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Ausgabe:

Dezember/1996

Spalte:

1112–1121

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Thomas Kaufmann

Titel/Untertitel:

Die Konfessionalisierung von Kirche und Gesellschaft – Sammelbericht über eine Forschungsdebatte (Teil 2)(*) – Leistung und Grenzen des Konfessionalisierungsparadigmas und seine Bedeutung für die Kirchengeschichtswissenschaft

Das aus der Sicht der Kirchengeschichte unabweisbar größte Verdienst der komparatistisch angelegten, makrohistorischen Konfessionalisierungsdebatte, die langfristige Entwicklungen zwischen der zweiten Hälfte des 16. und dem frühen 18. Jh. in den Blick nimmt, dürfte darin bestehen, daß die Formierung der konfessionellen Kirchentümer als "Fundamentalprozeß der Frühneuzeit" (Reinhard, Katholische Konfessionalisierung, 420) erkannt wurde und Religion und Kirche nicht als gesellschaftliche "Subsysteme unter mehreren anderen", sondern als tragende "Strukturachsen der Gesellschaft insgesamt" analysiert werden (vgl. Schilling, a. a. O., 2). Als allgemeine Ergebnisse der Forschungsbemühungen, wie sie die drei VRG-Bände spiegeln, können gelten: Der durch die Reformation entstandene Konkurrenzdruck verschiedener Kirchentümer forderte und dynamisierte einen Prozeß doktrinaler Abgrenzung nach außen und theologischer Normierung nach innen, die Ausbildung geeigneter Multiplikatoren, die konfessionelle Propaganda, die Intensivierung konfessionsspezifischer Unterscheidungsriten und sprachlich-liturgischer Ausdrucksformen. Ausgangspunkt des Konfessionalisierungsprozesses bildete die jeweilige kirchliche Institutionsstruktur, die nie ohne enge Kooperation mit der Staatsgewalt oder ständischen und lokalen Herrschaftsträgern zustande kam. Der Konfessionalisierungsprozeß ist in aller Regel mit einem "Wachstum der Staatsgewalt" (Reinhard, a. a. O., 433) und der Formierung konfessionell integrierter "neuzeitlich disziplinierte[r] Untertanengesellschaft[en]" (Schilling, a. a. O., 4) verbunden. Dem Konfessionalisierungsprozeß sekundierten Säkularisierungs- und Entkonfessionalisierungsschübe (Reinhard, a. a. O., 434 f.; Schilling, a. a. O., 41 ff.) und Elemente des Nichtkonfessionellen oder Nichtkonfessionalisierbaren, die dessen modernisierender, d. h. entwicklungsgeschichtlich auf die Neuzeit zulaufender Grundtendenz integriert waren.

Die Vielfalt neuerer Konfessionalisierungsforschung ist dem enzyklopädischen Überblick Heinrich Richard Schmidts zu entnehmen(16). Die folgende Besprechung Schmidts beschränkt sich auf problematisch erscheinende Aspekte und läßt die vielen zutreffenden Forschungszusammenfassungen, die über das Referat der soeben vorgestellten Bücher nicht hinausgehen, weitgehend unberücksichtigt. Schmidt analysiert Entstehung und Struktur lutherischer, deutschreformierter und katholischer "Kirchentümer" im Reich und arbeitet als strukturanaloge Grundprobleme das Verhältnis von Kirche und Staat, die Ausbildung, Rekrutierung und Funktion geistlicher Multiplikatoren und das Verhältnis derselben zu den Laien in allen drei Konfessionen heraus. Ein besonderer Akzent der gegenüber theologiegeschichtlichen Fragestellungen etwas distanzierten Darstellung Schmidts ist darin zu sehen, daß er die Konfessionalisierung in der Reformationszeit beginnen läßt (vgl. 2; zum Speyrer Reichstag 1526; XI), damit allerdings einen ereignisgeschichtlichen bzw. rechtsgeschichtlichen (zum Augsburger Religionsfrieden vgl. 3 f.) Ansatz zugrundelegt, der die strukturgeschichtliche Perspektive des Konfessionalisierungsmodells unterläuft (ähnliche Kritik hat Rabe an Kluetings Ansetzung der Konfessionalisierung ab 1525 [s. Anm. 6] geübt, vgl. HZ 20, 1993, 401-405). Konfessionalisierung und spätere "Einführungen der Reformation" (6 f.) rücken somit aufs engste und praktisch ununterscheidbar zusammen; die Konfessionalisierung wird als Weiterführung der Entwicklung seit den 1520er Jahren verstanden und damit ihres von Schilling und Reinhard behaupteten epochalen Charakters, der allererst die Bezeichnung des Zeitalters als des "konfessionellen" rechtfertigt, beraubt (vgl. dazu 106 ff.). Das Drängen der Bürgerschaften auf Einführung der Reformation erscheint in dieser Perspektive als Konfessionalisierung von unten (8 f.), einem besonderen Anliegen Schmidts. Im Lichte neuerer Forschung betont Schmidt die aktive Rolle des "gemeinen Mannes" (49) im Widerstand gegen deutschreformierte Konfessionalisierungen durchaus zu Recht (58 f.; 98); die Distanz zwischen den Pfarrern und ihren Gemeinden wird hingegen stark, vielleicht zu stark (61) betont. Dem Überleben altgläubiger oder magisch-volksreligiöser Elemente in protestantischen Kirchentümern räumt Schmidt auf der Basis der wohl noch stärker zu problematisierenden Quellengattung der Visitationsprotokolle eine große Bedeutung ein (62 f.; 98). Gleichwohl kommt er aber schließlich doch zu dem Ergebnis einer seit der Mitte des 16. Jh.s weitgehend erfolgreichen lutherischen Laienreform (65). In bezug auf die Umsetzung der den Klerus und die Laien betreffenden Reformen im Katholizismus ist von einem langen, z. T. erheblich phasenverschobenen, nur gelegentlich mit der Verkündigung der tridentinischen Beschlüsse verbundenen allmählichen Prozeß auszugehen, der erst nach 1600 eine gewisse Konsolidierung erreichte (72 ff.; 76 ff.). Weiterführend scheinen mir besonders Schmidts Überlegungen zur Wirksamkeit sozialer Disziplinierung im Kontext der Sittenzucht in den drei Konfessionen zu sein. Der These, "die betroffenen Menschen seien selbst für strenge Zucht eingetreten" oder hätten "sie doch akzeptiert" (96; vgl. 90; 102), Sozialdisziplinierung sei als Selbstdisziplinierung wirksam geworden, dürfte ein hohes Maß an Plausibilität nicht abzusprechen sein. Zugleich betont Schmidt, daß die Laien bei der Ausbildung eines Konfessionsbewußtseins aktiv beteiligt waren (103 ff.)(17).

