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Ausgabe:

November/1999

Spalte:

1083–1106

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Flogaus, Reinhard

Titel/Untertitel:

Einig in der Rechtfertigungslehre? Historisch-kritische Exegese einer ökumenischen Konsenserklärung

Verlag:

Überlänge! Überhang steht mit im Fußnotentext.

I.

Am 31.10.1999 wurde in Augsburg von Vertretern des Päpst-lichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen und des Lutherischen Weltbundes die "Gemeinsame Offizielle Feststellung" (GOF) mit dem ihr beigegebenen "Anhang" (Annex)1 zur Bestätigung der "Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre" (GER)2 feierlich unterzeichnet. Damit haben die Römisch-Katholische Kirche und der Lutherische Weltbund nur gut ein Jahr nach dem ökumenischen Debakel, das durch die am 25.6.1998, dem Gedenktag der Augsburger Konfession, veröffentlichte Antwort des Heiligen Stuhles zur GER ausgelöst worden war,3 überraschenderweise doch wie geplant ihre "Übereinstimmung in Grundwahrheiten der Rechtfertigungslehre" (Annex 1) offiziell erklärt. Daß diese Einigung über das Herzstück des evangelischen Glaubens, an dem sich im 16. Jh. die Kirchen schieden, ausgerechnet am Reformationstag und dann auch noch in Augsburg paraphiert worden ist, ist zweifellos von hohem Symbolwert. Die ökumenische Botschaft von Augsburg ist gewiß erfreulich und ermutigend - doch ist es mit Blick auf die jetzt unterzeichneten Dokumente auch inhaltlich gerechtfertigt, von einem "Konsens in Grundwahrheiten der Rechtfertigungslehre" (GER 40/GOF 1) zu sprechen?

Lassen wir zunächst einmal die formalen Schwierigkeiten beiseite, die der Augsburger Akt der Unterzeichnung durch das Präsidium des LWB für die lutherischen Kirchen mit sich gebracht hat, so zeigt schon ein flüchtiger Blick auf das jetzt bestätigte Textkonvolut, daß sich in den verschiedenen Dokumenten mehrfach höchst unterschiedliche Aussagen zu ein und demselben theologischen Sachverhalt finden, ohne daß zugleich geklärt wäre, welcher dieser Aussagen jeweils die größere Verbindlichkeit zukommt. Daß die von Eberhard Jüngel bereits 1997 eingeforderte "Klarheit" in Sachen Rechtfertigungslehre4 mit dem jetzigen Dreiklang von GER5, GOF und Annex tatsächlich erreicht worden ist, kann - entgegen der jüngsten irenischen Äußerungen des ansonsten kompromißlos für die Wahrheit streitenden Theologen6 - mit guten Gründen bezweifelt werden. Zumindest an einigen Punkten scheint es bei einem eher disharmonischen Nebeneinander unterschiedlicher Töne geblieben zu sein. Doch vor einer gründlichen Untersuchung der einzelnen theologischen Aussagen der GOF und ihres Anhangs, soll zuerst in groben Zügen der Weg nachgezeichnet werden, der zu dieser Erklärung geführt hat.

II.

Die GER verdankt ihr Entstehen zu einem guten Teil der Vorarbeit der Gemeinsamen Ökumenischen Kommission evangelischer und römisch-katholischer Theologen in Deutschland, die 1985 als Ergebnis ihrer vierjährigen Arbeit das Dokument "Lehrverurteilungen - kirchentrennend?" vorgelegt hatte.7 Mit einer gemeinsamen Stellungnahme der AKf, der VELKD und des DNK des LWB8 war dieses Dokument dann am 18.12.1994 vom damaligen Ratsvorsitzenden der EKD, Bischof Klaus Engelhardt, dem Papst überreicht worden, freilich ohne daß es in der Folge auch zu der erhofften offiziellen Zustimmung des Heiligen Stuhles zu diesem Text gekommen wäre.9 An weiteren wichtigen Vorarbeiten zur GER sind sodann der in GER 3 erwähnte Bericht "Rechtfertigung durch den Glauben"10 von 1983 zu nennen über den Dialog zwischen Lutheranern und Katholiken in den USA sowie das Dokument "Kirche und Rechtfertigung" des bilateralen Dialogs auf Weltebene von 1994.11 Von diesen beiden Gesprächen ging dann auch der unmittelbare Impuls für das Projekt einer Gemeinsamen Erklärung aus. Nachdem am 16.3.1993 die Evangelisch-Lutherische Kirche in Amerika dem LWB mitgeteilt hatte, daß sie erwäge, zum Jahr 1997 offiziell zu erklären, die lutherischen Lehrverurteilungen zur Rechtfertigungslehre träfen die heutige römisch-katholische Lehre nicht mehr, beschloß der Rat des LWB am 18.6.1993, sich dieses Projekt zu eigen zu machen und seinerseits einen Konsultationsprozeß hierüber einzuleiten.12 Dieses Projekt einer Erklärung über die Lehrverurteilungen verband sich dann mit der aus dem Internationalen Katholisch-Lutherischen Dialog erwachsenen Absicht, einen Konsens über die Rechtfertigungslehre zu formulieren, wozu bereits auf einer Strategiekonferenz zur weiteren Planung dieses
Dialogs am 3.5.1993 in Genf eine Arbeitsgruppe eingesetzt worden war.13 Nach Kontaktaufnahme des Generalsekretariats des LWB mit dem Päpstlichen Einheitsrat wurde im Herbst 1993 von diesen beiden Gremien eine gemeinsame Kommission von Theologen mit der Ausarbeitung einer Erklärung über das gemeinsame Verständnis der Rechtfertigung und über die Lehrverurteilungen des 16. Jahrhunderts beauftragt. Diese Sechserkommission14 legte im März 1994 einen ersten Textentwurf vor, der nach Begutachtung durch verschiedene Experten und mehrfacher Überarbeitung15 schließlich am 30.1.1995 vom Generalsekretär des LWB, Dr. Ishmael Noko, den 122 Mitgliedskirchen des LWB zugesandt wurde mit der Bitte, binnen Jahresfrist zu dieser Erklärung Stellung zu nehmen.16

Als bis zum Mai 1996 jedoch nur 36 Kirchen eine Antwort auf den ausdrücklich nicht zur Veröffentlichung freigegebenen Text nach Genf geschickt hatten und hiervon nur sechs uneingeschränkt und acht mit Veränderungswünschen zugestimmt hatten,17 wurde vom Einheitsrat und dem Generalsekretariat eine weitere, nunmehr 14-köpfige Kommission mit der Überarbeitung des Textentwurfes betraut.18 Diese Kommission, die vom 2.-8.6.1996 in Würzburg tagte, redigierte die Fassung vom Herbst 1994 auf Grundlage einer Analyse der beim LWB eingegangenen Antworten durch das Straßburger Institut für Ökumenische Forschung19 sowie unter Berücksichtigung von Veränderungsvorschlägen des Päpstlichen Einheitsrates, die dieser im November 1995 auf der Grundlage von Rückäußerungen der nationalen Bischofskonferenzen erstellt hatte.20 Noch im Juni 1996 wurde die soeben beschlossene Textfassung einer weiteren Gruppe sogenannter "eminent persons" des Luthertums zur Begutachtung vorgelegt, wobei ein Teil der Würzburger Delegation - aber eben nur ein Teil! - auch jetzt wieder mit am Tisch sitzen durfte.21 Vom 16.-18.1.1997 trat dann die um drei Mitglieder verkleinerte Kommission vom
Vorjahr erneut in Würzburg zusammen, um nunmehr unter Berücksichtigung von Änderungswünschen der lutherischen Kirchen und des Einheitsrates22 eine endgültige Textfassung zu erstellen. Wegen erheblicher Bedenken gegen einige (zum Teil neu in den Text gelangte) Formulierungen beantragte der Vorsitzende des DNK, Landesbischof H. Hirschler, auf der folgenden Sitzung des Exekutivkommitees des LWB eine abermalige Überarbeitung des Textes, scheiterte jedoch mit diesem Antrag knapp.23

Mit Schreiben vom 27.2.1997 sandte Generalsekretär Noko daraufhin den Mitgliedskirchen des LWB erneut die GER zu, nun aber in der "endgültigen" Fassung vom Januar 1997, und bat darum, bis zum 1.5.1998 mitteilen zu wollen, ob die Schlußfolgerung der Erklärung bejaht werde, daß "aufgrund der Übereinstimmung über das grundlegende Verständnis und die grundlegende Wahrheit unserer Rechtfertigung in Christus, welche die gemeinsame Erklärung bezeugt, die Lehrverurteilungen der Lutherischen Bekenntnisschriften hinsichtlich der Rechtfertigung die Lehre der römisch-katholischen Kirche über die Rechtfertigung, wie sie in der Gemeinsamen Erklärung dargestellt ist, nicht mehr treffen".24

Was in Deutschland nun folgte, war die zunächst durch einen Artikel von Bischof W. Kasper veranlaßte und dann durch E. Jüngels Aufsatz "Um Gottes Willen - Klarheit!" ausgelöste breite publizistische Kontroverse um die GER innerhalb der akademischen evangelischen Theologie.25 Nachdem die vom 25.-28.9.1997 auf der Leipziger Konsultation von Kirchenleitung und Theologie erarbeitete Abänderung26 des ursprünglichen Beschlußvorschlages des DNK des LWB zur GER vom 4.6.199727 bei der Verabschiedung eines revidierten Beschlußvorschlages am 18.10.1997 von der Bischofskonferenz der VELKD nur teilweise umgesetzt worden war,28 kam es im Januar 1998 zu einer Unterschriftenaktion, in deren Verlauf sich mehr als 160 evangelische Hochschullehrer einem Votum gegen die vorliegende Form der GER anschlossen.29 Dies führte dann dazu, daß die Zustimmung der meisten deutschen Landeskirchen, die sich in den darauffolgenden Wochen mit der GER zu befassen hatten, recht verhalten ausfiel. Völlig die Zustimmung verweigert hatte von den deutschen lutherischen Kirchen zwar nur die kleine Lutherische Kirche in Baden, doch auch die Lippische Landeskirche (Lutherische Klasse), die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Schaumburg-Lippe und auch die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Hannover hatten zumindest das Vorliegen eines "Konsenses in Grundwahrheiten der Rechtfertigungslehre" ausdrücklich verneint.30 Insgesamt war die Beschlußlage gerade in Deutschland so verworren und kompliziert, daß der LWB erst das Straßburger Institut für Ökumenische Forschung mit einer Analyse der Antworten beauftragen mußte, bevor er überhaupt wußte, woran er eigentlich war.31

Als bis zum 8.6.1998 weltweit 86 Kirchen (von insgesamt 122) geantwortet hatten und davon 79 Antworten als Zustimmungen gewertet worden waren,32 beschloß der Rat des LWB am 16.6.1998, daß auf der Grundlage dieses Mehrheitsvotums "den Übereinstimmungen in der Rechtfertigungslehre, wie sie in der ,Gemeinsamen Erklärung’ dargelegt sind, zugestimmt wird und daß aufgrund dieser Übereinstimmungen erklärt wird, daß die Lehrverurteilungen der lutherischen Bekenntnisschriften, die die Lehre von der Rechtfertigung betreffen, die Lehre der Römisch-Katholischen Kirche, wie sie in der ,Gemeinsamen Erklärung’ vorgelegt wird, nicht treffen."33 Doch durch die Veröffentlichung der bereits Ende Mai vom Papst gebilligten Antwort des Heiligen Stuhles am 25.6.1998 bekamen die Dinge eine neue Wendung. Diese römische Note, die auch auf katholischer Seite Bestürzung auslöste,34 ließ beispielsweise für die EKD zunächst keinen anderen Schluß zu, als daß beide Ziele der GER, die Formulierung eines Konsenses und die Erklärung über die Lehrverurteilungen, gerade nicht erreicht worden seien.35

In einer für den Präfekten der Glaubenskongregation doch recht unkonventionellen Weise - mit einem Leserbrief in der F.A.Z. nämlich - meldete sich daraufhin Kardinal Ratzinger beschwichtigend zu Wort und erklärte, daß nur "der erste Teil" der Antwort "im eigentlichen Sinn die ,Erklärung’ des Heiligen Stuhles zur Konsensfrage" sei, während die angefügten "Präzisierungen" "einen durchaus anderen Stellenwert" hätten.36 Reichlich spät, nämlich erst am 30.7.1998, sandte schließlich Kardinal Cassidy die römische Antwort zusammen mit einem um Schadensbegrenzung bemühten, die Kluft jedoch zum Teil eher noch vertiefenden Begleitschreiben offiziell an den Generalsekretär des LWB.37 Nachdem Kardinal Ratzinger jedoch bereits im August 1998 die Ausarbeitung eines Zusatzdokumentes zur Rettung der geplanten gemeinsamen Unterzeichnung der GER angeregt hatte,38 kam es am 3.11.1998 auf
Initiative des bayerischen Altlandesbischofs Johannes Hanselmann () zu einem ersten Verständigungsgespräch in Regensburg, jener Stadt, in der im Juli 1541 der letzte ernstzuneh-
mende Einigungsversuch zwischen den Anhängern der CA und den altgläubigen Ständen gescheitert war. An jenem "Regensburger Gespräch" im November 1998 nahmen außer Altlandesbischof Hanselmann und dem Präfekten der Glaubenskongregation von römisch-katholischer Seite der Paderborner Theologieprofessor Heinz Schütte und von lutherischer Seite der Neuendettelsauer Theologieprofessor Joachim Track teil, der zugleich Mitglied des Exekutivkomitees des LWB ist. Gemeinsam wurde bei dieser Beratung ein Papier erstellt, das dann als Grundlage für die Erarbeitung von GOF und Annex dienen sollte.39 Zehn Tage später legte Track auf einer Sitzung des Exekutivkomitees des LWB in Genf umfangreiche "Grundsatzüberlegungen" vor zu den durch die Antwortnote des Vatikans und den Brief von Kardinal Cassidy aufgeworfenen Fragen, in denen er dafür plädierte, zur Ermöglichung einer gemeinsamen Unterzeichnung der GER dieser ein Protokoll anzufügen, in dem - im Unterschied zur Antwortnote des Vatikans - das Nichtmehrtreffen der gegenseitigen Lehrverurteilungen für die Lehre der GER explizit festgehalten würde, und zwar unter Bezugnahme auf einen Text, in dem die jetzt aufgeworfenen Fragen einvernehmlich geklärt würden.40 Damit war der Weg zur Entstehung von GOF und Annex vorgezeichnet.

