, is used as a rule. Continuing reservations about Eucharaistic Prayers are mirrored in the extreme brevity of some of the texts and in the treatment of the Offertory statements and the epiclesis. In summary, this Service Book which is understood as being more of a handbook than a liturgy, gathers together the momentary possibilities of liturgical celebration and puts a perspective on their continuity without any element of coercion. Therefore, discussion about an appropriate shape to worship remains open and will continue to transcend denominational boundaries.

Fussnoten:

1) Evangelisches Gottesdienstbuch. Agende für die Evangelische Kirche der Union und für die Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands. Hg. von der Kirchenleitung der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands und im Auftrag des Rates von der Kirchenkanzlei der Evangelischen Kirche der Union (Berlin-Bielefeld-Hannover 1999).

2) Einen vorläufigen bibliographischen Überblick bieten: Frieder Schulz, Agendenreform in der Evangelischen Kirche. Bibliographie zu Konzeption, Gestalt und Bedeutung der "Erneuerten Agende" (Vorentwurf 1990): ALw 33 (1991), 302-305; Ders., Agendenreform in der Evangelischen Kirche. Fortsetzung der Bibliographie zur "Erneuerten Agende" (Vorentwurf 1990): ALw 38/39 (1996/1997), 42-47.

3) Zu Entstehungsgeschichte und liturgiegeschichtlichem Kontext vgl. Karl-Heinrich Bieritz, Die neue Agende: GAGF Nr. 35 (1999), 4-24; Walter Lührs, Von der Agende I zur Erneuerten Agende: Werner Reich/ Joachim Stalmann [Hrsg.], Gemeinde hält Gottesdienst. Anmerkungen zu einer Erneuerten Agende = Leiturgia. N.F 1 (Hannover 1991), 21-28; Reinhold Morath, Chancen für den Gottesdienst. Die "Erneuerte Agende" in der Erprobung: Gottesdienst und Kirchenmusik (1991), 86-92.124-136.171-183; Ders., Struktur oder Ereignis? - Die Erneuerte Agende und der Gottesdienst als Gestaltungsaufgabe: Ders./Wolfgang Ratzmann [Hrsg.], Herausforderung: Gottesdienst = Beiträge zu Liturgie und Spiritualität 1 (Leipzig 1997), 200-237, hier 201-209; Hans-Christoph Schmidt-Lauber, Auf dem Wege zur Erneuerten Agende: Ders., Die Zukunft des Gottesdienstes. Von der Notwendigkeit lebendiger Liturgie = Calwer Taschenbibliothek 19 (Stuttgart 1990), 111-131; Ders., Erneuerte Agende im Kontext evangelischer Liturgietradition: HlD 46 (1992), 106-127; Ders., Verständnis und Praxis des Gottesdienstes nach der Erneuerten Agende: Friedrich-Otto Scharbau [Hrsg.], Erneuerung des Gottesdienstes = zur sache. Kirchliche Aspekte heute 32 (Hannover 1990), 93-120; Frieder Schulz, Erneuerte Agende. Einführung in den Vorentwurf: Der Kirchenchor 49 (1989), 82-88; Ders., Zukunftsperspektiven der Gottesdienstpraxis. Folgerungen aus dem gewandelten Gottesdienstverständnis der Gegenwart: PTh 71 (1982), 32-44; Joachim Stalmann, Gottesdienst als Gestaltungsaufgabe. Vom Strukturpapier zur Erneuerten Agende: Heinrich Riehm [Hrsg.], Festschrift für Frieder Schulz. Freude am Gottesdienst (Heidelberg 1988), 79-90; Ders., Grundzüge einer Geschichte des Gottesdienstes unter dem Blickwinkel einer Vorgeschichte zur Erneuerten Agende: Reich/Stalmann (s. o.), 9-20.

4) Gebete. Revidierte Gebetstexte zu Agende I, bearb. von der Lutherischen Liturgischen Konferenz = rg 8/9 (Hamburg 1979).

5) Erneuerte Agende. Vorentwurf. Im Auftrag des Rates der Evangelischen Kirche der Union - Bereich Deutsche Demokratische Republik, des Rates der Evangelischen Kirche der Union - Bereich Bundesrepublik Deutschland und Berlin West, der Kirchenleitung der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche in der Deutschen Demokratischen Republik und der Kirchenleitung der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands erarbeitet von der Arbeitsgruppe "Erneuerte Agende". Gemeinsam hrsg. von der Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands, Lutherisches Kirchenamt, und der Evangelischen Kirche der Union, Kirchenkanzlei (Hannover-Bielefeld 1990).

6) Vgl. Reich/Stalmann (Anm. 3); Erhard Brinkel/Gustl Roth, Got-tesdienst der mündigen Gemeinde. Begleitheft für die Gemeinde zur Erneuerten Agende (Berlin 1991); Alexander Völker [Hrsg.], Eucharistie. Beiträge zur Theologie der "Erneuerten Agende" (Berlin 1993). International stellt das Konzept des VEA vor: Ders., Erneuerte Agende - The Renewed Liturgy: On a Liturgical Creation of the Evangelical Churches in Germany, East and West: StLi 20 (1990), 201-218. Ein liturgisches Arbeitsbuch auf der Grundlage des VEA bietet Fritz Baltruweit/Günter Ruddat, Gemeinde gestaltet Gottesdienst. Arbeitsbuch zur Erneuerten Agende (Gütersloh 1994). Ebenso zu nennen sind zahlreiche einführende Beiträge in "Für den Gottesdienst" der Arbeitsstelle für Gottesdienst und Kirchenmusik der Hannoverischen Landeskirche, in den GAGF-Heften der Gemeinsamen Arbeitsstelle für gottesdienstliche Fragen der EKD und in "Thema: Gottesdienst" der Beratungs- und Studienstelle für den Gottesdienst der Evangelischen Kirche im Rheinland, die hier nicht alle einzeln dokumentiert werden können. Außerdem sind zwei Tagungen ausführlich dokumentiert: Beratungs- und Studienstelle für den Gottesdienst, Evangelische Kirche im Rheinland [Hrsg.], Erneuerte Agende. Thema: Gottesdienst. Dokumentation einer Studientagung in der Evangelischen Akademie Mülheim, Haus der Begegnung, 1.-4. Oktober 1991 (Oberhausen-Düsseldorf 1991); Neijenhuis, Jörg [Hrsg.]: Erneuerte Agende im Jahr 2000? Leipzig: Evang. Verlagsanstalt 1998. 84 S. 8 = Beiträge zur Liturgie und Spiritualität, 2. ISBN 3-374-01690-1; Ders., Erneuerte Agende und Kirchentag. Zwei liturgiewissenschaftliche Tagungen in Leipzig: JLH 37 (1998), 113-117.

