Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

April/1996

Spalte:

319–328

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Peter Pilhofer

Titel/Untertitel:

Die Bedeutung der Präexistenzchristologie für die Theologie des Hebräerbriefs. Hans-Friedrich Weiß gewidmet

Gott allein, so befand schon Origenes(2), weiß, wer den Hebräerbrief geschrieben hat, und Franz Overbeck formulierte die Aporie mit Worten des Hebräerbriefs selbst so: Bei dem Hebräerbrief handelt es sich um ein Schreiben, das "vor dem nach seiner historischen Entstehung fragenden Betrachter wie ein melchisedekitisches Wesen ohne Stammbaum dasteht. Wer hat ihn geschrieben? Wo und wann ist er geschrieben worden, und an wen ist er ursprünglich gerichtet gewesen? ­ Man weiss es nicht."(3)

Franz Delitzsch, der in einem ganz anderen theologischen Lager steht als Franz Overbeck, stimmt in diesem Punkt dem (späteren) Antipoden nicht nur der Sache nach zu, wenn er sagt: "Der Brief hat Aehnlichkeit mit dem Melchisedek der h.[eiligen] Geschichte, von welchem die Mitte desselben handelt. Mit priesterlich-königlicher Feierlichkeit schreitet er einher, und wie der Melchisedek der h.[eiligen] Geschichte weder Anfang noch Ende hat, so ist auch er ein agenealogetos: wir wissen nicht woher er kommt und wohin er gehet."(4)

Sind wir hundert Jahre nach Franz Overbeck auch noch nicht weiter, was die Einleitungsfragen im engeren Sinne angeht, also die Frage nach dem Verfasser, nach seinen Adressaten und nach der Abfassungszeit, so zeichnet sich inzwischen doch ein Konsens über die Absicht des Verfassers ab. Diese geht dahin ­ ich zitiere Nikolaus Walter ­, "den Glauben der Gemeinde durch eine Neuauslegung tradierter christologischer Sätze zu stärken."(5)

Hans-Friedrich Weiß spricht in seinem Kommentar von dem "pastoralen Grundanliegen"(6) des Verfassers, das eben in den christologischen Ausführungen seine theologische Grundlage hat. Schon am Aufbau des Schreibens ­ christologische Belehrung wechselt mit paränetischen Abschnitten ­ wird die enge Verbindung von Christologie und Paraklese deutlich. Man kann geradezu sagen: Die Paränese wird aus der Christologie entwickelt.(7)

Willi Marxsen bringt dies in seiner Einleitung auf die prägnante Formel: Der Verfasser bietet "Christologie als Lebenshilfe"(8).

Wer nach der Christologie des Hebräerbriefs fragt, beschäftigt sich demnach nicht mit einem beliebigen Randphänomen, sondern mit dem Zentrum der Theologie des auctor ad Hebraeos.

I

Jeder Leser des Hebräerbriefs wird sogleich mit der Präexistenzchristologie konfrontiert, setzt doch schon der erste Satz dieses Schreibens diese voraus:

"Nachdem Gott auf vielgestaltige und mannigfaltige Weise früher zu den Vätern in den Propheten geredet hat, hat er am Ende dieser Tage zu uns geredet im Sohn, den er zum Erben aller eingesetzt hat, durch den er auch die Äonen geschaffen hat" (1,1-2).

Hier fällt der Blick vom "Ende dieser Tage" zurück zum Anfang, zur Schöpfung, an der der Sohn entscheidenden Anteil hat. Von diesem Sohn wird gesagt, er ist "Abglanz der Herrlichkeit und Prägebild des Wesens Gottes" (1,3). Dabei ist nicht an "eine dem Original gegenüber mindere Kopie" gedacht(9), sondern eher an Identität: Ganz gleich, wie man apaugasma und charakter im Deutschen wiedergibt, es "muß ... klar sein: Der Unterschied zwischen Reflex und Ausstrahlung ist unwesentlich"(10). Schließlich wird dem in V. 3 noch hinzugefügt: "Er trägt das All mit seinem Machtwort" (11).

So ist der Sohn nicht nur Schöpfungsmittler, wie V. 2 gesagt wird, sondern er erhält die Schöpfung auch. Damit haben wir die wesentlichen Elemente der Präexistenzchristologie des Hebräerbriefs alle schon im Prolog beieinander. Und wenn es zutrifft, daß dieser einleitende Abschnitt eine Ouvertüre ist, "die den theologischen Horizont umreißt für das, was im folgenden im einzelnen ausgeführt werden soll"(12), so läßt sich erwarten, daß auch für den Brief selbst die Präexistenzchristologie von einiger theologischer Bedeutung sein wird.

Der Sohn ist nicht nur der Präexistente, der schon am Anfang war; sondern durch ihn ist alles geworden. Er ist der Schöpfer aller Dinge, wie mit Worten des einhundertersten Psalms gesagt wird (Ps 101,26 LXX):

"Du hast am Anfang, Herr, die Erde gegründet,
und Werke deiner Hände sind die Himmel.
Sie werden vergehen, du aber hast Bestand ..." (Hebr 1,10 f.).

