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Ausgabe:

Juni/1996

Spalte:

511–524

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Beutel, Albrecht

Titel/Untertitel:

"Gott fürchten und lieben" Luthers Katechismusformel – Genese und Gehalt

",Was ist das. - Was - ist das...'. ,Je, den Düwel ook, c'est la question...'." So eröffnete, wie bekannt, zu Beginn des Jh.s Thomas Mann seinen ersten Roman(1). Worin sich dort, im spöttischen Verhör des Großvaters, die kleine Tony Buddenbrook übte - "achtjährig und zartgebaut" -, das war jahrhundertelang, bis in meine Generation, der unendlich oft repetierte Kehrvers des katechetischen Elementarunterrichts. "Was ist das?" - der Dekalog, der Glaube, das Vaterunser, immer wieder: Was ist das?

Beim ersten Gebot fing es an: "Du sollst nicht ander Götter haben. Was ist das? Antwort. Wir sollen Gott über alle Ding fürchten, lieben und vertrauen"(2). Es mag, nach 467 Jahren lutherischer Unterweisung, einmal die Gegenfrage erlaubt sein. "Wir sollen Gott... fürchten, lieben und vertrauen": Was - ist das?

I.

Die triadische Formel, mit der im Katechismus das erste Gebot interpretiert wird, wiederholt sich als zweigliedriges Konzentrat ("Gott fürchten und lieben") in der Erklärung des zweiten bis zehnten Gebots. Im Epilog, der das aus dem Verbund des ersten Gebots gelöste Droh- und Verheißungswort Gottes als den Horizont aller Gebote an das Ende gerückt hat, gebraucht Luther wieder die triadische Form. So hat er in doppelter Weise, nämlich durch die Anordnung des biblischen Textes wie durch die strukturelle Disposition seiner Erklärung, die dem ersten Gebot für den Dekalog zugeschriebene Rahmenfunktion kenntlich gemacht. Was die Wendung "wir sollen Gott fürchten, lieben und vertrauen" in holzschnittartiger Elementarisierung zum Ausdruck bringt, repräsentiert nun freilich das ganze erste Gebot: nicht allein den aus didaktischen Gründen auf das Fremdgötterverbot reduzierten katechetischen Memoriertext, sondern ebenso das von Luther als dessen exemplarische Erläuterung gedeutete Bilderverbot, das abschließende Droh- und Verheißungswort sowie - dies vor allem! - die das Gebot einleitende Selbstzusage Gottes samt der mit ihr verbundenen Erinnerung an die konstitutive geschichtliche Gottestat(3).

In der Auslegungsgeschichte des Dekalogs hat das erste Gebot immer eine bevorzugte Rolle gespielt(4). Gleichwohl ist der Vorrang, der ihm unter den biblisch überlieferten Weisungen Gottes von Luther eingeräumt wird, ohne Entsprechung geblieben: In der Selbstzusage Gottes und seiner zugleich reklamierten Exklusivität gründet für ihn jede weitere Weisung. Insofern deutet er das zweite bis zehnte Gebot als exemplarische ethische Explikationen des ersten Gebots(5). Der Unterlassungs- und Handlungsgrund aller Gebote liegt stets in der Zusage Gottes, die den Glauben des Menschen fordert und die ihn zugleich gewährt(6). Die prinzipielle Vorordnung des ersten Gebots sowie die konstitutive Funktion, die ihm für die anderen Gebote des Dekalogs zukommt, hat Luther in ganz unterschiedliche Bilder gefaßt: Es ist das Licht, das sie durchdringt(7), ihr "marck und kern"(8), der Ring, durch den die zehn Gebote zu einem Kranz geflochten sind(9), die Quelle, der sie entsprungen sind und aus der sie sich speisen(10). Auch das christologisch konnotierte Bild des Hauptes, als dessen Glieder die andern Gebote erscheinen, taucht verschiedentlich auf(11).

Nun werden aber von der exklusiven Selbstzusage Gottes nicht allein die Gebote, sondern alle biblischen Schriften ge-speist. "Je gar ist die Schrifft so vol von dem ersten Gebot!"(12): Mit spürbarer Emphase notiert Luther diese bibelhermeneutische Einsicht während einer Lektüre des Psalters in sein Handexemplar. Für ihn war das erste Gebot nicht nur der Inbegriff der heiligen Schrift, sondern zugleich deren materialer Ermöglichungsgrund. Diese gesamtbiblische Quellenfunktion hat Luther oft genug summarisch postuliert und noch öfter in der exgetischen Einzelarbeit vor Augen geführt. Neben dem Pentateuch ist es vor allem der Psalter, in dessen Textwelt er die einzelnen Worte und Verse immer wieder als eine applikative Auslegung des ersten Gebots identifiziert; am Beispiel von Ps 34 hat er sogar Wort für Wort diesen Wurzelgrund freizulegen gesucht(13). "Was sind denn", fragt er, "die Psalmen anderes als Syllogismen aus dem ersten Gebot?"(14) Entsprechend sieht Luther auch die weisheitlichen und prophetischen Bücher durchweg gespeist aus dem Ozean des ersten Gebots(15). Nicht minder hat er im Neuen Testament das erste Gebot als den exegetisch-hermeneutischen Generalschlüssel empfohlen, auf den als auf das biblische Grundwort bezogen sich jede interpretatorische Schwierigkeit löst. Der Verzweiflungsruf des Jairus - dies als ein Beispiel für ungezählt viele - wird von Matthäus wie folgt überliefert: "Herr, meine Tochter ist jetzt gestorben; aber komm und lege deine Hand auf sie, so wird sie lebendig" (Mt 9,18b). In einer paraphrasierenden Interpretation dieser Bitte läßt hingegen Luther den Vater zu Jesus sagen: "O herr Gott, erzeige dein 1. gebot"(16).

"Ich bin der Herr dein Gott": In dieser "promissio omnium promissionum"(17) erkennt Luther die die gesamte biblische Christusoffenbarung in sich schließende Konstitutionsbedingung des Dekalogs. Einem Brennspiegel gleichend, fasse das erste Gebot das ganze Heilshandeln Gottes in sich zusammen. Entsprechend zentral ist der Ort, den es in Luthers eigenem theologischen Denken bezeichnet: "Das erste Gebot", erklärt er in einer Predigt vom 15. August 1529, "ist das heubtstück unsers gantzen Christenthums, es ist der brun des Glaubens"(18). Diesen Quellbrunn des Glaubens hat der Kleine Katechismus als die Aufforderung, Gott zu fürchten, zu lieben und zu vertrauen, erläutert. So repräsentiert die den Dekalog erschließende Formel zugleich das Herzstück von Luthers Theologie.

II.

"Wir sollen Gott... fürchten, lieben und vertrauen". Noch einmal: Was ist das? Die Frage nach der Bedeutung der Katechismusformel trifft auf eine Reihe von Schwierigkeiten. Deren erste, äußerlichste liegt in der Zahl und Zuordnung der einzelnen Glieder. Wie ist in der dreigliedrigen Formel deren Verhältnis zueinander bestimmt? Und welcher Veränderung unterliegt es im Wechsel von der triadischen zur dualen Gestalt?

Zu Beginn des Jh.s hat sich an dieser Frage Friedrich Römpler versucht(19). Aus der Sicht des Großen Katechismus be-stimmte er auch für den Kleinen das Vertrauen als den Inbegriff des Dekalogs. Die andern beiden Glieder, Liebe und Furcht, ständen nicht im gleichen Rang, seien vielmehr dem Vertrauen als dessen Konstitutionsfaktoren unterzuordnen: Furcht und Liebe als die zwei Wurzeln der Frucht Vertrauen - welch schiefes Bild! Oder in einem anderen Bild: "Liebe und Furcht... [schließen] sich im Vertrauen zusammen... wie in der Ehe Mann und Frau"(20). Diese Deutung hat alsbald sachkundigen Widerspruch provoziert und ist auch wirklich von einer kaum diskutablen Abwegigkeit: nicht nur, weil sie den Sprachgebrauch Luthers penetrant ignoriert, sondern ebenso, weil die in der Erklärung des zweiten bis zehnten Gebots gebrauchte duale Form "Gott fürchten und lieben" dann eine ganz unsinnige Verkürzung darstellen müßte.