7) Die dadurch auf breiter Ebene vollzogene liturgische Bildung wird in der Zukunft weiterwirken. Das umfangreiche Material der Stellungnahmen und Beratungsprotokolle dürfte für weitere liturgiewissenschaftliche Untersuchungen von großem Interesse sein, haben doch in bislang unbekanntem Maße Gemeinden sich dazu geäußert, was ihnen am und im Gottesdienst wichtig ist. Welchen Einfluss die Stellungnahmen auf die endgültige Fassung der Agende hatten, wird ebenfalls zu untersuchen sein.

8) Entwurf GOTTESDIENSTBUCH für die Evangelische Kirche der Union und für die Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands. ERNEUERTE AGENDE (o. O., o. J. [1997]) [Nicht im Buchhandel erschienen].

9) Eine ganz eigene Stellung nimmt ein: Hanns Kerner, Reform des Gottesdienstes. Von der Neubildung der Gottesdienstordnung und Agende in der evangelisch-lutherischen Kirche in Bayern im 19. Jahrhundert bis zur Erneuerten Agende = CThM 23 (Stuttgart 1994), spez. 189-240. Kerner gelangt aus einer historischen Betrachtung der regionalen Agendenentwicklung in Bayern zu einer kritischen Bewertung des VEA, die er in Thesen zusammenfasst (vgl. ebd. 226-228).

10) Egbert Rosenplänter, Die Angst vor dem Mut: ZGP 10 (1992), H. 3,21-23, hier 22 f.

11) Vgl. Frieder Schulz, Einführung in die Endfassung der Erneuerten Agende (Gottesdienstbuch) als Fortschreibung des Vorentwurfs. Ein Überblick: Neijenhuis [Hrsg.], Agende (Anm. 6), 9-21, hier 11 f.; Klaus Danzeglocke, Die Reform der Agendenreform. Zur Einführung des Evangelischen Gottesdienstbuches: ZPG 17 (1999), 55-57, hier 55.

12) Der VEA stellte in der Begründung dieses 1. Kriteriums ausdrücklich fest, dass dieser spezifische Neuansatz der Reformation in der Praxis des Pastorengottesdienstes stecken geblieben sei (vgl. VEA 10.23-26; zurückhaltender EG 15). Die Ähnlichkeit zum Paradigma der tätigen Teilnahme auf katholischer Seite ist offensichtlich; parallel sind auch die disparaten Ansichten, was dieser Ansatz im Konkreten bedeutet. Vgl. auch Lutherische Konferenz Niedersachsens, 12 Helmstedter Thesen zur Verantwortung der Gemeinde für ihren Gottesdienst: Reich/Stalmann (Anm. 3), 135-137; Frieder Schulz, Spiel-Regeln und Spiel-Räume nach der Erneuerten Agende: ebd. 72-76; Joachim Stalmann, Erneuerung des Gottesdienstes in der Gemeinde: ebd. 99-105; Morath, Struktur (Anm. 3), 210-212. Kerner kritisiert eine resultierende Verschiebung von der liturgischen Bildung der Gemeinde zu den im Gottesdienst aktiven Gemeindegliedern (vgl. Kerner [Anm. 9], 209-212).

13) Damit ist zugleich ein erhebliches Maß an liturgischer Kompetenz notwendig (vgl. Karl-Heinrich Bieritz, Das neue Gottesdienstbuch. Funktionen und Strukturen: Neijenhuis [Hrsg.], Agende [Anm. 6], 22-34, hier 24). Dieser Charakter eines Arbeitsinstrumentariums, den bislang nur die freien Angebote des Buchmarktes besaßen, wird besonders bei der CD- und der Ringbuch-Version, wie auch beim als Ringbuch gestalteten Ergänzungsband deutlich.

14) Die dem Gottesdienst genuine Spannung von unverfügbarer göttlicher und menschlich verantworteter, dargestellter Wirklichkeit, von Inhalt und Form, versucht Meyer-Blanck mit dem Begriff der Inszenierung einzuholen (Michael Meyer-Blanck, Inszenierung des Evangeliums. Ein kurzer Gang durch den Sonntagsgottesdienst nach der Erneuerten Agende [Göttingen 1997], spez. 13-19).

15) Vgl. Frieder Schulz, Die Verbindlichkeit liturgischer Ordnungen und der Wandel der Gottesdienstpraxis in der Gegenwart: KuR 4 (1995), 43-52, hier 47. Zur Kritik vgl. Rudolf Roosen, Bemerkungen zum Entwurf der "Erneuerten Agende" - oder: Wie praktisch ist der Praktiker Theorie?: ThPr 27 (1992), 259-272, hier 259-265.

16) Versammelte Gemeinde. Struktur und Elemente des Gottesdienstes. Zur Reform des Gottesdienstes und der Agende. Vorgelegt von der Lutherischen Liturgischen Konferenz (Hamburg 1974), hier 4; vgl. auch Herwarth von Schade/Frieder Schulz [Hrsg.], Gottesdienst als Gestaltungsaufgabe. Praktische Anregungen zur Gestaltung des Gottesdienstes aufgrund der Denkschrift "Versammelte Gemeinde" (Strukturpapier) = rg 10 (Hamburg 1979).

17) Vgl. die Erläuterungen und Dokumentation von Frieder Schulz in: Versammelte Gemeinde (Anm. 16), 23-63.

18) Zum literarischen Echo vgl. Frieder Schulz, Einheit und Vielfalt der Gottesdienste. Gestaltungsimpulse für den Gottesdienst aufgrund des Strukturpapiers "Versammelte Gemeinde": WPKG 64 (1975), 457-473.

19) Schulz kann allerdings in seiner Replik deutlich machen, dass schon im 19. Jh. ähnliche Versuche zu verzeichnen sind, den Aufbau des Gottesdienstes zu charakterisieren, auch wenn andere Begriffe verwendet werden (vgl. Frieder Schulz, Die Struktur der Liturgie. Konstanten und Varianten: JLH 26 [1982], 78-93, hier 81-91). Karl Bähr hat bereits im 19. Jh. durch ähnliche parallele Strukturen die badische Unionsagende begründen können (vgl. Heinrich Riehm, Ansätze zur Erneuerten Agende im 19. Jahrhundert: JLH 36 [1996/97], 79-82).

20) Karl-Heinrich Bieritz, Struktur. Überlegungen zu den Implikationen eines Begriffs im Blick auf künftige Funktionen liturgischer Bücher: JLH 23 (1979), 32-52, hier 43.

21) Peter Cornehl, Aufgaben und Eigenart einer Theorie des Gottesdienstes: PThI 9-10 (1981), 12-37, hier 25.

22) Ottfried Jordahn, Verständigung über den Gottesdienst?: JLH 20 (1976), 136-140, hier 136.