Daraufhin beschloß das Exekutivkomitee des LWB am 14.11.1998, den Generalsekretär zu beauftragen, offizielle Beratungen mit den vatikanischen Stellen über das weitere Vorgehen einzuleiten.41 Bereits am 8.3.1999 konnte I. Noko den abschließend redigierten Text von GOF und Annex Kardinal Cassidy zukommen lassen. Dieser informierte Noko seinerseits am 27.5.1999 über die Billigung dieser Zusatzdokumente durch den Heiligen Stuhl.42 Daraufhin wurden diese am 3.6. an die Mitgliedskirchen des LWB verschickt und am 11.6.1999 in Genf veröffentlicht. Ende Juni stimmte in Bratislava der Rat des LWB der Auffassung des Exekutivkomitees zu, daß für eine Unterzeichnung der GOF keine neuerliche Befragung der Kirchen nötig sei, sondern hierfür der Ratsbeschluß vom 16.6.1998 zur GER ausreiche.43 Als Kardinal Ratzinger kurz danach trotz der Ausführungen des Anhangs zur GOF die Frage des "simul iustus et peccator" als nach wie vor "offen" bezeichnete und erklärte, für die Römisch-Katholische Kirche, gebe es einen solchen "Dualismus" nicht, kamen auf lutherischer Seite erneut Zweifel auf, ob mit diesen Zusatzdokumenten tatsächlich ein Durchbruch erreicht worden ist.44 Doch auch eine erneute Unterschriftenaktion45 konnte die feierliche Unterzeichnung der drei Dokumente am 31.10.1999 in Augsburg nicht mehr verhindern. Damit hat der 1967 begonnene offizielle
Dialog zwischen dem Päpstlichen Einheitsrat und dem LWB46 erstmals nicht nur zu einem Dialogbericht, sondern auch zu einer offiziellen gemeinsamen Erklärung von LWB und Römisch-Katholischer Kirche geführt.

III.

Vieles, was in den im Juni veröffentlichten und jetzt unterzeichneten Zusatztexten steht, erscheint auf den ersten Blick geradezu als ein spektakulärer Durchbruch. Auf lutherischer Seite ist die nach der römischen Antwortnote vom vergangenen Jahr vorherrschende Skepsis längst dem Staunen über das gewichen, was nun plötzlich doch gemeinsam erklärt werden kann: "sola fide", "simul iustus et peccator", Betonung der einzigartigen Funktion der Rechtfertigungslehre als "Maßstab" und "Prüfstein" des christlichen Glaubens und der christlichen Lehre - um nur die wichtigsten Punkte zu nennen. Es scheint, als wäre Rom von der noch bis vor kurzem eingehaltenen Linie einer strikten Verteidigung tridentinischer Lehrposition abgerückt. Doch ist dem wirklich so? Um die tatsächliche Bedeutung und theologische Reichweite der GOF und ihres Anhangs erfassen zu können, bedarf es eben nicht nur einer sehr sorgfältigen Lektüre des Wortlauts dieser Texte, sondern auch der Berücksichtigung des Kontextes, d. h. in erster Linie der GER selbst und der Lehrtexte des 16. Jhs., aber auch der Antwortnote des Vatikans und der verschiedenen Stellungnahmen der lutherischen Kirchen und des LWB. Rein formal gesehen legt sich dieses Vorgehen auch schon dadurch nahe, daß nur rund ein Viertel des Textes des Anhangs zur GOF wirklich neu ist, während der Rest aus Zitaten unterschiedlicher Provenienz besteht. Nur im Kontext dieses Geflechts theologischer Aussagen kann der wirkliche Stellenwert der jetzt unterzeichneten Konsenserklärung angemessen beurteilt werden. Im folgenden soll deshalb die GOF und ihr Anhang weniger einer "amica exegesis"47 als vielmehr einer diesen Kontext berücksichtigenden historisch-kritischen Exegese unterzogen werden.

GOF 1 beginnt mit der Feststellung, daß auf "der Grundlage der in der Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre (GE) erreichten Übereinstimmungen" LWB und Katholische Kirche gemeinsam erklären, daß in der GER "ein Konsens in Grundwahrheiten der Rechtfertigungslehre" (GER 40) vorliege. "Auf der Grundlage dieses Konsenses" wird sodann unter Zitierung von GER 41 erklärt, daß die in dieser Erklärung vorgelegte Lehre nicht von den Verwerfungen des Tridentinums und der lutherischen Bekenntnisschriften getroffen würden. Diese Aussage verdient aus zweierlei Gründen besondere Beachtung: Zum einen ist damit nach dem Fehlen eines entsprechenden Passus in der "Antwort" der Römisch-Katholischen Kirche bzw. nach dem dortigen Hinweis, daß erst noch bestimmte "Divergenzen" überwunden werden müßten, "bevor man geltend machen kann, daß - wie es in Nr. 41 ganz allgemein heißt- diese Punkte nicht mehr unter die Verurteilungen des Konzils von Trient fallen",48 ebendies nun doch unmißverständlich und ohne Einschränkungen auch von römisch-katholischer Seite anerkannt worden. Dies war - vor allem mit Hinblick auf GER 28-30 - eine für eine gemeinsame Unterzeichnung unabdingbare Voraussetzung.



Zum anderen ist an GOF 1 das klare Junktim der Zustimmung zum Konsens mit der Frage des Nichtmehrtreffens der Lehrverurteilungen hervorzuheben. Eine solche, auf einen sachlichen inneren Zusammenhang verweisende Verknüpfung von beidem war in der GER selbst ebenso wie in der ihr geltenden Erklärung des LWB vom 16.6.1998 behauptet worden. Der erwähnte Leipziger Kompromißvorschlag hatte dies jedoch bestritten und deshalb nur die "Darlegung der römisch-katholischen Rechtfertigungslehre" in der GER zur Grundlage einer Feststellung über die Nichtanwendbarkeit der Lehrverurteilungen gemacht und die Formulierung "Konsens in Grundwahrheiten der Rechtfertigungslehre" oder eine andere Umschreibung der erreichten Übereinstimmungen sorgsam vermieden.49 Auch verschiedene lutherische Kirchen, wie etwa die Württembergische Landeskirche, hatten die Feststellung über die Nichtanwendbarkeit der Lehrverurteilungen von der Feststellung einer Übereinstimmung im Verständnis der Rechtfertigungslehre abgekoppelt oder, wie z. B. die Evangelisch-Lutherische Kirche Dänemarks oder die Lippische Landeskirche, nur ersterem, nicht aber letzterem zugestimmt.50 Da ein solches Junktim aber in GER 5, 13 u. 41 behauptet wird, würde eine Ablehnung desselben ausschließen, daß der GER tatsächlich "in ihrer Gesamtheit" noch zugestimmt werden könnte, wie dies ja jetzt die Schlußklausel der GOF ausdrücklich festschreibt.51

Ebenso folgerichtig wie das Festhalten an diesem Junktim ist nun aber auch das Festhalten von GOF 1 an der - für evangelische Ohren gleichwohl beschwerlichen - Formel "Konsens in Grundwahrheiten der Rechtfertigungslehre", da auch sie wiederholt in der GER selbst verwendet wird (5, 13, 40, 43). Die noch weitgehendere Formulierung "Konsens in den Grundwahrheiten", die sich in GER 14 und 40 findet, ist hingegen jetzt vermieden worden. Dennoch stellt sich hier das Problem, ob jene Kirchen, die das Vorliegen eines Konsenses in Grundwahrheiten der Rechtfertigungslehre ausdrücklich zurückgewiesen hatten oder aber sogar, wie die Evangelisch-Lutherische Kirche in Baden, auch die Nichtanwendbarkeit der Lehrverurteilungen bestritten hatten,52 nun ohne eine neue synodale Beschlußfassung das Vorliegen eines solchen Konsenses bejahen können oder nicht.

GOF 2 weist sodann darauf hin, daß es die Absicht des beigefügten Anhanges zur GOF sei, angesichts der vom LWB bzw. dem Einheitsrat in ihren jeweiligen Antworten vom Juni 1997 aufgeworfenen Fragen den erreichten Konsens weiter zu erläutern und so klarzustellen, "daß die früheren gegenseitigen Lehr-
verurteilungen die Lehre der Dialogpartner, wie sie in der
Gemeinsamen Erklärung dargelegt wird, nicht treffen."53 Von evangelischer Seite betrafen diese Anfragen GER 18, 28-30,38 sowie die Klärung dessen, was eigentlich "ein angemessener Begriff des ökumenischen Konsenses" sei.54 Von römisch-katholischer Seite waren in den "Präzisierungen" ebenfalls GER 18 und 28-30 als weiterhin problematisch genannt worden, darüber hinaus jedoch auch GER 19, 21, 24 sowie die beiden das Erreichte resümierenden Abschnitte 40 und 41 und schließlich die Frage nach der Autorität eines synodalen Mehrheitskonsenses.55 Ein wesentlicher Unterschied lag freilich darin, daß die lutherische Seite trotz ihrer Anfragen die Nichtanwendbarkeit der Lehrverurteilungen zu bejahen können glaubte, während Einheitsrat und Glaubenskongregation diesbezügliche "Schwierigkeiten" sahen.

In GOF 3 schließlich legen sich die "Dialogpartner" die Pflicht auf, das "Studium der biblischen Grundlagen der Lehre von der Rechtfertigung" weiter zu vertiefen - ein Weg, den bereits das Ökumenismusdekret des II. Vatikanums angesichts mancher dogmenhistorischer Sackgasse gewiesen hatte (UR 21). Daß gerade auch die GER in dieser Hinsicht noch verbesserungsfähig ist, steht außer Zweifel. Doch die Defizite werden an unterschiedlichen Stellen gesehen. Während z. B. das DNK, das immerhin rund ein Viertel der Mitglieder des LWB repräsentiert, in seinen "Erläuterungen zum Beschluß" vom 4.6.1997 vor allem auf die unzureichende Darstellung der Rechtfertigungsbotschaft des Alten Testaments in GER 8 hingewiesen hatte, war in der römischen Antwortnote angemahnt worden, auch die nichtpaulinischen Aussagen zur Rechtfertigung im Neuen Testament zur Kenntnis zu nehmen.56

Neu ist auch die Beschreibung des mit der Weiterführung des Dialoges angestrebten Zieles. Während in GER 44 von "jener sichtbaren Einheit ..., die der Wille Christi ist" die Rede war, heißt es nun in GOF 3, daß solche Klärungen nötig seien, "um zu voller Kirchengemeinschaft, zu einer Einheit in versöhnter Verschiedenheit zu gelangen, in der verbleibende Unterschiede einander ,versöhnt’ würden und keine trennende Kraft mehr hätten." Gemeinsam wird damit die für die lutherischen Kirchen seit der Vollversammlung in Daressalam prägend gewordene ökumenische Zielbeschreibung aufgegriffen. Dies war zwar schon im gemeinsamen Bericht "Einheit vor uns" von 1984 der Fall,57 doch hatte man dort auch erklärt, daß im Anschluß an die Ausarbeitung von Lehrkonsensen der "defectus sacramenti ordinis" (UR 22) lutherischer Amtsträger durch ihre allmähliche Eingliederung in die römisch-katholische Sukzessionskette behoben werden müsse, wobei "der Akt initialer Anerkennung im Zusammenwirken mit dem Papst zu geschehen [habe]".58 Hiervon ist zwar jetzt nicht die Rede, doch wie weit die Einheit und wie weit die Verschiedenheit reicht, ist mit dieser Formel auch jetzt nicht geklärt: "Einheit in versöhnter
Verschiedenheit" schließt in diesem Sinne eine "Eingliederungs-Ökumene" gerade nicht aus.59



Daß die GER ein erster Schritt ist, "um zu voller Kirchengemeinschaft ... zu gelangen", wie es jetzt in GOF 3 heißt, hatte auch schon das DNK am Ende seiner "Erläuterungen zum Beschluß" festgehalten,60 und es ist erfreulich, daß diese Hoffnung nun auch in dem unterzeichneten Dokument selbst zum Ausdruck gebracht worden ist. Doch daraus darf nicht geschlossen werden, daß nach Auffassung der Römisch-Katholischen Kirche zwischen ihr und den lutherischen Kirchen tatsächlich schon Kirchengemeinschaft im eigentlichen Sinn bestünde.61 Dies würde ja zunächst einmal voraussetzen, daß die Römisch-Katholische Kirche die lutherischen Kirchen überhaupt als Kirchen und nicht nur als "christliche Gemeinschaften" (UR 1) anerkennte.