Da, wo Schmidt auf theologische Inhalte zu sprechen kommt, ist er freilich häufig ungenau oder akzentuiert fragwürdig. Dies ist um so gravierender, als er der Theologie einen "Grundlagencharakter" (11; 26 u. ö.) zubilligt. Warum angesichts dieses "Grundlagencharakters" das Dogma Gegenstand allein der Kirchengeschichte sein soll (s. o.), bleibt unverständlich. Ich beschränke mich auf einige Beispiele. Daß Melanchthon einen "leichten Synergismus" gelehrt haben soll (11), erscheint mir als ein nicht unproblematisches Urteil, ebenso der Hinweis auf "gewichtige Unterschiede" zwischen ihm und Luther in einem auf die konfessionellen Wirkungen ausgerichteten Zusammenhang, wo diese meines Wissens schwerlich aufweisbar sein dürften. Daß Melanchthon gerade im Zusammenhang der Rechtfertigungslehre in der Orthodoxie rezipiert wurde, übergeht Schmidt. Daß "die Orthodoxie" einer Abwertung des frommen Lebens das Wort geredet haben soll (11 f.), ist in dieser Pauschalisierung fragwürdig; ebenso die gegen die frühe Reformation ausgespielte Entwicklung der orthodoxen Amtskirche als "Heilsanstalt", in der die Kirchendiener durch Wort und Sakrament "am Heil der Kirchenglieder arbeiten" (12; vgl. 21). Dies ist bekanntlich schon die Aufgabe des geistlichen Amtes in der Confessio Augustana (vgl. CA 4, 5, 7), und dies ganz gewiß im Sinne Luthers. Daß sich die Wege zwischen Luthertum und Calvinismus erst mit dem Konkordienbuch getrennt haben sollen (vgl. 13), ist weder historisch noch theologisch nachvollziehbar. Ähnlich schillernd fällt die theologiegeschichtliche Verortung der für den "Katholizismus" zwischen "Selbstreformation" (26) und antiprotestantischem Kampf wirksam werdenden spätmittelalterlichen Traditionen (Evangelismus, ebd.) aus. Daß Calvin die Einheit von Altem und Neuem Testament stärker betonte als das Luthertum, leuchtet mir nicht ein, und daß "Fundamentalismus" und "Rigorismus" den Calvinismus, der "die Welt zum Reich Gottes auf Erden" habe machen wollen (46), kennzeichnen sollen, überzieht m. E. deutlich. Obwohl Schmidt angibt, deutsch-reformierte Kirchentümer zu behandeln, stellt er deren spezifisches theologisches Gepräge nicht dar, sondern beschränkt seine Ausführungen auf den Calvinismus.