Längst ist stattdessen in der Katechismusforschung die Einsicht heimisch geworden, daß auch die dreigliedrige Form nur zwei Elemente benennt: die Furcht einerseits, andererseits Liebe und Vertrauen als semantisch nahezu deckungsgleiche Wechselbegriffe. Schon dem Epilog, der im Kleinen Katechismus die zehn Gebote beschließt, wäre der entsprechende Fingerzeig zu entnehmen gewesen: "Gott dräuet zu strafen alle, die diese Gebot übertreten, darumb sollen wir uns fürchten für seinem Zorn... Er verheißet aber Gnade und alles Guts allen, die solche Gebot halten, darumb sollen wir ihn auch lieben und vertrauen"(21). Auch sonst verwendet Luther die Begriffe in diesem Sinn. Zwar bildet bei ihm die Liebe zu den Menschen eine Opposition zum Glauben an Gott. Doch für das Gottesverhältnis des Menschen gebraucht er die Worte ,Glaube', ,Vertrauen' und ,Liebe' nahezu synonym(22).

Weshalb hat nun aber Luther in der zweigliedrigen Formel als Opposition zum Fürchten nicht das Vertrauen, sondern das Lieben gewählt? Die Frage läßt sich kaum mit letzter Sicherheit klären, hat freilich wegen der semantischen Äquivalenz der beiden Wörter auch kein allzu großes Gewicht. Immerhin kann man ein paar Wahrscheinlichkeitsgründe benennen. Erwägenswert ist, daß Luther, wie Albrecht Peters vermutet, "aus sprachlichen Gründen" das Verb ,lieben' bevorzugt: Wie das Verb ,fürchten', jedoch anders als ,vertrauen' nennt es sein Objekt im Akkusativ(23). Darüberhinaus hat für Luther zweifellos der Sprachgebrauch des Johannesevangeliums eine Rolle gespielt sowie, dies vor allem, des fünften Buchs Mose(24), dessen homiletische Auslegung - ab 21. Februar 1529 predigt er darüber in fortlaufender Folge - bei der Abfassung des Kleinen Katechismus bereits in sein Blickfeld geraten sein mochte. Vielleicht hat auch die Überlegung, mit der Liebe den zur Furcht komplementären Affekt einzufordern, eine Rolle gespielt(25).

In sachlicher Hinsicht entspricht die Dialektik von Gottesfurcht und Gottesliebe oder -vertrauen der bei Luther elementaren Unterscheidung von Gesetz und Evangelium. Auf sie als auf das Zentrum des christlichen Glaubens ist jedes der katechetischen Hauptstücke gerichtet. Damit ist der Gedanke, das Nacheinander von Dekalog und Credo könnte dem von Gesetz und Evangelium entsprechen, ausdrücklich bestritten(26) - die These eines heilsgeschichtlichen Stufenbaus innerhalb des Katechismus hatte schon Achelis als "religiösen Darwinismus" desavouiert(27). Jedes Gebot, so Luther, "ist gefasset in die furcht und liebe"(28). Als die beiden Pole christlicher Existenz gehören sie für ihn untrennbar zusammen(29): "Nihil magis coniunctum est quam timor et fiducia, Lex et Evangelium, peccatum et gratia; tam coniuncta enim sunt, ut alterum ab altero absorbeatur. Ideo nulla Mathematica coniunctio potest dari quae esset huic similis"(30). Freilich stehen die beiden Pole nicht symmetrisch nebeneinander(31), sondern bezeichnen den Ausgangs- und Zielpunkt einer unaufhörlich repetierten Bewegung: Von der Furcht zum Glauben(32), von Gottes Zorn zu seiner Gnade(33), vom "in nobis" zum "extra nos": "Ich furchte mich quoad me et fido quoad te"(34).

III.

Timor dei aber, die Furcht vor Gott: Was ist das? Im ersten Drittel dieses Jh.s wurde dazu viel gedacht und noch mehr geschrieben. Die Hauptkombattanten des Streits waren August Hardeland(35), Superintendent zu Uslar, und der Göttinger Ordinarius Johannes Meyer(36); auch andere, allen zuvor Otto Albrecht(37), Mithg. des Katechismusbandes der Weimarer Lutherausgabe (WA 30,1), waren daran beteiligt. Diese Debatte über den "Begriff der Gottesfurcht in Luthers Katechismen"(38) wurde, dem Zeitstil gemäß, schonungslos und heftig geführt - dergleichen vermißt man ein wenig in der weithin von irenischer Sterilität geprägten theologischen Gesprächslage heute - und ist doch am Ende ohne rechtes Ergebnis im Sande verlaufen.

Der sachliche Ermöglichungsgrund dieser Kontroverse lag in dem überaus heterogenen Sprachgebrauch Luthers. Die verschiedenen Bedeutungen, die bei ihm für ,timor dei' bzw. ,Got-tesfurcht' zu unterscheiden sind, lassen sich nicht auf verschiedene Phasen seines Denkens verteilen, sondern stehen unausgewogen nebeneinander. Statt jedes Harmonisierungsversuchs - davon gibt es in der Lutherforschung schon mehr als genug! - seien die wichtigsten jetzt nur stichwortartig genannt. Ausführlich hat Luther das Furchtproblem erstmals in einer Predigt vom Dezember 1514 erörtert39. Deutlich ist hier das Bemühen, mit Hilfe überkommener scholastischer Distinktionen zu begrifflicher Klarheit zu finden. Doch bleibt sein Versuch, zwischen timor servilis und timor filialis einen die Gerechten auszeichnenden timor mixtus zu etablieren, sachlich ganz schwankend und unbestimmt(40).

An der Unterscheidung von timor servilis und timor filialis freilich hält Luther fest. In der ersten Psalmenvorlesung hat er sie eingeübt(41) und dann immer wieder gebraucht, vom Streit mit Johann Eck (1519)(42) bis hin zur ersten Antinomer-Disputation (1537)(43). Dabei steht der timor servilis für die äußerliche, fleischliche, vor Gottes Strafandrohung zurückschreckende Furcht, der timor filialis hingegen für die innerliche, geistliche, vor der Heiligkeit Gottes erschauernde Furcht. Mit dieser zwar nicht deckungsgleich, wohl aber verbunden ist die bei Luther nicht weniger oft begegnende Deutung des timor dei als Ehrfurcht. ,Timor' und ,reverentia' werden dann zu Wechselbegriffen und stehen als semantische Zwillingsform nicht selten nebeneinander: Das Wort Gottes, kann Luther sagen, und die ganze heilige Schrift habe man "cum timore et reverentia" zu hören(44). Denn im Hebräischen, so Luther, bedeute timor dei soviel wie cultus dei(45), wie denn auch die in Dtn 6,13 erhobene Forderung "Du sollst den Herrn deinen Gott fürchten und ihm dienen" auf eine ehrfurchtsvolle Gottesverehrung abziele(46).

Wiederum eng verwandt, aber nicht damit identisch ist die Unterscheidung der durch Gottes Strafandrohung und der durch seinen Zorn genährten Furcht. Wer nur aus Furcht vor Tod und Hölle handelt, genügt noch nicht dem ersten Gebot: Anstatt bei Gott sich zu "versehen... alles Guten und Zuflucht [zu] haben in allen Nöten"(47), wird die Sorge um das eigene Ergehen und damit die egozentrische Suspension des ersten Gebots zum handlungsleitenden Motiv(48). Demgegenüber entspricht die auf den Zorn Gottes blickende Furcht dem ersten Gebot, weil sie das eigene Ich coram deo als vergebungsbedürftig erkennt(49) und durch ein böses Gewissen(50) und Reue des Herzens(51) zur wahren "cognitio peccati"(52) geführt wird: Solche Gottesfurcht, erläutert Luther, besteht darin, daß "der mensch auff yhm selb und auff seynem ding nit stehet..., ßondernn... weyß: wo gott mit ernst und nach seynem gericht mit yhm handellt, ßo wer er thausent mal vorloren"(53).

In abermaliger Variation hat Luther für das Verhältnis von Gottesfurcht und Gottesglaube eine ambivalente Bestimmung getroffen: Einerseits im Sinne einer - meist in direktem Anschluß an 1Jo 4,18 formulierten - Antithese: Furcht ist nicht in der Liebe(54). Andererseits wird von ihm jedoch die Furcht als ein Konstitutionsfaktor christlicher Existenz reklamiert: "Optima regula Christianae vitae est dei timor"(55). Angesichts der unvermindert drohenden Sünde ist auch "ein rechtschaffener Christen... voller furcht, zappelns und schreckens"(56). Wäre es anders, verstieße er, indem er sich selbst zum Herrn seines Lebens erhöbe(57), gegen das erste Gebot und ginge darin der Gnade verlustig: "Wer gottis gericht nit ansihet, der furcht sich nit. wer sich nit furcht, der schreyt nit. wer nit schreyt, der find kein gnad nit"(58).