Hierfür findet sich jedoch weder in der GER selbst noch in der GOF und ihrem Annex ein Anhaltspunkt. Während in der GER immerhin noch von "lutherischen Kirchen" die Rede ist, in Anm. 9 jedoch ausdrücklich darauf hingewiesen wird, daß hier "das Wort ,Kirche’" lediglich "das jeweilige Selbstverständnis der beteiligten Kirchen wieder[gibt]", wird in der GOF und ihrem Annex, abgesehen von einem Zitat aus GER 41, das Wort "Kirche" für die lutherischen Kirchen überhaupt nicht mehr verwendet. Statt dessen ist entweder vom "Lutherischen Weltbund" oder allgemein von den beiden "Dialogpartner[n]" die Rede. Im übrigen aber ist das Ziel der "vollen Kirchengemeinschaft" keineswegs neu, hatte doch schon das II. Vatikanum festgestellt, daß alle Christgläubigen und "rite" Getauften sich "in einer gewissen, wenn auch noch nicht vollkommenen Gemeinschaft" mit der Römisch-Katholischen Kirche befänden, daß aber "der vollen kirchlichen Gemeinschaft" mit ihr noch "nicht wenige Hindernisse" im Wege stünden (UR 3). Über diese Position des Konzils gehen die jetzt unterzeichneten Dokumente nicht hinaus.62

Der letzte Satz von GOF 3 schließlich greift ein wichtiges Anliegen auf, das bereits am Ende der Antwort des Heiligen Stuhles formuliert worden war: Lutheraner und Katholiken sollten sich darum bemühen, das gemeinsame Verständnis der Rechtfertigung "in einer für den Menschen unserer Zeit relevanten Sprache auszulegen".63 Wie dies geschehen könnte, bleibt freilich offen. Die bereits erwähnte Schlußklausel hält sodann fest, daß mit der Unterzeichnung der GOF die GER "in ihrer Gesamtheit" bestätigt werde. Damit ist der LWB nun allerdings doch weiter gegangen als eine nicht unerhebliche Zahl von kirchlichen Stellungnahmen zur GER, die ihre Zustimmung mit Vorbehalten zu der einen oder anderen Aussage der GER verknüpft hatten.64









IV.

Die der GOF in einem Anhang beigegebenen Erläuterungen sollen nach der eigenen Aussage dieses Textes die mit der GER "erreichte Übereinstimmung in Grundwahrheiten der Rechtfertigungslehre" "unterstreichen" und so klarstellen, daß die früheren Lehrverurteilungen die in der GER dargelegte Lehre der anderen Seite jeweils nicht treffen (Annex 1). Tatsächlich will jedoch dieser Anhang mehr: Er will nicht nur die Aussagen der GER "unterstreichen", sondern in erster Linie jene schwerwiegenden Differenzen ausräumen, auf die vor allem die römische Antwortnote hingewiesen hatte, um so doch noch eine gemeinsame Bestätigung der gesamten GER zu ermöglichen. In Annex 2 wird eingangs zunächst der letzte Satz von GER 15 zitiert, der als Epitome des im folgenden dargelegten gemeinsamen Rechtfertigungsverständnisses bezeichnet werden könnte.65 In Abschnitt 2A folgen sodann Ausführungen zum Sündersein des Gerechtfertigten (GER 28-30), worin ja die Antwortnote der Römisch-Katholischen Kirche das größte Hindernis für eine vorbehaltlose Zustimmung zum Nichttreffen der Lehrverurteilungen von Trient gesehen hatte. Die Aussage von GER 29, daß der Getaufte "[i]m Blick auf sich selbst ... erkennt ..., daß er zugleich ganz Sünder bleibt", hatte Rom damals als "für Katholiken nicht annehmbar" bezeichnet.66 Damit war eigentlich eine scharfe Grenzlinie zur evangelischen Auffassung des "simul iustus et peccator" gezogen. Es überrascht deshalb nicht, daß nun unter Zitierung von GER22, Röm 5,1, 1Joh 3,1 und 2Kor 5,17 und in Anlehnung an weitere Aussagen der GER67 formuliert wird: "Wir sind wahrhaft und innerlich erneuert durch das Wirken des Heiligen Geistes und bleiben immer von seinem Wirken abhängig ... Die Gerechtfertigten bleiben in diesem Sinne nicht Sünder." Diese Aussagen liegen ganz auf der Linie der römischen Antwortnote und des Konzils von Trient68 und scheinen ein "Sündersein des Gerechtfertigten" a priori auszuschließen.

Im folgenden Abschnitt wird dann - wiederum unter Zitierung einer ganzen Reihe von Schriftstellen (1Joh 1,8-10; Jak 3,2; Ps 19,13; Lk 18,13; Röm 6,12) der Gedanke von GER 2869 wiederholt, daß der Christ zeitlebens durch die "Macht der Sünde" gefährdet sei. Diese Gefährdung durch die Macht der Sünde war aber in GER 30 mit dem Ursündendekret von Trient dahingehend erläutert worden, daß "alles was ,wirklich’ Sünde" sei, in der Taufe getilgt werde, und die Antwortnote hatte darüberhinaus das "Sündersein des Gerechtfertigten" bestritten. Deshalb ist es geradezu atemraubend, wie der Annex nun versucht, diesen Dissens aufzulösen: "Insoweit können Lutheraner und Katholiken gemeinsam den Christen als simul iustus et peccator verstehen, unbeschadet ihrer unterschiedlichen Zugänge zu diesem Themenbereich, wie dies in GE 29-30 entfaltet wurde." Man liest’s und staunt. "Insoweit" - d. h. eben
insoweit diese von den Lutheranern geschätzte Formel so verstanden wird, wie die Römisch-Katholische Kirche sie aufgrund von can. 5 des Dekrets über die Ursünde verstehen muß: als eine Gefährdung durch die Macht der Sünde, nicht aber als reales, eigentliches Sündersein des Gerechtfertigten. Damit erweist sich die Einigung freilich als bloßer Formelkompromiß. Und falls hier doch noch jemand einen subtilen Fortschritt entdecken zu können glaubt, wurde auch noch ausdrücklich hinzugefügt, daß durch dieses "Insoweit" die inhaltlich konträren Aussagen von GER 29-30 nicht tangiert würden. Eindeutiger könnte man das Scheitern des Versuchs, hier doch noch zu einer einvernehmlichen Klärung zu gelangen, kaum vor Augen führen!70 Die formale Zustimmung zum "simul iustus et peccator" erweist sich damit als wertlos für eine Überwindung der bestehenden inhaltlichen Differenzen im Verständnis der Rechtfertigung.

An diese Ausführungen zum "simul iustus et peccator" schließen sich in Annex 2B Überlegungen zu dem ebenfalls umstrittenen Konkupiszenz-Begriff an. Hier hatte der Verständigungsvorschlag von GER 29 f. - wie schon zuvor "Lehrverurteilungen - kirchentrennend?" - mit dem Begriff "Gottwidrigkeit" operiert, worin man zunächst lutherischerseits "eine erhebliche Annäherung" im Verständnis gesehen hatte.71 Nachdem jedoch die Antwort des Heiligen Stuhles darauf hingewiesen hatte, daß dieser Begriff von Katholiken und Lutheranern verschieden verstanden würde,72 hat man nun auf ihn wieder verzichtet.

Statt dessen werden erneut die konträren Positionen in GER 29 und 30 referiert, wobei es jedoch zu unscheinbaren, gleichwohl einschneidenden Veränderungen des Wortlautes kommt. Während nämlich in GER 29 - in Übereinstimmung mit CA 2 und AC 2,38-40 - erklärt worden war, daß die im Gerechtfertigten verbliebene Gottwidrigkeit "als solche wahrhaft Sünde" sei, heißt es nun, diese werde "im Licht des geistlich verstandenen Gesetzes als Sünde angesehen". Wohlgemerkt: "angesehen"! - ob sie dies auch revera ist, wird jetzt offenbar auch lutherischerseits bewußt offengelassen.73 Sollte man dies als ökumenischen Fortschritt feiern können?

Die über das Tridentinum auf Augustin zurückgehende74 römisch-katholische Beschreibung der Konkupiszenz als eine "aus der Sünde kommende und zur Sünde drängende Neigung" (so schon GER 30) wird in Annex 2B durch den Hinweis ergänzt: "Unbeschadet der hier eingeschlossenen Unterschiede kann aus lutherischer Sicht anerkannt werden, daß die Begierde Einfallstor der Sünde werden kann."75 Was hier freilich erneut mit einem erst noch zu verifizierenden "Unbeschadet" eingeleitet wird, ist nun gerade nicht der springende Punkt und insofern auch für die Lösung des Dissenses nicht sehr hilfreich: Daß die Begierde nämlich zum "Einfallstor für die Sünde" werden kann, können Lutheraner selbstverständlich "anerkennen", in dem Sinne nämlich, daß Sünde - und als solche verstehen Lutheraner die Begierde - offenbar immer so beschaffen ist, daß sie selbst weitere Sünde hervorbringen möchte.76

Daß diese Begierde jedoch auch selbst wirklich Sünde ist - dies ist die umstrittene Aussage der lutherischen Bekenntnisschriften, und just auf sie wurde in diesem neuen Konsenstext zur Rechtfertigungslehre zugunsten einer einseitigen Darstellung der römisch-katholischen Auffassung verzichtet. Denn wenn im Anschluß an diese Ausführungen über die im Menschen verbliebene Neigung zur Sünde unvermittelt festgestellt wird, daß die Sünde "personalen Charakter" habe und als solche "zur Trennung von Gott" führe, dann ist damit gerade nicht gesagt, daß es sich bei dieser Sünde auch um die zuvor beschriebene Neigung handelt, im Gegenteil: In GER 30 war das Fehlen dieses personalen Elementes als Grund dafür angeführt worden, daß nach römisch-katholischer Überzeugung diese gottwidrige Neigung als solche gerade keine Sünde sei.77 Die Sünde als solche hingegen können Lutheraner und Katholiken ohne Schwierigkeiten in Anlehnung an CA 2 als "das selbstsüchtige Begehren des alten Menschen und mangelndes Vertrauen und mangelnde Liebe zu Gott" (Annex 2B) beschreiben, aber offenbar nicht die auch nach der Taufe vorhandene Konkupiszenz. In diesem Punkt ist der Anhang zur GOF in keiner Weise über das Ergebnis der GER hinausgelangt. Daß dies nicht offen eingestanden, sondern durch rhetorischen Nebel überdeckt wird ("...kann aus lutherischer Sicht anerkannt werden ..."), ist bedenklich.

V.

Die wohl auf den ersten Blick spektakulärste Neuerung des Anhanges im Vergleich zur GER findet sich gleich zu Beginn von Abschnitt 2C: "Rechtfertigung geschieht ,allein aus Gnade’ (GE 15 und 16), allein durch Glauben, der Mensch wird ,unabhängig von Werken gerechtfertigt (Röm 3,28; vgl. GE 25)." Ohne jeden Kommentar wird hier neben das gemeinsam bejahte "allein aus Gnade" von GER 15 und 19 (nicht 16, dort war nur das "allein durch Christus" genannt worden!) fast schon beiläufig78 auch jenes "allein durch Glauben" gestellt, das wohl als prägnanteste Kurzformel des reformatorischen Rechtfertigungsverständnisses gelten kann. Ausdrücklich wird sogar auf Röm 3,28 verwiesen, jenen Vers, der den Reformatoren als Hauptschriftbeleg für ihre Behauptung des "sola fide" gegolten hatte, obwohl dort die umstrittene Exklusivpartikel ja bekanntlich fehlt. Daß jetzt dieses "sola fide" gemeinsam bejaht werden kann, ist erstaunlich, war es doch noch in GER 26 lediglich als Kennzeichen des lutherischen Verständnisses erwähnt worden, während die katholische Seite, entsprechend der Vorgaben von Trient,79 nur bereit gewesen war einzuräumen, daß der Glaube für die Rechtfertigung "fundamental" sei (GER 27; vgl. 25). Daß sich freilich die römisch-katholische Seite nun nicht selbst den Fluch des in Trient gegen das "sola fide" gerichteten Verdammungsurteils zuziehen will, das wird aus den nun folgenden Sätzen in Abschnitt 2C deutlich: ",Die Gnade ist es, die den Glauben schafft, nicht nur, wenn der Glaube neu im Menschen anfängt, sondern solange der Glaube währt’ (Thomas von Aquin, S. Th. II/II 4,4 ad 3). Gottes Gnadenwirken schließt das Handeln des Menschen nicht aus: Gott wirkt alles, das Wollen und das Vollbringen, daher sind wir aufgerufen, uns zu mühen (vgl. Phil. 2,12 f.)."