23) Vgl. ebd. 137. Schulz macht in seiner Entgegnung deutlich, dass die Gegenüberstellung von ,Messe’ und ,Predigtgottesdienst’ dort an ihre Grenzen stößt, wo die Kennzeichnung einer Genese schon für die Ursprungsform selbst gehalten wird: Historisch lassen sich angleichende Entwicklungen in der Erscheinungsform vom Messtyp zum oberdeutschen Typ und umgekehrt belegen (vgl. Schulz, Struktur [Anm. 19], 91f.92131). Jörns stellt die Wechselbeziehung für den Berliner Raum empirisch fest (vgl. Klaus-Peter Jörns, Auf dem Weg zu einer ökumenischen Agende. Ergebnisse einer unter Berliner Pfarrerinnen und Pfarrern durchgeführten Umfrage: Gerhard Besier/Christof Gestrich [Hrsg.], 450 Jahre Evangelische Theologie in Berlin (Göttingen 1989), 511-545, hier 524-527.537-539).

24) Vgl. Schulz, Endfassung (Anm. 11), 16. Einen ausführlichen Überblick über die Entwicklung dieses Teils bietet: Frieder Schulz, Die liturgiedidaktischen Erläuterungen als Bestandteil der Erneuerten Agende. Eine Neuerung als Hilfe bei der Gottesdienstgestaltung: GAGF Nr. 35 (1999), 25-44. Ein Teil der liturgiedidaktischen Hinweise des VEA soll nun in den Ergänzungsband zum EG verlagert werden.

25) Auch die Varianten des VEA (gute schematische Übersicht bei Frieder Schulz, Einführung in die Konzeption der "Erneuerten Agende": Reich/Stalmann [Anm. 3], 41-48, hier 46-48) sind nochmals modifiziert worden: Die beiden Entfaltungen C1 (bisherige Form A der VELKD-Agende I) und C2 (entfaltete Abendmahlsvorbereitung) tauchen nun nicht mehr unter den Varianten auf. Die bisherige Form A der VELKD-Agende I ist aber weiterhin möglich und wird unter der Liturgie I (mit Noten) als Zweite Form abgedruckt (vgl. EG 121-129; vgl. auch ebd. 46f.63; Joachim Stalmann, Die Abendmahlsliturgie der Erneuerten Agende und die Abendmahlsformen A und B der bisherigen lutherischen Agende I. Bemerkungen zu einer fälligen Reform: Reich/Stalmann [Anm. 3], 63-68). Die Variante A1 ist nun zusätzlich als Zweite Form in der Liturgie I (ohne Noten) abgedruckt (vgl. EG 62.68-70).

26) Es folgen besondere Gottesdienstformulare für Die Feier der Taufe im Gemeindegottesdienst und einen Gottesdienst mit kleiner Teilnehmerzahl (u. a. als Tischabendmahl), die in den letzten Jahren eine besonderen Stellenwert erhalten haben, zudem Formulare für einen Gottesdienst am Karfreitag und einen Gottesdienst am Buß- und Bettag, die traditionell eine besondere Gestaltung erhalten (vgl. EG 149-201).

27) An dieser Stelle hätte man sich mehr liturgiewissenschaftliche Klarheit gewünscht, droht doch das alte Urteil mitzuschwingen, im oberdeutschen Typ sei das Abendmahl nur ein Anhängsel, während es beim Messtyp genuin sei. Zumindest in Bezug auf das 16. Jh. trifft dies nicht die Forschungslage (vgl. Frieder Schulz, Elementare Liturgie: PTh 82 [1993], 168-185): Weder kennzeichnen die beiden Typen Abendmahlsscheu und Abendmahlsfreudigkeit, noch sind beide Typen in ihrem theologischen Ernst, an der Ausrichtung an einer bestimmten Abendmahlstheologie oder gar der Länge der Feier unterscheidbar (vgl. Friedrich Lurz, Die Feier des Abendmahls nach der Kurpfälzischen Kirchenordnung von 1563. Ein Beitrag zu einer ökumenischen Liturgiewissenschaft = PTHe 38 [Stuttgart 1998]). Der Unterschied liegt vielmehr in der liturgischen Gestaltung und den dazu verwendeten Elementen. Der zitierte Satz hat seine Berechtigung nicht als historisches Urteil, sondern nur als konzeptionelle Aussage für das jetzige EG.

28) EG 50. Eine ähnliche Einschätzung findet sich schon bei Schulz, Struktur (Anm. 19), 93; Ders., Elementare Liturgie (Anm. 27), 182-185. Schulz sieht deutliche Parallelen zur Forderung nach einer Missa simplex auf katholischer Seite (vgl. ebd. 179 f.). Cornehl sieht in solchen Elementarisierungen den entscheidenden Wert des EG, wodurch erstmals das ,liberale’ Anliegen einer Verbindung von Individuum und Gemeinschaft im Gottesdienst ermöglicht werde (vgl. Peter Cornehl, Individuum und Gemeinschaft im Gottesdienst. Altes Thema, neue Herausforderungen: PTh 85 (1996), 292-310, bes. 298. 307 f.).

29) EG 666. An anderen Stellen ist etwas zurückhaltender formuliert: "Das Abendmahlsgebet kann Motive des Abendmahlsgebets der Grundform I aufnehmen" (EG 34); "Es folgt ein Abendmahlsgebet, das mit den Einsetzungsworten verbunden werden kann (Eucharistiegebet)" (EG 55).

30) Vgl. Schulz, Endfassung (Anm. 11), 15 f.

31) Vgl. Karl-Heinrich Bieritz, Postmoderne Liturgik? Eine kritische Würdigung der Erneuerten Agende: GAGF Nr. 18 (1993), 3-29, hier 15; Ders., Das neue Gottesdienstbuch. Funktionen und Strukturen: Neijenhuis [Hrsg.], Agende (Anm. 6) 22-34, hier 28-34; Ders., Die neue Agende: GAGF Nr. 35 (1999), 4-24, hier 22.

32) Vgl. Peter Cornehl, Im Gespräch mit Manfred Josuttis: PTh 80 (1991), 517-520, hier 517. Bieritz sieht das EG ähnlich: "Es verleiht dem Selbstverständnis einer Kirche, zu deren grundlegenden Dogmen inzwischen das Bekenntnis zum theologischen und religiösen Pluralismus gehört, auf angemessene Weise Ausdruck" (Bieritz, Gottesdienstbuch [Anm. 31] 23). Er befürchtet einen deregulativen Impuls durch das zu komplexe Regelsystem (vgl. ebd. 24). Den größten Einheitsfaktor sieht er hingegen in der Festschreibung der Perikopenreihe und des Kirchenjahres mit ihrem gegenkulturellen Impetus (vgl. ebd. 25 f.). Deshalb steht für ihn das Proprium für Kontinuität, während das Ordinarium unverbindlich bleibe (vgl. ebd. 29). Kerner kritisiert die Aufgabe eines konfessionellen Profils, die das Finden liturgischer Gemeinsamkeit in die Zukunft verlagere (vgl. Kerner [Anm. 9], 202).

33) Manfred Josuttis, Die Erneuerte Agende und die agendarische Erneuerung: PTh 80 (1991), 504-516, hier 511. Vgl. jedoch Cornehl, Gespräch (Anm. 32).