Für das Gesamtverständnis des Zeitalters erhält der Bauernkrieg in Schmidts Darstellung eine ­ wie mir scheint ­ ungerechtfertigt stark zäsurierende Bedeutung (vgl. nur 5; 12; 48; 91). Schmidts negative Bewertung der Universitäten im konfessionellen Territorialstaat (23) bleibt stellenweise hinter dem Stand der Forschung (Hammerstein, Moraw, Baumgart, Schindling, vgl. aber 66 f.) zurück. Die von Schmidt ausführlich und im ganzen sehr überzeugend dargestellte kirchenverfassungsgeschichtliche und liturgische Entwicklung etwa in protestantischen Territorien (14 ff.) bleibt in ihrem eigentlichen "konfessionellen" Charakter etwas unklar. Letzteres ist, da die für den Konfessionalisierungsbegriff zentrale komparatistische Perspektive in Schmidts Darstellung über weite Strecken keine strukturierende und organisierende Rolle spielt, cum grano salis auch für die Darstellung der deutsch-reformierten und katholischen "Kirchentümer" im Reich charakteristisch. Die Begriffe "Gegenreformation" und "katholische Reform" (z. B. 39), die Schilling und Reinhard mit ihrem Konfessionalisierungsparadigma zu überwinden versuchen, behalten bei Schmidt ihre Funktion (vgl. 24 ff.; 67 f.).

Das Büchlein bietet auf engem Raum eine Fülle an Daten und Fakten und eine nützliche und hilfreiche Übersicht über einige Strukturprobleme kirchlicher Ordnung in verschiedenen territorialen Kirchentümern; eine Geschichte der "Konfessionalisierung" in einem terminologisch und historiographisch präzisen Sinn bietet es nicht. Im Grunde spiegelt Schmidts Darstellung die in der Konfessionalisierungsdebatte selbst noch nicht hinreichend geklärte Problematik, wie Reformation und Konfessionalisierung aufeinander zu beziehen sind. Der Wert des Buches besteht demnach ­ der Funktion der Reihe entsprechend ­ in einer Fülle von Einzelinformationen und einer umfassenden systematischen Analyse der Forschungssituation (vgl. besonders 55 ff.; 86 ff.).

Was freilich zunächst als Schwäche der Darstellung erscheinen könnte, erhält jedoch sinnvolle, durch Schmidt zum Teil angedeutete Perspektiven für eine Weiterentwicklung des Forschungsparadigmas. Erstens argumentiert Schmidt überzeugend für eine der Parallelisierung der Konfessionen entgegenlaufende chronologische und sachliche Ursprungsdifferenz der drei Konfessionen (109). Im Luthertum setzt der Konfessionalisierungsprozeß früher ein; er bildet die negative Ausgangsbasis des römisch-katholischen Konfessionalisierungsprozesses und die Voraussetzung für die die lutherischen Reformationen ´weiterentwickelnden´ reformierten Konfessionalisierungen. Zweitens gilt hinsichtlich der "Konfessionsbildung" als Voraussetzung der Konfessionalisierung, daß die doktrinalen Festlegungen in den drei Konfessionen völlig unterschiedlichen Motivlagen entsprechen. Das Tridentinum reagiert auf die Reformation und setzt die Reformmaßnahmen auf Zukunft hin um, das Luthertum klärt in der Konkordienformel innerlutherische Differenzen und ist, gleichsam rückwärts gewandt, auf die CA einerseits, deren Auslegung sie sein will, und auf die kontroverstheologischen Konflikte innerhalb des eigenen Lagers zwischen 1548 und den 1570er Jahren andererseits bezogen. Ein definitiver Abschluß reformierter Bekenntnisbildung ist nicht auszumachen. Reformation und Konfessionalisierung sind demnach schwerlich als einander ablösende, sondern zutiefst ineinander verwobene Prozesse mit differenten Verlaufs- und komplexen Übergangsformen zu beschreiben. Die jeweilige Bedeutung der Bekenntnisse in den drei Konfessionen hat diesen spezifischen historischen Situationen gerecht zu werden (vgl. bes. Wallmanns Hinweise in Rublack, bes. 38 f.). Die faktische wissenschaftliche Vielfalt in der Periodisierung der Konfessionalisierung und die uneinheitliche Verwendung der Begriffe Konfessionsbildung und Konfessionalisierung, die von einzelnen Forschern bereits in die 1520er Jahre gesetzt wird (vgl. die Übersicht bei Schmidt, 110 ff.), wirft mit Notwendigkeit die Frage auf, wie sich Konfessionalisierungs- und Reformationsbegriff zueinander verhalten.

Die für jede weitere historische Perspektive auf die europäische Geschichte des 16. bis 18. Jh.s bemerkenswerteste Leistung des Konfessionalisierungsparadigmas dürfte darin bestehen, daß es die sich in Gestalt konkurrierender, funktional parallel entwickelter Konfessionssysteme ausprägende gesellschaftsgestaltende Kraft der christlichen Religion als das wesentliche Moment der historischen Entwicklung behauptet und forschungsstrategisch verfolgt. Der Ansatz ermöglicht überdies, eine Vielfalt von Forschungsperspektiven, die sich zu der universalgeschichtlichen Gesamtperspektive komplementär verhalten, zu integrieren. Die impliziten Konsequenzen dieses allgemeinhistorischen Deutungsansatzes, dem man eine Vernachlässigung der Religion in keinem Fall wird vorwerfen können, sind für die evangelische Kirchengeschichtsschreibung immens.

