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Ausgabe:

Juli/August/1998

Spalte:

698–714

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Eilert Herms

Titel/Untertitel:

Der Dialog zwischen Päpstlichem Einheitsrat und LWB 1965-1998
Ausgangsperspektiven, Verlauf, Ergebnis* (Teil 4)

Offenkundig ist also dieser Text eine denkbar genaue und unmißverständliche Darstellung des dynamischen Glaubensfundaments,336 das in M nur erst summarisch angesprochen war als das "Heilshandeln Gottes durch Jesus Christus im Heiligen Geist", welches als solches die Glaubenswirklichkeit in eine bleibende Beziehung zu sich versetzt, indem es alles Leben und Reden des Glaubens ermöglicht und verlangt, ohne doch je in eine theologische Lehre "eingefangen" werden zu können. Wir hatten bereits darauf hingewiesen, daß damals die Frage nicht gestellt wurde und offenblieb, wie denn in diesem Verhältnis Differenz und Zusammenhang zwischen diesem Handeln Gottes und dem durch es ermöglichten und verlangten Glaubensleben zu bestimmen ist. Dafür gibt es grundsätzlich zwei Möglichkeiten: Die Beziehung kann entweder von der Art sein, daß das durch das dynamische Glaubensfundament gesetzte Glaubensleben in einer Gemeinschaft mit dem Glaubensgrund steht, in der es ontologisch von ihm unterschieden bleibt, oder in einer Gemeinschaft, kraft derer es mit dem Glaubensgrund ontologisch identifiziert ist. Die Antwort, die KuR in Fortführung und Zuspitzung von DV und LG gibt, besagt genau letzteres: Der die Kirche schaffende Heilige Geist ist der den Aposteln als Vermächtnis an die Kirche gegebene und durch sie in die Kirche insgesamt fließende Geist. Kraft des Geschaffenseins des Glaubenslebens durch das Apostelamt und seines Fundiertseins auf ihm ist der Geist im Glaubensleben dauernd gegenwärtig.337 Er wohnt ihm (der Kirche und den Gläubigen) ein.338 Er beseelt das Glaubensleben339 und "durchwaltet" es340 und wirkt deshalb "in ihr (der Kirche) und durch sie"341. Dies alles sind "gemeinsame" Aussagen. Als römisch-katholische Aussagen begegnen dann Behauptungen der ontologischen Anteilhabe des Glaubenslebens, also der Kirche, am Wesen seines göttlichen Grundes, analog zur Vereinigung von menschlicher Natur und schöpferischem Logos in der Person Jesu Christi.342 Diese Vereinigung ist der eigentliche Zielpunkt des "inkarnatorischen" Wirkens Gottes in dieser Welt.343

Diese Sicht wird als diejenige vorgetragen, der die lutherische Delegation zustimmt, also als "gemeinsames" Bekenntnis344 bzw. "Glaubensgut"345. Das aber bedeutet, daß alle diejenigen Züge aus der Auffassung Luthers über das Zustandekommen des Rechtfertigungsglaubens durch die Selbstvergegenwärtigung Gottes im Christus Jesus durch den Heiligen Geist verschwiegen und stillschweigend negiert werden, die die gegenteilige Sicht der dadurch gestifteten bleibenden Gemeinschaft des Glaubens mit seinem Grund als einer Gemeinschaft mit bleibender ontologischer Verschiedenheit zur Folge haben: Verschwiegen bzw. negiert wird: 1. die Einsicht, daß der Glaube nicht allein vom inspirierten äußeren Wort geschaffen wird, sondern erst durch die vom Heiligen Geist gewirkte Umsetzung der äußeren Klarheit dieses Wortes in die innere Klarheit346; 2. daß dieses Geistwirken in der freien Souveränität Gottes geschieht, "wann und wo es ihm gefällt"347; 3. daß dieses Geschehen - erst es - das Evidentwerden der Wahrheit des Evangeliums bedeutet und daß diese Selbstvergegenwärtigung Gottes in Christus Jesus durch den Heiligen Geist deshalb die Setzung von Gewißheit bedeutet; 4. daß damit die Wirklichkeit von Gewißheit und Gnade, von Offenbarung und Heil zusammenfallen348; 5. daß die durch die Selbstvergegenwärtigung Gottes in Christus Jesus durch den Heiligen Geist geschaffene Glaubenswirklichkeit die Gemeinschaft zwischen Geschöpf (Glaubensgewißheit) und Schöpfer (der sich selbst vergegenwärtigenden veritas) im schlechthin passiven Gegenüber des Geschöpfes zur ungeschmälerten Souveränität des Schöpfers ist und deshalb allein dank derjenigen Treue Gottes existiert, die in sich selbst Manifestation seiner bleibenden Souveränität und Freiheit ist. Alle diese Pointen der reformatorischen Gnadenlehre (Rechtfertigungslehre) werden abgeblendet.349

Die entsprechenden Aussagen Luthers werden einfach unterdrückt. Nur durch diese systematische Verkürzung kann die These aufgestellt und durchgehalten werden, daß das in Luthers Gnadenlehre artikulierte Verständnis des dynamischen Glaubensgrundes identisch sei mit dem in der Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils vorgetragenen Verständnis dieses Sachverhalts.

Jedenfalls trägt dieses Verständnis nun alle weiteren Aussagen über das Verhältnis der Kirche zur Trinität (Kapitel 3) und über den Charakter der "Kirche als Empfängerin und Vermittlerin des Heils" (Kapitel 4).

Der Ursprung der Kirche entscheidet über ihr Wesen. Nachdem das dynamische Glaubensfundament das Heilshandeln Gottes durch Jesus Christus im Heiligen Geist, welches Glauben und Kirche schafft, in Kapitel 2 so beschrieben worden ist, daß es seine Inhärenz in der geschaffenen Wirklichkeit von Glaube und Kirche begründet, muß also auch "die wesenhafte Beziehung der Kirche" zur Trinität so beschrieben werden, daß sie jener "ursächlichen" entspricht: Die Kirche ist als "die vom Dreieinigen Gott ins Leben gerufene Gemeinschaft der Gläubigen" eine "gottgeschaffene menschliche Wirklichkeit", die "im Leben des Dreieinigen Gottes selbst verankert ist", und zwar so: daß sie selbst am "dreifaltigen Leben" Gottes "teilhat".350 Ebenso wie polemisch zurückgewiesen wird, daß das verkündigte Evangelium im Mund der geistbegabten Apostel/Amtsträger nur eine "Information" ist,351 ebenso wird polemisch zurückgewiesen "ein Verständnis von Kirche", das dahin neigt, sie nur oder primär als gesellschaftliches Phänomen auf seiten der Menschen zu sehen."352 Vielmehr gilt: Kraft der Inhärenz (Beseelung, Einwohnung etc.) des Geistes Gottes in den Aposteln und, durch sie vermittelt, in der im Rechtfertigungsglauben lebenden Kirche ist diese Kirche "Gottes eigenes Volk, Leib des auferstandenen Christus selbst, Tempel des Heiligen Geistes353; und die Einheit oder Gemeinschaft (koinonia/communio) der Kirche hat an der Einheit des Dreieinigen Gottes teil und spiegelt diese wider."354 Von dieser Teilhabe am Dreieinigen Leben Gottes her muß nun beides verstanden werden: Das Wesen der Kirche als Gemeinschaft355 und die wesensgerechte Wirkung der Kirche nicht nur als "Empfängerin", sondern auch als "Vermittlerin des Heils".356