In der ursprünglichen hebräischen Fassung des Psalms wird durchweg Jahwe angesprochen, und auch in der griechischen Übersetzung ist mit dem kyrios natürlich Gott selbst gemeint; im Hebräerbrief dagegen wird diese Aussage auf den Sohn übertragen: Nicht Jahwe ist demzufolge der Schöpfer, sondern der Sohn. Hans-Friedrich Weiß bringt das Verfahren des Verfassers des Hebräerbriefs auf den Punkt, wenn er sagt, daß hier "ursprünglich theologische Aussagen in christologische Aussagen ’umfunktioniert’ werden."(13) Weiß meint allerdings in bezug auf unsere Passage, sie hätte "im Gesamtzusammenhang kein eigenes Gewicht"(14). Das ist m. E. so nicht haltbar; Weiß selbst schränkt diese Behauptung freilich sogleich ein, wenn er hinzufügt: Diese Schöpfungsaussage "akzentuiert an dieser Stelle nur einmal mehr die schlechthinnige Weltüberlegenheit des Kyrios ­ und eben damit wiederum sein bleibendes Wesen im Gegenüber zur Vergänglichkeit aller geschaffenen Dinge" (ebd.). Beruht die von Weiß so genannte "schlechthinnige Weltüberlegenheit des Kyrios" nicht eben gerade auf der Tatsache, daß er der Schöpfer dieser Welt ist?

Daneben finden sich im Hebräerbrief nun aber auch Aussagen, wo das Werk der Schöpfung in traditioneller Weise Gott selbst zugeschrieben wird.

So heißt es etwa in 3,4: "Jedes Haus nämlich wird von jemandem erbaut, derjenige aber, der alles schafft, ist Gott." Eine verbreitete Formel(15) aufnehmend, wird in 2,10 in bezug auf Gott gesagt: "durch welchen alles ist und um dessentwillen alles ist" ­ Gott also ist der Schöpfer, der alles geschaffen hat!

Doch diese eher vereinzelt wirkenden Gegeninstanzen können das Gesamtergebnis im Blick auf die Christologie des Hebräerbriefs nicht in Frage stellen: Der Verfasser übernimmt aus der urchristlichen Tradition die Präexistenzchristologie(16). Auch die Schöpfungsmittlerschaft(17) hat er dabei schon vorgefunden, wie das einschlägige Material ­ etwa bei Paulus und im Prolog des Johannesevangeliums ­ zeigt. Konsequenter als die von ihm aufgenommenen Traditionen baut der Verfasser diese christologischen Aussagen aus und denkt sie zu Ende. Der Sohn ist nicht nur Schöpfungsmittler, sondern geradezu selbst Schöpfer. Er erhält die Schöpfung. Er ist und bleibt derselbe (1,12), denn seine Jahre werden nicht aufhören (ebd.), und er sitzt zur Rechten Gottes, bis der seine Feinde zum Schemel seiner Füße macht (1,13).

II

Hebt der Hebräerbrief auf der einen Seite also die Göttlichkeit Jesu hervor, indem er die Präexistenzchristologie aufnimmt, so ist auf der anderen Seite nicht zu übersehen, daß dem Verfasser gerade auch die volle Menschlichkeit Jesu ein theologisches

Anliegen ist: Jesus mußte in jeder Hinsicht den Menschen gleich werden (2,17), denn:

"Auf Grund dessen, daß er als einer, der selber Versuchungen ausgesetzt war, gelitten hat, ist er imstande, denen zu helfen, die Versuchungen ausgesetzt sind" (V. 18)(18).

Man fühlt sich an den Philipperhymnus erinnert, wo es heißt: "Er nahm Knechtsgestalt an, wurde den Menschen gleich und der Gestalt nach als ein Mensch erfunden" (Phil 2,7).

Die Aussage des auctor ad Hebraeos, wonach Jesus Versuchungen ausgesetzt war, hat im Philipperhymnus allerdings keine Parallele; sie wird in Hebr 4,15 noch einmal unterstrichen:

"Denn wir haben nicht einen Hohenpriester, der nicht mit unseren Schwachheiten mitleiden könnte, [sondern einen,] der in jeder Hinsicht versucht ist gemäß seiner Gleichheit" .

Das kath homoiteta bezeichnet hier keine Einschränkung der Menschlichkeit Jesu. Hans-Friedrich Weiß betont mit Recht: "Nicht Š ein Vorbehalt hinsichtlich der Menschlichkeit Jesu spricht sich im kath homoiteta aus, sondern gerade seine vollständige ’Gleichheit’ mit dem [sic!] Menschen, wie dies bereits in 2,17 betont herausgestellt worden ist."(19) Nach Oscar Cullmann stellt diese Aussage des Hebräerbriefs "vielleicht die kühnste Behauptung des absolut menschlichen Charakters Jesu dar, die sich im Neuen Testament findet"(20).

In der ihm eigenen Radikalität geht der Verfasser des Hebräerbriefs also auch in diesem Punkt über andere christologische Entwürfe des Urchristentums hinaus.

III

Die Beschreibung Jesu als des ewigen Hohenpriesters nach der Ordnung Melchisedek birgt das zentrale christologische Lehrstück des Hebräerbriefs.(21) Hier liegt auch ­ christologisch gesehen ­ die Originalität des Verfassers. Die hochpriesterliche Christologie unterscheidet den Hebräerbrief von allen anderen christologischen Entwürfen des Urchristentums.

Hier treffen sich nun beide bisher besprochenen christologischen Aspekte ­ die Präexistenzchristologie auf der einen Seite und die Betonung der theologischen Bedeutung des Menschseins Jesu auf der anderen Seite ­ und verbinden sich miteinander.

Ich beginne mit dem Menschen Jesus. Unser Hoherpriester, so heißt es in 4,15, ist nicht ein solcher, der nicht Verständnis für unsere Schwachheit hätte, "denn er ist versucht wie wir in jeder Hinsicht, doch ohne Sünde" (4,15). Dieser Hohepriester war voll und ganz Mensch:

"In den Tagen seines Fleisches hat er Bitten und Flehen vor den gebracht, der ihn aus dem Tode retten konnte, mit lautem Geschrei und Tränen" (5,7).