Betrachten wir zunächst das Thomaszitat und dessen Kontext, die Abhandlung über die Tugend des Glaubens in S.Th.II/II 4, so zeigt sich rasch, daß die Funktion dieses Zitates hier darin besteht, die reformatorische Sicht der Rechtfertigung "sola fide" durch die traditionelle römisch-katholische Auffassung der Rechtfertigung durch die Gnade bzw. durch den durch die Liebe geformten Glauben zu ergänzen. Nicht die "fides informis", sondern nur der geformte Glaube ist für Thomas eine den Menschen rechtfertigende Tugend. Entsprechend war dann auch auf dem Augsburger Reichstag von 1530 dem "sola fide" der Reformatoren von altgläubiger Seite das "fide caritate formata" entgegengestellt worden.80 Doch auch bei der eingegossenen Liebe oder Gnade, die dem Glauben überhaupt erst seine rechtfertigende Kraft bzw. Form verleiht, handelt es sich nicht um einen Beitrag des Menschen zu seiner Rechtfertigung,81 sondern um eine Gabe Gottes, die die römisch-katholische Theologie gleichwohl vom Glauben unterscheiden zu müssen meint.

Nun gibt es allerdings gute Gründe zu vermuten, daß gerade in dieser Hinsicht die beiden Positionen trotz terminologischer Differenzen inhaltlich gar nicht so weit voneinander entfernt waren und sind, wie es zunächst scheinen mag. Um so ärgerlicher ist deshalb, daß der Anhang zur GOF keinen Versuch macht, die reformatorische und die thomistische Auffassung in irgendeiner Weise miteinander zu vermitteln, sondern sich mit der bloßen Parataxe der Formeln begnügt.82 Die implizite Aussage dieser Parataxe ist freilich klar: Das "sola fide" wird nur insofern von der römisch-katholischen Seite bejaht, als dies nicht die Rechtfertigung durch die den Glauben schaffende und erhaltende Gnade ausschließt.

Die zweite Bedingung, die katholischerseits an das "sola fide" gestellt wird, wiegt ungleich schwerer. Sie hängt mit dem Wortlaut von can. 9 des Rechtfertigungsdekrets von Trient zusammen. Dort war nämlich das "sola fide" nur für den Fall mit dem Anathema belegt worden, daß damit die Notwendigkeit einer Mitwirkung und Vorbereitung des Menschen auf die Rechtferti-
gung ausgeschlossen werden sollte.83 Und ebendies, die Notwendigkeit der Mitwirkung des Menschen an seiner Rechtfertigung war ja nach Ansicht der "Präzisierungen" des Heiligen Stuhles in der GER selbst noch in ungenügender Weise zum Ausdruck gebracht worden. Neben der Ablehnung des lutherischen "mere passive"84 in GER 21 war die Aussage von GER 24, daß "Gottes Gnadengabe in der Rechtfertigung unabhängig bleibt von menschlicher Mitwirkung", dahingehend relativiert worden, daß diese zwar "nicht von den Werken des Menschen abhängig [sei]", daß aber die Rechtfertigung gerade nicht "ohne Mitwirkung des Menschen erfolgen könne."85 Tatsächlich hatte ja die römisch-katholische Seite selbst schon in GER 20 dargelegt, daß der Mensch an der "Vorbereitung auf die Rechtfertigung und deren Annahme" durch seine Zustimmung zu Gottes rechtfertigendem Handeln "mitwirke", worin aber "eine Wirkung der Gnade und kein Tun des Menschen aus eigenen Kräften" gesehen würde. Die Notwendigkeit der Vorbereitung des durch die Sünde geschwächten Willens durch die zuvorkommende, erweckende und helfende Gnade zur Ermöglichung einer freien Zustimmung und Mitwirkung mit dieser Gnade zur willentlichen Annahme der Rechtfertigungsgnade war es denn auch, die das tridentinische Rechtfertigungsdekret gegen das reformatorische "sola fide" ins Felde geführt hatte.86

Was sagt nun die Konkordienformel zu solch einer Mitwirkung des Menschen, und wie läßt sich dies mit den Formulierungen von GER und Annex vereinbaren? Nun, zunächst einmal vertritt die Konkordienformel wie die römisch-katholische Theologie die Ansicht, daß Gott am Menschen nicht durch Zwang wirkt und daß der Mensch sich selbstverständlich auch gegen Gott und seine Gnade entscheiden kann.87 Dies wurde in GER 21 ausdrücklich festgehalten, freilich ohne zu erwähnen, daß es sich hierbei nach lutherischem Verständnis keineswegs um eine freie Entscheidung handelt.88 Wenn die "Präzisierungen" den Lutheranern zu Bedenken gegeben haben, daß der von ihnen eingeräumten "Freiheit zur Zurückweisung" auch eine "neue Fähigkeit zur Annahme" entsprechen müsse, die mit Recht "cooperatio" genannt werden könne,89 so ist nicht erst mit dieser Folgerung, sondern bereits mit ihrer vermeintlichen Voraussetzung der Boden des tatsächlichen Konsenses verlassen. Im übrigen aber hatte die Konkordienformel auch klar ausgeschlossen, daß der Mensch aus seinen eigenen natürlichen Kräften in seiner Bekehrung irgend etwas positiv mitwirken könne, wobei sogar festgehalten worden war, daß er nicht nur "absolut nichts" (prorsus nihil) hierzu beizutragen imstande sei, auch nicht dem die Gnade anbietenden Heiligen Geist gehorchen, glauben oder zustimmen könne, sondern von Natur aus Gott widerstrebe und ihm feind sei, weshalb er in dieser Hinsicht sogar noch ärger als ein Stein oder Block sei.90 Ist diese Bestreitung jeder Mitwirkung auch eindeutig, so könnte man doch vermuten, sie beziehe sich nur auf die natürliche Kraft und Fähigkeit des Menschen, sich ohne die Gnade der Gnade selbst zuzuwenden, eine Auffassung, die ja auch von der GER abgelehnt und in Trient sogar mit dem Anathema belegt worden war.91

Doch wie steht es mit einer Mitwirkung des Menschen, nachdem die zuvorkommende Gnade den Anfang gemacht hat? Denn nur um sie geht es ja der römisch-katholischen Seite. Nur sie wird als Bedingung dafür genannt, daß das "sola fide" nicht sofort vom Anathema getroffen wird. Nun, auch hier sind die Aussagen der Konkordienformel völlig eindeutig: Verworfen wird von ihr auch die Behauptung, der Wille des Menschen könne im Anschluß an einen vom Heiligen Geist gemachten Anfang mittels der ihm innewohnenden "facultas applicandi se ad gratiam" die angebotene Gnade ergreifen und an ihrer weiteren Erhaltung mitwirken.92 Demgegenüber wird festgehalten, daß die Bekehrung - und damit hier gleichbedeutend: die Rechtfertigung - ganz und gar und nicht bloß teilweise eine Wirkung und Gabe des Heilige Geistes sei und der Mensch sich hierbei "pure passive" verhalte.93 Damit ist aber für eine Mitwirkung im Sinne von can. 9 des Rechtfertigungsdekrets kein Platz mehr.

Doch was lesen wir im Anhang zur GOF? "Gottes Gnadenwirken schließt das Handeln des Menschen nicht aus: Gott wirkt alles, das Wollen und das Vollbringen, daher sind wir aufgerufen, uns zu mühen (vgl. Phil. 2,12 f.). ,(...) ... alsbald der Heilige Geist, wie gesagt, durchs Wort und heilige Sakramente solch sein Werk der Wiedergeburt und Erneuerung in uns angefangen hat, so ist es gewiß, daß wir durch die Kraft des Heiligen Geistes mitwirken können und sollen ...’ (FC SD II,64 f. BSLK 897, 33 ff.)." Mag man der - im übrigen nicht klar kenntlich gemachten - Folgerung "daher sind wir aufgerufen, uns zu mühen" aus der paulinischen Aussage, daß Gott alles wirke, das Wollen und das Vollbringen,94 auch evangelischerseits noch zustimmen, obgleich sie sich gerade aus diesem Zitat keineswegs notwendig ergibt, so ist das folgende Zitat aus der Konkordienformel an dieser Stelle nicht nur vollkommen fehl am Platz, sondern in seiner augenscheinlichen Verwendung als Beleg für eine lutherische Zustimmung zu einer Mitwirkung des Menschen an seiner Rechtfertigung geradezu skandalös! Hier sind die Autoren des Anhangs zur GOF offenbar blind dem Hinweis von Kardinal Cassidy gefolgt, der ebendiese Stelle gegen das lutherische "mere passive" angeführt hatte.95 Obwohl inzwischen von kompetenter Seite auf die grobe Äquivokation hingewiesen worden war, die darin besteht, daß es hier nicht, wie die römisch-katholische Seite meint, um die Mitwirkung an der Rechtfertigung, sondern um die Mitwirkung des Gerechtfertigten geht,96 ist dieses Zitat hier kommentarlos in den Kontext der Rechtfertigungslehre gestellt worden.





Eine cooperatio ad iustitiam, eine Mitwirkung des Menschen an seiner Rechtfertigung, ist aber sowohl für Luther als auch für
die Konkordienformel völlig ausgeschlossen. Auch das "Ja" des Menschen zu seiner Rechtfertigung, d. h. sein Glaube, ist gerade keine eigene Fähigkeit des Menschen, sondern ein Werk des Heiligen Geistes.97 Die paulinische Ermahnung zur Mitarbeiterschaft mit Gott (1Kor 3,9; 15,10; 2Kor 6,1) wird von der Konkordienformel nicht im Sinne einer Mitarbeit am eigenen Heil verstanden, sondern im Sinne einer durch die Kraft und Leitung des Heiligen Geistes im Gerechtferigten und Wiedergeborenen bewirkten Mitarbeit am Tun des Guten.98 Hier geht es um die nach der Lehre der Konkordienformel auf die Rechtfertigung folgende Erneuerung und nicht um die Rechtfertigung selbst. Ausschließlich in diesem Sinne und nicht rechtfertigungstheologisch versteht die Konkordienformel übrigens auch Phil 2,12 f., da ja erst dem Gerechtfertigten auch ein "arbitrium liberatum" zukommt, durch das er überhaupt das Gute wollen kann.99 Durch die undifferenzierte Verwendung des Begriffes "Mitwirkung" leistet hier der Anhang zur GOF der Verunklarung des lutherischen Bekenntnisses Vorschub. Dieser durch can. 9 des Rechtfertigungsdekrets vorgegebene Preis für eine Zustimmung der Römisch-Katholischen Kirche zur Rechtfertigung "sola fide" ist für die reformatorische Theologie eindeutig zu hoch. "Allein durch Glauben" und "Mitwirkung" an der Rechtfertigung schließen sich nach evangelischem Verständnis prinzipiell aus - darüber mag auch die Zitierung der Konkordienformel in Annex 2C nicht hinwegtäuschen.

VI.

Abschnitt 2D des Anhangs zur GOF befaßt sich mit der Bedeutung der guten Werke. Dieser Punkt war nicht so sehr deshalb klärungsbedürftig, weil die Römisch-Katholische Kirche auch in der GER an der Verdienstlichkeit der guten Werke - post iustificationem - festhielt,100 sondern wegen der damit in Zusammenhang stehenden Behauptung von GER 38, daß nach katholischer Affassung "die guten Werke ... so zu einem Wachstum in der Gnade bei[tragen], daß die von Gott empfangene Gerechtigkeit bewahrt und die Gemeinschaft mit Christus vertieft werden."101 Zwar ist im Text der GER selbst nicht wie im Rechtfertigungsdekret des Konzils von Trient von einem "Wachstum der Gnade" und einer "Zunahme der Gerechtigkeit" die Rede,102 doch auch die tridentinische Formulierung, daß die Gerechtigkeit des Glaubens durch die guten Werke bewahrt würde,103 war von der Konkordienformel explizit verworfen worden.104 Dieses Problem war nicht erst im Beschluß des LWB-Rates zur GER, sondern schon in den "Erläuterungen zum Beschluß" des DNK des LWB vom 4.6.1997 als klärungsbedürftig bezeichnet worden. Zugleich hatte das DNK damals aber unter Berufung auf die bereits erwähnte Stellungnahme von VELKD und DNK zu "Lehrverurteilungen - kirchentrennend?" erklärt, daß die Verwerfung von FC IV,35 die römisch-katholische Seite dann nicht treffe, wenn dieser Satz so verstanden würde, "daß der Gerechtfertigte dafür verantwortlich ist, die empfangene Gnade nicht zu verspielen, sondern in ihr zu leben".105 Diese Aussage wurde nun fast wörtlich in den Anhang zur GOF übernommen.106 Dies ist einerseits zu begrüßen, denn auch nach evangelischer Auffassung haben selbstverständlich jene die Gerechtigkeit und den Glauben verloren, die fortwährend vorsätzlich sündigen und mutwillig Böses gegen Gott und die Menschen tun.107 Doch andererseits entschärft dies die Problematik der umstrittenen Aussage von GER38 ebensowenig wie der sich jetzt im Annex daran anschließende Hinweis, daß auch die Apologie den Gedanken kenne, daß durch gute Werke der Glaube geübt werde und gute Werke getan werden sollten, damit der Gerechtfertigte nicht vom Evangelium abfalle.108 Denn das, was nach evangelischer Auffassung allein entscheidend für das Bewahren der Gerechtigkeit ist - und diese Fortsetzung der angeführten Stelle wird leider nicht zitiert - ist der Glaube und nur er allein.109 "Sola fide, sed fides numquam sola vel otiosa" - auf diese Kurzformel könnte man das hier zum Ausdruck kommende evangelische Verständnis der Notwendigkeit der guten Werke bringen. Doch leider steht in GER 38 nicht dies, sondern etwas ganz anderes. Deshalb ist es befremdlich, wie der Annex nun fortfährt: "In diesem Sinne können Lutheraner und Katholiken gemeinsam verstehen, was über das ,Bewahren der Gnade’ in GE 38 und 39 gesagt ist. Freilich, ,alles was im Menschen dem freien Geschenk des Glaubens vorausgeht und nachfolgt, ist nicht Grund der Rechtfertigung und verdient sie nicht’ (GE 25)."