So ergibt sich, überblickt man das Ganze, ein höchst differenzierter Befund. Um so bemerkenswerter sind demgegenüber zwei Äußerungen vom Herbst 1527 - also nur anderthalb Jahre vor dem Kleinen Katechismus -, in denen Luther den Nutzen einer semantischen Differenzierung des Furchtbegriffs nun plötzlich bezweifelt. In einer Predigt über Gen 31 räumt er selbstkritisch ein, mit der Unterscheidung von knechtischer und kindlicher Furcht dieses Wort bislang "zu scharff und spitzig" gedeutet zu haben, da es doch nur "auffs einfeltigst" sollte verstanden werden(59). Und am 27. Oktober desselben Jahres schreibt er an Melanchthon, der Unterschied zwischen timor poenae und timor Dei lasse sich viel leichter theoretisch als im praktischen Vollzug der Affekte bestimmen; eine unterschiedliche Wirkung der Furchtpredigt, dergemäß die einen sie als Furcht vor Strafe, die andern als Furcht vor Gott selbst rezipierten, sei ohnedies nicht zu verhindern(60).

Wie allenthalben, hat der katechetische Zuschnitt auch in der Frage der Furcht zur Elementarisierung genötigt. Doch muß elementare Rede durchaus nicht eindimensional sein. Vielmehr besteht ihre Kunst, wenn sie glückt, darin, einen komplexen Sachverhalt einfach zu machen, ohne ihn zu simplifizieren. Demgemäß konkretisiert sich die jeweils gültige Bedeutung von timor dei erst in der jeweiligen Rezeptionssituation. Was Luther gegenüber Melanchthon am Furchtbegriff aufgezeigt hat, entspricht einem Strukturprinzip seines theologischen Denkens: Erst im rezeptionsästhetischen Vollzug entscheidet sich der Sinn eines Sprach- oder Bildgegenstands.

Doch wie auch immer das Furchtpostulat in einer konkreten Situation rezipiert werden mag: Stets ist dabei die Furcht in unumkehrbarer dynamischer Spannung auf die Liebe hin orientiert. Mit Nachdruck ist darum Johannes Meyer zu widersprechen, wenn er einem Christen in dieser Hinsicht Äquidistanz abverlangt: "Furcht und Vertrauen stehen gleichsam zu beiden Seiten der via media"(61). Entgegen solcher statisch-aristotelischen Mißdeutung der Katechismusformel verweist bei Luther die Gottesfurcht stets auf die Liebe, und dies ganz unabhängig davon, welche der drei latenten Grundbedeutungen sich in der jeweiligen Rezeptionssituation aktualisiert: ob die Furcht vor der im Drohwort Gottes genannten Strafe, die das Böse zu hindern oder doch seinen Folgen zu wehren vermag, ob die Furcht vor dem mir ins Herz sehenden Gott, die mich an mir selbst verzweifeln und allein auf seine Gnade hin hoffen läßt, oder ob schließlich die Furcht als der Ausdruck ehrfürchtiger Gottesverehrung, die mich anhält, das Rechte und Gute zu tun.

IV.

Es überrascht nicht, daß Luther von seiner katechetischen Elementarformel, nachdem sie erst einmal geprägt war, gern und oft Gebrauch gemacht hat. Am häufigsten begegnet sie seit 1529 in der Gestalt "fürchten und (ver-)trauen"(62), kaum weniger oft als "fürchten und lieben"(63) wie auch in ihrer triadischen Form(64). Allerdings ist sie bei ihm vereinzelt auch schon vorher belegt. Mindestens zwölfmal spricht er vor 1529 davon, man solle Gott fürchten und ihm (ver-)trauen, freilich, bei einer unbedeutenden Ausnahme(65), niemals im thematischen Umkreis des ersten Gebots(66). Die Verbindung von Furcht und Liebe ist ebenfalls schon früh belegt - mindestens zehnmal vor 1529(67) -, teils auch in ausdrücklichem Bezug auf das erste Gebot(68). Viermal begegnet in dieser Zeit sogar die triadische Formel, davon allerdings zweimal nur in einer nachträglichen Vorlesungs- bzw. Predigtbearbeitung durch fremde Hand(69).

Für die Frage nach der Genese von Luthers Katechismusformel gibt diese Vorgeschichte nicht allzu viel her. Ihre Bedeutung wird durch drei Beobachtungen noch einmal geschmälert. Zum einen begegnen bei Luther die Wörter Furcht, Liebe und Vertrauen vor 1529 genausogut in anderen, oft biblisch genährten Kombinationen(70). Zudem erscheinen bei Luther die einschlägigen Wendungen vor 1529 nirgendwo terminologisch gefestigt, vielmehr als ein durchweg aus dem Augenblick geborener, beiläufiger Ausdruck. Schließlich sind die Wörter Furcht, Liebe und Vertrauen selbstverständlich auch schon vor Luther kombiniert worden; Johannes Meyer hat entsprechende Aussagen bei Anselm von Canterbury, Bernhard von Clairvaux, Thomas von Aquin, Stephan von Landscron und anderen namhaft gemacht(71). Doch niemals hat man bei Luther den Eindruck, daß er im Gebrauch dieser Wörter eine überkommene terminologische Prägung zitiert oder auch nur bewußt übernimmt.

Um so ergiebiger ist nun freilich die dem Kleinen Katechismus unmittelbar vorausliegende Zeit. Spätestens im März, wahrscheinlich schon im Januar 1529 war er fertiggestellt(72). Im Jahr zuvor hatte sich Luther in Vertretung von Bugenhagen, der in Wittenberg seit 1523 regelmäßig Katechismuspredigten hielt, dreimal dieser Aufgabe unterzogen; seine drei Predigtreihen sind von Georg Rörer als Abschrift einer (seiner?) Nachschrift überliefert(73). Daß die Katechismuspredigten von 1528 als die Hauptquelle der beiden Katechismen(74) zu gelten haben, ist im Prinzip seit langem bekannt(75). Aufschlußreich ist gleichwohl eine genauere Inspektion der drei Predigten zum ersten Gebot. Ihm war jeweils die erste Reihenpredigt gewidmet: am 18. Mai, am 14. September sowie am 30. November 1528. Liest man diese drei Predigten nacheinander, so ist ein Bruch zwischen den beiden ersten und der dritten überdeutlich zu spüren. Die ersten beiden Predigten zum ersten Gebot sind durch den Gedanken bestimmt, allein der Glaube erfülle das erste Gebot. "Was heisst Gott? hoc videlicet, da man sich zuversehen sol alles guts und Zuflucht haben in omni necessitate et malo"(76). "Das heisst den einigen Gott haben, ut ex corde illi confidas et credas, quia fidere et credere macht Gott"(77). Mit diesen und ähnlichen Wendungen sind die beiden Predigten zur direkten, oft wörtlich übernommenen Vorlage der Erklärung im Großen Katechismus geworden(78). Noch ist hier von dem Komplementärmotiv des Fürchtens nirgends die Rede(79).

Schlagartig ändert sich mit der Predigt vom 30. November die Situation. Jetzt herrscht spürbar ein anderer Ton: "Deum habere est Deum timere et fidere ei"(80). In penetranter Wiederholung - 27mal begegnet die Wendung in Rörers Nachschrift! - hat Luther nun seinen Hörern das Doppelmotiv des Fürchtens und Trauens eingehämmert. Unverkennbar hat damit die dritte Katechismuspredigt zum ersten Gebot dem Kleinen Katechismus so-wie im Großen Katechismus dem Epilog der Gebote, der dort die offenbar schon gedruckte Erklärung des ersten Gebots entsprechend modifizieren sollte, als Vorwurf gedient. Doch nicht allein in der Predigt vom 30. November, sondern auch in den darauf folgenden Stücken dieser dritten Predigtreihe, aber auch in anderen literarischen Äußerungen Luthers ist von nun an die Wendung bzw. das Motiv des Fürchtens und Trauens allgegenwärtig(81).