Die Leistungsfähigkeit dieser Konzeption zeigt sich nicht zuletzt darin, ob sie mit kritischen Anfragen umgehen und inwiefern sie die particulae veri derselben zu integrieren versteht. An dieser Stelle zeigen sich gewisse Unterschiede zwischen den ´Vordenkern´ der Konfessionalisierungsforschung, Reinhard und Schilling. Während Reinhard dem aus der Sicht der Kirchengeschichte wohl schwerwiegendsten Mangel, "religiöse Ideale" und theologische Wahrheitsansprüche (Reinhard/Schilling, 435) nicht hinreichend zu berücksichtigen, so begegnet wissen will, daß dieses "methodische Ausklammern mit der Absicht wissenschaftlicher Arbeitsteilung" (a. a. O., 435) und "anzustrebender Komplementarität" (a. a. O., 455) erfolge, nimmt Schilling diesbezügliche Anfragen forschungsstrategisch im Sinne einer Beseitigung von Schwachstellen des Paradigmas auf (a. a. O.,16).

Im Sinne Reinhards würde sich demnach, da sich sozialgeschichtliche Forschung keine "Universalkompetenz" anmaßen könne (a. a. O., 435), das spezifische Frageinteresse kirchenhistorischer Forschung kritisch-konstruktiv und komplementär zur sozialgeschichtlichen Konfessionalisierungsforschung verhalten, während die Absicht Schillings dahin zu gehen scheint, ein einheitliches und universalgeschichtliches Deutungskonzept aspektivisch weiterzuentwickeln und durch Integration zu bereichern. Spezifische Forschungsperspektiven der Kirchengeschichte wären demnach innerhalb eines universalen Deutungsrahmens angesiedelt und die Frage nach dem Verhältnis zum Konfessionalisierungsparadigma eine elementare Frage nach dem Selbstverständnis der Kirchengeschichtswissenschaft als solcher. In dieser zugespitzten Variante stellt das Konfessionalisierungsparadigma eine Herausforderung an die evangelische Kirchengeschichtswissenschaft dar. In bezug auf die Reinhardsche Sicht ist das nicht so, erst recht nicht in Hinblick auf Schmidt, der ein bestimmtes Verständnis von Kirchengeschichte als zwangsläufig voraussetzt und aus dem eigentlichen Konfessionalisierungsdiskurs herauseskamotiert: "Das Dogma bildet den Gegenstand der theologischen Kirchengeschichtsschreibung. Ihr bleibt es überlassen." (Schmidt, 1). Quae supra nos, nihil ad nos?! Daß die "deutsche Kirchengeschichte" in der "Theologiegeschichte und der Geistes- wie Kulturgeschichte der Ethik, speziell der theologischen" (119), verhaftet ist, mag man durchaus bedauern. Daraus ihre Irrelevanz abzuleiten, ist aber nur dann statthaft, wenn erstens als gesichert gelten könnte, daß "Volks- und Elitenkultur" nichts miteinander zu tun hätten, und zweitens ein Modell unterschiedener, gleichwohl miteinander kommunikativ vernetzter religiös-sozialer Milieus innerhalb derselben Konfessionskulturen als ungeeignet erwiesen wäre.

Schmidts Kritik an der Kirchengeschichte, die sich zu der ­ freilich falsch verstandenen ­ Erneuerung der Troeltschen Forderung, Kirchengeschichte als Religionsgeschichte zu treiben, steigert und die französische Forschung als vorbildlich hinstellt, basiert auf einem gegen institutionsgeschichtliche Forschung überhaupt gerichteten Affekt (a. a. O.,112). Wie freilich Religion ohne institutionellen Zusammenhang erforschbar sein soll, treibe man nun Religions- oder Kirchengeschichte, bleibt völlig unklar. Bei allem durchaus berechtigten Interesse an religiösem Abweichlertum sollte m. E. die Dominanz ´kirchlich-institutioneller´ Prägungen in der vorneuzeitlichen Kirchengeschichte nicht übersehen werden. Dies unterstreicht die geschichtlichen Rahmenbedingungen der frühen Neuzeit von den neuzeitlichen Umformungsprozessen; "Christentum" i. S. einer nicht definitiv an einen kirchlich-institutionellen Zusammenhang gebundenen Auslegungsgestalt der christlichen Überlieferung ist auch begriffsgeschichtlich als dezidiert neuzeitliches Phänomen zu erweisen(18). Erich Hassingers These, bei einer Darstellung des frühneuzeitlichen Europa lasse sich "vom Staat her das Ganze jener geschichtlichen Welt nicht in dem Grade erfassen... wie von der Kirche her"(19), scheint mir noch keineswegs obsolet zu sein. Gerade in Hinblick auf die perspektivische Weite scheint es mir sinnvoll, die Geschichte der christlichen Religion und ihrer Wirkungen bis an die Schwelle der Neuzeit als Kirchen-, unter den Bedingungen der Neuzeit als Christentumsgeschichte zu konzipieren. Dabei wäre allerdings von einer weiträumigeren Quellenperspektive auszugehen, als sie Schmidt für seine "Religionsgeschichte" vorschlägt. Die Forschungsschwerpunkte der Schmidtschen ´Religionsgeschichte von unten´ basieren sämtlichst auf der Auswertung von Quellen, deren hochgradig institutionell-normierender Charakter (Visitationsprotokolle, Niedergerichtsakten, 120 f.) unbestreitbar sein dürfte. Das wissenschaftsromantische Plädoyer, "historische Konzepte stärker aus dem Leben der einfachen Menschen zu entwickeln" (122) verniedlicht die realen Quellenprobleme entschieden.