34) Vgl. Roosen (Anm. 15), 267 f. Denecke verlangt sogar: "Alle Einzeltexte und Einzelrubriken müßten auf dieses theologische Deutungsprinzip hin ausgerichtet sein" (Axel Denecke, Strukturen gefunden - Profil verloren. Noch einmal zur Erneuerten Agende: ZGP 10 [1992], H. 4, 22-26, hier 23). Cornehl sieht differenzierter dem VEA zwar keine einheitliche Theologie, aber ein durchdachtes theologisches Konzept des Gottesdienstes zugrunde liegen (vgl. Peter Cornehl, Was können wir von der Erneuerten Agende erwarten?: PTh 79 (1990), 479-485, hier 480). Kerner fordert Rechenschaft über die theologischen Grundlagen der beiden Grundformen (vgl. Kerner [Anm. 9], 203). Die Integration von offenen Formen sieht er aufgrund der Agende weiterhin begrenzt (vgl. ebd. 220 f.). Krieg kommt aufgrund einer bedenkenswerten Analyse des Strukturmodells zum Schluss: "Damit gilt aber weiterhin, daß die EA als solche zu einem bloßen Zeichensystem werden kann, einem bloßen Katalog symbolischer Gestaltungsmöglichkeiten. Damit aber wäre dann auch der Umgang mit ihr nicht mehr notwendigerweise Ausdruck existentieller Verantwortung (und somit des protestantisch-dezisionistischen Zugangs zum Gottesdienst)." (Gustav Adolf Krieg, Das Andere und die Zeichen. Marginalien zur Hermeneutik der Erneuerten Agende: ThLZ 116 [1991], 561-578, hier 573).

35) Vgl. Eilert Herms, Überlegungen zum Wesen des Gottesdienstes. Aus Anlaß der Entwurfs für eine "Erneuerte Agende": KuD 40 (1994), 219-247. Herms deduziert aus einem postulierten Glaubensbegriff eine Bestimmung des Wesens christlichen Gottesdienstes vor jeder Konkretion; er verlangt vom EG, es möge Agende im eigentlichen Wortsinn sein, während nur den einzelnen Gläubigen Variation zugestanden wird, nicht aber der Agende selbst.

36) Vgl. Jochen Cornelius-Bundschuh, (Rez.) Erneuerte Agende. Vorentwurf: ThLZ 117 (1992), 301-306, hier 302.306.

37) Vgl. Christoph Bizer, Das evangelische Christentum und die Liturgie. Zum Kirchenverständnis des neuen Agendenentwurfs: PTh 82 (1993), 148-159. Andere sehen in der Grundstruktur ein Mittel zur Instrumentalisierung des Gottesdienstes (vgl. Richard Ziegert, Vielfalt und Einheit im Gottesdienst. Zu den Aporien der "Erneuerten Agende": Ders. [Hrsg.], Vielfalt in der Einheit. Theologisches Studienbuch zum 175jährigen Jubiläum der Pfälzischen Kirchenunion. FS Wemer Schramm (Speyer 1993), 309-325, spez. 325).

38) Vgl. Horst Albrecht, Wessen Gottesdienst? Fremdbestimmung und Selbstbestimmung als Problem der Agende: ZGP 8 (1990), 16-19.

39) Dieser Anspruch ist nicht nur ein synchroner, sondern zugleich ein diachroner, wie Bieritz am Beispiel der katholischen Liturgiereform deutlich macht (vgl. Bieritz, Struktur [Anm. 20], 38).

40) Die Rede von der Struktur wird bei deren Ontologisierung gefährlich, die nicht mehr die unterschiedliche Funktion eines gleichen Strukturelements in verschiedenen Kontexten beachtet (vgl. Lurz [Anm. 27], 36-39.463-466). Eine Ontologisierung zeigt sich z. B. bei der Rede von Gesetzmäßigkeiten von liturgischen Entwicklungen.

41) Schulz, Struktur (Anm. 19), 93133.

42) Vgl. Bieritz, Agende (Anm. 31), 20-24.

43) Großmann macht jedoch in prägnanter Weise anhand des VEA deutlich, wie die Unterordnung bzw. Nachordnung von Frauen immer wieder in den Texten durchscheint (vgl. Sigrid Großmann, Die Erneuerte Agende aus feministischer Perspektive: Evangelische Kirche im Rheinland [Anm. 6], 39-52, hier 39-47).

44) Vgl. Erneuerte Agende - erneuerte Frauenvergessenheit. Stellung-nahme des Konvents evangelischer Theologinnen in der ev.- luth. Landeskirche Hannovers zum Vorentwurf der EA: ZGP 12 (1994), H. 4, 20f.; Katharina Wiefel-Jenner, "Das Weib schweige in der Gemeinde ...". Frauen im Gottesdienst und die Erneuerte Agende: Für den Gottesdienst Nr. 42 (1993), 31-33; Antje Heider-Rottwilm, Zur Arbeit an der "Erneuerten Agende" aus feministischer Sicht. Ein Zwischenbericht: Renate Jost/ Ulrike Schweiger [Hrsg.], Feministische Impulse für den Gottesdienst (Stuttgart 1996), 86-98; Brigitte Enzer-Probst, Gott dienen? Gott tanzen! Gottesbild und Gottesdienst aus der Perspektive von Frauen: ebd. 36-58; Renate Ganzhorn-Burkhart, Dann lassen Sie ihr Raum, Monsieur! Antwort an Gustav Roth: PTh 79 (1990), 57 f. gegen Gustav Roth, Die Sprache ist kein Mann, Madame. Bemerkungen zur inklusiven Sprache: PTh 79 (1990), 41-57. Roth ist allerdings in der Arbeitsgruppe immer wieder für eine frauengerechte Sprache eingetreten (vgl. Gustav Roth, Chancen der Erneuerten Agende: PTh 79 (1990), 452-462, hier 457-459).

45) Gerade die Vermeidung der Anrede ,Herr’ stößt aber auch auf Ablehnung (vgl. Jörg Neijenhuis, Nachwort: Zusammenfassung der Diskussionsbeiträge: Ders. [Hrsg.], Agende [Anm. 6] 77-81, hier 80). Großmann macht darauf aufmerksam, dass schon allein durch die Verwendung eines Attributes in Form eines Adjektivs (z. B. barmherziger Gott) oder einer Anrede (Gott, du Retter) Gott grammatisch als maskulin charakterisiert ist (vgl. Großmann [Anm. 43], 48 f.).

46) Vgl. Großmann (Anm. 43), 50 f.

47) Vgl. Teresa Berger, "Wie eine Mutter ihre Kinder zärtlich um sich schart ..." Zu Versuchen mit neuen ,Frauen-gerechten’ Eucharistiegebeten in den Kirchen: BThZ 10 (1993), 2-14, hier 9-11.