Wie läßt sich dieser plötzliche Umschwung erklären? Was war zwischen den beiden ersten und der dritten Predigtreihe geschehen? Für Luther bedeutete 1528 das Jahr der Visitation. Diese Arbeit war zwar schon geraume Zeit im Gange gewesen(82). Er selbst ist aber erst am 30. August 1528 vom Kurfürsten zum Mitarbeiter bestimmt worden und hat am 22. Oktober die Arbeit aufgenommen(83). Die dritte Predigtreihe ist also mitten aus seiner Visitationsarbeit heraus entstanden. Die niederdrückenden Erfahrungen, die Luther dabei gemacht hat(84) - immer wieder klagt er in dieser Zeit über geistliche Trägheit und mangelnde religiöse Scheu, womit sich die Menschen noch dazu hinter dem evangelischen Freiheitsmotiv blasphemisch verschanzten(85) -, sind wohl ganz unmittelbar in seine Predigtarbeit eingeflossen.



Erst die eigene Visitationspraxis scheint Luther für das einschlägige Anliegen Melanchthons aufgeschlossen zu haben. Dieser nämlich hatte sich schon in seinem über ein Jahr zuvor konzipierten "Unterricht der Visitatoren" dafür verwendet, "für den gemeinen groben man" das Gesetz Gottes unter den Namen der Furcht zu fassen(86) und damit neben dem Glauben die Furcht als eine Wesensbestimmung des Christlichen anzuerkennen; stets habe man, so Melanchthon, in der Absicht zu predigen, daß "dadurch die leute zu forcht und glauben gereitzt würden"(87). Zu dieser Einsicht ist Melanchthon nicht erst als Visitator gelangt. Schon 1523 hatte er fiducia und timor als die beiden Forderungen des ersten Gebotes bestimmt(88). Und in den Loci Communes von 1521 erklärt er als das Werk dieses Gebots lapidar: "Gott vertrauen, ihn lieben und fürchten"(89).

So sind für das plötzliche Auftauchen der Katechismusformel im November 1528 vor allem zwei Faktoren wichtig geworden: Luthers eigene praktische Visitationserfahrung sowie seine dadurch eröffnete oder doch gesteigerte Empfänglichkeit für das entsprechende Anliegen des Mitstreiters Melanchthon. Indem Luther das Motiv "Fürchten und Lieben" jetzt unverzüglich und umfassend rezipiert, anerkennt er es offenkundig als die adäquate Sprachgestalt eines Gedankens, der ihm als solcher durchaus nicht fremd ist. Es scheint, als habe er die Formel für geeignet empfunden, die von ihm schon immer als zentral bestimmte Unterscheidung von Gesetz und Evangelium(90) für den katechetischen Gebrauch zu elementarisieren. Dergestalt leistet sie den für das Leben der Kirche unabdingbaren Transfer einer konstitutiven theologischen Einsicht in die Praxis des Glaubens. Luthers Katechismusformel - sie ist vielleicht das vorzüglichste Beispiel einer von ihm schon lange vor dem Zeitalter der Aufklärung programmatisch betriebenen theologia popularis(91).

V.

"Wir sollen Gott fürchten und lieben". Zum letzten Mal: Was ist das? Kann man denn ernstlich zur Furcht vor Gott erziehen wollen? Noch dazu, wo die bis heute beliebte katechetische Ausflucht, es sei ja nur die Ehrfurcht gemeint, offenkundig verbaut ist? Und läßt sich die daraus resultierende Konsequenz für den Gottesgedanken theologisch überhaupt noch vertreten?

Auch darauf hält die Katechismuspredigt vom 30. November 1528 die Antwort bereit. Sie ist ebenso überraschend wie klar. Sie erzwingt keineswegs einen Umbau der Gotteslehre, sondern lenkt den Blick auf die Lehre vom Menschen. Denn der Frage zuvorkommend, ob und inwiefern man einem Christen die Furcht vor Gott abfordern kann, hat Luther Furcht und Vertrauen als die beiden fundamentalen Lebensäußerungen des menschlichen Herzens bestimmt. Nun ist die Frage der Affekte bei Luther gewiß ein weites und dorniges Feld(92). Dennoch vermag hier, im Erklärungszusammenhang des ersten Gebots, hinreichend deutlich zu werden, daß er, offenbar in freier Variation der stoischen Affektenlehre(93), eine bipolare Struktur des menschlichen Fühlens voraussetzt. Da nun aber das erste Gebot für Luther auf das ganze menschliche Herz abzielt, betrifft es auch die beiden anthropologischen Elementarfunktionen des Fürchtens und Liebens(94). Gegenüber diesen beiden Grundaffekten erhebt es den Exklusivitätsanspruch Gottes. So "nimpt das erste Gebot die zwey stücke deins hertzens für sich, timere et fidere"(95): "Fürchte dich vor niemandem als vor mir, denn ich kann dich schlagen. Und traue mir allein, denn ich kann dir helfen... Ich allein habe beides in der Hand"(96).

Insofern widerspricht, recht verstanden, das Postulat der Gottesfurcht durchaus nicht dem christlichen Freiheitsgedanken. Vielmehr ist die von Gott im ersten Gebot reklamierte Exklusivität für den, der ihr fürchtend und liebend entspricht, von einer zutiefst emanzipatorischen Wirkung. Sie dient, so Luther, "uns tzum trost, das wyr frey und sicher seyen, Niemant furchten, denn nur gott alleyn, wo der mit uns hellt, ßo kan widder list noch gewallt schaden"(97). Wer Gott fürchtet, der fürchtet weder Teufel(98) noch Tod(99). "Also sollen wyr uns fur der wellt nichts furchten..., fur Gott aber sollen wyr uns demüttigen und furchten"(100). Fast scheint es, als habe sich Bismarck mit dem Satz "Wir Deutsche fürchten Gott, aber sonst Nichts auf der Welt" am Ende nur als ein gelehriger Schüler des Katechismus erwiesen(101).

Den Sinn der Katechismusformel vermag bereits die rechte Betonung hörbar zu machen. Man sage nicht: "Wir sollen Gott fürchten und lieben", man sage vielmehr: "Wir sollen Gott - fürchten und lieben". Wer, an Gottes Statt, etwas anderes fürchtet, der begehrt auch "desselben anderen gunst und gnade, und fragt nit nach got"(102). Denn stets treibt die Furcht hin zur Gnade(103). An der Furcht entscheidet sich darum, ob der Mensch in seinem Herzen einen Abgott errichtet oder aber die von Gott beanspruchte Exklusivität an sich selbst hat wahr werden lassen.

"Wir sollen Gott fürchten und lieben": Mit diesem Kehrvers hat Luther daran erinnert, daß sich allein im Gehorsam gegen das erste Gebot die anderen Gottesgebote erfüllen lassen. Daß seine Katechismusformel alles andere war als eine pädagogische Zauberformel, vielmehr oft genug ihren Zweck, den Sinn des Dekalogs "einfelltig" zu erschließen, verfehlte, das wußte niemand besser als Luther selbst. Am 3. September 1541 wendet er sich brieflich an Justus Jonas nach Halle. Er berichtet ihm von einem Bürger aus Wittenberg, der auf die Frage, ob er wohl gegen die zehn Gebote gesündigt habe, zur Antwort gab: Das zweite bis zehnte Gebot betreffend, sei er sich nicht ganz sicher, jedoch gewiß niemals gegen das erste Gebot. "Da siehst du", fährt Luther sarkastisch fort, "welche heiligen Leute in Wittenberg sind, die weder im Fleisch noch in der Welt, sondern nur unter den Engeln gelebt haben! So viel hat der Katechismus bewirkt, der doch tagtäglich eingebleut wird"(104).

Fussnoten:

1 Th. Mann, Buddenbrooks. Verfall einer Familie (Berlin 1901), Gesammelte Werke in Einzelausgaben. Frankfurter Ausgabe, hg. v. P. de Mendelssohn, Frankfurt 1981, 7. - Bereits 1897 hatte der 22jährige Thomas Mann den Beginn des Romans in einem Notizbuch konzipiert: ",Was ist das. - Was - ist das...'. ,Je, den Düwel ook, c'est la question, ma très chère demoiselle!'" (Nachwort des Hg.s, ebd. 778 f.).

2 BSLK 507, 40-43.

3 A. Beutel, Luthers Auslegung des ersten Gebots (in: J. Heubach [Hg.], "Ich bin der Herr dein Gott" - Das erste Gebot in säkularisierter Zeit [Veröffentlichungen der Luther-Akademie Ratzeburg 24], Erlangen 1995, 65-108). - Zum theologiegeschichtlichen Kontext vgl. zuletzt G. Wenz, Die Zehn Gebote als Grundlage christlicher Ethik. Zur Auslegung des ersten Hauptstücks in Luthers Katechismen (ZThK 89, 1992, 404-439).