Die Brisanz des durch Schillings Ansatz gegebenen Problems wird an nichts deutlicher als an der historiographischen Wertung der Reformation. Ansatzpunkt der Schillingschen Konfessionalisierungskonzeption ist das gesellschaftsgeschichtliche Wirksamwerden der Folgen der Reformation in den Jahrzehnten um 1570-80. Die Reformation selbst rückt in den Rang einer Ursache für den weit jenseits ihrer selbst liegenden, epochalen Wirkungszusammenhang. Nur in dieser Fassung und chronologischen Ansetzung stellt sich das Problem des Verhältnisses von Reformation und Konfessionalisierung überhaupt. Die Frühdatierungen (etwa Kluetings oder Zeedens)(20) laufen faktisch auf eine Ersetzung des Reformations- durch den Konfessionalisierungsbegriff hinaus; letzteres gilt cum grano salis auch in bezug auf Reinhard (vgl. dazu auch Schmidt,111)(21). Die traditionell auf die Reformation selbst zentrierte protestantische Kirchengeschichtsforschung sieht sich mit Schillings Entwurf erstmals einem Gesamtbild des Zeitalters gegenüber, das die protestantisch dominierte, die Reformation als Angel- und maßgeblichen Umbruchspunkt der neueren Geschichte kanonisierende Sicht der deutschen Geschichtswissenschaft seit Ranke ablöst, ohne die Bedeutung von Religion und Kirche im historischen Prozeß zu marginalisieren oder zu relativieren. Neben der Aufweichung der Epochengrenze Reformation von der Spätmittelalterforschung her steht somit ihre Bestreitung oder Relativierung durch die ´profanhistorische´ Frühneuzeitforschung auf der Tagesordnung. Daß dieser Sachverhalt einige Aufmerksamkeit verdient, dürfte angesichts des identitätsstiftenden Charakters der Reformation für die evangelische Theologie als ganze und für die evangelische Kirchengeschichtswissenschaft im besonderen unabweisbar sein(22).

Die Bedeutung wissenschaftsterminologischer Nomenklaturfragen gering zu achten, verbietet sich schon deshalb, weil ihnen implizite Vorentscheidungen hinsichtlich der Deutungsperspektive innewohnen. Es ist nun doch zweierlei, ob man ein Gesamtverständnis des 16. Jh.s von der als "Umbruch" verstandenen Reformation her entwickelt oder ob man die Perspektive von den gesellschaftsgeschichtlich wirksamen Gestaltungen in Form konfessionell verdichteter Systeme her ansetzt. Schilling faßt seine auch auf die die Kontinuitätsmomente zum 16. Jh. betonende Spätmittelalterforschung bezogenen konzeptionellen Überlegungen folgendermaßen zusammen: "Nach allem, was die Konfessionalisierungsforschung im letzten Jahrzehnt zutage gefördert hat, wird man sich aber wohl auf Dauer nicht der Erkenntnis entziehen können, daß der von der Konfessionalisierung vorangetriebene gesamtgesellschaftliche Wandel tiefgreifender war als der unmittelbar durch die Reformation ausgelöste. Dabei darf natürlich nicht übersehen werden, daß die Konfessionalisierung ohne Reformation nicht denkbar ist, aber diese wohl auch kaum ohne die vorausgehenden spätmittelalterlichen Reformen. Vielleicht läßt es sich in einem Bild sagen: Das späte Mittelalter war die boarding ­ die Reformation die runway ­ und die Konfessionalisierung die take-off-Phase der alteuropäischen Modernisierung..." (Schilling ­ Reinhard, 35). Die Reformation erscheint somit als das notwendige Initial einer über sie hinausführenden Entwicklung, die freilich erst im Stadium der Konfessionalisierung zu einer geschichtswirksamen Entfaltung führt, der ein epochaler Charakter zuerkannt werden kann. Ob es eine "per se völlig aussichtslose" (Moeller, Diskussionsbeitrag in Schilling ­ Reinhard, 49) Frage ist, Epochengrenzen von ihren Ursachen oder ihren Wirkungen her zu bestimmen, scheint mir keineswegs ausgemacht. Hinter der Frage dürfte sich viel eher das methodische Grundsatzproblem nach dem Verhältnis von ereignis- und strukturgeschichtlicher Perspektive verbergen. Daß die auf die «longue durée» ausgerichtete institutions-, sozial- oder mentalitätsgeschichtliche Optik sich sowohl mit der deutenden Integration von geschichtlichen Individuen wie auch historischen Ereignissen schwertut, ist ein Geheimnis, das nicht erst neohistoristische Mikrohistorie entbergen muß. So wenig aber wie die Summe der Ereignisse schon eine "histoire totale" bildet, so wenig dürfte dies für gesellschaftsgeschichtliche Strukturen gelten. Nur eine auf Komplementarität und Integration ausgerichtete Kombination struktureller und individueller Deutungsperspektiven dürfte hinreichende Kriterien für die Setzung von Epochengrenzen bieten.