Weil die Kirche "in der untrennbaren Gemeinschaft oder koinonia der drei göttlichen Personen" wurzelt, wird sie "dadurch selbst als koinonia konstituiert", das heißt als Verbindung der Gläubigen mit Gott und dadurch auch als Verbindung mit- und untereinander.357 Die koinonia der Gläubigen mit Gott wird durch die apostolisch/amtlich vollzogene Evangeliumsverkündigung und Verwaltung der Sakramente geschaffen358, und diese durch Wort und Sakrament vermittelte Gemeinschaft mit Gott führt nach katholischem und lutherischem Verständnis zur Gemeinschaft der Gläubigen untereinander.359 Diese Gemeinschaft der Gläubigen ist aber als Gemeinschaft mit Gott nur eine einzige, eben die "eine, heilige, katholische und apostolische Kirche", die "Una Sancta" des Credo".360 Sie ist auf "lokaler, regionaler und universaler Ebene verwirklicht"361, also nur als "communio ecclesiarum".362 Nach dem Konzil gilt nun, daß diese Una Sancta verwirklicht ist in der römisch-katholischen Kirche, und zwar deshalb, weil sie die durch die geistbegabte apostolische/amtliche Heilsvermittlungstätigkeit geschaffene und gegründete Gemeinschaft ist. So ergibt sich aus römisch-katholischer Sicht, daß in jeder Ortsgemeinde die Una Sancta deshalb verwirklicht ist, weil sie von einem Apostelnachfolger geleitet wird.363 Gilt dasselbe auch für Lutheraner? Immerhin wird ihnen nach KuR zugestanden, was für die Kirche als koinonia konstitutiv ist: "das gemeinsame Verständnis und Bekenntnis apostolischen Glaubens (Bekenntnisgemeinschaft) und die Gemeinschaft in der Verkündigung und in den Sakramenten (Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft), die das Amt der Wortverkündigung und Sakramentsverwaltung (Anerkennung der Ämter/Dienstgemeinschaft) impliziert"364, wobei das oben entwickelte Verständnis des Amtes als geistbegabten Fundaments der Kirche schon unterstellt ist. Nachdem bereits in Evu die Modalitäten der Übernahme des in der römisch-katholischen Kirche existierenden Bischofsamtes durch die Lutheraner verabredet sind, bleibt für den kommenden Dialog nur noch der Primat des Papstes übrig.365

Aus der Begründung der Kirche durch die heilsvermittelnde Tätigkeit der geistbegabten Apostel/Amtsträger ergibt sich der Doppelaspekt ihrer wesentlichen Wirkweise: Einerseits ist sie der Ort, an dem in den Versammlungen der Gläubigen um die apostolisch/amtliche Verkündigung und Sakramentsverwaltung Heil empfangen wird.366 Andererseits wird aber die Kirche, der durch die Vermittlungstätigkeit der von Christus selbst bevollmächtigten Apostel (Amtsträger) die Gabe des Heils inhäriert, dadurch auch zur "Vermittlerin"367 des Heils an die Welt: "die ,Una Sancta’ ,durchdringt’ als eschatologische Wirklichkeit die ganze Geschichte".368

Damit fällt der Blick auf den Zusammenhang der Kirche mit Christus. Die Frage stellt sich, ob bzw. in welchem Sinne die "Kirche als ,Sakrament’ des Heils"369 ausgesagt werden könne. Das Konzil lehrt Christus als das "Ursakrament", dessen Gegenwart in der Kirche diese selbst zum "Sakrament" des Heils mache.370 Zunächst werden Vorbehalte lutherischer Theologie gegen diese Redeweise371 zur Sprache gebracht: Kirche ist zwar als "Vermittlerin von Wort und Sakrament" "das Werkzeug, durch das der Heilige Geist den Menschen heilig macht", und sie ist es "in der Weise, daß in ihrer Verkündigung und Sakramentsverwaltung Jesus Christus selbst handelt und heilvoll gegenwärtig wird".372 Aber: "So sehr das vermittelnde Handeln der Kirche und das Heil schaffende Handeln Gottes in diesem Geschehen in eins zusammenfließen (sic!), sind sie darin doch deutlich unterschieden". "Obwohl es durchaus lutherische Theologen gibt, die den Sakramentsbegriff auf die Kirche anwenden, bleiben dennoch innerhalb der lutherischen Theologie die Vorbehalte gegenüber der Rede von Kirche als ,Sakrament’".373 Sie beziehen sich auf zwei Punkte: (a) Nur Christus ist das "eine Sakrament Gottes". Von ihm empfängt sie die Einzelsakramente, so daß gilt: "In ihnen vollzieht nicht die Kirche ihr eigenes Sein, sondern sie empfängt das Heil von Christus, und nur als Empfangende vermittelt sie das Heil".374 (b) Die Bezeichnung der Kirche als "Sakrament" darf nicht der Aussage widersprechen, "daß die Kirche heilig und sündig zugleich ist."375 Freilich: Dieses Insistieren auf dem "Gegenüber von Christus und der Kirche" bewegt sich selbst schon auf den Boden der zugestandenen "Einheit" von beidem, ihres "Zusammenfließens" im Leben der Kirche. Folglich reduziert sich das Problem auf die den Theologen zu überlassende Frage, wie die Differenz im Rahmen dieses Zusammenfließens ausgesagt werden könne.376 Deutlich werden und bleiben muß nur der Grundkonsens, "daß der eschatologische Gnadenzuspruch Gottes wirklich das kirchliche Handeln bestimmt und von innen her leitet und daß das Heil so in der Geschichte leibhaftig ankommt. Es muß klar sein, daß das Heil nie von Menschen machbar oder ihnen verfügbar ist, sondern auch im Wirken der Kirche Gabe Gottes bleibt".377 Dieses theologische Problem löst nicht die Übereinstimmung zwischen Lutheranern und Katholiken darüber auf, "daß die Kirche Werkzeug und Zeichen des Heils und in diesem Sinne auch ,Sakrament’ des Heils ist".378

Zur Heilsmittlerschaft der Kirche als "Sakrament" gehört jedenfalls auch ihre Sichtbarkeit, die in Spannung zu ihrer "Verborgenheit" steht.379 Hier wird zunächst das lutherische Verständnis dieses Verhältnisses nicht etwa auf das Verständnis des dynamischen Glaubensfundaments bezogen, also auf das Verhältnis zwischen dem durch das Handeln Gottes gesetzten Verhältnis zwischen ihm und dem Handeln des Menschen - darüber besteht vielmehr Konsens im Sinne der Behauptung eines "Zusammenfließens" von menschlichem und göttlichem Handeln -, sondern aus der Problematik der Erkennbarkeit der sichtbaren Kirche als Heilsort. Dabei wird - im Sinne der vorausgesetzten inkarnatorischen Wirklichkeit der Kirche - auf parallele Probleme der Christologie hingewiesen: "Was die Kirche in dieser Welt zu einer verborgenen Kirche macht, ist dasselbe, was Christus am Kreuz zu einem verborgenen Gott macht, nämlich daß er in dieser Welt und für diese Welt nur allzu sichtbar war".380 Wie in Jesus der Christus, so ist in der äußeren Versammlung die Versammlung des Volkes Gottes nur für die Augen des Glaubens erkennbar.381 In einem zweiten Schritt wird dann als das reale Fundament dieses Erkenntnisproblems die Differenz zwischen der Außen- und der Innenseite des Mensch- und Christseins benannt und insofern als eine gemeinsame Problematik: "Die Problematik der Beziehung zwischen der Zugehörigkeit zur Kirche ,dem Herzen nach’ und der Zugehörigkeit nur dem ,Leibe nach’ - und damit die Beziehung zwischen der Kirche als ,geistlicher’ und der Kirche als ,leiblich-sichtbarer’ Größe - ist für uns eine gemeinsame Problematik".382 Das lutherische Insistieren auf der Verborgenheit der Kirche ändert also ebenfalls nichts an ihrer sachlichen Übereinstimmung mit der konziliaren Lehre in zwei Punkten: 1. "Das Heilswirken des Dreieinigen Gottes" "versammelt und heiligt" "Gläubige durch hörbare und sichtbare Gnadenmittel", "die in einer hörbaren und sichtbaren kirchlichen Gemeinschaft vermittelt werden". 2. "Christi Heilsgemeinschaft ,ist’ in dieser Welt verborgen", "weil sie sich als geistliches Werk Gottes der Erkennbarkeit nach irdischen Maßstäben entzieht und weil die Zugehörigkeit zu ihr aufgrund der Sünde, die auch in der Kirche besteht, nicht eindeutig festzustellen ist".383 - Nicht erwähnt wird, daß die Kirche "verborgen" ist, sofern ihre Lebensgegenwart Gottes eigenes, von ihm in Freiheit gewirktes Werk ist.