4 Nach wie vor erhellend ist in dieser Hinsicht J. Geffcken, Der Bildercatechismus der funfzehnten Jahrhunderts und die catechetischen Hauptstücke in dieser Zeit bis auf Luther. Bd. 1: Die zehn Gebote, Leipzig 1855.

5 WA 18;76,24-28 (1525).

6 WA 30,1;75,14-21 (1528).

7 WA 30,1;62,3-6 (1528). - Vgl. ebd. 180,37-181,2.

8 WA 28;664,4-20 (1529).

9 WA 30,1;180,37-181,2 (1529).

10 WA 30,1;181,21-24 (1529). - WA 28;551,3-5.13-16 (1529). - WA 29;450,10 (1529).

11 WA 5;395,6-8 (1519/21): Primum praeceptum est metrum, mensura, regula, virtus omnium aliorum praeceptorum, in quo tanquam in capite omnia membra pendent, vivunt, vegetantur.

12 WA 48;37,4 (o.J.).

13 WAT 2;169,17-170,31 (1632)(Nr 1665).

14 WAT 1;358,22 (Nr 751): Quid enim psalmi sunt aliud quam syllogismi ex primo praecepto? - Vgl. WA 28;691,2 f. (1529): Psalterium nihil aliud quam exempla 1. praecepti, quia der bund ist fest, Got trew.

15 WA 40,1;405,25 (1535): In veteri Testamento omnes Prophetiae ex primo praecepto fluxerunt. - WA 14;640,23-33 (1525). - WADB 11,1;5,7-18 (1545).

16 WA 36;347,19-31 (1532).

17 WA 30,2;358,1 (1530). - Zur textkritischen Interpretation dieser Dekalogglosse vgl. O. Albrecht, Streiflichter auf Luthers Erklärung des ersten Gebots im Kleinen Katechismus (ThStKr 90, 1917, 421-495, v.a. 428-444).

18 WA 28;601,10 f. (1529) (Predigt über Dtn 6,5). - Ebd. 600,10-601,2 (R): 1. praeceptum est fons et sapientiae, omnis fidei und verstands, weisheit, erkentnis, gsetz et quicquid bonum est sthet in 1. praecepto.

19 F. Römpler, Fürchten lieben und vertrauen (ZEvRU 13, 1901/02, 149-155). - Ders., "Ich bin der Herr dein Gott" (ZEvRU 14, 1902/03, 283-295). - Vgl. dazu L. Arndt, Fürchten, lieben und vertrauen - nach Luther (ZEvRU 14, 1902/03, 52-59).

20 Römpler, Fürchten, lieben und vertrauen (s. Anm. 19), 151.

21 BSLK 510,15-21.

22 G. Ebeling, Einfalt des Glaubens und Vielfalt der Liebe. Das Herz von Luthers Theologie (in: Ders., Lutherstudien. Bd. 3: Begriffsuntersuchungen - Textinterpretationen - Wirkungsgeschichtliches, Tübingen 1985, 126-153, hier: 140 f.).

23 A. Peters, Kommentar zu Luthers Katechismen. Bd. 1: Die Zehn Gebote. Luthers Vorreden, hg. v. G. Seebaß, Göttingen 1990, 131.

24 Vgl. v.a. Dtn 6,5; 10,12; 11,1.13.22; 19,9.

25 Vgl. dazu Teil V. dieser Arbeit.

26 So auch H.-J. Fraas, Katechismustradition. Luthers Kleiner Katechismus in Kirche und Schule (APTh 7), Göttingen 1971, 31.

27 E. Ch. Achelis, Der gegenwärtige Stand der Katechetik (ZThK 4, 1894, 437-462, 454).

28 WA 28;663,20 f. (1529).

29 WA 14;606,17-19 (1525): Oportet semper manere timorem et fiduciam: timorem, dum respicimus nos et nostra, fiduciam, dum salvatorem humiliatum pro nobis contemplamur. - WA 10,1,1; 291,10-292,6 (1522).

30 WA 40,1;527,24-27 (1535).

31 Unzulänglich, weil die dialektische Dynamik von Gesetz und Evangelium verwischend, ist es, wenn A. Peters in diesem Zusammenhang resümiert: "Der Widerstreit von Gesetz und Evangelium tritt zurück. Im Zentrum steht Gottes schöpferisches Gebieten und gebietendes Schaffen" (Peters, Kommentar [s. Anm. 23], 135 f.). - Vgl. dazu treffend Fraas (s. Anm. 26), 307-309.

32 WA 7;34,19-22 (1520).

33 WA 12;632,8-633,7 (1522).

34 WA 31,1;278,24 f. (1530); vgl. ebd. 278,20-25. - WA 6;216,5 f. (1520): Alszo mussenn wir der werck halben uns furchtenn aber der gnaden gottis halben trosten. - WA 13;606,12-21 (1525).

35 A. Hardeland, Luthers Katechismusgedanken in ihrer Entwicklung bis zum Jahre 1529, Gütersloh 1913. - Ders., Der Begriff der Gottesfurcht in Luthers Katechismen. Erwiderung auf die Erörterung dieser Streitfrage durch... Joh. Meyer..., Gütersloh 1914. - Ders., Furcht, Liebe und Vertrauen in Luthers Katechismen (Hannoversche Pastoral-Korrespondenz 1914, H. 2 u. 4). - Ders., Noch einmal: Was heißt "Gott fürchten" in Luthers Katechismen? (Hannoversche Pastoral-Korrespondenz 1914, H. 9). - Ders., Der timor Dei als Erfüllung des 1. Gebotes in den älteren lutherischen Katechismen (Hannoversche Pastoral-Korrespondenz 1915, H. 15). - Ders., Das erste Gebot bei Luther (MPTh 14, 1918, 105-107). - Ders., Luthers Erklärung des ersten Gebots im Lichte seiner Rechtfertigungslehre (ThStKr 92, 1919, 201-261). - Ders., Das Furchtproblem in Luthers Katechismus vom Jahre 1529 (Luther 11, 1929, 97-117).

36 J. Meyer, Fürchten, Lieben und Vertrauen. Eine geschichtliche Erörterung zu Luthers Katechismen (NKZ 24, 1913, 793-811). - Ders., Luthers Dekalogerklärung 1528 unter dem Eindruck der sächsischen Kirchenvisitation (NKZ 26, 1915, 546-570). - Ders., "Gottesfurcht" in Luthers Katechismen (Hannoversche Pastoral-Korrespondenz 1914, H. 4). - Ders., Das erste Gebot bei Luther (MPTh 13, 1917, 357-376). - Ders., Das erste Gebot bei Luther (Luther 11, 1929, 2-25). - Ders., Historischer Kommentar zu Luthers Kleinem Katechismus, Gütersloh 1929, v.a. 170-192.

37 O. Albrecht, Vorbemerkungen zu beiden Katechismen (WA 30,1, Weimar 1910, 426-474). - Ders., Besondere Einleitung in den Kleinen Katechismus (ebd. 537-665). - Ders., Luthers Katechismen (SVRG 121/122), Leipzig 1915. - Ders., Streiflichter auf Luthers Erklärung des ersten Gebots im Kleinen Katechismus (ThStKr 90, 1917, 421-495).

38 So der Titel einer einschlägigen Streitschrift A. Hardelands von 1914 (s. Anm. 35).

39 WA 1;37-43 (27.12.1514)(Predigt über Sir 15,1[-8]).

40 Vgl. v.a. WA 1;39,16-29 u. 42,5-24. - Vgl. dazu Meyer, Kommentar (s. Anm. 36), 188 f.

41 Z. B. WA 3;391,31-35 (1513/15). - Ebd. 467,25-27. - Ebd. 582,28-32. - WA 4;6,10-24. - Ebd. 69,25-76,35. - Ebd. 144,9-12. - Vgl. auch WA 4;646,24-26 (1517[?]): O qui haec recte nosset et fideliter ageret, experimento disceret, quomodo lex et gratia differant, servus et filius, mercennarius et haeres, timor servilis et castus! - Vgl. ferner WA 56;367,15-19 (1515/16). - WA 59;584,4568-589,4918 (1519). - WA 1;663,13-29 (1518). - WA 13;75,15-19 (1524). - WA 14;681,26 f. (1525). - WA 31,1;584,10-14 (1531).