Aus kirchenhistorischer Perspektive ist jedenfalls mit Nachdruck auf dem epochalen Umbruchcharakter der Reformation, die das Ende der bei aller Vielfalt einheitlichen, in Anknüpfung und Widerspruch auf das Papsttum bezogenen tausendjährigen Geschichte der abendländischen Christenheit als institutionell ausgeformter kirchlicher Organisation bedeutet, zu beharren. Die polyzentrische, globale öffentliche Kommunikation, die die reformatorische Bewegung begleitete, trug und vorantrieb, stellt ein auch die weitere deutsche Geschichte prägendes Umbruchsmoment allererster Güte dar(23). Gesellschaftliche Wirkungen der Reformation lassen sich seit den 1520er Jahren greifen; alle maßgeblichen Veränderungen gottesdienstlich-liturgischer und theologischer Art, alle prägenden Umformungen hinsichtlich der gesellschaftlichen Rolle der Pfarrerschaft, alle auch für die Konfessionalisierungen maßgeblichen Elemente religiös-theologischer Propaganda und sozialer Regulierung reformatorischer Gemeinden, alle wesentlichen Ansätze zur Bekenntnisbildung zunächst im innerreformatorischen Lehrzusammenhang sind bereits in den 1520er Jahren in einem beträchtlichen Umfang ausgebildet oder in Ausbildung begriffen, auch wenn sich der jeweilige Regulierungs- und Normierungsgrad mit der historischen Etablierung der Reformation intensivierte. Die Reformation als bei aller inneren theologischen Komplexität einheitliche Revolution des christlichen Selbstverständnisses erzeugte von ihren frühesten Anfängen an Prozesse sozialer und institutioneller Veränderungen, die, obschon sie im Spätmittelalter mannigfach vorbereitet sein mögen, erst von den frühen 1520er Jahren an jene geschichtsgestaltende Veränderungsdynamik entfalteten, die das überkommene Kirchenwesen in seiner Ganzheit problematisch werden ließ. Gerade die vielfältigen konfessionellen Wirkungen der Reformation werfen überdies ein instruktives Licht auf ihre ursprünglich einheitliche geschichtsverändernde Dynamik. Insofern steht die Reformation nicht am Ende eines Zeitalters der Kirchenreform (in diese Richtung weist das Periodisierungskonzept der großen neuen katholischen Geschichte des Christentums)(24), sondern stellt den maßgeblichen Umbruch in der Geschichte der abendländischen Kirche dar. Der Umbruchcharakter der Reformation sei an dieser Stelle thesenhaft markiert:

1. In institutionsgeschichtlicher Hinsicht bedeutet die Reformation eine tiefgreifende Zäsur. Sie beendet die bei aller inneren Vielfalt einheitliche Geschichte der unter dem Papst gesammelten kirchlichen Organisation der abendländischen Christenheit. 2. Die Reformation bedeutet in rechtsgeschichtlicher Hinsicht einen fundamentalen Umbruch, insofern erstmals seit der Einführung des Reichsketzerrechts in der Spätantike die reichsrechtliche Anerkennung einer vom römischen Papst verurteilten Ketzerei vollzogen wurde. 3. Die Reformation markiert einen tiefgreifenden theologie- und frömmigkeitsgeschichtlichen Umbruch, insofern das Heil des Menschen allein auf den persönlichen Glauben gegründet wurde. Sie stellt eine ´kopernikanische Wende´ des christlichen Selbstverständnisses dar. 4. Die Reformation stellt einen fundamentalen kommunikationsgeschichtlichen Umbruch dar, insofern mit der Entstehung der ´reformatorischen Öffentlichkeit´ erstmals in der Geschichte umfassende globale kommunikative Meinungsbildungsprozesse, die sich einer politischen Kontrolle weitgehend entzogen, abliefen und durch die eruptive reformatorische Flugschriftenproduktion identische Überzeugungen und Meinungen in geographisch weit auseinanderliegende Regionen transportiert wurden. 5. In mentalitätsgeschichtlicher Hinsicht markiert die Reformation insofern einen Umbruch, als erstmals in der Geschichte des Christentums Laien als Subjekte theologischer Meinungsbildung massenhaft auftreten und das publizistische und gesellschaftliche Agieren der Laien zu einem maßgeblichen Faktor kirchlicher Veränderung wird. 6. Die Abschaffung des Mönchtums als herausgehobener christlicher Lebensform im Zuge der Reformation beendet eine über tausendjährige Geschichte, deren Bedeutung für die gesamte abendländische Kirchengeschichte von unübersehbarer Ausstrahlung war. Der weltliche Berufsstand als alternativloser Ort christlichen Lebens markiert ein tiefgreifendes Umbruchsmoment von gesellschaftsgeschichtlicher Tragweite. 7. Die Entstehung des protestantischen Pfarrhauses stellt einen tiefgreifenden sozialgeschichtlichen Wandel dar, insofern nicht mehr die durch Weihe vermittelte und durch sexuelle Enthaltsamkeit geprägte priesterliche Lebensform eines geistlichen Standes, sondern das funktional definierte, unter der Mitbeteiligung der Pfarrfrau ausgeübte Gemeindepfarramt eines christlichen Mitbürgers heilsvermittelnde Funktionen wie Predigt und Sakramentsverwaltung ausübt. Die durch die Auslegung der Schrift vermittelte Amtsbeziehung des evangelischen Geistlichen zu seiner Gemeinde begründet ein strukturell neuartiges Beziehungsverhältnis pastoraler Amtsträgerschaft. 8. In bezug auf die «sensibilité religieuse» markiert die Reformation insofern einen Umbruch, als die sinnlichen Träger des Sakralen wie Bilder, Reliquien, aber auch die Sakramente entwertet und eine visuell vermittelte Sakralität durch eine primär auditiv, durch das Wort vermittelte Sakralität ersetzt wird. Der Wortzentrierung protestantischer Frömmigkeit sekundierten bildungsgeschichtliche Umbruchsprozesse hinsichtlich der Alphabetisierung der Illiteraten, dem Auf- und Ausbau des Schul- und Universitätssystems. 9. Die Zentrierung reformatorischer Theologie und Frömmigkeit auf die Bibel und den versöhnenden Christus bewirkt einen allgemeinen kultur- und kunstgeschichtlichen Veränderungsschub sowie prägende Akzentverschiebungen im Bereich liturgisch-gottesdienstlicher Gestaltung und im Verständnis gottesdienstlichen Handelns.