48) Vgl. Schulz, Endfassung (Anm. 11), 18. Ein Eucharistiegebet hebt Frauen als erste Glaubenszeuginnen hervor (vgl. EG 653).

49) Dezidiert bringt diesen Einwand Helmut Wenz, der in einem eigenen Kapitel seiner Arbeit auf den VEA eingeht und eine Stellungnahme von Frauengruppen zitiert (vgl. Helmut Wenz, Körpersprache im Gottesdienst. Theorie und Praxis der Kinesik für Theologie und Kirche [Leipzig 1995], hier 162-169).

50) Vor zu hohen Erwartungen an die Sprache der Agende warnt auch Joachim Stalmann, Der Gottesdienst der Tradition als aktuelle Gestaltungsaufgabe. Die Erneuerte Agende kommt näher: ZGP 7 (1989), H. 1,19-22, hier 20 f.; Ders., Alte und neue Texte für den Gottesdienst: Reich/Stalmann (Anm. 3), 49-55, hier 55. Schulz macht auf das Dilemma einer Suche nach einer aktuellen Sprache deutlich: "Jeder durch den Druck fixierte Text ist im Grunde tot; er kann sich dem Wandel der Sprache und der Situation nicht mehr anpassen." (Schulz, Einführung [Anm. 3] 87). Zur Kritik an der Sprache vgl. Rosenplänter (Anm. 10), 22; Walter Dold, Die erneuerte Agende aus der Sicht eines Nichttheologen: GDKM 1992, H. 1, 6-11, hier 9-11; Roosen (Anm. 15), 265 f.; Cornelius-Bundschuh (Anm. 36), 305 f.; Michael Meyer-Blanck, Zur Sprachqualität des Entwurfs Gottesdienstbuch: Neijenhuis [Hrsg.], Agende (Anm. 6), 53-64. Kritik aus seelsorglicher Sicht äußert Dietmar Bück, Seelsorge und religionspsychologische Anmerkungen zur Erneuerten Agende: Evangelische Kirche im Rheinland (Anm. 6), 22-38; moderater ist die Einschätzung von Josuttis, Erneuerung (Anm. 33), 508 f. Paul hingegen plädiert ausdrücklich, die Differenz zwischen verständigungsorientierter Alltagskommunikation und vollzugsorientierter ritueller Kommunikation zu wahren; die notwendige Verschränkung beider Ebenen sei durch eine Kasualisierung bzw. thematische Verdichtung des Gottesdienstes zu erreichen (vgl. Ingwer Paul, Sprachliche Probleme bei der Vermittlung von sakraler und profaner Sinnwelt: Evangelische Kirche im Rheinland [Anm. 6], 53-80).

51) Vgl. Johann Holzkorn, Das Kollektengebet in der Erneuerten Agende. Untersuchung zur neuesten Liturgiereform in der evangelischen Kirche, dargestellt am Prozess der Überarbeitung der Kollektengebete. Diss. (Wien 1992), 94.

52) Vgl. Schmidt-Lauber, Wege (Anm. 3), 126.

53) Schulz, Endfassung (Anm. 11), 17.

54) Die Entscheidung für ein bestimmtes Gottesbild hingegen fordert Christoph von Lowtzow, Bewegung im Ghetto: ZGP 10 (1992), H. 3, 19-21, hier 20.

55) Vgl. Joachim Stalmann, Herr des Himmels oder Freundin der Menschheit? Gottesanreden in der Erneuerten Agende und anderen Got-tesdienstbüchern: ZGP 16 (1998), H. 5, 13-16. Meyer-Blanck bescheinigt deshalb dem EG die Funktion der Deautomatisation der Gottesanrede (vgl. Meyer-Blanck, Sprachqualität [Anm. 50], 56).

56) Vgl. Friedemann Merkel, Einige theologische Bemerkungen zum Entwurf Gottesdienstbuch: Neijenhuis [Hrsg.], Agende (Anm. 6), 65-76, hier 71.

57) Vgl. Holzkorn (Anm. 51), 67-78.

58) Vgl. Maik Fleck/Sylvia Bukowski, Israel in der "Erneuerten Agende". Hinweise aus dem Ausschuß "Christen und Juden" des Reformierten Bundes: RKZ 133 (1992), 205-208; Erich Spier, Erneuerte Agende - erneuerte Israelvergessenheit? Beobachtungen am Vorentwurf der EA: ZGP 12 (1994), H. 4, 21-24; Cornelius-Bundschuh (Anm. 36), 304; Denecke (Anm. 34), 23. Vgl. auch die bei Schulz, Verbindlichkeit (Anm. 15) 51 angezeigte Kritik.

59) Im VEA findet sich das Formular noch am Schluss der Reihe Besondere Tage und Anlässe (vgl. VEA 428-432), im EG rückt es in dieser Reihe weit nach vorne, direkt hinter die Amtshandlungen (vgl. EG 450 f.).

60) Daneben wird aber auch der Umgang mit atl. Texten (speziell den Psalmen) beklagt, der eine theologische Umdeutung bzw. Christologisierung bewirke (vgl. Lowtzow [Anm. 54], 20; Schulz, Verbindlichkeit [Anm. 15], 51), wie auch der unkritische und vereinnahmende Gebrauch des Volk-Gottes-Begriffs. Der von Albert Gerhards hervorgehobene sensible Umgang mit der Bundeskategorie (vgl. Albert Gerhards, Kontinuität und Divergenz. Konzepte der Bundestheologie im Eucharistischen Hochgebet: Klemens Richter/Benedikt Kranemann [Hrsg.], Christologie der Liturgie. Der Gottesdienst der Kirche - Christusbekenntnis und Sinaibund = QD 159 [Freiburg 1995], 207-223, hier 216-218), in einem Eucharistiegebet (vgl. VEA 631-633), ist im EG allerdings wieder revidiert worden (vgl. EG 643 f.).

61) Eine eigene Präfation zu diesem Formular (vgl. VEA 432; EEA 614) gibt es im EG nicht mehr.

62) In die Orationen zweier Festtage ist gegenüber dem VEA ein Israelbezug neu eingebracht worden (in einem dritten Formular bestand er schon), der die Sendung Jesu zunächst an Israel deutlich macht: "... Simeon und Hannah haben deinen Sohn gesehen und als Heiland der Welt gepriesen: Lass uns mit ihnen das Heil schauen, das du Israel und allen Völkern bereitet hast durch ihn, Jesus Christus ..." (EG 425); "... durch Johannes den Täufer hast du Israel, dem erwählten Volk, deinen Christus verkündigt ..." (EG 429), "... du hast deinen Sohn in die Welt gesandt, als Licht für die Heiden und zum Preis deines Volkes Israel ..." (VEA 377; EEA 439; EG 459). Es geht aber nicht um eine Abgrenzung, sondern um die Benennung der biblischen Situation.