Hierzu ist festzustellen: Entgegen einer gerade auch in Kreisen lutherischer Theologen offenbar verbreiteten Ansicht ist an keiner Stelle der lutherischen Bekenntnisschriften von einem "Bewahren der Gnade und einem Wachstum in ihr" durch die guten Werke die Rede,110 sondern dieser Gedanke ist von der Konkordienformel in aller Ausführlichkeit widerlegt worden. Der Glaube ist nicht nur der "Eingang zur Gnaden", sondern er ist "das eigentliche einige Mittel ..., dadurch Gerechtigkeit und Seligkeit nicht allein entpfangen, sondern auch von Gott erhalten wird ...".111 Sowohl die im Annex angeführte Stelle aus AC IV als auch die anderen angeblichen Belegstellen für eine GER38 konforme Sicht der Bekenntnisschriften sprechen lediglich davon, daß der Glaube im täglichen Kampf gegen die Sünde auf die Probe gestellt werde, zunehme und unser guter Wandel anderen als Beispiel dienen solle.112 Hier geht es um das mit dem Glauben notwendig verbundene "Ausfegen des alten Adam" und um die Bewährung in der Glaubensanfechtung, die zu einer Festigung und zu einer Zunahme des Vertrauens auf die göttliche Heilsverheißung führen wird. Doch die Gerechtigkeit wird nach evangelischer Auffassung nicht durch solche äußeren Werke, sondern allein durch den Glauben bewahrt. Auch das abschließende Zitat von GER 25 führt hier nicht zu der notwendigen Klärung, denn daß die Rechtfertigung als solche nicht verdient werden kann, ist auch schon in Trient völlig unstrittig. Aber dies schloß und schließt nach römisch-katholischer Auffassung gerade nicht aus, daß der Mensch im Anschluß an die Rechtfertigung mit Hilfe der Gnade verdienstliche Werke tun kann, die dann zur Erhaltung (und Vermehrung) der Gerechtigkeit beizutragen vermögen.113 Der Anhang zur GOF hat hier leider nicht zu einer Entschärfung des Konfliktes geführt. Dies wäre nur durch eine Änderung des Wortlautes von GER 38 möglich gewesen. Nachdem beide Seiten jedoch einen solchen erneuten redaktionellen Eingriff in den Text der GER abgelehnt haben (auf lutherischer Seite hätte dies auf jeden Fall eine erneute Beschlußfassung der Kirchen erforderlich gemacht!), ist die Behauptung, der entsprechende Satz von GER 38 werde nicht von den lutherischen Lehrverurteilungen getroffen (vgl. GER 41, GOF 1 f., Annex 1), sachlich nicht begründet.

Annex 2E behandelt schließlich den mit der Lehre von den guten Werken verknüpften Lohngedanken. In enger Anlehnung an das Rechtfertigungsdekret von Trient hatte der Heilige Stuhl in seinen "Präzisierungen" darauf hingewiesen, daß "das ewige Leben gleichzeitig sowohl Gnade als auch Lohn ist, der von Gott für die guten Werke und Verdienste erstattet wird."114 Sollte dies heißen, daß mit der Rechtfertigung als solcher noch nichts über das ewige Leben ausgesagt wäre und daß dieses nicht von unserem Glauben, sondern von unseren Verdiensten abhinge? Eine solche Befürchtung wird jetzt eindeutig zurückgewiesen: "Durch die Rechtfertigung werden wir bedingungslos in die Gemeinschaft mit Gott aufgenommen. Das schließt die Zusage des Lebens ein ..." Mit dieser erfreulichen Klarstellung, für die auf Röm 6,5, Joh 3,36 und Röm 8,17 verwiesen wird, ist zugleich jene Schwierigkeit ausgeräumt, die den Lutheranern die Streichung des Satzes "So gesehen gilt: Glaube ist Heilsgewißheit" am Ende von GER 36 bereitet hatte.115 Die "Zusage des ewigen Lebens" meint nämlich nichts anderes als das, was die Lutheraner mit dem Stichwort "Heilsgewißheit" ausdrücken wollten. Dies ist ein Fortschritt gegenüber der reichlich unscharfen Formulierung von GER 36, der Glaubende dürfe "dessen gewiß sein, daß Gott sein Heil will".

Gleichwohl, so der Annex weiter, würden die Gerechtfertigten im Endgericht "auch [?] nach ihren Werken gerichtet ...". Dies wird neben einer ganzen Reihe von Schriftstellen (Mt 16,27; 25,31-46; Röm 2,6; 14,12; 1Kor 3,8; 2Kor 5,10) auch mit einem Satz aus der Konkordienformel begründet: ",Wie dann Gottes Wille und ausdrücklicher Befehl ist, daß die Gläubigen gute Werk tuen sollen, welche der heilige Geist wirket in den Gläubigen, die ihnen auch Gott um Christi willen gefallen läßt, ihnen herrliche Belohnung in diesem und künftigem Leben verheiße’ (FC SD IV, 38; BSLK 950, 18-24). Aller Lohn aber ist Gnadenlohn, auf den wir keinen Anspruch haben."116

Da, wie bereits erwähnt, die von den Autoren des Anhangs selbst formulierten Sätze relativ dünn gesät sind, verdienen diese besondere Beachtung. Dies gilt ganz speziell für den letzten Satz, "Aller Lohn aber ist Gnadenlohn, auf den wir keinen Anspruch haben." Diese auf Röm 11,6 zurückgehende und dann von Augustin mit der Verdienstlehre verbundene wichtige Einsicht117 ist nicht nur im Hinblick auf die "Präzisierungen", sondern auch im Hinblick auf die Ausführungen der Römisch-Katholischen Kirche in GER 38 ein klarer Fortschritt, da dort nur der "Geschenkcharakter der guten Werke", nicht aber der Geschenkcharakter des diesen Werken verheißenen Lohnes dargelegt worden war. Mit dem Stichwort "Gnadenlohn" ist jetzt das gemeinsam aufgegriffen, was bisher allein die lutherische Seite in GER 39 mit einem "unverdienten ,Lohn’" umschrieben hatte. Dies weist über das paritätische "et tamquam gratia ... et tamquam merces" von Trient eindeutig hinaus auf den Primat der Gnade. Daß die Römisch-Katholische Kirche dennoch an dem "Verdienen" eines solchen Gnadenlohnes festhält, ist von der Bedeutung des Wortes "Lohn" her verständlich und kein Grund, an diesem Punkt weiterhin einen echten Dissens zu sehen. Auch Melanchthons Apologie kennt ja ein solches "mereri praemia".118 So bezeugt dieser Teil des Anhangs zur GOF, daß es hier im Unterschied zu den vorangegangenen Abschnitten wirklich zu einem Konsens zwischen Lutheranern und Katholiken gekommen ist.

Ebenfalls ein Fortschritt ist bezüglich der kriteriologischen Funktion der Rechtfertigungslehre zu verzeichnen. Die unterschiedliche Bedeutung, die diesem Kriterium in GER 18 von Lutheranern und Katholiken beigemessen worden war, hatte ja zum Beginn der Kontroverse um die GER in Deutschland geführt.119 Die hochproblematische Behauptung auf römisch-katholischer Seite von "mehreren Kriterien", die gleichwohl "die besondere Funktion der Rechtfertigungsbotschaft" als "ein unverzichtbares Kriterium, das die gesamte Lehre und Praxis der Kirche unablässig auf Christus hin orientieren will", nicht schmälern sollten (GER 18), war bereits in den "Präzisierungen" dahingehend interpretiert worden, daß es hierbei um die Einbeziehung der Rechtfertigung "in das Grundkriterium der ,regula fidei’" gehe, d. h. in "das auf Christus als Mittelpunkt ausgerichtete und in der lebendigen Kirche und ihrem sakramentalen Leben verwurzelte Bekenntnis des dreieinigen Gottes."120 Doch was ist dieses auf Christus als Mittelpunkt ausgerichtete Bekenntnis anderes als das Bekenntnis zu dem den Sünder durch Christus rechtfertigenden und ihn im Hl. Geist erneuernden Gott, der sich eben erst durch seine lebendige Heilsgegenwart in Wort und Sakrament dem Glaubenden erschließt? Versteht man die "regula fidei" in diesem Sinne, dann kann die Rechtfertigungslehre in der Tat ihre "einzigartige Bedeutung" als Kriterium für Lehre und Praxis der Kirche behalten.121 Mit dieser Auskunft der "Präzisierungen" waren deshalb im Grunde bereits die Schwierigkeiten in diesem Punkt weitgehend ausgeräumt, auch wenn der Wortlaut von GER 18 nach wie vor unglücklich ist und eine Neuformulierung wünschenswert gewesen wäre.

Daß im Abschitt 3 des Anhangs zur GOF nun diese Interpretation von GER 18 in den gemeinsam unterzeichneten Konsenstext aufgenommen wurde, stellt einen sinnvollen Kompromiß dar. Offenbar in Anlehnung an eine Formulierung von J. Track122 und an die Darlegungen der "Präzisierungen" des Heiligen Stuhles heißt es nun: "Die Rechtfertigungslehre ist Maßstab oder Prüfstein des christlichen Glaubens. Keine Lehre darf diesem Kriterium widersprechen. In diesem Sinne ist die Rechtfertigungslehre ein ,unverzichtbares Kriterium, das die gesamte Lehre und Praxis der Kirche unablässig auf Christus hin orientieren will’ (GE 18). Als solche hat sie ihre Wahrheit und ihre einzigartige Bedeutung im Gesamtzusammenhang des grundlegenden trinitarischen Glaubensbekenntnisses der Kirche. Gemeinsam haben wir ,das Ziel, in allem Christus zu bekennen, dem allein über alles zu vertrauen ist als dem einen Mittler (1Tim 2,5 f.), durch den Gott im Heiligen Geist sich selbst gibt und seine erneuernden Gaben schenkt’ (GE 18)." Anders als in den Präzisierungen ist die Rechtfertigungslehre nun auch wieder als Kriterium für die Lehre der Kirche zur Geltung gebracht und ihre einzigartige Bedeutung auch für die Katholiken zum Ausdruck gebracht worden. Daß darüber hinaus der Zusammenhang von Rechtfertigungslehre und trinitarischem Bekenntnis mittels eines Zitates aus GER 18 näher erläutert worden ist, stellt ebenfalls eine glückliche Lösung dar.

VIII.

Der Schluß des Anhangs zur GOF (Annex 4) ist einem Problem gewidmet, das überhaupt erst durch die Antwort des Heiligen Stuhles auf die Tagesordnung der Nachverhandlungen zur GER gekommen war: die aus römisch-katholischer Sicht trotz der Bemühungen des LWB, seiner Unterschrift durch einen "magnus consensus" "echten kirchlichen Wert" zu verleihen, nicht restlos geklärte Frage nach "der tatsächlichen Autorität eines solchen synodalen Konsenses ... im Leben und in der Lehre der lutherischen Gemeinschaft."123 Was mit dieser recht gewundenen Formulierung tatsächlich gemeint war, ist freilich umstritten. Während in dem nicht gerade entspannten Klima nach der Veröffentlichung der römischen Antwort im Sommer 1998 die meisten evangelischen Christen diese Äußerung so verstanden, als wolle Rom die Lehrautorität lutherischer Synoden in Frage stellen,124 hat dieser Satz in der - wenn nicht autoritativen, so doch äußerst gewichtigen - Interpretation des Präfekten der Glaubenskongregation einen ganz anderen Sinn: Inwieweit kann die Unterzeichnung der GER durch den LWB kirchliche Verbindlichkeit für die lutherischen Synoden und Kirchenleitungen beanspruchen, wenn "eine nicht ganz geringe Anzahl von Kirchen" sich überhaupt nicht zur GER geäußert, "eine gottlob sehr kleine Zahl auch nein gesagt", "Theologen von Rang" und "Pfarrerinnen und Pfarrer ihre Bedenken formuliert haben" und - dies sei ergänzend zu Kardinal Ratzingers Äußerung hinzugefügt - eben auch eine nicht geringe Anzahl von Kirchen mit "Ja, aber ..." geantwortet hat?