Angesichts der ­ wie mir scheint ­ unabweisbaren gesellschaftsgeschichtlichen Wirkungen der Reformation von den 1520er Jahren an muß ein ´universalgeschichtliches´ Periodisierungskonzept, das den Einschnitt der 1570/80er Jahre stärker betont als die Veränderungsschübe seit 1520, aus kirchen- und sozialhistorischer Perspektive unbefriedigend bleiben.

Bisher bestand hinsichtlich des Umbruchscharakters der Reformation Einmütigkeit zwischen der protestantischen Kirchengeschichtswissenschaft und der freilich traditionell protestantisch dominierten deutschen Geschichtswissenschaft. Eine Ablösung der kirchengeschichtlichen von der sozialhistorischen Periodisierungskonzeption (vgl. etwa das Votum Wendebourgs in der Schlußdiskussion in Reinhard-Schilling, 454) muß dann als inakzeptabel erscheinen, wenn die Kirchengeschichtswissenschaft den Anspruch aufrecht zu erhalten versucht, mit ihrem ureigensten Thema Kirche und Religion keinen Nebenaspekt der historischen Wirklichkeit der Epoche, sondern ihren zentralen Zusammenhang zu behandeln. Dieser Anspruch dürfte nur dann stichhaltig vertretbar sein, wenn die gesellschaftsgeschichtliche Kontextualität christlicher Religion nicht als ein bestenfalls im Modus von Wirkungen theologischer Ideen nachgeordneter Aspekt kirchenhistorischer Arbeit, sondern als integrales Moment jeder kirchenhistorischen Analyse betrachtet wird. Insofern stellt das sich aus der Konfessionalisierungsdebatte ergebende Periodisierungsproblem eine Art Nagelprobe auf das Selbstverständnis des Faches Kirchengeschichte dar.

Ein von bildungs-, institutions- und sozialgeschichtlichen Perspektiven unberührtes Verständnis von Kirchengeschichte als Theologiegeschichte dürfte den Erfordernissen des interdisziplinären Diskurses ebenso wenig gerecht werden wie der Wirklichkeit christlicher Religion im Reformationszeitalter. Die Tatsache, daß die lebhaft an Religion interessierten Konfessionalisierungstheoretiker Schilling und Reinhard die Systemtheorie Niklas Luhmanns (vgl. z. B. Reinhard in: Reinhard-Schilling, 421 ff.) als Referenztheorie bemühen, ist auch eine Folge dessen, daß die theologische Wissenschaft hier wenig zu bieten hat. Die aus der Sicht des Theologen und Kirchenhistorikers gravierendste Fehlleistung der Konfessionalisierungsforschung, die funktionalistisch-reduktionistische Betrachtung der Religion in ihrem gesellschaftlichen Kontext und die damit ursächlich verbundene methodische Ausklammerung der Wahrheitsfrage, kann mit Recht nur dann angemahnt werden, wenn die Kirchengeschichte selbst die Wirklichkeit der Religion in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens als ihr Thema begreift. Eine vorrangige Aufgabe der Kirchengeschichtswissenschaft gerade im interdisziplinären Diskurs dürfte darin bestehen, die inkulturativen Wirkungen der christlichen Religion in der Fülle ihrer lebensweltlichen, gesellschaftlichen und politischen Bezüge zu analysieren, ohne die Religion ihrerseits zu einem ableitbaren Kulturderivat werden zu lassen, mithin Funktion und Wahrheitsanspruch der christlichen Religion in ihrer Geschichte zur Darstellung zu bringen. Wichtig scheint es vor allem, eine operationable Theorie der frühneuzeitlichen Religion zu entwickeln.