63) Zu ausführlicheren Darstellungen und Analysen der Eucharistiegebete des VEA vgl. Hans-Christoph Schmidt-Lauber, Das Eucharistiegebet in der Erneuerten Agende 1990: Erich Renhart/Andreas Schnider [Hrsg.], Sursum corda. FS Philipp Harnoncourt (Graz 1991), 159-166; Ders., Die Erneuerung des eucharistischen Gebets: Völker [Hrsg.], Eucharistie (Anm. 6), 34-60; Ders., Der Beitrag der Ökumene zur Erneuerten Agende in Deutschland. Dargestellt am Eucharistischen Hochgebet: LJ 47 (1997), 89-98; Renate Gerhard, "... und das Fest mit uns feierst". Tendenzen gegenwärtiger Abendmahlstheologie und Abendmahlsfrömmigkeit im Spiegel neuerer Eucharistiegebete: Peter Cornehl [Hrsg.], "... in der Schar derer, die da feiern". Feste als Gegenstand praktisch-theologischer Reflexion. FS Friedrich Wintzer (Göttingen 1993), 180-193, hier 186-193; Neijenhuis, Jörg: Das Eucharistiegebet - Struktur und Opferverständnis. Untersucht am Beispiel des Projekts der Erneuerten Agende. Leipzig: Evang. Verlagsanstalt 1999. 367 S. gr.8 = Arbeiten zur Praktischen Theologie, 15. ISBN 3-374-01790-8.

64) Vgl. Völker [Hrsg.], Eucharistie (Anm. 6); Gustav Roth, Abendmahlsgebet und eucharistischer Lebensstil: Reich/Stalmann (Anm. 3), 77-84; Wolfgang Schöne, Eucharistische Frömmigkeit. Anfrage und Aufgabe für evangelische Christen: DtPfrBl 91 (1991), 236-238.

65) Schulz, Endfassung (Anm. 11), 18. Die kurzen Eucharistiegebete stellen sich als Einsetzungsworte mit sehr knapper Gebetsumrahmung dar, ohne die Elemente altkirchlicher Eucharistiegebete aufzuweisen. Schlemmer kritisiert dort den ,willkürlichen Umgang’ mit den Strukturelementen (vgl. Karl Schlemmer, Liturgietheologische und liturgiepraktische Überlegungen und Beobachtungen im Hinblick auf das Deutsche Messbuch und auf den Entwurf Gottesdienstbuch: Neijenhuis [Hrsg.], Agende [Anm. 6], 35-52, hier 50 f.). Für Gemeinden, die bislang kein Hochgebet kannten, könnten sie aber einen Einstieg in eine unbekannte Form bilden.

66) Richter hebt hervor, dass das deutsche Messbuch selbstverständliche Quelle des VEA bilde (vgl. Klemens Richter, Neue Maßstäbe. Der Vorentwurf der Erneuerten Agende: Gottesdienst 26 (1992), 105-107, hier 105); durch die parallele Entwicklung sei nun ein Durchbruch zu ökumenischer Gemeinsamkeit erzielt (vgl. Klemens Richter, Das eucharistische Hochgebet - ein Durchbruch zu ökumenischer Gemeinsamkeit: Bernd Jochen Hilberath/Dorothea Sattler [Hrsg.], Vorgeschmack. Ökumenische Bemühungen um die Eucharistie. FS Theodor Schneider [Mainz 1995], 308-325). Häußling sieht keine konfessionellen Vorbehalte mehr gegen das Eucharistiegebet (vgl. Angelus A. Häußling, [Rez.] Erneuerte Agende. Vorentwurf: ALw 33 [1991], 178-180, hier 179).

67) Bieritz, Agende (Anm. 31), 17; vgl. Ders., Liturgik (Anm. 31), 14-17.

68) Vgl. Neijenhuis, Eucharistiegebet (Anm. 63).

69) Problematisch bleibt der methodische Ansatz, mit Paraphrasen statt mit Zitaten zu arbeiten, so dass v. a. das 2. Kapitel einen deskriptiven Charakter erhält. Einige getroffene und leider überhaupt nicht mit Literatur belegte oder von ihr abgegrenzte Definitionen, auf die sich die Analyse nachfolgend stützt, mindern die Aussagekraft der Arbeit: Warum werden vier verschiedene Formen der Epiklese unterschieden (vgl. ebd. Anm. 112)? Warum ist eine Bitte um das Wirken des Vaters eine ,unechte Epiklese’ (vgl. ebd. Anm. 212.217.220)? Ist die Definition "Geht den Verba testamenti eine Wandlungsepiklese voraus, so bezieht sich die Darbringung auf den Leib und das Blut Christi." (ebd. Anm. 111) nicht zu pauschal?

70) Zur bislang nicht publizierten Beurteilung des theologischen Ausschusses und der Kirchenleitung der VELKD vgl. Neijenhuis, Eucharistiegebet (Anm. 63), 271-275; Morath, Struktur (Anm. 3), 231.

71) Vgl. Dorothea Wendebourg, Den falschen Weg Roms zu Ende gegangen? Zur gegenwärtigen Diskussion über Martin Luthers Gottesdienstreform und ihr Verhältnis zu den Traditionen der Alten Kirche: ZThK 94 (1997), 437-467, hier 441.

72) Wendebourg zieht zwei problematische Folgerungen: Da die Konsekration ein inkarnatorisches Geschehen sei, werde [gemäß dem Duktus man muss hinzufügen: fälschlich] "dem eucharistischen Gebet etwas zugeschrieben, was über die Vergegenwärtigung der Heilsgeschichte im dankbaren Gedächtnis der Kirche hinausgeht und was die ererbten alttestamentlich-jüdischen Formen sprengt" (ebd. 454). Nur das Wort Christi selbst könne diese Vergegenwärtigung bewirken (vgl. ebd. 454-457). Für die Konsistenz ihrer Ausführungen ist notwendig, dass sie den frühen, allein auf die Kommunikanten bezogenen Epiklesen jeden konsekratorischen Charakter abspricht (vgl. ebd. 45468) und die späteren expliziten Wandlungsepiklesen in grundsätzlicher Abhängigkeit von den Einsetzungsworten sieht (vgl. ebd. 455 f., spez. 45570); letzteres stimmt m. E. für einen großen Teil der altkirchlichen Liturgien nur in Bezug auf die Worte Christi beim Stiftungsereignis selbst, nicht aber in Bezug auf die aktuell in der Feier gesprochenen Einsetzungsworte. Eine zweite Folgerung aus der gegenüber dem lateinischen Erbe etablierten Umfunktionierung der Einsetzungsworte zur "verkündigende(n) Anrede Christi an die gegenwärtig feiernde Gemeinde" (ebd. 460), die in den sichtbaren Zeichen von Brot und Wein leiblich erfahrbar werde und auf die gläubige Annahme in der Kommunion ziele (vgl. ebd. 461 f.), mache eine deutliche Trennung von vorgängiger Aktion Gottes und antwortender Aktion der Kirche notwendig (vgl. ebd. 463). Indem diese Interpretation als eigentliche Bestimmung des Abendmahls absolut gesetzt wird, folgt umgekehrt: "Der Dank kann nicht selbst die Weise der Vergegenwärtigung Christi, das Medium der Präsenz des Heiles sein, sondern ihr nur respondieren." (ebd. 466)