Damit ist nun auch angedeutet, daß und wie die Rede von der "sündigen" Kirche zusammenbesteht mit der Aussage, daß sie als "Vermittlerin des Heils" selbst "heilig" ist.384 Die Übereinstimmung in der Lehre beider Seiten wird so demonstriert, daß zunächst Luthers Aussagen über das Bleiben der Kirche385 und über ihr Bleiben in der Wahrheit386 als Aussage über ihre Heiligkeit hingestellt werden und daß auf der anderen Seite die konziliaren Hinweise auf den Kampf der Kirche gegen die "in sie hineinwirkenden" Mächte des Bösen und der Sünde, also ihre "wahre, wenn auch unvollkommene Heiligkeit", als Lehre über ihre Sündhaftigkeit hingestellt werden.387

Nachdem so die ganzen Fragen des Verhältnisses von Heiligkeit und Sünde im Leben in der Kirche auf die Frage übergespielt sind, was am Sein der Kirche erneuerungsbedürftig ist und was nicht388, kann dann zunächst einmal festgehalten werden: "Trotz dieser Anfragen kann man im Blick auf die Gesamtproblematik von Heiligkeit und Erneuerungsbedürftigkeit der Kirche durchaus von gemeinsamen katholisch-lutherischen Grundüberzeugungen sprechen, die zusammengenommen einen breiten Konsens bilden".389 Die verbleibenden Verschiedenheiten, die damit nicht in Abrede gestellt werden sollen, betreffen jedoch nur "ekklesiologische Einzelfragen".390 Sie sollen im folgenden Teil behandelt werden, und zwar unter dem alten kontroversen Gesichtspunkt, ob die entsprechenden römisch-katholischen Aussagen über das trinitarische Sein der Kirche und ihr Wirken als Vermittlerin des Heils, ihre Sakramentalität, ihre Sichtbarkeit und Heiligkeit, wie sie sich konkretisieren (begründen und zuspitzen) in ihren Aussagen über das Amt, haltbar sind, wenn sie - wie es die lutherische Tradition fordert - an Kriterien "der Rechtfertigungslehre" gemessen werden.

Erst damit ist die Studie bei dem Ausgangsproblem angelangt: die Bedeutung der Rechtfertigungslehre für das Verständnis der Kirche.391

Für das Verständnis dieses "kritischen" Verfahrens ist nun freilich folgendes von vornherein im Auge zu behalten: Luther konnte im Vorgriff auf das Tridentinische Konzil deshalb den dogmatischen Traktat von der Rechtfertigung als denjenigen hinstellen, mit dem die von der Reformation entdeckte Wahrheit des Evangeliums in der Kirche steht und fällt, weil für ihn hier das reformatorische Verständnis des Glaubensfundaments - also das reformatorische Verständnis über das Verhältnis zwischen dem Wollen und Handeln des Schöpfers und dem Wollen und Handeln der Geschöpfe - zusammengefaßt war.392 Diese genuin reformatorische Fassung der Rechtfertigungslehre zum Kriterium der konziliaren Lehre zu machen, hieße also, erneut in den Streit um das rechte Verständnis des dynamischen Glaubensfundaments einzutreten. Aber genau dies vermeidet KuR. Vielmehr wird die in M angedeutete, seit H wirksame und in KuR 10-47 explizierte Einstimmung der Vertreter des LWB in das konziliare Verständnis des dynamischen Glaubensfundaments vorausgesetzt und festgehalten. KuR greift also nicht auf die genuin lutherische Rechtfertigungslehre zurück, sondern auf "die Rechtfertigungslehre", die sich schon im Rahmen der lutherischen Zustimmung zum konziliaren Verständnis des dynamischen Glaubensfundaments bewegt. Die römisch-katholische Ekklesiologie - insbesondere die Konkretisierung ihrer Aussagen über die Sakramentalität, Sichtbarkeit und Heiligkeit der Kirche, wie sie sich in ihren Aussagen über das Amt konkretisieren - an "der Rechtfertigungslehre" zu messen, bedeutet unter dieser Voraussetzung nicht mehr, in einen Streit über das rechte Verständnis des dynamischen Glaubensfundaments selbst (des Heilsgeschehens) einzutreten. Vielmehr geht es nur noch darum, die aus diesem von den Vertretern des LWB akzeptierten römisch-katholischen Verständnis des dynamischen Glaubensfundaments resultierenden ekklesiologischen (amtstheologischen) Aussagen auf ihre Kompatibilität mit den aus demselben Verständnis des Glaubensfundaments resultierenden soteriologischen Aussagen hin zu überprüfen.

Damit enthüllt sich nun auch der tiefere Sinn jenes Scheiterns des Versuches der Formulierung einer gemeinsamen Rechtfertigungslehre als Horizont der gesamten ekklesiologischen Arbeit (o. Sp. 694): In das durch den Dialog angestrebte "gemeinsame" Reden auf dem Boden der Einstimmung der lutherischen Seite in das römisch-katholische Verständnis des Glaubensfundaments paßt keine Rechtfertigungslehre, die inhaltlich fähig wäre, mit prinzipientheologischer Kraft den Horizont und das Kriterium wie aller Lehrstücke so auch der Ekklesiologie abzugeben. Nur eine inhaltlich reduzierte Rechtfertigungslehre ist auf der Linie des in der zweiten Dialogphase zum Durchbruch gebrachten "gemeinsamen" Redens noch brauchbar. Und es kann nur noch um den Aufweis gehen, daß die Ekklesiologie dieser inhaltlich reduzierten Auffassung Sicht von Rechtfertigung nicht widersspricht.393

In diesem Sinne wird denn auch gleich eingangs klargestellt, "unter welcher Perspektive" die Rechtfertigungslehre steht, wenn sie als Kriterium des Kirchenverständnisses gehandhabt wird: "Es handelt sich hier nicht primär darum, wie das Heilsgeschehen recht beschrieben werden kann und wie Gott seine Gerechtigkeit dem Sünder mitteilt. Das steht zwar im Zentrum der reformatorischen Auseinandersetzungen, hat aber als solches noch nicht unmittelbar kritische Implikationen für die Ekklesiologie."394

Dem hätten die Reformatoren natürlich widersprochen. Denn nur weil die reformatorische Version der Rechtfertigungslehre sehr wohl "unmittelbar" kritische Implikationen für die Ekklesiologie enthält (wie man auf den Punkt genau an Luthers "De servo arbitrio"395 nachweisen kann), konnte es überhaupt Sinn machen, sie als das einzige Kriterium aller dogmatischen Lehraussagen, auch der ekklesiologischen, hinzustellen. Diese direkte kritische Bedeutung des Inhalts der reformatorischen Rechtfertigungslehre für die Ekklesiologie wird hier in Abrede gestellt. Statt dessen wird behauptet, daß die Rechtfertigungslehre ihre kritische Kraft erst durch eine rein formale Operation gewinnt: nämlich dadurch, daß sie als Kriterium der Ekklesiologie gehandhabt wird: "Diese (kritischen Implikationen für die Ekklesiologie) gewinnt (nach KuR aus der Sicht beider Seiten!) die Rechtfertigungslehre erst dann (!), wenn man - wie es besonders in der lutherischen Reformation geschah, in ihr die Mitte und zugleich das Kriterium der gesamten Theologie sieht, denen deshalb die Lehre von der Kirche entsprechen muß."396 Entsprechend der Behauptung, daß über Luthers Evangeliumsverständnis als solches nie Streit bestanden habe397, wird hier das Anliegen der Reformation nicht im Eintreten für ein bestimmtes, inhaltlich von der römisch-katholischen Position verschiedenes Verständnis von Rechtfertigung gesehen, sondern nur darin, eine den Gehalt der römisch-katholischen Rechtfertigungslehre nicht überschreitende Fassung der Rechtfertigungslehre zum einzigen Kriterium aller anderen dogmatischen Lehrstücke erhoben zu haben.398 Jedenfalls, was in KuR als Kriterium der Ekklesiologie gehandhabt wird, ist nicht der reformatorische Gehalt des Rechtfertigungstraktates - der ist vielmehr schon durch die lutherische Zustimmung zum römisch-katholischen Verständnis des dynamischen Glaubensfundaments aus der Diskussion genommen -, sondern nur noch eine selbst schon im Horizont dieses Grundkonsens stehende Fassung der Rechtfertigungslehre, die jetzt als Kriterium der Ekklesiologie gehandhabt wird.