Als ein Mensch hat sich dieser Hohepriester ein für alle Mal für uns geopfert (7,27 vgl. 9,12 und 10,10). Diese Seite des Werkes des Hohenpriesters, sein Opfer efapax, setzt also sein Menschsein notwendig voraus.

Auf der anderen Seite haben wir in Jesus, dem Sohne Gottes, einen großen Hohenpriester, der die Himmel durchschritten hat (4,14). Dieser Hohepriester ist von Gott selbst eingesetzt worden als "Priester in Ewigkeit nach der Ordnung Melchisedek" (5,6 und V. 10). Dieser Hohepriester ist als ewiger Priester der "Bürge eines besseren Bundes" (7,22). Sein Priestertum ist ein unwandelbares Priestertum in Ewigkeit, weil er bleibt, d. h. nicht stirbt (7,24). Und weil dies so ist, kann dieser Hohepriester ewige Rettung verheißen, weil er ewig lebt und vor Gott für uns eintritt (7,25).

Himmlischer Hoherpriester und irdischer Jesus sind für unseren Verfasser nicht voneinander zu trennen; Jürgen Roloff stellt daher zu Recht fest, "daß das Eintreten des himmlischen Hohenpriesters für die Menschen im oberen, ’nicht von Händen gemachten’ Heiligtum (9,11.24) auf dem Werk des irdischen Jesus beruht."(22) Man kann also zusammenfassend sagen, daß für den Verfasser des Hebräerbriefs beides, die Menschlichkeit wie die Göttlichkeit Jesu, von grundlegender theologischer Relevanz ist.

IV

Wenn wir nun nach der Bedeutung der Präexistenzchristologie für die Theologie des Hebräerbriefs fragen, läßt uns die Literatur bemerkenswerterweise so gut wie völlig im Stich. Es ist in den letzten Jahren eine beachtliche Reihe von Kommentaren zum Hebräerbrief erschienen, so allein im deutschsprachigen Raum u. a. der von Herbert Braun im Handbuch zum Neuen Testament (1984), der große(23) Kommentar von Hans-Friedrich Weiß in der Meyerschen Reihe (1991) und bisher zwei Bände aus der Feder Erich Gräßers im Evangelisch-Katholischen Kommentar (1990 und 1993). Daneben gibt es Aufsätze und Monographien zur Christologie und zur Theologie des Hebräerbriefs in großer Zahl.(24) In allen diesen Publikationen ­ soweit sie zu meiner Kenntnis gelangt sind ­ führt die Präexistenzchristologie allerdings allenfalls ein Schattendasein. In keinem der genannten Kommentare ist ihr auch nur ein kleiner Exkurs gewidmet. Dies ist um so erstaunlicher, als die Präexistenzchristologie, wie ich im folgenden zeigen möchte, eine unverzichtbare Voraussetzung für die Theologie des Hebräerbriefs insgesamt darstellt.

Im Rahmen der Christologie des Hebräerbriefs ist der Titel archiereus ­ wie wir gesehen haben ­ von zentraler Bedeutung. Der Aussage in 6,20, daß "Jesus in Ewigkeit Hoherpriester nach der Ordnung Melchisedek" sei, kommt dabei eine Schlüsselrolle zu. Denn gerade der Rückgriff auf Ps 110,4 erlaubt es dem Verfasser, das Priestertum Jesu himmelweit über dem aaronidisch-levitischen Priestertum des alten Bundes anzusiedeln.

Diese Überlegenheit des melchisedekitischen Priestertums wird in 7,4-10 damit begründet, daß Melchisedek sogar dem Patriarchen Abraham überlegen war. Dies ergibt sich für den Verfasser aus zwei Sachverhalten: Zum einen zahlt Abraham dem Melchisedek den Zehnten (7,4 = Gen 14,20). Wohingegen sonst die Söhne des Levi ihre Brüder verzehnten, ist es hier einer, der nicht von ihnen abstammt und trotzdem den Zehnten von Abraham empfängt (7,5 f.). Zum andern ist es Melchisedek, der den Abraham segnet; wo doch "ohne jede Widerrede gilt: das Geringere wird von dem Höheren gesegnet" (7,7). "Derjenige also, der nach den Kriterien der Tora gar nicht Priester sein darf ­ gerade er ist es, der den Abraham, den Stammvater des levitischen Priestertums, mit der Zehntabgabe belegt und ihn, den Träger der Verheißungen Gottes, ’gesegnet’ hat."(25)

Eignet somit dem Melchisedek ohne Zweifel größere Würde als dem Patriarchen (7,4) Abraham, so kommt bestätigend hinzu, daß es im Falle der Leviten sterbliche Menschen sind, die den Zehnten empfangen, im Fall des Melchisedek aber einer, von dem bezeugt ist, daß er lebt (7,8). Schließlich argumentiert der Verfasser noch damit, "daß sozusagen durch Abraham auch Levi von Melchisedek mit dem Zehnten belegt wurde ­ denn er [Levi] war noch in der Lende seines Vaters [Abraham], als Melchisedek diesen traf" (7,9 f.). Damit ergibt sich: Die Überlegenheit des melchisedekitischen Priestertums über das levitische beruht letztlich auf der Überlegenheit des Melchisedek über Abraham. Zur Begründung dieser Überlegenheit setzt der Verfasser zudem in Kapitel 7 mit einer Beschreibung ­ man hat nicht ohne Grund von einem Enkomion gesprochen ­ des Melchisedek ein:

"Dieser Melchisedek nämlich, König von Salem, Priester des höchsten Gottes Š, ohne Vater, ohne Mutter, ohne Stammbaum, weder einen Anfang der Tage noch ein Ende des Lebens habend, gleichgestaltet dem Sohn Gottes, bleibt Priester in Ewigkeit" (7,1-3 [in Auswahl]).