Einem Eucharistiegebet, wie es das EG in Grundform I vorsieht, ist damit eine klare Absage erteilt; den Versuch, beide Handlungsdimensionen schon in Luthers Abendmahlssermon von 1520 nachzuweisen, weist Wendebourg zurück (vgl. ebd. 466110). Damit wird eine Position wiederholt, die von Einzelnen schon in der Diskussion um die Lima-Liturgie bezogen wurde, aber auch heute noch geteilt wird (vgl. auch Reinhard Slenczka, Herrenwort oder Gemeindegebet? Eine zur Klärung von dringenden Fragen notwendige Kontroverse: KuD 44 [1998]), 275-289, hier 282-284): Katabatisches und anabatisches Geschehen ereignen sich nicht in- und miteinander, zwischen dem Handeln Christi und dem dankenden Handeln der Gemeinde müsse klar unterschieden werden. Die Gemeinde sei primär Empfangende und erst nach der Kommunion Dankende. Daraus folge besonders die Verwerfung einer Epiklese im Eucharistiegebet, da sie die konsekratorische Wirkung der Herrenworte verunklare (vgl. Ernst Volk, Mahl des Herrn oder Mahl der Kirche? Theologische Anmerkungen zu einem ökumenischen Dokument: KuD 31 [1985], 33-64; Ders., Evangelische Akzente im Verständnis der Eucharistie: KuD 32 [1986], 188-205). Schwarz begründet eine ähnliche Kritik an der Lima-Liturgie und den Eucharistiegebeten des VEA mit der Theologie Luthers (vgl. Reinhard Schwarz, Der hermeneutische Angelpunkt in Luthers Messreform: ZThK 89 [1992], 340-364). Holze kommt demgegenüber durch den Vergleich mit den frühreformatorischen Ordnungen zu einer positiven Einschätzung des Eucharistiegebets (vgl. Heinrich Holze, Unreformatorischer Gottesdienst? Die Abendmahlsfeier der Lima-Liturgie aus der Sicht frühreformatorischer Gottesdienstordnungen: ZThK 88 [1991], 287-312).

73) Vgl. Hans-Christoph Schmidt-Lauber/Frieder Schulz, Kerygmatisches oder eucharistisches Abendmahlsverständnis. Antwort auf eine kritische Herausforderung der gegenwärtigen Liturgiewissenschaft: LJ 49 (1999), 93-114, hier 97.105. Wendebourgs Darstellung der vorreformatorischen Zeit korrigiert allerdings Hans-Christian Seraphim, Das Sakrament des Herrenmahls ohne Eucharistiegebet? Kritische Überlegungen zur Antrittsvorlesung von Dorothea Wendebourg in Tübingen: AnzSS 108 (1999), 224-226, hier 224. Schon die Idealisierung von Luthers Dt. Messe halte der vielfältigen Praxis des 16. Jh.s und der moderateren Sicht Luthers selbst nicht stand (vgl. Schmidt-Lauber/Schulz [s. o.], 95 f.106). Schmidt-Lauber kritisiert das evolutionsorientierte Geschichtsdenken der Thesen (vgl. ebd. 102 f.). Schulz macht zudem deutlich, dass die Integration kerygmatischer Formen in Gebete schon in den Psalmen zu finden sei und dass man selbst bei Luthers Dt. Messe eine strikte Trennung von göttlichem Wort und Antwort der Gemeinde nicht vornehmen könne (vgl. ebd. 107 f.). Zudem könnten Wendebourgs Thesen dann einer historischen Überprüfung nicht standhalten, wenn man die Fülle reformatorischer Abendmahlsordnungen heranziehe (vgl. ebd. 108-113). Seraphim betont, dass die Ablehnung eines Eucharistiegebets sich gegen den Wiederholungsbefehl Christi selbst stelle, der sich auf das ÂfÏÔÁÂÖÓ/ ÂfÚÈÛÙÂÖÓ der Einsetzungsworte beziehe (vgl. Seraphim, Sakrament [s. o.], 225).

74) Verwunderung löst für einen kath. Betrachter die sprachliche Fassung des Einsetzungsberichts aus: Das EG übernimmt die Fassung aus Luthers Dt. Messe, lässt nur im Kelchwort die Wahl zwischen den Begriffen Testament und Bund frei (vgl. EG 28). Nur für den Bereich der EKU ist der Text nach 1Kor 11,23-25 freigegeben (vgl. EG 28). Da aber die Textgestalt in Syntax und Wortwahl ganz nah am Text des 16. Jh.s bleibt (meist ist nur die Orthographie modernisiert), dieser Text aber in Eucharistiegebete mit möglichst moderner Sprache integriert wird, ergibt sich ein sprachlicher Bruch, der die Einheit des ganzen Gebets nicht mehr erfahrbar werden lässt. Vgl. auch David Tripp, Erneuerte Agende aus ökumenischer Sicht: GAGF Nr. 20 (1994), 3-56, hier 29.

75) Josuttis, Erneuerung (Anm. 33), 508.

76) Gerade diese Verbindung und Stellung ist von kath. Seite ausdrücklich gelobt worden (vgl. Richter, Maßstäbe [Anm. 66], 106 f.; Ders. Durchbruch [Anm. 66], 319-321).

77) Vgl. Karl Zeidel, Lutherisches Meßopfer? Katholisierende Tendenzen in den Abendmahlsgebeten der Erneuerten Agende: Korrespondenzblatt 107 (1992), 132-136, hier 133 f. Während z. B. Wendebourg die Berechtigung der Epiklese ganz in Frage stellt, möchte Kühn aufgrund der Eucharistiegebete des VEA sogar die Berechtigung der herkömmlichen Festlegung eines Konsekrationsmomentes hinterfragen (vgl. Ulrich Kühn, Wort oder Antwort? - Ökumenische Herausforderung an das lutherische Verständnis des Gottesdienstes: Morath/Ratzmann [Anm. 3], 143-156, hier 150-152).

78) Die Auslassung bzw. Überarbeitung der Darbringungsaussagen hat von katholischer Seite Kritik erfahren, da die wichtige Dimension der Hineingabe der Gemeinde in die Hingabebewegung Christi an den Vater nicht benannt werde (vgl. Martin Stuflesser, Memoria Passionis. Das Verhältnis von lex orandi und lex credendi am Beispiel des Opferbegriffs in den Eucharistischen Hochgebeten nach dem II. Vatikanischen Konzil = MThA 51 [Altenberge 1998], 398-411).

79) Vgl. Zeidel (Anm. 77) 133-135.