Nachdem noch einmal dieser angebliche Grundkonsens - daß nämlich auch die reformatorische Rechtfertigungslehre das "externe Wort" der von Christus selbst eingesetzten und mit dem Heiligen Geist begabten apostolisch/amtlichen Evangeliumsverkündigung als selbstwirksamen Glaubensgrund im Sinne habe399 - wiederholt ist, werden vier kontroverse Fragenbereiche behandelt:

Zunächst die "institutionelle Kontinuität der Kirche".400 Hier gilt, daß der göttliche Ursprung der die Kirche schaffenden apostolisch/amtlichen Evangeliumsverkündigung auch den direkten göttlichen Ursprung von Strukturen und Institutionen einschließt: "Schafft Gott durch das externe Evangelium die Kirche als eine geschichtliche Gemeinschaft von kontinuierlichem Bestand, so entspricht es diesem Kirche stiftenden Handeln Gottes, wenn er zugleich strukturelle und institutionelle Gegebenheiten setzt, die der Kontinuität dieser Gemeinschaft dienen und sie zum Ausdruck bringen und die darum selbst kontinuierlichen Bestand haben." "Die Stiftung der Kirche lebt und hat ihre Gründung im Christusgeschehen, und die Setzung solcher strukturellen und institutionellen Gegebenheiten sind darum unlöslich miteinander verbunden."401 (Demgegenüber müßte eine unverkürzte reformatorische Sicht festhalten, daß göttlichen Ursprungs ausschließlich der Auftrag ist, das Amt der Evangliumsverkündigung zu führen und zu ordnen; wobei gilt, daß die menschliche Erfüllung auch eines göttlichen Auftrags menschliches Werk bleibt.) Für KuR ist strittig nur, "wieweit und in welchem Grade diese in der Geschichte entstandenen kirchlichen Gegebenheiten an der Dauerhaftigkeit der mit der Stiftung der Kirche gesetzten Gegebenheiten partizipieren". Nicht strittig ist jedoch: a) daß es direkt von Gott stammende Strukturen und Institutionen gibt, b) daß sie nicht geschichtlich veränderbar sind, c) daß alles, was zur geschichtlichen Ausgestaltung dieser Strukturen gehört, ständig der Erneuerung fähig und bedürftig ist und d) daß dabei "ihre Bezogenheit auf und ihre Transparenz für" das Evangelium das letzte Kriterium ist.402

Zweitens wird von beiden Seiten das "ordinationsgebundene Amt" als eine derartige Institution göttlichen Ursprungs anerkannt.403 Diese Institution widerspricht nicht dem Inhalt des Evangeliums von der Rechtfertigung allein aus Gnaden, sondern sie "entspricht" ihm, sofern die Gnade Gottes gerade in der Externalität des Heils erfahren wird.404 Die Differenz betrifft hier nur das historische Bischofsamt als geschichtliche "Ausgestaltung" des ordinationsgebundenen Amtes.405 Die lutherische Seite insistiert darauf, daß nach der Rechtfertigungslehre "allein das Evangelium" für alle Einzelnen heilsnotwendig ist. Dem widerspricht die römisch-katholische Position nicht. Sie denkt nur "differenzierter" und unterscheidet "zwischen der subjektiv-personalen Sicht - dem menschlichen Heil aufgrund göttlicher Gnade - und der objektiv-ekklesiologischen Sicht der Kirche als Empfängerin und Vermittlerin des Heils".406 "Aufgrund dieser Differenzierung kann katholischerseits die ekklesiale Notwendigkeit dieses Amtes vertreten werden, ohne daß dadurch der Rechtfertigungslehre widersprochen wird. Das Bischofsamt wird somit in der Kirche als notwendiger Dienst am heilsnotwendigen Evangelium verstanden".407 Wichtiges Ergebnis: Damit ist die römisch-katholische These von der Notwendigkeit des historischen Bischofsamtes so interpretiert, "daß in ihr nicht mehr die Rechtfertigungslehre auf dem Spiel steht und folglich auch eine Wiedergewinnung der vollen Gemeinschaft im Bischofsamt408 theologisch vertretbar ist".409

Der dritte kontroverse Punkt, die Verbindlichkeit der kirchlichen Lehre und die Lehrfunktion des kirchlichen Amtes betreffend,410 prägt sich ebenfalls erst innerhalb einer grundlegenden Übereinstimmung aus, die auch die festzustellenden Differenzen umgreift. Daß die Kirche zu lehren hat, also auf verbindliche Weise zwischen Wahrheit und Wirkung zu unterscheiden, das ist Konsens.411 Die Unterschiede betreffen nur "die Art und Weise der Ausübung kirchlicher Lehrverantwortung"412 und den "Vorbehalt" gegen kirchliche Lehrentscheidungen, der sich aus deren Bezogenheit auf die "Freiheit, Souveränität und Letztverbindlichkeit des Evangeliums als Gottes Wort der Gnade"413, also aus der Bezogenheit der kirchlichen Lehre auf das dynamische Glaubensfundament ergibt. Die lutherische Seite zieht daraus bemerkenswerterweise nicht die Konsequenz der prinzipiellen Fehlbarkeit aller kirchlichen Lehre (Konzilien und Päpste können irren)414, sondern nur die Konsequenz der bleibenden Offenheit kirchlicher Lehrentscheidungen für eine öffentliche Diskussion.415 Für die römische Seite manifestiert sich dieser Vorbehalt einerseits darin, daß einzelne Amtsträger aus der Wahrheit fallen können, andererseits darin, daß die "unfehlbaren Lehrentscheidungen" der Kirche auf "Rezeption" angewiesen bleiben und Einseitigkeiten aufweisen können, die eine Weiterentwicklung nötig machen.416 Von besonderer Bedeutung ist die Klarstellung, daß und warum der von Luther selbst explizit bestrittene und von den lutherischen Vertretern des LWB nicht erhobene römisch-katholische Unfehlbarkeitsanspruch für kirchliche Lehrentscheidungen nicht der Rechtfertigungslehre widerspricht: "Nicht ,Bedingung des Heils’, sondern die Frage nach den Kriterien unserer Offenbarungserkenntnis wird hier berührt."417 Prägnanter konnte die römische seite nicht klarstellen, daß die im vorliegenden Dokument als Kriterium gehandhabte Rechtfertigungslehre nicht die genuin reformatorische ist, denn für diese waren ja gerade Heilsempfang und Gewißheitsempfang identisch, hier jedoch werden sie unterschieden: Die Erkenntnis der Offenbarung ist eine Sache und nur möglich durch das unfehlbare Lehramt der Kirche. Der Inhalt der Offenbarung betrifft die Bedingungen des Heils. Und nur auf diesen Inhalt der Offenbarung erstreckt sich die Rechtfertigungslehre. Deutlicher kann nicht zum Ausdruck kommen, daß im Rahmen des römisch-katholischen Verständnisses des dynamischen Glaubensfundaments und im Horizont des darüber in KuR niedergelegten Grundkonsenses die Rechtfertigungslehre keine prinzipientheologische Funktion besitzt.

Folglich kann dann als Konsens festgehalten werden, daß das verbindliche kirchliche Lehren nicht dem Inhalt des Evangeliums (seiner Sicht von der Rechtfertigung allein aus Gnade und Glauben) widerspricht, daß Divergenzen nur in der Frage auftreten, "wie die Wahrheit des Evangeliums zur Geltung gebracht wird",418 und dann die Lutheraner deshalb frei sind, das "Problem von Lehramt und Lehrvollmacht erneut zu durchdenken".419