Besonders die Aussagen in V. 3 sind für das Thema der Präexistenzchristologie von höchstem Interesse:

Mit anderen Worten: Dieser Melchisedek ist präexistent, er hat weder Vater noch Mutter noch Stammbaum, seine Tage haben keinen Anfang und sein Leben hat kein Ende, vielmehr ist er Priester in Ewigkeit. Hier stellt sich doch für jeden christlichen Leser sogleich die Frage, ob der Verfasser mit seinem Lob des Melchisedek nicht über das Ziel hinausschießt? Die hohen Würdeprädikate rücken den Melchisedek nicht nur in die Nähe Jesu, sie machen ihn geradezu zum "Doppelgänger Jesu"(26), wie Herbert Braun es treffend formuliert hat.

Dieser "Doppelgänger" nun birgt die Gefahr in sich, über Jesus hinauszuwachsen. Vor dieser Gefahr kann den Verfasser des Hebräerbriefs allein die schon im Prolog programmatisch hervorgehobene Präexistenzchristologie schützen. Wäre Jesus nicht präexistent, wäre er nicht Schöpfungsmittler, ja selbst Schöpfer und Erhalter der Schöpfung ­ dann hätte der Verfasser des Hebräerbriefs keine Möglichkeit, ihn vor dem "Doppelgänger" Melchisedek auszuzeichnen. Die Christologie würde zu einer Melchisedekologie, und das theologische Anliegen des Verfassers bräche in sich zusammen.

Daß dies nicht nur eine rein theoretische Möglichkeit ist, sondern eine reale Gefahr, zeigt zum einen ­ auf jüdischer Seite ­ die Verehrung der Gestalt des Melchisedek durch die Jahrhunderte (ich nenne als von der Chronologie her naheliegendes Beispiel lediglich den Qumrantext 11QMelch(27)), zum andern ­ auf christlicher Seite ­ die Sekte der Melchisedekianer, von der Hippolyt und Epiphanius berichten(28). Ahnherr dieser Melchisedekianer ist Hippolyt zufolge der Bankier Theódotos , der in Melchisedek die "größte Kraft" sieht (dynamin megisten)(29). Für den Hebräerbrief entscheidend ist, daß diese Melchisedekianer den Melchisedek für größer als Christus halten (Epiph. 55,1,2). Aus einem vom Verfasser des Hebräerbriefs verschiedentlich angeführten Psalmvers ziehen die Melchisedekianer den naheliegenden Schluß, daß Christus dem Melchisedek nachzuordnen sei: Er sei, so sagen sie, rangniedriger als Melchisedek (55,1,3).(30)

Daß dies eine wirkliche Gefahr darstellt, zeigen aber nicht nur die genannten Häretiker, sondern gerade auch die Ketzerbekämpfer und kirchlichen Kommentatoren, die dezidiert die Stellung des Melchisedek reduzieren. So betont ­ um nur ein Beispiel zu nennen ­ Epiphanius, daß Melchisedek ein Mensch war (55,1,8). Das "apator ametor" aus Hebr 7,3 bezieht sich Epiphanius zufolge keineswegs auf eine Präexistenz des Melchisedek, sondern ist dahin zu interpretieren, daß die Schrift eben von den Eltern des Melchisedek nichts berichte.(31) Daß er keinen Vater und keine Mutter besäße, könne man dem keineswegs entnehmen. Herbert Braun urteilt mit Recht: "Das ist ein aufschlußreiches Indiz für die Brisanz der dem Hb vorgegebenen und durch ihn übernommenen Melchisedek-Tradition: sie war von Haus aus nicht neben dem Typus Jesus für die bescheidene Antityprolle gedacht, die der Hb selber allein der von ihm benutzten Tradition zugestehen kann."(32)

Diesem Dilemma entgeht der Verfasser des Hebräerbriefs, indem er von Anfang an die Präexistenz Jesu herausstreicht. Jesus ist, wir haben es gesehen (1,3). Deswegen ­ und nur deswegen ­ kann der Verfasser in das Enkomion auf Melchisedek in 7,1-3 die unscheinbare Zeile: "gleichgestaltet dem Sohne Gottes" (7,3) einfügen, die das Problem von vornherein entschärft. Die hohen christologischen Aussagen des Prologs können selbst von einem präexistenten Melchisedek nicht mehr eingeholt werden. Er bleibt dem Sohn untergeordnet und ist dem präexistenten Jesus "gleichgestaltet", d. h. der präexistente Jesus ist der Typos, dem Melchisedek nachempfunden ist.

Damit erweist sich die Präexistenzchristologie des Hebräerbriefs als eine theologische Lehre von grundlegender Bedeutung: Nur mit Hilfe dieser Präexistenzchristologie gelingt es dem Verfasser, die größere Würde des Sohnes gegenüber dem Melchisedek zu garantieren. Ohne Präexistenz stünde die gesamte Christologie in Gefahr, sich in Melchisedekologie aufzulösen.