Der Anhang zur GOF stellt nun unmißverständlich klar, daß die zunächst auf evangelischer Seite ausgelösten Befürchtungen unbegründet sind: "In der Antwortnote der Katholischen Kirche soll weder die Autorität der lutherischen Synoden noch diejenige des Lutherischen Weltbundes in Frage gestellt werden." Und weiter heißt es nun unter Hinweis auf die schon vom Ökumenismusdekret des II. Vatikanums (UR 9) vorgegebene Verfahrensweise: "Die Katholische Kirche und der Lutherische Weltbund haben den Dialog als gleichberechtigte Partner (,par cum pari’) begonnen und geführt. Unbeschadet unterschiedlicher Auffassungen von der Autorität in der Kirche respektiert jeder Partner die geordneten Verfahren für das Zustandekommen von Lehrentscheidungen des anderen Partners."

Der letzte Satz, der wiederum weitgehend aus den "Grundsatzüberlegungen" von J. Track übernommen wurde,125 stellt eine weitere erfreuliche Klarstellung dar. Die Frage bleibt jedoch, ob tatsächlich die aufgrund des Mehrheitsvotums zur GER von 1998 jetzt vom Präsidium des LWB vorgenommene Unterzeichnung einer inzwischen sogar erweiterten Lehrerklärung ausreicht, um auf lutherischer Seite Verbindlichkeit für alle Gliedkirchen herzustellen. Von jenen, die im vergangenen Jahr explizit mit "Nein" geantwortet haben, kann eine solche Anerkennung der Konsensdokumente schon gar nicht erwartet werden, doch auch mit Blick auf die übrigen Kirchen ist das gewählte Verfahren hochproblematisch, und zwar aus drei Gründen.

Zum ersten war der 1998 - noch vor der römischen Antwortnote - erreichte "magnus consensus" keineswegs ein Konsens, der zu einer uneingeschränkten Zustimmung zur GER in ihrer Gesamtheit berechtigt hätte. Daß genau dies jedoch mit der Unterzeichnung intendiert sei, wurde nun am Schluß der GOF von beiden Seiten ausdrücklich festgehalten.

Fussnoten:

Zur Legitimierung dieses Verfahrens wurde auf den Annex zur GOF verwiesen, in dem angeblich all jene Probleme, die durch die römische Antwortnote entstanden waren, aber auch jene, die die lutherischen Kirchen schon zuvor in ihren differenzierten Stellungnahmen benannt hatten, eine hinreichende Klärung erfahren hätten.126 Hierzu ist festzustellen, daß nur in den drei Lehrpunkten Heilsgewißheit, Lohn und Rechtfertigung als Kriterium sowie im Hinblick auf die gegenseitige Respektierung der Autorität der jeweiligen Entscheidungsorgane mit dem Zusatzdokument von 1999 ein wirklicher Fortschritt erreicht werden konnte. Die in GOF 3 nun etwas deutlicher umrissene Zielvorstellung, die auf beiden Seiten mit der Weiterführung des Dialogs verknüpft ist, bleibt insgesamt immer noch zu vage und vor allem zu mehrdeutig, als daß man behaupten könnte, auch hier wäre schon jetzt ein substantieller Fortschritt erreicht. Kein Fortschritt wurde jedenfalls im Hinblick auf GER 38 erzielt. Hier sind nach wie vor jene Kirchen, zu deren Bekenntnisschriften die Konkordienformel gehört, in Erklärungsnot, weshalb der erste Satz dieses Paragraphen nicht von der entsprechenden Lehrverurteilung getroffen werden sollte. Insgesamt berechtigen die GOF und ihr Anhang also gerade nicht zu der Annahme, daß jetzt für die Synoden kein Anlaß mehr bestehe, der GER die uneingeschränkte Zustimmung zu verweigern. Zum zweiten aber steht zu befürchten, daß manche Synoden bei einer aufmerksamen Lektüre des Anhangs zur GOF sogar ihre ursprünglich (konditionierte) Zustimmung zurücknehmen oder sie zumindest noch weiter einschränken könnten. Hierzu geben insbesondere jene Ausführungen in Annex 2A-C Anlaß, wo lutherische Lehrpositionen zugunsten einer Annäherung an den römisch - katholischen Standpunkt verunklart worden sind. Im einzelnen betrifft dies die faktische Umdeutung des "simul iustus et peccator" in ein "iustus, sed viribus peccati circumventus", die Herabstufung der lutherischerseits behaupteten Sündhaftigkeit der Konkupiszenz von einer ontischen zu einer epistemischen Qualität sowie vor allem die Einführung des Begriffes der Mitwirkung in die Rechtfertigungslehre, die die Zustimmung der römisch-katholischen Seite zum "sola fide" sogleich wieder ad absurdum führt. Diese "Erläuterungen" stellen eindeutig Rückschritte dar, insofern sie den zunächst in der GER relativ scharf umrissenen, schmerzhaften Dissens zwischen beiden Konfessionen nun zugunsten eines höchst diffusen ökumenischen Konsenses aufzulösen versuchen, der sich über kurz oder lang erneut als ökumenisches Debakel entpuppen könnte. "Nil ab oecumenismo tam alienum est quam ille falsus irenismus, quo puritas doctrinae catholicae detrimentum patitur et eius sensus genuinus et certus obscuratur" (UR 11) - diese Mahnung der Konzilsväter des II. Vatikanums sollten sich auch Lutheraner ins Stammbuch schreiben lassen. Zum dritten aber - und damit wird nun auch die prinzipielle Problematik dieser Konsenserkl. berührt - lag und liegt nach evangelischem Verständnis die Lehrvollmacht ausschließlich bei der jeweiligen Kirche, d. h. im Normalfall bei deren Synode und in gewissen Kirchen zusätzlich auch bei der Kirchenleitung. Verbindlichkeit im strengen Sinne kann deshalb nur auf dem Wege einer Ratifizierung des ausgehandelten Konsenses durch die einzelnen Mitgliedskirchen erzielt werden und nicht durch den Beschluß eines übergeordneten Organs wie des LWB. Dies ist das Verfahren, das schon im 16. Jh. den lutherischen Bekenntnisschriften zu verbindlicher Anerk. verhalf, das in unserem Jahrh. bei der Leuenberger Konkordie angewandt wurde und das m. E. auch im Fall der GER und ihrer Zusatzdokumente hätte befolgt werden sollen. Allein eine solche Ratifizierung der Konsenserkl. stellt nämlich evangelischerseits das geordnete Verfahren für das Zustandekommen von Lehrentscheidungen dar, von dem ja der Anhang zur GOF spricht. Daß ausgerechnet hier dieser Weg jedoch nicht beschritten wurde, taucht die nach außen hin mit aller Entschiedenheit verteidigte Autorität der lutherischen Synode in ein etwas fragwürdiges Licht. Sollte hier etwa doch die Befürchtung eine Rolle gespielt haben, die Zustimmung der Synoden zu diesem neuen Text könnte vielleicht doch nicht so einhellig ausfallen, wie dies der LWB als selbstverständlich vorauszusetzen können meinte? Tatsächlich ist ja auch mit diesem Text in wesentlichen Punkten noch kein tragfähiger Konsens erreicht worden, ganz zu schweigen von der Tatsache, daß sowohl durch das Nebeneinander von GER und Annex als auch durch die Zustimmung zum Wortlaut von Formeln des jeweiligen Dialogpartners, nicht aber zu dem damit traditionell bezeichneten Inhalt, die Verwirrung über die angeblich gemeinsam bejahten "Grundwahrheiten der Rechtfertigungslehre" eher größer als kleiner geworden ist. Auch deshalb ist es unumgänglich, daß sich die Mitgliedskirchen des LWB auch nach der Augsburger Unterzeichnung doch noch einmal mit diesem Thema befassen und klären, ob und inwieweit dem jetzt unterzeichneten Konsens zur Rechtfertigungslehre auch in ihrer Kirche Verbindlichkeit zukommen soll und in welchen Punkten der Dialog trotz der einen oder anderen ausgefeilten Konsensformel dringend weitergeführt werden muß. Nur so wird aus dem vielbeschworenen "magnus consensus" der lutherischen Kirchen auch ein ehrlicher und für das künftige ökumenische Gespräch wegweisender Konsens.

Summary

The signatory ceremony of the "Joint Declaration on the Doctrine of Justification" and its newly drafted amendment, by the Roman Catholic Church and the Lutheran World Federation on October 31st in Augsburg, has not only evoked joyful ecumenical assent, but has also raised questions about the actual theological value and internal coherence of these documents as well as about the formal legitimacy of the signatory act. According to the author’s argument, a thorough analysis of the new supplementary documents, the "Joint Official Statement" and its "Appendix", reveals that further consensus has been reached on only three points, namely the common understanding of the heavenly reward promised for good works, the divine assurance of salvation to the faithful and the doctrine of justification as criteria for the teaching and the practices of the church. However, in spite of the joint use of Lutheran theological formulations in the "Appendix", no sufficient consensus has been reached with regard to the most crucial points, i.e. the question of justification by faith alone, the sinfulness of the justified and the understanding of concupiscence. Furthermore, the insinuation of an agreement between the Formula of Concord and the Tridentine concept of cooperation, as expressed in the "Appendix", is null and void, since it is based on a serious equivocation with respect to the term "cooperation". Therefore, the signing of these supplementary documents by the executive of the LWF may be seen as a rather arbitrary act, all the more, since the member churches, to which any doctrinal decision would in fact pertain, had not been previously asked to approve them. Yet, such an approval is the indispensable prerequisite to any true and sincere ecumenical consensus.

1) Veröffentlicht u. a. in: KNA-ÖKI 15.6.1999; epd-Dokumentation 24/1999, 49-51.

2) Veröffentlicht u. a. in: KNA-ÖKI 4.3.1997; epd - Dokumentation 46/1997, 21-28.

3) Der Text der römisch-katholischen Antwort findet sich abgedruckt in: epd-Dokumentation 27a/1998, 1-3.

4) E. Jüngel, Um Gottes Willen - Klarheit! Kritische Bemerkungen zur Verharmlosung der kriteriologischen Funktion des Rechtfertigungsartikels - aus Anlaß einer ökumenischen "Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre", ZThK 94, 1997, 394-406.

5)Zu Stärken und Schwächen dieses Textes vgl. meinen Beitrag "Von Regensburg nach Würzburg: Hoffnungsvoller Fortschritt oder alter Dissens in neuem Gewand? Zur Diskussion um die ,Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre’", ThLZ 123, 1998, 713-728.

6) E. Jüngel, Ein wichtiger Schritt, in: DAS v. 4.6.1999 (abgedruckt in: epd-Dokumentation 24/1999, 60-60a).

7) Lehrverurteilungen - kirchentrennend?, Bd. I: Rechtfertigung, Sakramente und Amt im Zeitalter der Reformation und heute, hrsg. v. K. Lehmann und W. Pannenberg, Freiburg i. Br./Göttingen 1986.

8) Abgedruckt in: ÖR 44, 1995, 99-102.

9) Das Gutachten, das der Päpstliche Rat zur Förderung der Einheit der Christen hierzu schon 1992 verfaßt hatte, ist bis heute nicht veröffentlicht und wird es wohl auch nie werden, vgl. L. Ullrich, Praxis und Prinzipien einer ökumenischen Hermeneutik. Dargestellt an der "Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre", in: Dem Ursprung Zukunft geben. Glaubenserkenntnis in ökumenischer Verantwortung (FS W. Beinert), hrsg. v. B. Stubenrauch, Freiburg i. Br./Basel/Wien 1998, 192.

10) Auf Deutsch veröffentlicht in: Rechtfertigung im ökumen. Dialog. Dokumente und Einführung, hrsg. v. H. Meyer u. G. Gaßmann, Frankfurt a.M. 1987, 107-200.

11) Kirche und Rechtfertigung. Das Verständnis der Kirche im Licht der Rechtfertigungslehre, hrsg. v. der Gemeinsamen römisch-katholischen/evangelisch-lutherischen Kommission, Frankfurt a.M./Paderborn 1994.

12) LWB-D 33, 1993, 118 f.

13) Vgl. L. Ullrich, Kurze Geschichte der Gemeinsamen Erklärung, 6.10./16.12.1998 (Typoskript), 1. An der Genfer Sitzung nahmen von katholischer Seite Prof. Ullrich, Bischof Duprey und Msgr. Raem teil, von lutherischer Seite Dr. Brand, Prof. Meyer und eine weitere, nicht namentlich genannte Person.

14) Dieser paritätisch besetzten Kommission gehörten die Lutheraner H. Meyer, J. Reumann und E. Brand sowie die Katholiken L. Ullrich, G. Tavard und H.-A. Raem an, vgl. dazu: D. Wendebourg, Zur Entstehungsgesch. der "Gemeinsamen Erklärung", Beiheft 10 zur ZThK 95, 1998, 152.

15) Vgl. hierzu L. Ullrich, a. a. O. (s. Anm. 13), 1, sowie E. Brand, Der Prozeß im LWB hinsichtlich der Gemeinsamen lutherisch/römisch-katholischen Erkl. zur Rechtfertigungslehre, in: LWB-D 40, 1996, 58.