Zum selben Ergebnis kommt auch die Behandlung der kirchlichen Jurisdiktion und jurisdiktionellen Funktion des kirchlichen Amtes.420 Der sich aus dem Grundkonsens für das dynamische Glaubensfundament ergebende Ausgangskonsens in dieser Frage besagt: "Katholiken und Lutheraner sagen gemeinsam, daß Gott, der aus Gnade und Treue institutionelle Gegebenheiten setzt und sich institutioneller Gegebenheiten bedient, um die Kirchen der Wahrheit des Evangeliums zu erhalten, sich dazu auch des Rechtes und rechtlicher Ordnungen bedient". Beide Seiten kennen eine kirchliche Jurisdiktion, die sich in dem "durch die Rechtfertigungslehre abgestimmten Rahmen" bewegt421, weil sie sich dem Evangelium und dem Heil der Seelen unterordnet422 und geschichtlich wandelbar ist423. Nach lutherischem Verständnis betrifft diese bischöfliche Jurisdiktion424 einerseits "Evangeliumspredigt, Sakramentsspendung, Sündenvergebung (Absolution), Verwerfung evangeliumswidriger Lehre sowie Ausschluß aus der Gemeinde". Diese jurisdiktionellen Funktionen müssen "ohne menschliche Gewalt, sondern allein durch Gottes Wort" ausgeübt werden. Daneben gibt es die Möglichkeit einer kirchlichen Jurisdiktion, die das äußere Zusammenleben betrifft, die aber nur soweit zu Gehorsam verpflichtet, wie ihre Befolgungen nicht als "heilsnotwendig" ausgegeben werden.425 Nach römisch-katholischem Verständnis muß die gesamte "kirchliche Gesetzgebung als normative Funktion der Glaubensüberlieferung (verstehe: Dogmenüberlieferung) verstanden werden".426 Folglich erstreckt sie sich auf alles, worauf sich auch die kirchliche Lehre erstreckt, und verpflichtet ebenso wie diese zum Gehorsam des Glaubens. Darin "unterscheidet sich Kirchenrecht von jedem anderen Recht".427 Freilich kann und darf dieser Gehorsam des Glaubens nur frei und nicht gegen das eigene Gewissen erbracht werden.428

Zusammenfassend kann also im Blick auf alle Einzelfragen, die sich aus dem Konsens über den Ursprung der Kirche im trinitarischen Handeln Gottes, über ihre Teilhabe an ihm und über ihre Wirkweise nicht nur als Empfängerin, sondern auch als Vermittlerin des Heils ergeben (also: im Blick auf die institutionelle Kontinuität der Kirche, das ordinierte Amt, die Lehrvollmacht und die Jurisdiktionsvollmacht des Amtes), gesagt werden: Hier kann "von einem grundsätzlichen Konflikt oder gar einem Gegensatz zwischen Rechtfertigung und Kirche nicht geredet werden". Das gilt gerade, wenn man die Rechtfertigungslehre als Kriterium darüber wachen läßt, "daß alle Institutionen der Kirchen in ihrem Selbstverständnis und bei ihrer Ausübung dem Bleiben der Kirche in der Wahrheit des (verstehe: durch die geistbegabten Apostel/Amtsträger leibhaft als externes Wort begegnenden und wirkenden) Evangeliums dienen, das allein im Heiligen Geist die Kirche schafft und erhält".429 Folglich können dann an den Konsens über die Wirkweise der Kirche nicht nur als Empfängerin, sondern auch als Vermittlerin des Heils die Aussagen des letzten Kapitels über die "Sendung und Vollendung der Kirche" direkt anschließen.430

Soweit die Ergebnisse der dritten Phase, die in KuR festgehalten sind.

Nun war es eine wesentliche Absicht der dritten Phase, die aufgekommene Vermutung einer Grunddifferenz lutherischer gegenüber römisch-katholischer Lehre zurückzuweisen, und zwar dadurch, daß aufgewiesen wird, in welchem Sinne tatsächlich die Rechtfertigungslehre und ihre Handhabung als Kriterium aller ekklesiologischen Aussagen in der vermuteten und seit H als gegeben behandelten Behauptung einer Übereinstimmung des lutherischen mit dem römisch-katholischen Verständnis vom dynamischen Glaubensfundament enthalten ist. Folglich mußte es im Interesse des päpstlichen Einheitsrates und der Sachwalter des LWB liegen, zwei Konsensergebnisse von nationalen Dialogen - eines amerikanischen und eines deutschen - über die Rechtfertigungslehre, die ihrerseits ebenfalls das römisch-katholische Verständnis des dynamischen Glaubensfundaments nicht in Frage gestellt, sondern vorausgesetzt hatten, mit dem Ergebnis von KuR zu verbinden und das Ergebnis als solches den Mitgliedskirchen des LWB zur Rezeption vorzulegen.

Zu eben diesem Zweck wurde von Vertretern des päpstlichen Einheitsrates und des LWB die "Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre" ausgearbeitet, die im Mai 1997 den Mitgliedern des LWB zur Rezeption vorgelegt wurde.431 Insofern muß also GER mit als Dokument der dritten Phase gewürdigt werden:

Der Text im Dokument enthält vier Abschnitte mit unterschiedlichem Aussagegegenstand: Ein erster Abschnitt behandelt den bisherigen Dialog, seine Grundsätze und Ziele432, ein zweiter das bibeltheologische Fundament433, der dritte und Hauptteil den erreichten Konsens in der Rechtfertigungslehre, und der vierte erklärt diesen Konsens zur Grundlage für die Klärung aller weiteren Lehrdiskrepanzen zwischen der lutherischen und der römisch-katholischen Kirche. Die Zumutung der Rezeption dieses Textes an die lutherische Kirche zielt also darauf, daß sich die Mitgliedskirchen des LWB nun selbst als Kirchen auf den bisher nur in einer kleinen Dialoggruppe von einigen Vertretern des LWB in Verhandlungen mit dem päpstlichen Einheitsrat zugestandenen Konsens im Verständnis des dynamischen Glaubensfundaments verbindlich festlegen. In diesem Sinne wird im ersten Abschnitt von GER ("Präambel") ausdrücklich auf die Geschichte dieses Dialogs und sein "Gesamtergebnis" abgehoben. Und in den folgenden Abschnitten kehren alle Konstruktionsprinzipien der in diesen jahrzehntelangen Kleingruppengesprächen eingeschliffenen Konsensbehauptungen wieder:

Erstens: Die seit Malta unwidersprochen im Raum stehende Behauptung, daß aus der realgeschichtlichen Sicht des Verhältnisses von Überlieferung und Schrift gemeinsame Grundsätze des Schriftstudiums folgen.434 - Diese These läuft, wie gesagt, darauf hinaus, daß - auf der seit Richard Simon wohlbekannten Linie435 - ein Methodengrundsatz historischer Arbeit und das von ihm vorausgesetzte Geschichtsverständnis umstandslos als Übereinstimmung mit dem tridentinischen Dogma über das Verhältnis von Überlieferung und Schrift hingestellt wird.

Der zweite Abschnitt von GER reproduziert dann eine Konsensdarstellung, deren Logik nur verständlich werden kann, wenn man hier die Konsenslogik der Dokumente von H bis KuR wiedererkennt: In gewissen gleichklingenden Aussagen zur Rechtfertigungslehre wird der Ausdruck eines Grundkonsenses gesehen, dem gegenüber die dann folgenden Unterschiede der römisch-katholischen und lutherischen Version der Rechtfertigungslehre nurmehr als Differenzen in der geschichtlichen - die Sprache und die Denkform betreffenden - Ausgestaltung derselben Sache gesehen werden. Sie stellen den in jenen gleichklingenden Aussagen zur Sprache kommenden Grundkonsens nicht in Frage, sondern können innerhalb seiner schließlich ausgeglichen werden. Fragt man sich, unter welchen Bedingungen jene gleichklingenden Aussagen zur Rechtfertigungslehre trotz der folgenden Unterschiede als Ausdruck eines Grundkonsenses in der Sache verstanden werden können, so bleibt man ohne Antwort, solange man sich alleine an den Text von GER hält. Klar wird die Sache jedoch, sobald man auch als Hintergrund für GER jene Zustimmung der Sachwalter des LWB zu dem römisch-katholischen Verständnis des dynamischen Glaubensfundaments unterstellt, wie er in M kurz angedeutet, dann seit H zunächst stillschweigend in Wirkung gesetzt war und schließlich in KuR436 als eindrucksvolle Wiederholung und Paraphrase von DV437 und LG438 in Erscheinung tritt. Im letzten Abschnitt von GER439 wird also dieser durch den Dialog seit H konstruierte und behauptete Konsens (also der Konsens in den Grundwahrheiten der Rechtfertigungslehre samt seinem Hintergrundkonsens, niedergelegt in KuR440) den Mitgliedskirchen des LWB zur verbindlichen Rezeption vorgelegt. Er soll als derjenige Horizont festgeschrieben werden, innerhalb dessen dann auch alle verbleibenden Lehrdiskrepanzen nicht mehr als Streit über das Verständnis des dynamischen Glaubensfundaments, sondern nur noch als Diskrepanz seiner lehrmäßigen - sprachlichen und gedanklichen - Entfaltung in Betracht kommen können.441

Freilich hat nun genau dieses Vorhaben an den Tag gebracht, daß die These eines Grunddissenses, die schon Mitte der 80er Jahre vor allem in den europäischen Mitgliedskirchen des LWB gegen die von den Sachwaltern des LWB stammende Behauptung eines Grundkonsenses vertreten worden war, keineswegs durch Fortschreibung und Ausbau der Konsensthese zum Verschwinden gebracht war. Gegenüber der Zumutung, GER kirchlich zu rezipieren, verschaffte sie sich erneut kräftigen Ausdruck: Nachdem zunächst einzelne Autoren vor der Rezeption von GER gewarnt hatten, widersprachen dieser Zumutung schließlich mehr als 160 Theologieprofessoren im deutschsprachigen Raum.442

Resultat der dritten Phase ist also: Zumindest in der Öffentlichkeit einiger nicht unwichtiger lutherischer Kirchen ist der Streit über die Haltbarkeit der seit über 30 Jahren von einer Handvoll LWB-Theologen im Verein mit dem päpstlichen Einheitsrat konstruierten Konsensbehauptung offen ausgebrochen.