Ist die zentrale Bedeutung der Präexistenzchristologie für die Theologie des Hebräerbriefs damit an dem entscheidenden Punkt seiner christologischen Argumentation ­ der hochpriesterlichen Christologie ­ aufgewiesen, so wird diese Analyse auch durch Beobachtungen an anderen christologischen Aussagen gestützt.

Ich nenne als Beispiel die im Eingangsteil des Schreibens geführte Auseinandersetzung mit den Engeln (Hebr 1,4-2,18). Hier argumentiert der Verfasser mit Ps 8,5-7 LXX: "Was ist der Mensch, daß du seiner gedenkst, oder der Sohn des Menschen, daß du dich seiner annimmst? Du hast ihn für kurze Zeit unter die Engel erniedrigt, mit Herrlichkeit und Ehre hast du ihn bekränzt, alles hast du ihm unter seine Füße gestellt" (Hebr 2,6-8a).

Die Deutung dieser Passage auf Jesus, die in 2,8b-9 gegeben wird, setzt wiederum zwingend die Präexistenzchristologie voraus. Nur weil Jesus präexistent ist, kann von ihm gesagt werden, er sei "für kurze Zeit unter die Engel erniedrigt" worden. Ohne Präexistenzchristologie wäre die christologische Inanspruchnahme dieses Psalms zum Scheitern verurteilt. Die Überlegenheit des Sohnes Gottes, in 1,4 schon programmatisch ausgesprochen, beruht eben auf seiner Präexistenz: "Er ist um so viel größer als die Engel, als er einen vorzüglicheren Namen als diese ererbt hat."

V

Der Hebräerbrief nimmt im Rahmen der neutestamentlichen Schriften auch insofern eine Sonderstellung ein, als der Verfasser durchweg versucht, rational zu argumentieren. Ernst von Dobschütz sagt in bezug auf den Hebräerbrief: Sein "frommes Denken ist rational, d. h. hier überwiegt der Versuch, das Tun Gottes, das Heilswerk Christi als vernunftnotwendig zu erweisen"(33). Nicht nur in bezug auf sein Griechisch ist der Hebräerbrief griechischer als etwa die paulinischen Briefe ­ ich beziehe mich hier auf das Urteil eines anerkannten "Gräzisten", nämlich auf keinen Geringeren als Origenes. Er sagt ausdrücklich, die Sprache des Hebräerbriefs sei hellenikotera als die der paulinischen Briefe.(34) Nicht nur in bezug auf die Sprache aber trifft m. E. dieses Urteil des Origenes zu, nein, auch hinsichtlich der Argumentation ist der Hebräerbrief hellenikotera nicht nur als die paulinischen Schriften, sondern auch als alle anderen Schriften innerhalb des neutestamentlichen Kanons. Dafür ließen sich zahlreiche Passagen aus dem Hebräerbrief ins Feld führen. Ich verweise beispielshalber auf die Sentenz in 7,7:

"Ohne jeden Widerspruch [gilt die Regel]: Das Geringere wird von dem Höheren gesegnet."

Oder zwei Verse weiter in 7,9: "Man kann geradezu sagen, daß durch Abraham auch Levi ­ der sonst den Zehnten empfängt ­ mit dem Zehnten belegt wird".

Diese Formulierung hos epos eipein findet sich in der griechischen Literatur seit Homer, bei erlauchten Autoren wie Herodot oder Platon und selbst bei Philon und Josephus ­ im Rahmen der neutestamentlichen Schriften aber sucht man vergebens nach einem weiteren Beleg, es handelt sich hier um ein Hapaxlegomenon. Dies ist bezeichnend für Sprache und Argumentation des Verfassers des Hebräerbriefs.

Ähnlich in 7,12: "Mit Notwendigkeit" ex anagkes heißt es hier, "bringt eine Änderung des Priestertums auch eine Änderung des Gesetzes mit sich." Die gleiche Formulierung ex anagkes begegnet dann noch in 9,16 (ähnlich schließlich auch 9,23).(35) Hans-Friedrich Weiß spricht in diesem Zusammenhang davon, daß der Verfasser. "die Leser durch eine Art logischer ’Beweisführung’ zu überzeugen versucht. Kennzeichnend dafür ist die mehrfache Hervorhebung der ’Denknotwendigkeit’ der im Hebr[äerbrief] entfalteten Konklusionen, in diesem Zusammenhang auch eine gewisse ’logische’ Terminologie, die sich als solche an das eigene Urteilsvermögen der Adressaten, gleichsam an ihre Rationalität wendet."(36)

Diese im Neuen Testament beispiellose Art der Argumentation und Beweisführung des auctor ad Hebraeos kann man nun aber nicht nur an den kleinen Einheiten ­ auf Versebene sozusagen ­ festmachen, sondern gerade auch an ganzen Abschnitten.

Dies wird besonders schön am 9. Kapitel deutlich. Da heißt es in V. 1: "Nun hatte zwar auch die erste [nämlich diatheke] Kultvorschriften und ein irdisches Heiligtum". Auf das zugehörige de muß der gespannte Leser ganze zehn Verse warten. Erst in V. 11 heißt es dann: "Christus aber trat auf als Hoherpriester der wirklichen Güter usw".

Ich kenne im gesamten Neuen Testament keinen einzigen Fall, wo eine meu-de-Struktur durch 10 Verse getrennt ist und zwei Abschnitte von insgesamt 14 Versen zusammenbindet. Zu diesen Beobachtungen auf Vers- bzw. Abschnittebene gesellen sich schließlich aber auch Feststellungen, die die Argumentation des Verfassers als ganze betreffen.