16) Der Text wurde veröffentlicht in: Texte aus der VELKD 65, 1996, 2-20, sowie in: D. Wendebourg, a. a. O. (s. Anm. 14), 168-198; der Brief von Generalsekretär I. Noko ebd., 199-201.

17) Die dreizehn deutschen Mitgliedskirchen hatten ihre Zustimmung von bestimmten Veränderungen abhängig gemacht, die sie in einer detaillierten Stellungnahme vom 31.1.1996 dargelegt hatten (abgedruckt in: Texte aus der VELKD 65, 1996, 21-35).

18) Dieser Kommission gehörten von lutherischer Seite Bischof Huovinen (Helsinki), M. Piske (Brasilien), D. Wendebourg (Deutschland), J. Reumann (USA), T. Dieter, H. Meyer, M. Root (alle drei Straßburger Institut für Ökumenische Forschung) und E. Brand (LWB) an und von römisch-katholischer Seite Bischof Scheele (Würzburg), L. Ullrich (Deutschland), J. Fitzmyer, J. Wicks (USA), K. J. Becker (Glaubenskongregation) und H.-A. Raem (Einheitsrat).

19) Diese Textfassung wurde von D. Wendebourg a. a. O. (s. Anm. 14), 168-198 erstmals vollständig veröffentlicht.

20) Vgl. hierzu L. Ullrich, a. a. O. (s. Anm. 13), 2.

21) Zu dieser Merkwürdigkeit des Verfahrens vgl. D. Wendebourg, a. a. O. (s. Anm. 14), 158-160. Außer Bischof Huovinen wurden von den Würzburgern Mitgliedern nur die Vertreter des LWB und des Straßburger Instituts um eine "Begutachtung" des soeben von ihnen mitbeschlossenen Textes gebeten.

22) Die in Würzburg vorgetragenen Änderungswünsche des Einheitsrates gingen auf eine Reihe von verbindlichen Auflagen und Änderungswünschen der Glaubenskongregation zurück. Über den der Würzburger Kommission nicht vorgelegten Brief der Glaubenskongregation an Kardinal Cassidy teilt L. Ullrich, a. a. O. (s. Anm. 13), 2, mit, daß die Auflagen die Paragraphen 18 (Kriterium), 20 (Mitwirkung), 24 (Rechtfertigung und Erneuerung), 30 (sündentilgende Kraft der Taufe und Bußsakrament) und 37 (Heilsgewißheit) betrafen, wozu insgesamt noch elf weitere Änderungswünsche der Kongregation kamen.

23) Vgl. hierzu den Bericht von Bischof H. Hirschler vor der Generalsynode der VELKD in Kühlungsborn vom 19.10.1997, in: Texte aus der VELKD 78/1997, 15 (wiederabgedruckt in epd - Dokumentation 49/1997, 28).

24) Der ganze Brief ist abgedruckt in: D. Wendebourg, a. a.O. (s. Anm. 14), 205 f. (206).

25) Zum Beginn der Kontroverse vgl. epd-Dokumentation 46/1997, 49-65, u. 1/1998, 1-36.

26) Der Leipziger Beschlußvorschlag findet sich zitiert in einem Brief von J. Wallmann an H. Hirschler vom 11.2.1998, abgedruckt in: epd-Dokumentation 11/1998, 6.

27) Der Beschluß und die beigegebenen Erläuterungen finden sich in epd - Dokumentation 46/1997, 29-31.

28) Abgedruckt in: epd-Dokumentation 49/1997, 53.

29) Abgedruckt in: epd-Dokumentation 7/1998, 1-4.

30) Vgl. hierzu die "Detaillierte Analyse einzelner Antworten lutherischer Kirchen auf die ,Gemeinsame Erklärung’" durch das Straßburger Institut in: epd-Dokumentation 37a/1998, 22-27. Diese "Analyse" ist freilich weniger eine Analyse als eine im schulmeisterlichen Ton gehal-tene Kritik der nicht klar mit "Ja" antwortenden kirchlichen Stellungnahmen.

31) Veröffentlicht in: epd-Dokumentation 27/1998, 10-17.

32) Vier Tage später - also noch vor der Beschlußfassung am 16.6. - hatte sich das Verhältnis auf 89 zu 80 verschoben, vgl. epd-Dokumentation 27/1998, 12.

33) Der Beschluß des LWB-Rates wurde veröffentlicht in: epd - Dokumentation 27/1998, 1-8 (4).

34) Vgl. entsprechende Äußerungen des von Anfang an an dem Projekt einer Gemeinsamen Erklärung beteiligten Erfurter Dogmatikers L. Ullrich, Die Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre. Bedeutung und Rezeption aus katholischer Perspektive, US 53, 1998, 362 f.

35) Vgl. Kommuniqué der Kirchenleitung der VELKD vom 6.7.1998 und Stellungnahme des Rates der EKD vom 17.7.1998, abgedruckt in: epd-Dokumentation 32/1998, 1 f. u. 7.

36) F.A.Z. v. 14.7.1998, 13, abgedruckt in: epd-Dokumentation 32/1998, 3 f.

37) Abgedruckt in: epd-Dokumentation 43/1998, 17-19.

38) So wohl zunächst in seinem Brief an H. Schütte vom 26.8.1998, von dem jedoch umgehend "verantwortliche lutherische und katholische Stellen" Kenntnis erhielten, vgl. H. Schütte, Großer Schritt zur Einheit der Christen, Rheinischer Merkur/Christ und Welt v. 4.6.1999 (abgedruckt in: epd-Dokumentation 26/1999, 9 f.).

39) Vgl. Pressemitteilung des DNK v. 28.5.1999 (abgedruckt in: epd-Dokumentation 24/1999, 53).

40) Veröffentlicht in: epd-Dokumentation 24/1999, 1-48.

41) Vgl. Pressemitteilung des LWB v. 14.11.1998, abgedruckt in: epd-Dokumentation 51/1998, 1.

42) Vgl. epd-Dokumentation 24/1999, 52.

43) Vgl. epd-Dokumentation 45/1999, 6 f. u. 27.

44) Ratzinger äußerte sich hierüber in einem Interview, vgl. epd-Dokumentation 36/1999, 5-7. Als besonders anstößig wurde evangelischerseits die in der deutschen Fassung getilgte Aussage Ratzingers empfunden, "Chi si oppone alla dottrina esposta a Trento si oppone alla dottrina, alla fede della Chiesa."

45) Diese erneute Stellungnahme von theologischen Hochschullehrern findet sich mit 243 Unterschriften in: epd-Dokumentation 45/1999, 23-26.

46) Vgl. hierzu: E. Herms, Der Dialog zwischen Päpstlichem Einheitsrat und LWB 1965-1998. Ausgangsperspektiven, Verlauf, Ergebnis, ThLZ 123, 1998, 657-714.

47) Vgl. den Titel der Evaluation der römischen Antwort durch E. Jüngel: Amica Exegesis einer römischen Note, ZThK 95, Beiheft 10, 1998, 252-279.

48) Präzisierungen 5, a. a. O. (s. Anm. 3), 3.

49) A. a. O. (s. Anm. 26), 6. Dies wurde dann aber insofern doch nicht ganz umgesetzt, als der Passus über die Lehrverurteilungen im revidierten Beschlußvorschlag der Bischofskonferenz der VELKD vom 18.10.1997 dann lautete: "Aufgrund der in der ,Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre’ dargelegten Übereinstimmungen ..." (a. a. O.). Daß diese hier genannten "Übereinstimmungen" nur den "Kontext", nicht aber den "Grund" für die folgende Feststellung über die Lehrverurteilungen bildeten, ist die etwas diffizile - und jedenfalls philologisch nicht nachvollziehbare - These von R. Brandt, Gemeinsame Erklärung - kritische Fragen, ZThK 95, 1998, 101.

50) Vgl. hierzu die Analyse der entsprechenden Beschlüsse in epd-Dokumentation 37a/1998, 10-12, 21-24.

51) "Durch diesen Akt der Unterzeichnung bestätigen die Katholische Kirche und der Lutherische Weltbund die Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre in ihrer Gesamtheit."

52) Vgl. a. a. O. (s. Anm. 50), 24, 26 u. 28. Die AKf hatte bereits zuvor in ihrer Stellungnahme vom 15.10.1997 diese Formel als "problematisch" bezeichnet und die Befürchtung geäußert, daß sich die GER deshalb als "ein Rückschritt auf dem Weg zur Kirchengemeinschaft erweisen könnte" (epd-Dokumentation 49/1997, 58).

53) Ob es sich hierbei auch um die vortridentinischen Verurteilungen reformatorischer Theologie handelt, bleibt offen - vgl. I. Dalferth, Einheit in Verschiedenheit, NZZ v. 8.6.1999 (epd-Dokumentation 26/1999, 11).

54) A. a. O. ( s. Anm. 33), 3.

55) A. a. O. (s. Anm. 3), 1-3.

56) Vgl. die Erläuterungen des DNK, a. a. O. (s. Anm. 27), 31, und Präzisierungen 7, a. a. O. (s. Anm. 3), 3.

57) Einheit vor uns, in: H. Meyer u. a (Hrsg.), Dokumente wachsender Übereinstimmung, Bd. II, Paderborn/Frankfurt a. M. 1992, 461 f. (Nr. 31-34).

58) Ebd., 498 (Nr. 126).

59) Dies gegen die auch in diesem Punkt allzu weitgehende Interpretation der GOF durch I. Dalferth, a. a. O. (s. Anm. 53), 11. Vgl. auch das Votum der Hochschullehrer (a. a. O. [s. Anm.29], 2), in dem solche Befürchtungen geäußert worden waren.

60) A .a. O. (s. Anm. 27 ), 31.

61) Auch hier ist I. Dalferths Interpretation der GOF (a. a. O. [s. Anm. 53], 11) zu widersprechen.

62) Zu Recht hatte es E. Jüngel, a. a. O. (s. Anm.47), 279, als "von entscheidender Bedeutung für den weiteren Gang der Dinge" bezeichnet, "ob sich die römisch-katholische Kirche und die lutherischen Kirchen gegenseitig als Kirchen anerkennen" ( ZThK 95, Beiheft 10, 1998, 279). Doch gerade hier ist kein Fortschritt in Sicht.

63) Vgl. Punkt 8 der Präzisierungen (a. a. O. [s. Anm. 3], 3).

64) Daß Bischof Knuth in seinem Bericht vor der Generalsynode der VELKD am 18.10.1999 in Braunschweig erklärt hat, das "in ihrer Gesamtheit" von GOF 3 bedeute, daß gerade nicht jeder einzelnen Aussage der GER zugestimmt und deshalb auch nicht sie, sondern nur die GOF unterzeichnet würde, zeigt, wie trickreich und unklar dieser Konsens eigentlich ist (vgl. epd-Dokumentation 45/1999, 16 f.).

65) "Gemeinsam bekennen wir: allein aus Gnade im Glauben an die Heilstat Christi, nicht aufgrund unseres Verdienstes, werden wir von Gott angenommen und empfangen den Heiligen Geist, der unsere Herzen erneuert und aufruft zu guten Werken."

66) Präzisierungen 1, a. a. O. [s. Anm. 3], 1.

67) Vgl. GER 27: "Dieses neue personale Verhältnis zu Gott gründet ganz und gar in der Gnädigkeit Gottes und bleibt stets vom heilschöpferischen Wirken des gnädigen Gottes abhängig ..."; GER 28: "Wir bekennen gemeinsam, daß der Heilige Geist in der Taufe den Menschen mit Christus vereint, rechtfertigt und ihn wirklich erneuert."

68 DH 1515 u. 1528; vgl. auch folgenden Satz aus der Liste der Häresien Luthers in der Bannandrohungsbulle Leos X.: "In puero post baptismum negare remanens peccatum, est Paulum et Christum simul conculcare." (DH 1452)

69) Die Formulierung von GER 28 geht ihrerseits auf LV 51, 15-23, u. 52, 17-20, zurück.

70) Die erwähnten Äußerungen von Kardinal Ratzinger über den bleibenden Dissens in der Frage des "simul iustus et peccator" bestätigen diese Einschätzung.

71) Stellungnahme des GA der VELKD und des DNK des LWB zum Dokument Lehrverurteilungen - kirchentrennend?, in: Lehrverurteilungen im Gespräch, Göttingen 1993, 82, 36-39 ( bezieht sich auf LV 52, 15).

72) Präzisierungen 1, a. a. O. [s. Anm. 3], 1.

73) Dieses "angesehen" hat seine umgekehrte Entsprechung in GER 30 (s. u. Anm. 77).