III. Das Ergebnis des Dialogs aus römisch-katholischer und evangelisch-lutherischer Sicht



Kurz gesagt ist also das Ergebnis des Dialogs der jedenfalls in einigen wichtigen lutherischen Kirchen anläßlich von GER und der Zumutung ihrer Rezeption - und damit zugleich des Gesamtergebnisses des bisherigen Dialogs Vatikan/LWB - ausgebrochene offene Streit über die Sachgemäßheit des Dialogs und seiner Ergebnisse.

Sicherlich muß dieses Ergebnis aus römisch-katholischer und aus lutherischer Sicht unterschiedlich eingeschätzt werden. Was vorliegt, sind nur Äußerungen dieses Streites, aber noch keine Überlegungen zur der durch ihn heraufgeführten Lage und ihrer Gesamteinschätzung. Aber der kommentierende Beobachter kann darüber begründete Vermutungen anstellen:

1. Aus römisch-katholischer Sicht müssen wahrscheinlich folgende Grundzüge dieser Lage positiv eingeschätzt werden:

Vor allem und zuerst zeigen sich Ansätze einer institutionellen Verselbständigung des kirchlichen Lehramtes im Luthertum gegenüber der Universitätstheologie. Diese ist zurückgeworfen auf die Position des nachträglichen Reagierens auf einen zunächst von einigen wenigen, scheinbar in kirchlichem Auftrag handelnden443 Theologen verfaßten und mit dem Gestus lehramtlicher Autorität auftretenden Text. In einer Öffentlichkeit, die über den Charakter des Ökumeneprogramms der römisch-katholischen Kirche, über die auf dem Spiele stehenden Grundentscheidungen und Gegensätze nicht hinreichend informiert ist, aber um so vehementer und bedingungsloser "ökumenische Fortschritte" einfordert, haben es Aufklärungsversuche von seiten der wissenschaftlichen Theologie nicht leicht, überhaupt noch Gehör zu finden. Die Behandlung von Lehrfragen, soweit sie die Pflege und Fortschreibung der kirchlichen Lehrordnung durch die kirchlichen Entscheidungsinstanzen betreffen, ist vielleicht definitiv schwerpunktmäßig von den Fakultäten weg und in kirchliche Gremien hineinverlagert. Auch wenn in diesen kirchlichen Gremien regelmäßig Vertreter der wissenschaftlichen Theologie mitarbeiten, so ist doch durch diese institutionelle Entwicklung auch im Protestantismus generell diejenige Unterordnung der Fakultäten gegenüber dem kirchlichen Lehramt wieder erreicht worden, die in der römisch-katholischen Kirche schon immer galt. Aus römisch-katholischer Sicht muß das wohl als Fortschritt beurteilt werden.

Darüber hinaus ist es zweitens gelungen, unter dem Titel "Dialog" auf nationaler und auf Weltebene Institutionen der Formulierung von Lehrtexten zu etablieren, die seit M nicht mehr am gegenseitigen Kennenlernen interessiert sind, sondern an der Hervorbringung von zur rechtsverbindlichen Rezeption vorgesehenen Lehrkonsensen, und zwar so, daß die römisch-katholische Seite auf den Tenor und die Details dieser Lehrtexte einen erheblichen Einfluß nehmen konnte. Sie konnte ihr Verständnis des dynamischen Glaubensfundamentes als das auch von den Vertretern des LWB akzeptierte etablieren.

Drittens ist der römisch-katholischen Seite etwas gelungen, was vor und während des Zweiten Vatikanischen Konzils vielleicht erhofft, aber nicht einfach vorausgesetzt werden konnte: Es gibt eine innerhalb von 30 Jahren zielstrebig hervorgebrachte Sammlung von Lehrtexten, die im Namen des LWB eine dogmatische Position als lutherisch vertreten, für die wesentlich ist, daß sie de facto mit dem vom Zweiten Vatikanum - auf der Linie des Ersten Vatikanums und des Tridentinums - gelehrten Verständnis des dynamischen Fundaments des Glaubens übereinstimmt. Sie steht in einem Grundkonsens mit der römisch-katholischen Lehre, nämlich mit der römisch-katholischen Sicht des dynamischen Glaubensfundaments. Folglich ist es für diese Version "lutherischer" Lehre ebenso wesentlich - ja sachlogisch unvermeidbar -, daß sie eine Interpretation der überlieferten Lehre der lutherischen Reformation vornimmt, die deren Einzelaussagen, soweit es sprachlich irgend möglich ist, sämtlich so auslegt, daß sie mit jenem römischen Verständnis des dynamischen Glaubensfundaments zusammenpassen. Die Spitzenaussagen der Reformatoren, die sich dieser Einordnung entziehen, werden nicht etwa als grundsätzliche Infragestellung dieser Version lutherischer Lehre verstanden, sondern als Einseitigkeiten oder gar Ausdruck persönlicher Befangenheiten Luthers ausgegliedert.

So scheint sich gerade das, was im Vorwort zu M noch als Schwierigkeit des Dialogs empfunden wurde, daß nämlich die lutherische Seite nur schwer die lutherische Lehrposition verbindlich und übersichtlich aus dem reformatorischen Verständnis des dynamischen Glaubensfundaments heraus entwickeln konnte, schnell als eine besondere Chance dieser Kontakte erwiesen zu haben: nämlich als die Chance, dieses Vakuum auf lutherischer Seite durch römisch-katholische Positionen aufzufüllen, zunächst stillschweigend und dann offen.

Viertens: Der jetzt in einigen lutherischen Kirchen ausgebrochene Streit braucht aus römisch-katholischer Sicht nicht besonders tragisch genommen zu werden. Er war einerseits ohnehin irgendwann einmal zu erwarten, wenn nicht die seit Anfang der 80er Jahre warnenden Stimmen und Kreise vollends resigniert hatten. Aber diese Warnungen beschränken sich auf den Bereich der akademischen Theologie. Diese sind als solche aus der Sicht der römischen Lehrautorität so interessant bzw. uninteressant wie Bewegungen in der akademischen Theologie der eigenen Kirche. Hier handelt es sich grundsätzlich um Gedankenexperimente. Interessant ist nur, ob sie irgendeinen Einfluß auf die kirchlichen Entscheidungsgremien gewinnen. Auf diese alleine kommt es an.

Fünftens schließlich machen die Überlegungen, die in Evu vorgetragen worden sind, deutlich, daß das Wirksamwerden von regionalen Unterschieden im Weltluthertum für den Ökumenismus der römisch-katholischen Kirche positive Chancen eröffnet. Denn sollten sich auch einzelne Gliedkirchen des LWB das Einschwenken der LWB-Vertreter auf die römisch-katholische Position nicht zu eigen machen, so kommen zwar diese Kirchen insofern nicht als Unionskandidaten in Betracht. Aber gleichzeitig könnte es andere lutherische Kirchen geben, die sich verbindlich für die Linie des Lutherischen Weltbundes entscheiden und insofern als Unionskandidaten heranreifen. Jede einzelne Union würde eine erfreuliche Rückkehr eines Teils der getrennten Brüder in die von Christus selbst gewollte Einheit der Gemeinschaft der römisch-katholischen Kirche bedeuten.