42 Vgl. etwa WA 2;396,3-8 (1519).

43 Vgl. etwa WA 39,1;395,16-21 (1537).

44 WA 14;712,32-35 (1525). - WA 24;300,6-301,3 (1527): Sacra Scriptura cum timore et reverentia legenda est, verba enim, opera et iudicia Dei sunt: nec tam res ipsa, quam is qui loquitur et operatur, respicienda est, serio enim agit divina maiestas, cum loquitur. - WA 17,1;350,14-16 (1525): Verbum vult tractari et audiri trementi animo et honore accipi et timore: alias statim sequetur ein stoltzer mut et abusus verbi. - Vgl. auch WA 4;11,22-31 (1513/15). - WA 6;251,3-15 (1520). - WA 12;290,9-19 (1523). - WA 19;305,10 (1526): Timere est ein schewen et in honore habere. - WA 39,2;350,25-351,7 (1545).

45 WA 14;606,40-607,23 (1525); vgl.ebd. 638,24 f. - Vgl. ferner WA 13;247,23 f. (1524/26): Timor dei est reverentia et cultus dei spiritualis, sic enim ubique utitur scriptura vocabulo timoris dei. - WA 13;4701-8 (1525). - WA 19;215,31-33 (1526). - WA 19;305,10-306,2 (1526). - WA 31,1;89,25 f. (1530).

46 WA 14;613,25-33 (1525).

47 So Luther in der Erklärung des ersten Gebots im Großen Katechismus; vgl. WA 30,1;133,1 f. (1529).

48 WA 10,1,1;453,17-24 (1522): Denn wer eyn gutt werck thutt auß furcht des todts odder der helle, der thuts nit gott tzu ehren, ßondern dem tod und der helle, und ist eyn werck des tods und der helle; denn die habens yhm abiagt, und umb yhren willen alleyn thutt erß, hatts sonst nitt than. Darumb bleybt er auch eyn knecht unnd diener des todts und der helle mit allen solchen wercken; bleybt er aber des todts und der helle diener, ßo muß er auch sterben und vordampt seyn. Und geschicht yhm nach dem sprichwort: wer sich fur der helle furcht, der feret hyneyn. - Ebd. 360,2-15. - WA 1;167,29-168,10 (1517).

49 WA 6;376,21-24 (1520): Wer bedarff aber mehr vorgebung der sund und gottis gnade, den eben die armen, elenden gewissen, die von yhren sunden getrieben und gemartert werden, sich fürchten fur gottis zorn, gericht, todt und helle, die ßo recht gerne wolten eynen gnedigen got haben und keyn grössere begirde haben? - WA 7;34,19-22 (1520): Die rew fleust auß den gepotten, der glaub auß den zusagung gottis, und alßo wirt der mensch durch den glauben gotlicher wort gerecht fertiget und erhaben, der durch die furcht gottis gepottis gedemütiget und ynn seyn erkentniß kummen ist.

50 WA 1;555,9 f. (1518): Hic autem timor est ipsa conscientia mala et trepida propter defectum fidei.

51 WA 29;456,29 f. (1529): Timor dei continet in se contritum cor quod non potest sibi auxiliari.

52 WA 31,1;540,24 f. (1530/32).

53 10,1,1;290,21-291,4 (1522). - Vgl. WA 7;797,4-16 (1521). - Diesen Aspekt der Gottesfurcht hat Luther nirgendwo knapper zusammengefaßt als in seiner Nachdichtung des 130. Psalms: "Bey dyr gillt nichts den gnad und gonst / die sunden zu vergeben. / Es ist doch unser thun umb sonst / auch ynn dem besten leben. / Fur dyr niemant sich rhumen kan; / des mus dich furchten yderman / Und deyner gnaden leben" (AWA 4, 191).

54 Vgl. etwa WA 8;385,9-15 (1521). - WA 20;452,29-36 (1526). - WA 20;759,20-760,9 (1527). - WA 29;433,24-434,20 (1529). - WA 36;463-477 (1532)(Predigt über 1Jo 4,18). - WA 39,1;437,6-12 (1537).

55 WA 9;390,24 f. (1519/21).

56 WA 28;399,14-16 (1529). - WA 11;13,10-12 (1523): Tamen quanquam in vera fide stamus, tamen absque timore esse non possumus, quia non scimus, an fides sit permansura, quia fieri potest, ut in peccata cadat. - WA 29;242,13 f. (1529): Christianus ist voller furcht, zappelns, non pervenient ad securitatem. - WA 40,1;527,1f (1531): Timor dei ist kostlich ding, sed non sol aeternus sein. Sed debet esse in corde Christiano, quia est in eo lex et peccatum. - Vgl. auch WA 1;207,12-208,30 (1517). - WA 25;448,2-13 (1528).

57 WA 15;299,22-27 (1524): Denn solche burge thun gerade, alls dürfften sie Gott nicht eyn mal drumb grüssen oder dencken, ob sie yhrs leybs und guts auch morgen gewis seyen, und handlen so gar on fürcht Gottes, als hetten sie das leben und gut von yhn selbst und werens mechtig, wie lange sie wollten, wilchs nicht anders ist denn eyne frücht des unglaubens.

58 WA 1;207,24-26 (1517).

59 WA 24;548,29-34 (1527): Wir habens zu scharff und spitzig gedeut, wenn die schrifft von Gottes furcht redet, das wir allezeit haben grosse unterscheyd gemacht De timore filiali et servili, aber auffs einfeltigst ists nichts denn Gott mit dem hertzen ynwendig und mit auswendigen wesen dienen, wilches darynne stehet, das man yhn ynn ehren halte und sich fur yhm schewe, thue und lasse nichts, on was man weys, das yhm wolgefalle.

60 WAB 4;272,13-23 (1527)(Nr 1162): Scribis te flagellari a quodam, quod poenitentiam a timore Dei incipi docueris in Visitatione vestra. Scripsit similia fere ad me Magister Eisleben, sed ego pugnam istam verborum non magni puto, praesertim apud vulgum. Nam timor poenae et timor Dei quam differant, facilius dicitur syllabis et literis, quam re et affectu cognoscitur. Timeant poenam et infernum omnes impii, Deus aderit suis, ut simul timeant Deum cum poena. Neque fieri potest, ut sine timore poenae sit timor Dei in hac vita, sicut nec spiritus sine carne, etiamsi timor poenae sit inutilis sine timore Dei. Docendo igitur timorem Dei credo id agi, quod agitur docendo libertatem spiritus, ut hanc alii in securitatem carnis, ita illum alii in desperationem seu timorem poenae rapiant. Quis vero illis resistet?

61 Meyer, Kommentar (s. Anm. 36), 190.

62 Um jeweils nur eine bescheidene Auswahl zu geben: WA 28;586,7 (1529). - Ebd. 617,3-6. - Ebd. 664,14-25. - WA 29;605,17 (1529). - WA 30,1;362,5-8 (1529). - WA 30,2;661,8 f. (1530). - Ebd. 663,14. - Ebd. 676,20. - WA 31,1;89,23 f. (1530). - WA 31,1;278,20-25 (1530). - WA 31,1;496,25-35 (1530/32). - WA 31,2;118,25 (1527/30). - WA 31,2;462,22-24 (1527/30). - WA 32;19,25 f. (1530). - WA 32;163,9 (1530). - WA 34,1;308,7 f. (1531). - WA 39,1;12 f. (1535). - WA 39,1;356, 25 f. (1537). - WA 39,1;559,3 f. (1538). - WA 42;263,40-42 (1535). - WA 44;727,7-12 (1545). - WADB 11,2;3,20-22 (1545). - WADB 12;55,27 (1545).

63 WA 28;534,5-8 (1529). - Ebd. 663,4-6.19-22. - WA 30,2;584,18-26 (1530). - WA 34,1;566,9 f. (1531). - WA 39,1; 581,11-14 (1538). - WA 41;406,13-16 (1535). - WA 50; 622-30 (1539).

64 WA 22;199,18 f. (1544). - WA 22;313,25-27 (1544). - WA 28;557,25 (1529). - Ebd. 598,13 f.. - Ebd. 631,34. - Ebd. 657,31 f. - WA 29;547,11-17 (1529). - Ebd. 603,31 f. - WA 31,1;148,19 (1530). - WA 33;46,15-17 (1530/32). - WA 40,1; 405,11 f. (1535). - WA 46;665,5-7 (1537/38). - WA 48;214,10 f. (o.J.). - WADB 8;17,3 f. (1545). - Ebd. 7-17.