74) Vgl. DH 1515: "Hanc concupiscentiam, quam aliquando Apostolus ,peccatum’ appellat, sancta Synoda declarat, Ecclesiam catholicam numquam intellexisse, peccatum appellari, quod vere et proprie in renatis peccatum sit, sed quia ex peccato est et ad peccatum inclinat."; ganz ähnlich formulierte schon zuvor J. Eck in seinem Gutachten zur CA: (G. Müller, Johann Eck und die Confessio Augustana, QF 38 [1958], 225): "At morbus remanens vitiosa scilicet concupiscentia, licet ex peccato relicta et ad peccatum inclinans et ob hoc peccatum dici possit, sicut manus scriptura. Tamen nec proprie nec vere aut formaliter est peccatum ..." Der Vergleich mit den Begriffen "Hand" und "Schrift" verweist deutlich auf den Ursprung dieser Beschreibung bei Augustin: "sed haec etiamsi uocatur peccatum, non utique quia peccatum est, sed quia peccato facta est, sic uocatur, sicut scriptura manus cuiusque dicitur, quod manus eam fecerit ... et ideo iam non sit peccatum, sed hoc uocetur, siue quod peccato facta sit siue quod peccandi delectatione moueatur ..." (Contra duas ep. Pel. I, 27 [CSEL 60, 445, 19-446, 6]).

75) Eine ähnliche Formulierung findet sich schon bei J. Track, a. a. O. (s. Anm. 40), 36: "Auch kann dem zugestimmt werden, daß die Begierde (im Verständnis des Trienter Konzils) als triebhaftes Streben des Leibes gegen die Vernunft zum Einfallstor der Sünde werden kann ..." LV 51, 20 f. hatte davon gesprochen, daß die Begierde zu einer "Anlaufstation" für die Sünde werden könne.

76) So auch E. Jüngel, a. a. O. (s. Anm. 6), 60a.

77) GER 30: "Insofern nach katholischer Überzeugung zum Zustandekommen menschlicher Sünden ein personales Element gehört, sehen sie bei dessen Fehlen die gottwidrige Neigung nicht als Sünde im eigentlichen Sinne an."

78) Dies erinnert an LV 69, 30, wo in ähnlich erratischer Weise - im Zusammenhang mit der Bußtheologie - plötzlich in einem Nebensatz von"dem gemeinsam bejahten ,sola fide’" die Rede ist, obwohl weder vorher noch nachher dies festgestellt oder näher erläutert worden wäre.

79) Vgl. DH 1532 u. 1535.

80) Resp.theol. ad art. IV: "Si quando vero ait Paulus, fidem iustificare, et fidem esse iustitiam nostram, intelligi debet, non de fide sola, quam populo Lutherus obtrudit, sed de fide per dilectionem operante, quam vulgo vocamus fidem formatam." (CR 27, 97); Conf. art. VI: "Proinde non admittitur, quod tam saepe fidei tribuunt iustificationem, cum id pertineat ad gratiam et caritatem." (CR 27, 100)

81) So allerdings verstand Melanchthon die fides formata in AC 4, 109f. 145 f. (BSLK 182,51-183,19; 188, 54-189,17).

82) Dies ist um so unverständlicher, als LV 57,1-59,33 hierzu hervorragende Ansatzpunkte geboten hätte.

83) "Si quis dixerit, sola fide impium iustificari, ita ut intelligat, nihil aliud requiri, quo ad iustificationis gratiam consequendam cooperetur, et nulla ex parte necesse esse, eum suae voluntatis motu praeparari atque disponi: anathema sit."(DH 1559)

84) Vgl. M. Luther, De servo arbitrio. 1525 (WA 18, 697,26-28), übernommen in SD II, 89 (BSLK 909,32-910,25). Diese Formel war in can. 4 des Rechtfertigungsdekrets anathematisiert worden (DH 1554).

85) Präzisierungen 3, a. a. O. (s. Anm. 3), 2.

86) Vgl. DH 1525 f. 1528.

87) Vgl. SD II, 60 (BSLK 896,8-13); 74 (902,24-903,4).

88) Vgl. SD II, 29 f. (BSLK 884,26-885,10); 43 f. (888,47-889,21).

89) Präzisierungen 3, a. a. O. (s. Anm. 3), 2.

90) SD II, 7 (BSLK 873,16-874,21); 18 (879,5-18); 24 (882,9-29); 45 (889,42-890,12); 59 (894,35-896,7).

91) GER 19: "... als Sünder steht er unter dem Gericht Gottes und ist unfähig, sich von sich aus Gott um Rettung zuzuwenden ..."; 20: "Wenn Katholiken sagen, daß der Mensch ... mitwirke, so sehen sie in solch personaler Zustimmung selbst eine Wirkung der Gnade und kein Tun des Menschen aus eigenen Kräften"; vgl. can. 3 des Rechtfertigungsdekrets (DH 1553).

92) SD II, 77 (BSLK 903,24-904,23). Diese Wendung des Erasmus war später von den Philippisten übernommen worden.

93) SD II, 89 (BSLK 909,32-910,25).

94) Erfreulich ist, daß die klassische Fehlübersetzung von uper tes eudoxias in GER 11 mit "noch über euren guten Willen hinaus" nicht mehr wiederholt wurde - doch warum wurde auf die richtige Übersetzung verzichtet?

95) A. a. O. (s. Anm. 37), 18.

96) E. Jüngel, a. a. O. (s. Anm. 47), 268 f., Anm. 55. Daß E. Jüngel dieses Problem dann in seiner Würdigung der GOF (s. Anm. 6) einfach stillschweigend übergeht, ist erstaunlich.

97) Vgl. Kl. Kat., Credo 6 (BSLK 511,46-512,14).

98) SD II, 66 (BSLK 898,13-20): "Quod tamen sic, et non aliter intelligendum est: hominem iam conversum tantum atque tamdiu bene operari, quantum et quamdiu a Deo per spiritum sanctum ducitur, regitur et gubernatur"; vgl. 67 (898,32-899,5).

99) SD II, 39 (BSLK 887,40-888,8).

100) Auch die Apologie hält daran fest, daß die guten Werke Belohnung "verdienen", vgl. AC IV, 194.198.367 (BSLK 198,12-15.29-32; 229,44 f.).

101) Zu diesem Problem der GER vgl. ausführlicher: R. Flogaus, a.a.O. (s. Anm. 5), 723-728.

102) Vgl. DH 1535. 1582. Allerdings wird - abgesehen von der ohnehin geg. semantischen Nähe von "Wachstum in" und "Wachstum des/der" - im Quellenanhang zu Abschnitt 4.7 der GER ausdrücklich von einem "Beitrag zum Wachstum der Gnade" gesprochen!

103) Vgl. can. 24 des Rechtfertigungsdekrets (DH 1574).

104) SD IV, 35 (BSLK 949,10-22): "Weil dann aus Gottes Wort offenbar, daß der Glaube das eigentliche einige Mittel ist, dadurch Gerechtigkeit und Seligkeit nicht allein entpfangen, sondern auch von Gott erhalten wird, soll billich verworfen werden, das im Trientischen Concilio geschlossen und was sonst mehr uf dieselbe Meinung gerichtet worden, daß unsere guete Werk die Seligkeit erhalten, oder daß die entpfangene Gerechtigkeit des Glaubens oder auch der Glaube selbst durch unsere Werk entweder gänzlich oder ja zum Teil erhalten und bewahret werden."

105) Beschluß, a. a. O. (s. Anm. 33), 3; Erläuterungen, a. a. O. (s.Anm. 27), 31; Stellungnahme, a. a. O. (s. Anm. 71) 94,3-5.

106) Annex 2D: "Gnade als Gemeinschaft der Gerechtfertigten mit Gott in Glaube, Hoffnung und Liebe wird stets vom heilschöpferischen Wirken Gottes empfangen (vgl. GE 27). Doch der Gerechtfertigte ist dafür verantw., die Gnade nicht zu verspielen, sondern in ihr zu leben."

107) Vgl. SD IV, 31 (BSLK 947,11-25); Ep. IV, 19 (789,39-790,4); AC IV, 189 (227, 3 f.).

108) Annex 2D: "Die Aufforderung, gute Werke zu tun, ist die Aufforderung, den Glauben zu üben (vgl. BSLK 197, 45 f.). Die guten Werke des Gerechtfertigten soll man tun, ,nämlich daß wir unseren Beruf fest machen, das ist, daß wir nicht wiederum vom Evangelium fallen, wenn wir wiederum sündigen’ (Apol. XX, 13, BSLK 316,9-23)."

109) "Denn in dem Beruf bleibet man fest durch den Glauben, und der Glaube und heilige Geist bleibet in denjenigen nicht, die sundlich Leben führen."(BSLK 316,22-24); vgl. SD IV, 33 (BSLK 948,9-22).

110) Dies behauptet die Stellungnahme der VELKD und des DNK von 1991 (a. a. O.[s. Anm. 71], 94,5-8) unter Hinweis auf die in Anm. 112 genannten Stellen aus den lutherischen Bekenntnisschriften. Auch J. Track, a. a. O. (s. Anm. 40), 43, hat sich diese Behauptung zu eigen gemacht.

111) SD IV, 34 f. (BSLK 948,35 u. 949,10-14); zum ganzen Zusammenhang vgl. FC IV, 30-36. Zur Bezeichnung des Glaubens als "humanae salutis initium" vgl. DH 1532.

112) AC IV, 189 (BSLK 197, 53 f.); XII, 38 (258,57-259,1); Ep. VI, 4 (794,13-33). An der letzten Stelle ist freilich weder von Gnade oder Glauben noch von Wachstum oder von guten Werken die Rede!

113) Vgl. cap. 8, 10 u. 16 des Rechtfertigungsdekrets (DH 1532. 1535. 1545).

114) Präzisierungen 3, a. a. O. (s. Anm. 3), 2; vgl. DH 1545.

115) Zu dieser ursprünglich auf LV 62,28 f. zurückgehenden Formulierung in den Fassungen der GER von 1995 und von 1996 vgl. D. Wendebourg, a. a. O. (s. Anm. 14), 194.

116) Bei der modernisierten Wiedergabe des FC-Zitates ist den Autoren allerdings ein Fehler unterlaufen: Das "ihme" von BSLK 950, 22 ist nicht mit "ihnen" aufzulösen, sondern mit "sich".

117) Vgl. z. B. Enchiridion XXVIII, 107 (CChr.SL 46,107,54-57): "Gratia uero, nisi gratis est, gratia non est. Intelligendum est igitur etiam ipsa hominis bona merita esse dei munera, quibus cum uita aeterna redditur, quid nisi gratia pro gratia redditur?"

118) S. o. Anm. 100.

119) S. o. Anm. 25. Aus der Flut von Literatur zu diesem Streitpunkt seien stellvertetend genannt: R. Saarinen, Die Rechtfertigungslehre als Kriterium. Zur Begriffsgeschichte einer ökumenischen Redewendung, KuD 44, 1998, 88-103; T. Kaufmann, Die "kriteriologische Funktion" der Rechtfertigungslehre in den lutherischen Bekenntnisschriften, Beiheft 10 zur ZThK 1998, 47-66.

120) Präzisierungen 2, a. a. O. (s. Anm.3), 2.

121) Man kann, wie etwa J. Track, a. a. O. (s. Anm. 40), 21, in der Formulierung, dieses Bekenntnis sei "in der lebendigen Kirche und ihrem sakramentalen Leben" verwurzelt, einen Hinweis auf das andersartige Verständnis der Kirche im Katholizismus sehen, doch die Aussage als solche ist gleichwohl auch evangelischerseits tragbar.

122) Der zweite Satz stammt wörtlich aus den Grundsatzüberlegungen, a. a. O. (s. Anm. 40), 23: "Ohne hier der dringend notwendigen zukünftigen Debatte ... vorgreifen zu wollen, wäre zur ,Sicherung’ des gemeinsamen Verständnis [sic] der kriteriologischen Funktion der Rechtfertigungslehre ... eine klare Aussage über die Funktion der Rechtfertigungseinsicht/-lehre zu formulieren: ,Keine Lehre darf diesem Kriterium widersprechen’."

123) Präzisierungen 6, a. a. O. (s. Anm.3), 3.

124) Vgl. z. B. die Stellungnahme des Rates der EKD, a. a. O. (s. Anm. 35), 1 f.

125) J. Track, a. a. O. (s. Anm. 40), 47 f.: "Im Blick auf die Unterzeichnung/Bestätigung ist klarzustellen: Unbeschadet dessen, daß ein gemeinsames Verständnis über ,die Lehre von der Kirche, von der Autorität in ihr, von ihrer Einheit, vom Amt und den Sakramenten’ noch nicht erzielt worden ist, kein Kirchengemeinschaft begründender Konsens erreicht wurde und unterschiedliche Auffassungen über das Zustandekommen kirchlicher Lehrentscheidungen bestehen, respektieren die beiden Partner jedoch die geordneten Verfahren für das Zustandekommen von kirchlichen Lehrentscheidungen in der römisch-katholischen Kirche und in den lutherischen Kirchen und im Lutherischen Weltbund." Das Zitat stammt aus GER 43. Die Behauptung, der umstrittene Passus der Antwortnote wolle nur das unterschiedliche Verständnis der Autorität der Kirche als ein wichtiges Thema für für den künftigen Dialog festhalten, war der - nicht besonders einleuchtende - Versuch von Kardinal Cassidy in seinem Schreiben an Dr. Noko v. 30.7.1998 (a. a. O. [s. Anm. 37], 18 f.), den inzw. entstandenen Schaden doch noch zu begrenzen.

126) Vgl. zu dieser Argumentation etwa die Presseerkl. des Präsidenten der VELKD, F.-O. Scharbau vom 3.6.1999 (epd - Dokumentation 24/1999, 52).