Nur zwei Aspekte der durch den Dialog erreichten Lage könnten vielleicht Bedenken wecken:

Eine solche Union müßte, wenn sie nicht die Ordnung der römisch-katholischen Kirche innerlich gefährden soll, noch weit über das in Evu beschriebene Detail hinaus in kirchenrechtliche Details hinein vorangetrieben werden. Ob und wie das möglich sein könnte, ist einstweilen offen.

Und: In dem Maße, in dem Unionen stattfinden, löst sich das herausfordernde Gegenüber der Reformationskirchen auf. Ob nicht durch das Verschwinden dieser Spannung der Weltchristenheit enorme Potentiale, die gerade auch der römisch-katholischen Kirche zugute gekommen sind und zugute kommen werden, verlorengehen, bleibt durchaus offen. Insofern könnte das nach 30 Jahren erreichte Ergebnis des römisch-lutherischen Ökumenismus für weitsichtige Personen in der Leitung der römisch-katholischen Kirche auch Anlaß werden, gewisse integralistische Verengungen des Ökumenismusprogramms des Zweiten Vatikanischen Konzils in langfristiger Perspektive zu überwinden. Schließlich handelt es sich ja bei UR nicht um eine dogmatische Konstitution, sondern nur um ein Dekret, das die unaufgebbaren dogmatischen Grundsätze der Konstitutionen DV und LG auf das praktische Problem des Ökumenismus anwendet.

2. Auch für die lutherischen Kirchen ist die entstandene Lage fruchtbar, freilich nur kraft der in ihr steckenden grundlegenden Herausforderungen und Anfragen. Diese betreffen zunächst einmal alle Institutionen ihres Lehramtes und den Inhalt ihrer Lehre.

Die Praxis, daß einige wenige Beauftragte des LWB Lehrtexte zentral herstellen, die dann mit dem Anspruch auf regionale Rezeption auftreten, stellt jede Mitgliedskirche vor die Frage, wie sie ihr Lehramt selbständig ausüben soll und will. Oder sollen und wollen selbständige lutherische Ortskirchen sich - parallel zu dem Verhältnis zwischen römischen Ortskirchen und römischer Weltkirche - als Diözesen des LWB verstehen und auf die "Rezeption" von apostolisch/amtlichen Vorlagen der Zentrale beschränken? Woher wächst den selbständigen Kirchen die intellektuelle und emotionale Kraft zu, den Rezeptionszumutungen des Weltbundes zu widerstehen? Damit stellt sich in exemplarischer Weise die Frage der Selbständigkeit der Mitgliedskirchen des LWB diesem selbst gegenüber.

Außerdem müßten sie sich fragen, wie sie eine eigene Urteilskompetenz in Lehrfragen über die Zeiten hinweg pflegen wollen, wenn sie dabei die Möglichkeiten der wissenschaftlichen Theologie in ihren eigenen Regionen nicht systematisch integrieren. Insbesondere die deutschen lutherischen Kirchen stehen vor der Frage, ob sie die in diesem Lande noch vorhandenen Urteilskapazitäten der wissenschaftlichen Theologie wie in den letzten 30 Jahren nur selektiv, nach eigenem Gusto, in ihrem eigenen Leben zum Zuge kommen und im übrigen links liegen lassen wollen, oder ob ihnen an einer geregelten Integration dieser Kräfte in ihre Urteilsbildung gelegen ist.

Zudem stehen die lutherischen Kirchen dann vor einer Grundfrage an den Inhalt ihrer Lehre. Durch die Ergebnisse des Dialogs mit der römisch-katholischen Kirche ist demonstriert worden, daß es eine Hierarchie der Wahrheiten gibt. Die Lehre ist tatsächlich- wie Luther bereits wußte - ein "güldener Ring".444 Alle Entscheidungen fallen mit der Entscheidung über das Verständnis des dynamischen Glaubensfundaments. Ist dieses Verständnis des dynamischen Glaubensfundaments bei Luther und in der lutherischen Reformation tatsächlich identisch mit dem vom Zweiten Vatikanum in der Nachfolge des Tridentinums und Ersten Vatikanums gelehrten? Drückt sich in Luthers intransigentem Nein gegenüber den Gehorsamsforderungen der römischen Autoritäten nur eine persönliche Idiosynkrasie aus, oder drückt sich darin ein Verständnis des dynamischen Glaubensfundaments selber aus, das in spezifischer Weise von dem römisch-katholischen Verständnis abweicht und dem um der Wahrheit und Freiheit willen auch heute und in der Zukunft die Treue zu halten ist?

Vor allem aber müssen die lutherischen Kirchen sich fragen, wie es in ihnen und zwischen ihnen zu einem Konsens über dieses genuin lutherische Verständnis des dynamischen Glaubensfundaments - der Selbstvergegenwärtigung des Schöpfers in Christus Jesus durch den Heiligen Geist - kommen kann und wie sie diesen Konsens pflegen und so entwickeln können, daß er zur Leitlinie aller kirchlichen Lehre und aller Kirchenleitung wird.

Diese Aufgabe ist so schwer, daß man vor ihr zunächst nur erschrecken kann. Im Prinzip sind nur zwei geschichtliche Antworten möglich: Entweder wird diese Aufgabe nicht gelöst. Die lutherischen Kirchen erweisen sich als unfähig, die genuinen Einsichten der Reformation zu wahren und fruchtbar zu machen. Dann werden das Angebot der Einstimmung in das römisch-katholische Verständnis des dynamischen Glaubensfundaments angenommen und damit die genuinen Grundeinsichten der Reformation der Geschichte überlassen. Oder es gelingt ihnen, Luthers Verständnis des dynamischen Glaubensfundaments klar zu erfassen und die diesen Einsichten entsprechenden Formen (Methoden und Institutionen) für eine diesen Einsichten entsprechende disziplinierte Ausübung ihres Lehr- und Leitungsamtes zu entwickeln. Dann bleiben die Einsichten der Reformation zum Nutzen der Gesamtchristenheit und der Weltgesellschaft erhalten.

Das ist zunächst nicht eine Frage der Quantität, sondern der Qualität kirchlichen Lebens. Die entsprechende Entwicklung kann - wenn sie der sie verpflichtenden Einsicht nicht im Ansatz untreu werden will - ihren Ausgang nur von den Regionalkirchen aus nehmen. Die erste Voraussetzung dafür ist, daß diese Kirchen ihre Selbständigkeit gegenüber allen Versuchen einer Lenkung durch den Weltbund wahren. Der erste Grundsatz, der dabei zur Geltung zu bringen ist, besagt: Der LWB als Gemeinschaft von Kirchen lebt durch diese und tritt nicht an ihre Stelle.

Fussnoten:

336 Von dem alle Lehraussagen abhängen, das also insofern das Fundament der Hierarchie der Wahrheiten ist: UR 11.

337 KuR 148 (dritter Spiegelstrich); 149.

338 KuR 148.

339 KuR 145.

340 KuR 62; 133; 136.

341 KuR 62.

342 KuR 145: "Von entscheidender Bedeutung ist dabei, daß die sichtbare soziale Struktur dem lebenspendenden Geist, durch den sie belebt wird, in einer analogen Weise dient wie die angenommene menschliche Natur dem ewigen Wort"; vgl. 120,4 f.: Christus als "Ursakrament". Dieselbe ontologische Struktur wie dem Ursakrament eignet auch der in ihm wurzelnden Kirche als Sakrament der Welt.

343 KuR 164,2.

344 KuR 48 u. ö.

345 KuR 41 u .ö.

346 Diese Umsetzung ist nach De servo arbitrio geradezu das Werk des Heiligen Geistes: WA 18, 609.

347 CA 5. Vgl. o. Anm. 292.

348 Vgl. demgegenüber die ausdrückliche Trennung von Heil und Offenbarung in KuR 219 (im Zuge einer Darlegung der römisch-katholischen Lehre, von 216-221): "Wenn das kirchliche Lehramt sich auf den Heiligen Geist beruft (vgl. Apg 15,28), steht das nicht in einem Widerspruch zum Kriterium der Rechtfertigungslehre. Nicht "Bedingungen des Heils", sondern die Frage nach den Kriterien unserer Offenbarungserkenntnis wird hier berührt".