65 WA 13;62,13-17 (1524).

66 WA 2;72,14 f. (1519). - WA 6;254,2 (1520). - WA 10,1,1;37,15 f. (1522). - WA 12;412,14-19 (1523). - WA 13; 500,4 f. (1525). - WA 13;606,17 f. (1525). - WA 18;716,14 (1525). - WA 24;465,4-6 (1527). - WA 25;95,3 f. (1527). - WA 56;307,4-7 (1515/16).

67 WA 1;202,3-5 (1517). - WA 1;254,3.17 (1518). - WA 1;450,18-26 (1517): Et hoc cognito, si non discant amare dominum et gratias agere et orare et sequi Christum, Adhibetur correptio domini, id est, terror iudicii dei et minationes irae dei super malos. Hoc enim qui ab ineunte aetate didicerit, scilicet Beneficia dei et promissa, unde diligat, deinde plagas et comminationes, unde timeat dominum, facile haec tenebit factus maior. Nam in iis duobus vult Dominus coli, Amari ut pater ex beneficiis praeteritis, praesentibus et futuris, Timeri ut iudex ex plagis praeteritis, praesentibus et futuris, sicut dicis: Si ego sum pater, ubi est amor meus? Si sum dominus, ubi est timor meus? - WA 4;389,1 f.16 (1513/15). - WA 5;203,25 (1519/21). - WA 6;255,21 (1520). - WA 8;561,29-32 (1521). - WA 10,3; 160,2-4 (1522). - WA 17,1;22,12 f. (1525).

68 WA 1;254,17 (1518). - WA 7;212,14 (1520).

69 WA 6;221,4 f. (1520). - WA 7;445,24-29 (1521). - WA 14;626,4 (1525). - WA 20;514,33-515,13 (1526).

70 Beispielsweise in der Verbindung von timor und spes; vgl. dazu etwa WA 5;140,13 (1519/21). - WA 5;297,20 (1519/21). - WA 7;371,7-10 (1521). - WA 8;584,35 (1521). - WA 9;578,7-9 (1521). - WA 14;716,3 f. (1525) u.a.

71 Meyer, Kommentar (s. Anm. 36), 104.

72 Meyer (s. Anm. 36), 2-6. 61-63. - D. J. M.Reu, D. Martin Luthers Kleiner Katechismus. Die Geschichte seiner Entstehung[,] seiner Verbreitung und seines Gebrauchs, München 1929, 5-24. - H.-J. Fraas, Art. Katechismus I. Protestantische Kirchen 1. Historisch (bis 1945)(TRE 17, 710-722, hier: 711-713).

73 Die Entdeckung dieser Predigtnachschrift durch Georg Buchwald be-deutete für die Katechismusforschung eine Sensation! - Vgl. dazu G. Buchwald, Die Entstehung der Katechismen Luthers und die Grundlage des Großen Katechismus [mit einem Abdruck der Katechismus-Predigten von 1528], Leipzig 1894. - Ders., D. Martin Luthers Großer Katechismus. Mit Erläuterungen und den Bildern der ersten Ausgabe dargeboten, Leipzig 61912. - Ders., Ein Katechismusjahr, Gütersloh 1927.

74 Für die protestantische Katechismusarbeit neben Luther vgl. F. Cohrs, Die Evangelischen Katechismusversuche vor Luthers Enchiridion, 5 Bde. (MGP 20-23.39), Berlin 1900-02, ND Hildesheim 1978.

75 W. Jetter, Art. Katechismuspredigt (TRE 17, 744-786, hier: 746-748 [Vorgeschichte] u. 748-750 [Luther]).

76 WA 30,1;2,32-3,1 (18.5.1528).

77 Ebd. 28,2 f. (14.9.1528).

78 J. Meyer, Luthers Grosser Katechismus. Textausgabe mit Kennzeichnung seiner Predigtgrundlagen und Einleitung (QGP 12), Leipzig 1914.

79 An einer Stelle wird allerdings auch schon in der ersten Predigtreihe, näherhin im Einleitungsteil der Predigt zum zweiten Gebot (19. Mai 1528) die Wendung "timor et fides" gebraucht (WA 30,1;4,21 f.). J. Meyer hat freilich schlüssig zu zeigen vermocht, daß Rörer während seiner Abschrift der Nachschrift der Katechismuspredigten von 1528 an dieser Stelle das ursprünglich allein stehende Wort "fides" im Sinne der dritten Reihe zu "timor und fides" ergänzt hat (Meyer, Fürchten, lieben und vertrauen [s. Anm. 36], 802 f. - Ders., Kommentar [s. Anm. 36], 56 f. Anm 1). Wenn A. Peters diese Stelle ohne Diskussion und wohl auch ohne Kenntnisnahme der Argumentation Meyers als Luthers Zusammenfassung seiner Auslegung des ersten Gebots in der ersten Predigtreihe interpretiert (Peters, Kommentar [s. Anm. 23], 131), so ist daraus zu lernen, daß der Fortgang der theologisch-historischen Wissenschaft nicht immer auch einen Fortschritt bedeutet.

80 WA 30,1;59,4 f. (30.11.1528).

81 Vgl. dazu aus der dritten Reihe der Katechismuspredigten von 1528 (WA 30,1): 62,8; 63,4.14; 64,19-65,3; 65,16-20; 66,8 f. 14.21; 67,17; 68,4; 75,17-21. - Vgl. ferner aus dem Großen Katechismus (WA 30,1): 180,18-22.26 f.29.31.38; 181,3.7. - Die motivische Verwendung von "timere et fidere" kündigt sich bei Luther erstmals an in den Predigten über Num 30 vom 15. November (WA 25;510,12-23. 511,7-22) und 29. November 1528 (ebd. 513,24 f. 515,14-16).

82 Als einweisende Übersicht vgl. M. Brecht, Martin Luther, Bd. 2: Ordnung und Abgrenzung der Reformation 1521-1532, Stuttgart 1986, 253-266.

83 Am 20.10.1528 schreibt Luther an Spalatin (WAB 4;586,24-26): Nos altera post Vrsulae (= 22. Oktober) nostrae Visitationis partem aggrediemur; idem facturos aut facere vos quoque spero.

84 Diese Erfahrungen beschwört Luther in seiner Vorrede zum Kleinen Katechismus als das Motiv, das ihn während der Arbeit am Großen Katechismus zur Abfassung des Kleinen veranlaßt hat (WA 30,1;346,-347,3): Diesen Catechismon odder Christliche lere inn solche kleine schlechte einfeltige form zu stellen, hat mich gezwungen und gedrungen die klegliche elende not, so ich newlich erfaren habe, da ich auch ein Visitator war. Hilff lieber Gott, wie manchen iamer habe ich gesehen, das der gemeine man doch so gar nichts weis von der Christlichen lere, sonderlich auff den dörffern, und leider viel Pfarherr fast ungeschickt und untüchtig sind zu leren, Und sollen doch alle Christen heissen, getaufft sein und der heiligen Sacrament geniessen, können widder Vater unser noch den Glauben odder Zehen gebot, leben dahin wie das liebe vihe und unvernünfftige sewe, Und nu das Evangelium komen ist, dennoch fein gelernt haben, aller freiheit meisterlich zu missebrauchen.

85 WAB 4;597,5-7 (1.11.1528)(An Amsdorf): Nos visitatores h.e. episcopi sumus, et invenimus paupertatem et penuriam ubique; Dominus mittat operarios in messem suam, Amen. - Ebd. 603,11-13 (8.11.1528)(An Spalatin): Visitatio nostra procedit. Quas ibi miserias videmus! Et quam sepe tui recordamur inuenturi similes vel maiores in ista dura gente Vogtlandica! - Ebd. 605,9-12 (11.11.1528)(An Spalatin): In nostra visitatione in orbe Wittembergensi inuenimus adhuc omnes pastores cum suis rusticis concordes, sed segnes populos ad verbum et sacramentum. - Ebd. 615,9-12 (26.11.1528)(An Hausmann): Nos quidem in nostra parte ferme mensem, consumpsimus visitando. Neque vestra regio est in nostra sorte per principem signata. Vbique Satan est Satan. Speramus tamen bona, quantumuis sit magnus verbi contemptus. - Ebd. 624,8-11 (vor Mitte Dez. 1528?)(An Spalatin): Ceterum miserrima est vbique facies Ecclesiarum, Rusticis nihil discentibus, nihil scientibus, nihil orantibus, nihil agentibus, nisi quod libertate abutuntur, nec confitentes, nec communicantes, ac si religione in totum liberi facti sint. - WAB 5;5,22 (15.1.1529)(An Görlitz): Modo in parando catechismo pro rudibus paganis versor. - Ebd. 40,10-12 (15.3.1529)(An Amsdorf): Ego depositus sum ab officio visitandi, ac mira arte impeditur per Satanam illud opus. Spero tamen statim resuscitandum.