80) Vgl. Hans-Christian Seraphim, Messopfer und Eucharistie. Weg und Irrweg der Überlieferung: KuD 44 (1998), 238-274, hier 241-258; erst mit der Liturgiereform sei diese Theorie in die Texte selbst eingetragen worden (vgl. ebd. 260 f.). Auf der Ebene der theologischen Diskussion sei der Konsens über den Opferbegriff weit fortgeschritten (vgl. Ulrich Kühn, Abendmahl und Opfer: Völker [Hrsg.], Eucharistie [Anm. 6], 61-76). Kühn bescheinigt den Texten, dass eine deutliche Tendenz zur Personalisierung der Opfervorstellung zu verzeichnen sei und gegen eine Einbeziehung der Gemeinde in die Hingabebewegung Christi an den Vater keine dogmatischen Bedenken bestehen; nur eine Formulierung des VEA bleibt für ihn missverständlich (vgl. ebd. 71-73).

81) Vgl. Stuflesser (Anm. 78), 398-411, spez. 410 f.

82) Die Formulierung der Traditio Apostolica ("Seines Todes und seiner Auferstehung eingedenk bringen wir dir das Brot und den Kelch dar. Wir sagen dir Dank, daß du uns für würdig erachtet hast, vor dir zu stehen und dir als Priester zu dienen.") wurde bereits im VEA abgeändert: "So gedenken wir vor dir, Vater im Himmel, des Todes und der Auferstehung deines Sohnes. Wir kommen vor dein Angesicht mit diesem Brot und diesem Kelch. Wir sagen dir Dank, daß du uns berufen hast, vor dir zu stehen und dir zu dienen." (VEA 619). Nun ist aber jede Formulierung weggelassen, die ein Bringen von Brot und Wein thematisiert: "So gedenken wir vor dir, unser Gott, des Todes und der Auferstehung deines Sohnes. Wir danken dir, dass du uns berufen hast, dir zu dienen." (EG 646). Auch bei der Lima-Liturgie wurde die Vorlage ("Blicke, Herr, auf diese Eucharistie, die du selber der Kirche geschenkt hast, nimm sie gnädig an, wie du das Opfer deines Sohnes annimmst, durch das wir wieder aufgenommen sind in deinen Bund.") bereits im VEA abgeändert: "Und wie du das Opfer deines Sohnes angenommen hast, so nimm auch uns an, mit unserem Dank für die Gaben, die du uns geschenkt und gesegnet hast." (VEA 626 f.). Jetzt ist jeder Bezug zu den Gaben vermieden: "Gedenke seiner Hingabe und lass allen Menschen zugute kommen, was er für uns vollbracht hat. ... Nimm unsern Dank gnädig an für alles, was du uns schenkst." (EG 657 f.).

83) Frieder Schulz, Das Opfermotiv in der liturgischen Tradition der Reformationskirchen bis heute: GAGF Nr. 34 (1999), 47-72, hier 63. Schulz hatte schon für den VEA den sparsamen Gebrauch des Opferbegriffs selbst für den Tod Christi konstatiert (vgl. Ders., Die Eucharistiefeier im katholischen Weltkatechismus. Katholische lex credendi und evangelische lex orandi. Konvergenz und Divergenz: LJ 44 [1994], 131-145, hier 136). - Eine entfaltete Bereitung der Gaben war im VEA noch als Variante C2 vorgesehen (vgl. VEA 116-120). Für sie standen besondere, entsprechend evangelischer Theologie (um-)geformte Dankopfergebete bereit (vgl. VEA 596-599), die auf Kritik stießen (vgl. Zeidel [Anm. 77], 132 f.; positive Beurteilung bei Kühn, Opfer [Anm. 80], 73; Ders., Wort [Anm. 77], 154 f.). Das EG führt nur noch drei solcher Gebete an (vgl. EG 109.553); typisch ist die Formulierung: "So bringen wir dir mit Dank auch Brot und Wein, stellvertretend für die vielen guten Gaben, mit denen du unser Leben erhältst und segnest" (EG 553). Bei den offenen Formen hingegen wird die Möglichkeit der Bereitung von Altar und Gaben ungezwungen vorgestellt (vgl. EG 206.212.217.229; Bieritz, Agende [Anm. 31], 18).

84) Das EG steht neben anderen neuen liturgischen Büchern, wie z.B. dem Eucharistiebuch der Altkatholiken in Deutschland und den Vorarbeiten für eine Revision des dt. Messbuchs in den katholischen Diözesen. Häußling bemerkt schon zum VEA, dass man daran bei einer Erneuerung des Messbuchs nicht vorbeigehen könne (vgl. Häußling [Anm. 66], 180).

85) So wird z. B. die Übernahme der Formel "Geheimnis des Glaubens" und der Einladungsformel zum Friedensgruß kritisiert (vgl. Lowtzow [Anm. 54], 20; Merkel, Bemerkungen [Anm. 56], 70 f. Sehr kritisch: Bernhard H. Bonkhoff, Gottesdienstpolitik ohne Gottesdienstgemeinde? Zur Erneuerten Agende: DtPfrBl 92 [1992], 142-144).

86 Vgl. Frieder Schulz, Sieben Besonderheiten der Erneuerten Agende: PTh 79 (1990), 463-471; Ders., Katholische Einflüsse auf die evangelischen Gottesdienstreformen der Gegenwart: PTh 86 (1997), 134-152, hier 145-152. Groscurth plädiert für eine stärkere Orientierung am Eucharistiebuch der UCC, um stärker den Schöpfungs- und Befreiungsaspekt im Eucharistiegebet zu verankern (vgl. Reinhard Groscurth, Das Eucharistie-Gebet und der Erste Artikel. Anmerkungen zu einer Gastvorlesung von Professor Frederick Herzog: BThZ 8 (1991), 118-120). Als dezidiert ökumenische Stellungnahmen vgl. Tripp (Anm. 74); Klemens Richter, Die "Erneuerte Agende". Nähe und Distanz zur erneuerten katholischen Liturgie: GAGF Nr. 19 (1994), 3-22.



87) Vgl. Lowtzow (Anm. 54) 20. Theophil Müller, Katholische Einflüsse - "na und?" oder "so nicht!"?. Überlegungen zu: Frieder Schulz, "Katholische Einflüsse auf die evangelischen Gottesdienstreformen der Gegenwart": PTh 86 (1997), 153-162. In seiner Entgegnung macht Schulz auf das inklusive und keineswegs hochkirchliche Konzept der zwei Grundformen aufmerksam, das den unterschiedlichen Gruppen von Menschen gerecht werden möchte (vgl. Frieder Schulz, Bemerkungen zum Beitrag von Theophil Müller: ebd. 163-166). Die vorgesehene ökumenische Breite stieß selbst in der den VEA erstellenden Arbeitsgruppe nicht nur auf Zustimmung, da es auch Befürworter einer stark elementarisierten Liturgie gab, die notfalls abgelesen werden konnte (vgl. Bieritz, Agende [Anm. 31], 9 f.)

88) Bieritz, Gottesdienstbuch (Anm. 31), 27.