349 Wenn - wie in KuR 42 - von dem Glauben schaffenden Wirken des Heiligen Geistes die Rede ist, dann ist aus dem Kontext (31 f.) immer klar, daß dabei von dem den Aposteln/Bischöfen als Vermächtnis an die Kirche gegebenen und ihr Zeugnis als solches vollmächtig und wirksam machenden Geist die Rede ist.

350 KuR 48.

351 KuR 171,2.

352 KuR 48.

353 KuR 51-62.

354 KuR 48.

355 KuR 63-106.

356 KuR 107-242.

357 KuR 65.

358 KuR 66-78.

359 KuR 66-71.

360 KuR 80; 81.

361 KuR 80.

362 KuR 79.

363 KuR 84; 91-104.

364 KuR 89.

365 KuR 105; 106.

366 KuR 108-117.

367 KuR 107.

368 KuR 83,1.

369 KuR 118-134.

370 KuR 120-124.

371 KuR 125-134.

372 KuR 127.

373 KuR 130.

374 KuR 128.

375 KuR 129.

376 KuR 133.

377 KuR 133.

378 KuR 134.

379 KuR 135-147.

380 KuR 141,1.

381 KuR 141,2 - Mit der Parallele der Erkenntnismöglichkeiten wird dann auch eine analoge Seinsverfassung behauptet: KuR 145,1.

382 KuR 142.

383 KuR 147.

384 KuR 148-165.

385 KuR 149-151.

386 KuR 152.

387 KuR 153-156. - Die Lutherzitate besagen, bei Licht besehen, durchaus nicht die ontologische Heiligkeit der Kirche, und die Texte des Zweiten Vatikanums besagen nicht die Sündigkeit der Kirche.

388 KuR 157 ff.

389 KuR 165.

390 KuR 165,2

391 KuR 166-242.

392 Vgl. o. Anm. 199.

393 Man kann also leider nicht sagen, daß das Scheitern des geplanten Rahmenkonsenses zur Rechtfertigungslehre am Beginn der Arbeit zu KuR das ganze Projekt habe scheitern lassen. Vielmehr ist es so, daß eben dieses Scheitern Platz gemacht hat für eine Alternativlösung - eben die jetzt in KuR vorliegende -, die ihrerseits im Licht der vorangegangenen Dialogergebnisse gerade nicht als Scheitern, sondern als Obsiegen ihres in der zweiten Phase durchgesetzten Konstruktionssprinzips ist: Einstimmung in das römisch-katholische Verständnis des dynamischen Glaubensfundaments. Man kann daher KuR auch nicht als "locker" konzipiert hinstellen. Das Dokument folgt vielmehr, so streng es geht, der durch die Nummern 18-47 in Analogie zu Dei Verbum 7-10 vorgenommenen Beschreibung des bleibenden Grundes der Kirche.

394 KuR 167, 3. - Das wird als gemeinsame Aussage gemacht. Damit ist deutlich, daß eine in der hier angedeuteten Weise um ihre prinzipientheologischen Inhalte gebrachte und verkürzte Rechtfertigungslehre den einheitlichen Horizont des gesamten Papiers bildet. Das Scheitern des Rechtfertigungskonsenses zu Beginn der Arbeit hat eben nicht dazu geführt, daß nun permanent zwei verschiedene Verständnisse von Rechtfertigung gegeneinander zu Wort kämen - schön wäre es -, vielmehr ist, indem nicht das reformatorische Verständnis zum Zuge gekommen ist, das nichtreformatorische zum Zuge gekommen. Möglicherweise konnte das jedoch im aktuellen Gesprächsvollzug nur den Langzeitteilnehmern (viele in der röm.-kath. Delegation) bzw. den Langzeitberatern (vor allem auf lutherischer Seite) sofort durchsichtig sein.

395 WA 18, 649-653.

396 KuR 167, 4.

397 ML 13.

398 Der Inhalt der Rechtfertigungslehre im römisch-katholischen Lehrsystem ist so begrenzt, daß sie nur ein - wesentliches - Lehrstück neben anderen ist. Wenn die Reformation nicht den Gehalt der Rechtfertigungslehre konkreter und reicher gefaßt hätte - und zwar so reich und konkret, daß dieser Artikel- und nur er - prinzipientheologische Bedeutung bekommt, dann wäre es in der Tat reine Willkür, diesen Einzelartikel zu dem einzigen Kriterium der gesamten Lehre zu machen.

399 KuR 170-172 als Rekapitulation von 10-47.

400 KuR 174-181.

401 KuR 177.

402 KuR 179-181.

403 KuR 182-190.

404 KuR 189.

405 KuR 191 ff.

406 KuR 201.

407 KuR 202.

408 Vgl. Evu 117-139.

409 KuR 204.

410 KuR 205-222.

411 KuR 205-207.

412 KuR 208,1.

413 KuR 211.

414 Das entspricht wieder den in ML vorgenommenen Abblendungen.

415 KuR 213.

416 KuR 218-221.

417 KuR 219, 6.

418 KuR 222,3.

419 KuR 222,5.

420 KuR 223-242.

421 KuR 234 und 242.

422 KuR 227 und 235,2.

423 KuR 227 und 238 f.

424 CA XXVIII.

425 KuR 233.

426 KuR 240,1.

427 KuR 240,1.

428 KuR 237 und 240.

429 KuR 242.

430 KuR 243-308.

431 Text in MD - im folgenden zitiert als: GER mit Absatzziffer.

432 GER 1-7.

433 GER 8-12: Biblische Rechtfertigungsbotschaft; 13: Die Rechtfertigungslehre als ökumenisches Problem, genauer; als gelöstes ökumenisches Problem, denn in der GER kann "ein Konsens in Grundwahrheiten der Rechtfertigungslehre formuliert werden..., in dessen Licht die entsprechenden Lehrverurteilungen des 16. Jahrhunderts heute den Partner nicht treffen"; der hier angesprochene Konsens ist Implikat des behaupteten und in KuR formulierten Konsenses im Verständnis des dynamischen Glaubensfundaments, d.h. des "bleibenden Ursprungs der Kirche".

434 GER 8-12.

435 Dazu vgl. W. G. Kümmel, Das Neue Testament. Geschichte der Erforschung seiner Probleme, 1958, 41-50.

436 10-47.

437 2-6/7-10.

438 2-8; 18-27.

439 GER 40 ff.

440 DV 10-47.

441 Über die Debatte informieren ausführlich die letzten Hefte der epd-Dokumentation des Jg.s 1997 und die ersten des Jg.s 1998.

442 Im Titel seines Beitrags zu einer Münsteraner Ringvorlesung im SS 1998 spricht V. Pfnür von einer durch diesen Widerspruch ausgelösten "Krise" des röm.-kath./ev.-luth. Rechtfertigungskonsenses. Dabei wird übersehen, daß es einen solchen Konsens bisher lediglich in Gestalt von Kleingruppenvorschlägen gibt, die aber nirgends - weder vom zentralen römischen Lehramt noch von evangelischen Kirchen - rezipiert sind. Daß derartige Vorschläge geprüft werden und sich dabei Kritik meldet, ist normal.

443 Die in allen Ergebnisdokumenten des Dialogs wiederkehrende Hervorhebung der Tatsache, daß die Mitglieder der Dialoggruppe Vatikan/ LWB "offiziell" beauftragt seien, löst den Schein aus, als handelten die LWB-Vertreter auf der gleichen Basis wie die Vatikanvertreter - nämlich auf der Basis eines kirchlichen Auftrags. Das ist aber in Wahrheit nicht der Fall: Der LWB ist keine Kirche. Durch ihn erteilte Aufträge sind nicht ipso facto kirchliche Aufträge. Sie sind es nur, soweit selbständige Mitgliedkirchen des LWB einen solchen Auftrag erteilt haben. Das aber ist für die Dialoggruppe Vatikan/LWB nicht der Fall. Um so wichtiger ist es - für die römische Seite und für die Vertreter des LWB - diesen ungleichen Status nicht zu deutlich hervortreten zu lassen. Daher die nivellierende Dauerwendung vom beidseitig "offiziellen" Status. Diese terminologische Entscheidung ist wiederum ein Beispiel für die "Methode", reale Differenzen durch geeignete terminologische Entscheidungen zu unterlaufen.

444 Vgl. K. G. Steck, Lehre und Kirche bei Luther, 1963, 144-197.