Im Zuge seiner Argumentation, daß der neuen i>diatheke ungleich größere Dignität eignet als der alten, beschränkt sich der Verfasser nämlich nicht auf die Nachweise im einzelnen, so daß sich lediglich ein gleichsam kumulativer Beweis ergäbe. Zwar lassen sich eine ganze Reihe solcher Einzelargumentationen aus dem Hebräerbrief zusammentragen, an denen der Verfasser mittels seiner von Erich Gräßer treffend so genannten "komparativische[n] Hermeneutik"(37) den Nachweis erbringt, daß die neue i>diatheke in diesem oder jenem Punkt der alten überlegen sei. Dies gilt etwa in bezug auf die Vermittlung: Die alte i>diatheke ist ein von Engeln gesprochenes Wort (2,2), die neue dagegen wird vom i>kyrios selbst gesprochen (2,3); das levitische Priestertum der alten i>diatheke ist dem Priester i>kata ten taxin Melchisedek unterlegen (7,11). Die Opfergaben, die die levitischen Priester in der alten i>diatheke darbringen, sind inferior verglichen mit dem Opfer unseres Hohenpriesters (Kapitel 8). Die alte Kultordnung als ganze ist der neuen unterlegen (9,1-14). Das Heiligtum der alten i>diatheke ist lediglich ein Schatten und Abbild des wahren Heiligtums der neuen i>diatheke (8,5 und 9,24).

Aber alle diese Einzelnachweise können nicht davon ablenken, daß sie im Grunde sekundär, fast ist man versucht zu sagen: zufällig sind. Denn sie treten weit zurück hinter die zentrale Argumentation des Verfassers, die es ausschließlich mit dem Mittler des neuen Bundes zu tun hat. Gerade hierin erweist sich die argumentative Kraft des auctor ad Hebraeos, daß alle die einzelnen Nachweise auf diesen zentralen Punkt hin ausgerichtet sind und nur von diesem zentralen Punkt her ihre (nachgeordnete) Bedeutung erhalten.

Kern seiner Argumentation aber ist der Nachweis, daß der Mittler des neuen Bundes dessen größere Dignität garantiert.

Die Rationalität der gesamten Argumentation ­ um noch einmal den Ausdruck Ernst von Dobschütz’ aufzugreifen ­ steht und fällt mit der Person des neuen Mittlers. Als Bürge eines besseren Bundes muß Jesus sich auch und vor allem als der bessere mesites(38) erweisen: Die bessere Qualität der neuen diatheke ist entscheidend abhängig von der besseren Qualität ihres mesites.

Und genau an diesem Punkt kommt nun die Präexistenzchristologie ins Spiel als eine m. E. bisher nicht hinlänglich gewürdigte theologische Grundlage des Verfassers. Damit will ich nun freilich nicht die Bedeutung der Erhöhung des Hohenpriesters zur Rechten Gottes schmälern. Diese ist seit jeher gebührend gewürdigt und gerade in diesem Zusammenhang betont worden. Übersehen wird dabei aber in aller Regel, daß die Theologie des Verfassers gerade an diesem Punkt auf die Präexistenzchristologie angewiesen ist. Denn wäre der zur Rechten Gottes erhöhte Hohepriester nicht zugleich der präexistente Sohn, fiele die atl. Voraussetzung in sich zusammen. Nicht nur geriete der Hohepriester in Gefahr, von Melchisedek überflügelt zu werden; seine Wirksamkeit und Präsenz vom Anbeginn der Schöpfung bis zu seiner Menschwerdung wäre erledigt. Die christologische Inanspruchnahme atl. Texte würde prekär, und der Theologie des Verfassers damit auf weite Strecken die biblische Basis entzogen. Gerade daran wird die Rationalität der Argumentation des Verfassers im ganzen deutlich: Entfiele diese tragende Säule, die Präexistenzchristologie, so wäre damit das gesamte theologische Denkgebäude des Verfassers vom Einsturz bedroht. Ob durch Umbaumaßnahmen ein Einsturz gegebenenfalls zu verhindern wäre, dies ist eine Frage, der ich heute nicht mehr nachgehen kann.

Man sagt daher nicht zuviel, wenn man abschließend feststellt, daß die Präexistenzchristologie eine unverzichtbare Voraussetzung für die Theologie des Hebräerbriefs insgesamt darstellt. Dies ergab sich zunächst in bezug auf die Christologie im engeren Sinne: Das Herzstück der Christologie des Verfassers, die Prädizierung Jesu als des Hohenpriesters kata ten taxin Melchisedek, ist auf die Präexistenz des Sohnes unbedingt angewiesen. Aber auch im Rahmen der Soteriologie wie der Theologie des Hebräerbriefs überhaupt zeigte es sich, daß der Präexistenzchristologie hier der Rang einer theologischen Grundlage zukommt, weil die zentrale theologische Argumentation des Verfassers hinsichtlich des Mittlers der neuen diatheke mit der Präexistenzchristologie steht und fällt.

Ganz gleich also, ob man die Christologie oder die Soteriologie oder die Theologie des Hebräerbriefs insgesamt ins Auge faßt, man sieht sich auf jeden Fall mit der grundlegenden Bedeutung der Präexistenzchristologie konfrontiert.

Zusammenfassend kann man daher mit Erich Gräßer sagen: "Wie der präexistente Sohn a se allen außermenschlichen (Engel, Melchisedek) und menschlichen Wesen (Mose, Josua, Aaron) überlegen ist, so ist auch die Vollendung des von ihm verbürgten Heils um so sicherer gewährleistet."(39)

Deshalb gilt: Wegen seiner Präexistenz ist Jesus "Bürge eines besseren Bundes".