Wenn die Konfessionalisierungsdebatte Anstoß gäbe, auch innerhalb der Kirchengeschichtswissenschaft Forschungen zu fördern, die den Zusammenhang zwischen der ersten und der zweiten Hälfte des 16. Jh.s berücksichtigen, käme ihr eine außerordentlich bedeutsame forschungsstrategische Funktion insbesondere für die Beschäftigung mit dem späten 16. und dem 17. Jh. zu. Wenn sie darüber hinaus dazu beitrüge, das Selbstverständnis der Kirchengeschichtswissenschaft, ihrer Methoden und Wissenschaftstraditionen grundsätzlich zu diskutieren, hätte sie ihr einen großen Dienst getan.

Fussnoten:

(*) Teil 1 ­ siehe ThLZ 121, Nov. 1996.
(16) S. o. Anm. 10; an neueren Übersichten zur Forschungsliteratur vgl. handbuchartig zuletzt auch Heinz Schilling, Confessional Europe. In: Thomas A. Brady/James Tracy/Heiko A. Oberman [Hrsg.], Handbook of European History in Late Middle Ages, Renaissance and Reformation, 1400-1600, Bd. 2, Leiden 1995, 641-681; vgl. außerdem: Ders., Konfessionsbildung und Konfessionalisierung ­ ein Literaturbericht. In: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 42, 1991, 441-463; 779-794.
(17) Vgl. umfassend die inzwischen erschienene Habilitationsschrift von Heinrich Richard Schmidt, Dorf und Religion. Reformierte Sittenzucht in Berner Landgemeinden der Frühen Neuzeit, (Quellen und Forschungen zur Agrargeschichte 41), Stuttgart 1995.
(18) Vgl. den Artikel "Christentum" von Trutz Rendtorff, in: Otto Brunner ­ Werner Conze ­ Reinhart Kosselleck [Hrsg.], Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 1, Stuttgart 1972, 772-814.
(19) Erich Hassinger, Das Werden des neuzeitlichen Europa, Braunschweig 19662, S. XVI.
(20) S.o. Anm. 6 und 12.
(21) Auch in der neuen "Geschichte des Christentums" ist der definitive Abschied vom Rankeschen Epochenkonzept vollzogen. Der 7. Band (hg. von Marc Venard, deutsche Ausgabe hg. von Heribert Smolinsky, Freiburg u. a., 1995) stellt die Anfänge der Reformation ganz im Sinne Reinhards als das Ende eines "Zeitalters der Reform" (1450-1530) dar; der 8. Band (hg. von Marc Venard, deutsche Ausgabe hg. von Heribert Smolinsky, Freiburg u. a. 1992) behandelt die "Zeit der Konfessionen" (1530-1620/30). Die Spannung, die zwischen dem unter deutschen theologischen Reformationshistorikern nach wie vor dominierenden Rankeschen Periodisierungskonzept und der allgemeinen wissenschaftlichen Entwicklung eingetreten ist, wird besonders deutlich in Thomas A. Bradys Rezension zu: Berndt Hamm ­ Bernd Moeller ­ Dorothea Wendebourg, Reformationstheorien. Ein kirchenhistorischer Disput über Einheit und Vielfalt der Reformation, Göttingen 1995, in: SCJ XXVII, 1996, 286-289.
(22) Vgl. zuletzt die instruktive Problemanzeige Heinz Schillings: Die Reformation ­ ein revolutionärer Umbruch oder Hauptetappe eines langfristigen reformierenden Wandels? In: Winfried Speitkamp ­ Hans-Peter Ullmann [Hrsg.], Konflikt und Reform, Festschrift für Helmut Werding, Göttingen 1996, 26-40.
(23) Als einigermaßen gesichertes Ergebnis der quantitativen Analysen zur Flugschriftenpublizistik der frühen Neuzeit kann gelten, daß das Volumen der auf die "reformatorische Öffentlichkeit" bezogenen Druckproduktion auch nach dem drastischen Rückgang der Flugschriftenproduktion 1525/26 ein die deutsche Geschichte des gesamten 16. und frühen 17. Jh.s elementar prägender Sachverhalt blieb; auf ein quantitatives Niveau wie vor der Reformation ging die Flugschriftenproduktion auch in Phasen der niedrigen Produktionsquoten nie mehr zurück, vgl. nur: Hans-Joachim Köhler, Erste Schritte zu einem Meinungsprofil der frühen Reformationszeit. In: Volker Press ­ Dieter Stievermann [Hrsg.], Martin Luther ­ Probleme seiner Zeit, (Spätmittelalter und frühe Neuzeit 16), Stuttgart 1986, 244-281, bes. 251 f. Zu quantitativen Auswertungen der reformatorischen Flugschriften zuletzt: Mark Edwards Jr., Printing, Propaganda and Martin Luther, Berkeley u. a. 1994.
(24) S. Anm. 21