86 WA 26;202,32-203,4 (1528).

87 Ebd. 227,34 f. - Aus dem "Unterricht der Visitatoren" von 1528 (WA 26;195-240) sind in diesem Zusammenhang ferner v.a. die folgenden Stellen von Belang: 203,17 f.; 204,12-17; 207,4 f.; 212,15-23; 216,16 f.; 217,29-218,16; 221;7 f.; 226,25-28; 227,20-22; 230,29-33; 238,43-239,6.

88 Das Scholion zum ersten Gebot (In caput Exodi XX Scholio [1523]) beginnt Melanchthon mit dem programmatischen Satz: "Primum praeceptum exigit a nobis fiduciam in deum et timorem dei" (Supplementa Melanchthoniana 5,1; 3,4-6)(= F. Cohrs, Die Evangelischen Katechismusversuche vor Luthers Enchiridion. Bd.1, Die evangelischen Katechismusversuche aus den Jahren 1522-1526 [MGP 20], Berlin 1900, ND Hildesheim 1978, 71,8-10).

89 StA II/1;61,28 f.: Habes primi praecepti opus: fidere deo, diligere ac timere deum. - Diese Wendung entspricht keineswegs, wie H. G. Pöhlmann (Ph. Melanchthon, Loci Communes 1521. lat.-dt., übersetzt und mit kommentierenden Anm. versehen von H. G. Pöhlmann, Gütersloh 1993, 114 Anm. 291) behauptet, dem von ihm zitierten Satz Luthers "Timor et amor Dei in plena fide et spe..." (WA 1;263,4), ist vielmehr als eine eigenständige terminologische Fixierung, ja als eine selbständige Vorwegnahme der triadischen Katechismusformel Luthers zu würdigen. - Zu "timor dei" in Melanchthons Loci von 1521 vgl. R. Schäfer, Christologie und Sittlichkeit in Melanchthons frühen Loci (BHTh 29), Tübingen 1961, 131-138.

90 WA 40,1;207,17 f. ([1531] 1535): Qui igitur bene novit discernere Evangelium a lege, is gratias agat Deo et sciat se esse Theologum. - G. Ebeling, Luther. Einführung in sein Denken, Tübingen 41981, 120-136. - Ders., Das rechte Unterscheiden. Luthers Anleitung zu theologischer Urteilskraft (ZThK 85, 1988, 219-258, v.a. 243-253). - Vgl. auch E. W. Janetzki, Teaching Luther's Small Catechims as Law and Gospel (LThJ 14, 1980, 73-79).

91 V. Drehsen, Theologia Popularis. Notizen zur Geschichte und Bedeutung einer praktisch-theologischen Gattung (PTh 77, 1988, 2-20).

92 K.-H. zur Mühlen, Art. Affekt. II. Theologische Aspekte (TRE 1, 599-612). - Ders., Die Affektenlehre im Spätmittelalter und in der Reformationszeit (in: Ders., Reformatorisches Profil. Studien zum Weg Martin Luthers und der Reformation, Göttingen 1995, 101-122).

93 Ein deutlicher Anklang findet sich mehrfach in Luthers erster Psalmenvorlesung (1513/15); vgl. etwa WA 3;404,13-37. - Ebd. 433,36-434,6. - WA 4;92,25 f. - WA 4;102,4-13. - Vgl. ferner WA 5;208,5-11 (1519/21). - WA 9;97,17-26 (1516[?]).

94 WA 30,1;65,16-19 (1528): Haec trium praeceptorum primorum summa 1. requirit cor timens et confidens: das mus durch alle gepot ghen, quia est summa et lux omnium, quia omnia praecepta prohibent propter timorem et praecipiunt propter fiduciam. - Entsprechend WA 30,1;59,15-60,4 (1528). - Vgl. ferner WA 24; 572,1 f.10-14 (1527). - WA 25;141,38-40 (1527/30). - WA 30,2;600,16-29 (1530).

95 WA 30,1;59,14-60,1 (1528).

96 Ebd. 60,17-20: Furchte dich fur niemand denn fur mir, quia Ich kan dich schlahen, Et fide, quia possum te iuvare. Nemo principium dabit bonum nec malum, quia utrunque habeo in manu mea. Ideo time et fide mihi. - Vgl. WA 30,1;180,3-36 (1529). - WA 25;510,12-29 (1528). - Vgl. etwa auch WA 27;158,11-15 (1528). - WA 28;261,11-262,2 (1528). - Ebd. 619,11-18. - Ebd. 675,6: Summa 1. praecepti: fide et time me, quod contra, est statim verdampt. - Ebd. 697,9-698,7. - Ebd. 712,10-17.

97 WA 10,1,1;603,21 (1522).

98 Als ein besonderer Aspekt verdient in diesem Kontext Beachtung, daß Luther einen überaus geläufigen Ausdruck von Volksfrömmigkeit als Sünde gegen das erste Gebot identifiziert hat: dies nämlich, daß einer alles Unglück, das ihn ereilt, und alles Übel, das ihm widerfährt, dem Teufel zuschreibt. Denn entgegen jedem religiösen Schein wird Gott auch darin, besieht man es recht, seiner Allmacht beraubt. Wer, gemäß dem ersten Gebot, sich von Gott nicht nur alles Guten versieht, sondern bei ihm auch Zuflucht sucht in allen Nöten, der wird Gutes und Schlechtes allein aus Gottes Hand nehmen und, wie Luther 1520 in einer bemerkenswerten, wohl mystisch inspirierten Wendung formulierte, es ihm wieder heimtragen mit Danksagen und williger Gelassenheit (WA7;208,2-4 [1520]). - Vgl. WA 1;252,9-12 (1518).

99 WA 20;399,31-34 (1526): Mors, peccatum, infernus, omnia veniunt ex ira dei, quae sunt eius stockmeister. Ideo cor humanum adeo verzagt, ut per montem ferreum volaret, si posset. Ista forcht est in quolibet homine, nullus est, qui possit frid bonam habere erga deum. - Zum seelsorgerlichen Gebrauch, den Luther von diesem emanzipatorischen Aspekt der Gottesfurcht machen kann, vgl. etwa WA 18;296,35-297,24 (1525).

100 WA 12;358,1 f. (1523). - Entsprechend etwa WA 12;363,31 f. (1523). - WA 12;442,23-27 (1523). - WA 24;22,22-25 (1527).

101 Interessant ist der Fortgang des Zitats! In seiner Reichstagsrede vom 6.2.1888 sagte Bismarck in bezug auf die drohende Haltung Rußlands: "Wir können durch Liebe und Wohlwollen leicht bestochen werden - vielleicht zu leicht, aber durch Drohungen ganz gewiß nicht! Wir Deutsche fürchten Gott, aber sonst Nichts auf der Welt, und die Gottesfurcht ist es schon, die uns den Frieden lieben [!] und pflegen läßt" (zit. nach G. Büchmann, Geflügelte Worte, 32. Aufl., Berlin 1972, 749 f.).

102 WA 1;208,10 f. (1517).

103 WA 10,1,2;113,27-114,1 (1522).

104 WAB 9;508,17-25 (1541)(Nr 3663): Est hic Ciuis, quem forte nosti, in suburbano tuo piscario Scherff, qui ante annum aegrotus a Froschelio interrogatus, an agnosceret se peccatorem in 10 praecepta Dei, respondit perquam modeste, sese nondum posse statuere certe, quid in reliquia deliquisset, certum autem esse, quod nihil in primum praeceptum peccasset unquam, quia conscius sibi non esset, unquam sese fuisse apud eos, qui alienos Deos colerent. Tu nunc vide, an non Wittembergae sint sancti, qui neque in carne neque in mundo, sed inter angelos semper vixerint! Tantum fecit Catechismus quotidie inculcatus.