Fussnoten:

(1) Vorlesung, vorgetragen am 2. Mai 1994 vor dem Habilitationsausschuß der Ev.-Theol. Fakultät in Münster, am 31. Oktober 1994 in der Theologischen Fakultät in Heidelberg, am 13. Dezember 1994 in der Theologischen Fakultät in Greifswald, am 18. Januar 1995 in der Philosophischen Fakultät in Aachen und schließlich am 23. Juni 1995 im Fachbereich Geschichte ­ Philosophie ­ Theologie der Bergischen Universität/Gesamthochschule Wuppertal.
Ich danke allen, die an der Diskussion teilgenommen haben, herzlich für ihre weiterführenden Fragen. Besonderen Dank schulde ich dem Nestor der Hebräerbriefforschung, Hans-Friedrich Weiß. Er hat mich am 13. Dezember 1994 in Greifswald ermutigt, diese Vorlesung zum Druck zu befördern. Sie ist im folgenden unverändert wiedergegeben (lediglich die Anmerkungen sind hinzugefügt).
(2) Origenes bei Euseb: H. E. VI 25,14. Bei der Verwendung dieses Ausspruchs ist jedoch Vorsicht geboten: "Im Allgemeinen sieht man Origenes hier mit dem Hbf. ganz auf derselben Bahn der Aufrechterhaltung seiner kanonischen Autorität wie Clemens. Die apologetische These ist streng dieselbe geblieben: die paulinische Herkunft des Briefs. Zweifel an dieser würde nur bei vollständigem Missverständnis aus dem vorletzten Satze gelesen. Nur den Schreiber, nicht den geistigen Urheber des Hbfs. lässt Origenes dahingestellt. Auch verlangt er für die Annahme der paulinischen Herkunft des Briefs nicht Duldung, sondern Anerkennung." (Franz Overbeck, a.a.O. [Anm. 3], 22 f., meine Hervorhebung).
(3) Franz Overbeck: Zur Geschichte des Kanons, Chemnitz 1880 (Nachdr. Darmstadt 1965), 1 (ungenau zitiert auch in dem Kommentar von Hans-Friedrich Weiß [vgl. Anm. 12], 60 f. Auch Gräßer bringt das Zitat in seiner Einleitung [Erich Gräßer: An die Hebräer. 1. Teilband: Hebr 1-6, EKK XVII 1, Zürich/Braunschweig/Neukirchen-Vluyn 1990, 18). Zu Franz Overbeck (1837-1905) vgl. Philipp Vielhauer: Art. Overbeck, I. Franz Camille, RGG3 IV (1960), 1750-1752.
(4)Franz Delitzsch: Commentar zum Briefe an die Hebräer. Mit archäologischen und dogmatischen Excursen über das Opfer und die Versöhnung, Leipzig 1857 (Nachdr. mit einem Geleitwort von Otto Michel, TVG-Reprint 21989), XII. Im Original irrtümlich agenealogetos. Zu Franz Delitzsch vgl. Eckhard Plümacher: Art. Delitzsch, Franz Julius (1813-1890), TRE 8 (1981), 431-433.
(5) Nikolaus Walter: Christologie und irdischer Jesus im Hebräerbrief, in: Das lebendige Wort. Beiträge zur kirchlichen Verkündigung (FS Gottfried Voigt), Berlin 1982, 64-82; hier 64.
(6) Hans-Friedrich Weiß [vgl. Anm. 12], 51 f. und passim.
(7) Vgl. etwa die Formulierung von Hans-Friedrich Weiß, 95, der von der "besondere[n] Art und Weise" spricht, "in der gerade der Hebr seine Paränese als Schlußfolgerung aus der Darlegung und Entfaltung der christologisch-soteriologischen Position darbietet" (Hervorhebung von mir). Vgl. auch Weiß, 772: "Gipfel- und Zielpunkt ist im Hebräerbrief in der Tat die ekklesiologische Paraklese und Paränese, die ihrerseits jedoch ihre ’Basis’ durchaus in der ’Darstellung des Hohenpriesteramtes Christi’ hat."
(8) Willi Marxsen: Einleitung in das Neue Testament. Eine Einführung in ihre Probleme, Gütersloh 41978, 217.
(9) Herbert Braun: An die Hebräer, HNT 14, Tübingen 1984, 24.
(10) Herbert Braun, 25.
(11) Übersetzung von Herbert Braun, 24.
(12) Hans-Friedrich Weiß: Der Brief an die Hebräer. Übersetzt und erklärt, KEK 13, Göttingen 15/11991, 133 (im folgenden zitiert als: Weiß).
(13) Weiß, 158.
(14) "Die Schöpfungsaussage in V. 10 ingestalt des Zitats von Ps 101,26 LXX, in der wiederum ­ wie bereits in den voraufgehenden Zitaten ­ die ursprüngliche Gottesanrede kyrie mit Selbstverständlichkeit auf den ’Sohn’ bezogen wird, hat dementsprechend im Gesamtzusammenhang kein eigenes Gewicht Š" (167).
(15) Vgl. dazu Eduard Norden: Agnostos Theos. Untersuchungen zur Formengeschichte religiöser Rede, Darmstadt 61974, 242 sowie den zugehörigen Exkurs 347-354.
(16) Präexistenzchristologie (ohne Schöpfungsmittlerschaft, vgl. dazu die folgende Anmerkung) findet sich im Neuen Testament beispielsweise 1Kor 2,7; 10,4; 2Kor 4,4; 8,9; Phil 2,6.
(17) Schöpfungsmittlerschaft vor dem Hebräerbrief findet sich in 1Kor 8,6b; Kol 1,15 ff.; Jo 1,3 u. ö.
(18) Übersetzung von Herbert Braun (im Kommentar), 75.
(19) Weiß, 295.
(20) Oscar Cullmann: Die Christologie des Neuen Testaments, Tübingen 1958 (21958; 31963), 94.
(21) "Auszugehen ist Š von dem an sich unbestrittenen Tatbestand, daß die Hohepriester-Christologie des Hebräerbriefes wie auch die ihr entsprechende Soteriologie ­ der Hohepriester Christus bringt sich selbst als Opfer dar und stiftet auf diese Weise eine ’ewige’, für alle Zeit geltende ’Erlösung’ (5,9) ­ für die Trost- und Mahnrede des Autors schlechterdings grundlegend ist." (Hans-Friedrich Weiß, 774 f.).
(22) Jürgen Roloff: Der mitleidende Hohepriester. Zur Frage nach der Bedeutung des irdischen Jesus für die Christologie des Hebräerbriefes, in: Jesus Christus in Historie und Theologie (FS Hans Conzelmann), Tübingen 1975, 143-166; hier 164.
(23) "Šwas vorliegt, ist ein wirklich großer, das hohe Ansehen der renommierten Reihe befestigender Kommentar" (Erich Gräßer: Aufbruch und Verheißung. Gesammelte Aufsätze zum Hebräerbrief. Zum 65. Geburtstag mit einer Bibliographie des Verfassers hrsg. von Martin Evang und Otto Merk, BZNW 65, Berlin/New York 1992, 291).
(24) Zur Christologie vgl. u. a.: Friedrich Büchsel: Die Christologie des Hebräerbriefs, BFChTh 27.2, Gütersloh 1922. Rafael Gyllenberg: Die Christologie des Hebräerbriefs, ZSTh 11 (1934), 662-690. Erich Gräßer: Zur Christologie des Hebräerbriefs. Eine Auseinandersetzung mit Herbert Braun, in: Neues Testament und christliche Existenz (FS Herbert Braun), Tübingen 1973, 195-206. Andreas Stadelmann: Zur Christologie des Hebräerbriefs in der neueren Diskussion, ThBer 2 (1973), 135-221. Heinrich Schlier: Zur Christologie des Hebräerbriefes, in: ders.: Der Geist und die Kirche. Exegetische Aufsätze und Vorträge IV, Freiburg/Basel/Wien 1980, 88-100. William R. G. Loader: Sohn und Hoherpriester. Eine traditionsgeschichtliche Untersuchung zur Christologie des Hebräerbriefes, WMANT 53, Neukirchen-Vluyn 1981. Nikolaus Walter: Christologie und irdischer Jesus im Hebräerbrief, in: Das lebendige Wort. Beiträge zur kirchlichen Verkündigung (FS Gottfried Voigt), Berlin 1982, 64-82. Harald Hegermann: Christologie im Hebräerbrief, in: Anfänge der Christologie (FS Ferdinand Hahn), Göttingen 1991, 337-351. Zur Theologie zuletzt: Mathias Rissi: Die Theologie des Hebräerbriefs. Ihre Verankerung in der Situation des Verfassers und seiner Leser, WUNT 41, Tübingen 1987.
(25) Weiß, 390.
(26) Vgl. Herbert Brauns Exkurs Melchisedek (136-140; Zitat 137).
(27) M. de Jonge/A. S. van der Woude: 11Q Melchizedek and the New Testament, NTS 12 (1965/66), 301-326. Vgl. Thomas Willi: Art. Melchisedek. II. Judentum, TRE 22 (1992), 417-420.
(28) Hippolyt: Refutatio VII 36. Epiphanius: Panarion haer. 55 (GCS, Epiphanius II, hg. v. Karl Holl, 2. Aufl. von Jürgen Dummer, Berlin 1980). Die Sekte der Melchisedekianer reicht mindestens in das zweite Jahrhundert zurück, vgl. die bei Holl/Dummer (324) angeführten Testimonia (u. a. Hippolyt Refut. VII 36 und PsTert. Adv. omn. haer. 8). Zu den Melchisedekianern vgl. Gottfried Wuttke: Melchisedech, der Priesterkönig von Salem. Eine Studie zur Geschichte der Exegese, BZNW 5, Gießen 1927, 29-32.
(29) Hippolyt, a.a.O. (Marcovich, 319).
(30) Vgl. LSJ, 1878, s. v. hypodes (A), es, wo als Bedeutung "somewhat deficient, inferior" angegeben ist, für den (ausschließlich bezeugten) Komparativ "lower in degree".
(31) Epiph. 55,1,8.
(32) Herbert Braun, 140 (hier auch eine Reihe von KVV-Belegen).
(33) Ernst von Dobschütz: Rationales und Irrationales Denken über Gott im Urchristentum. Eine Studie besonders zum Hebräerbrief, ThStKr 95 (1923/24), 235-255; hier 247.
(34) Bei Euseb, H. E. IV 25,12. Vgl. zu dieser Stelle oben, Anm. 2.
(35) Vgl. dazu auch noch 8,3. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Formulierung in 2,17.
(36) Hans-Friedrich Weiß, 55.
(37) Gräßer I 267. An anderer Stelle (II 51) spricht Gräßer von der "komparativen Hermeneutik".
(38) Das Stichwort mesites begegnet expressis verbis in 8,6; 9,15; 12,24; eugyos (Hapaxlegomenon im Neuen Testament) in 7,22.
(39) Gräßer I 172.