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Ausgabe:

Februar/1996

Spalte:

119–132

Kategorie:

Interkulturelle Theologie, Missionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Heinrich Balz

Titel/Untertitel:

Missionswissenschaft und Missionskritik an der Berliner Theologischen Fakultät. Über J. Richter und A. v. Harnack*

Ein junger Berliner Naturforscher reiste im Jahr 1800, zehn Jahre vor der Gründung der Berliner Universität, in Venezuela den geheimnisvollen Orinoko hinauf und begegnete dort, außer einer beeindruckenden Natur, auch in Bauten und Menschen den Spuren der spanischen Eroberung und der vormaligen jesuitischen Mission in dieser Gegend. Diese Mission hatte bei der "Eroberung der Seelen" keine Bedenken getragen, die indianischen Ureinwohner durch lauten Kanonendonner zur schnellen Annahme der neuen Religion bereiter zu machen. Das aber war 1800 schon Vergangenheit, die Jesuiten waren nicht mehr im Lande. "Es tut dem Gemüt wohl", so notiert der Gelehrte, nämlich Alexander von Humboldt, unter dem 4. April in seinem Tagebuch, "daß die Franziskaner, Dominikaner und Augustiner, die gegenwärtig einen großen Teil von Südamerika regieren... nicht nach jenem System verfahren." An diesen Wandel schließt er die, für ihn selber offene, Frage an, "ob diese Wendung zum besseren daher rührt, daß die frühere Tätigkeit erschlafft ist und der Lauheit und Indolenz Platz gemacht hat, oder ob man darin ­ was man so gerne täte ­ einen Beweis sehen soll, daß die Aufklärung zunimmt und eine höhere, dem wahren Geist des Christentums entsprechende Gesinnung Platz greift"(1).

Diese Frage des dreißigjährigen Humboldt hat auch heute, fast zweihundert Jahre danach, ihre Bedeutung nicht verloren. Sie war schon unter seinen theologischen Zeitgenossen strittig und wurde zumal von F. Schleiermacher nicht gleichbleibend und eindeutig beantwortet(2). Christliche Mission kann fanatisch und gewälttätig sein. Sie muß es nicht. Mission im Bündnis mit Bildung und Aufklärung ­ wobei Aufklärung für ihn durchaus nicht nur vom "wahren Geist des Christentums" herkommt ­ sie will auch Alexander v. Humboldt gelten lassen. Hierin spricht er für viele ernst zu nehmende unserer eigenen Zeitgenossen, nicht zuletzt unter denen, die an der Universität, welche sein und seines Bruders Standbild schmückt, ein und aus gehen. Welche Bündnisse soll christliche Mission eingehen, welche anderen sind ihr zum Verhängnis geworden: die Frage ist heute wie zur Anfangszeit der Universität in Berlin insbesondere ihren Theologen zur sorgsamen und wissenschaftlichen Beantwortung vorgelegt.

Von den in diesen Antrittsvorlesungen vorgestellten Disziplinen der Theologischen Fakultät ist, wie es scheint, die Missionswissenschaft die einzige, die es vor der Fusion 1993 nicht gab. Nur 25 Jahre lang, von 1913 bis 1938, war die Missionswissenschaft erst durch ein Extraordinariat, dann ab 1920 durch ein Ordinariat in Berlin vertreten(3). Wichtiger als ihre verschlungene Vorgeschichte ist aber ihre Nachgeschichte: die Frage also, warum es nach 1945 die Missionswissenschaft definitiv nicht mehr gab. Ihr Ende bewirkte nicht die alte Missionskritik im Namen der Toleranz und des gleichen Bestehensrechts aller Religionen, sondern die neue, politisch motivierte Kritik: Mission war, so lehrte man nun in der DDR, geschichtlich mit Kolonialismus und Imperialismus so verquickt gewesen, daß mit beidem zusammen auch die "Missionswissenschaft alten Stils ihre Grundlage und Daseinsberechtigung verloren" hat. An ihre Stelle tritt, so H. Trebs 1985, "bußfertige Selbstkritik" im Blick auf die Vergangenheit und im Blick auf die Gegenwart der jungen Kirchen in Übersee eine gezielte "Umprofilierung" der vormaligen Missionswissenschaft zur neuen Disziplin der "Ökumenik", die 1967 an der Berliner Fakultät offiziell mit einem, später zwei Lehrstühlen eingerichtet wurde(4).

Insgesamt sind von der so spezifizierten Ökumenik die gegenwärtigen Beziehungen zu den jungen Kirchen stärker entwickelt worden als der geschichtliche Blick zurück, dem, wie es scheint, nur G. Bassarak 1978 eine Veröffentlichung widmete: Missionsstrategie im Wandel, mit dem Untertitel: "Zur ökumenischen Bedeutung der Weltmission zwischen Kolonialismus und Ökumene"(5). Für Mission im "alten und verbrauchten Sinne" ist danach die Zeit abgelaufen. Ob und wie missio Dei in der Welt des Sozialismus zukünftig aussehen wird, ist für Bassarak offen; Gott selber wird es zu seiner Zeit sagen(6) ­ klare Aufgabe der Gegenwart aber ist es, durch entschlossene Kritik alte "böse Bündnisse" der christlichen Mission aufzulösen(7), gleichzeitig aber das neue, gute Bündnis mit dem Sozialismus einzugehen oder doch ökumenisch vorzubereiten. Soweit Bassarak 1978. Es ist offenkundig, daß dieses Bündnis so heute, in nachsozialistischer Zeit, nicht weitergeht, daß damit aber auch das Fach Ökumenik nicht mehr das sein kann, was es vordem an der Sektion Theologie bis 1989 war.

Angesichts dieses Bruches in der Disziplin ist aber auch die Frage nach der Mission und der Wissenschaft von ihr neu gestellt. Weder läßt sich ihre ­ im übrigen schon in den späten Jahren der DDR erheblich relativierte(8) ­ pauschale Verwerfung aufrecht erhalten, noch wäre der erneuerten Fakultät mit einer einfachen Restauration der Missionswissenschaft "alten Stils" gedient, so, als ob nichts gewesen wäre. Daß sie nicht exklusiv wiedergekehrt, sondern im Bunde mit "Religionswissenschaft" und "Ökumenik", ist ein sichtbarer Hinweis auf ihre veränderte Situation. Diesem soll aber hier nicht im einzelnen nachgegangen werden. Vielmehr soll die Gelegenheit dieser Antrittsvorlesung im folgenden genützt werden, um noch einen oder auch zwei Schritte weiter zurückzugehen in der Berliner Fakultätsgeschichte: in die Vorkriegszeit und zur Jahrhundertwende. Die erste Frage soll sein: Was war und was lehrte denn die Berliner Missionswissenschaft "alten Stils" zu der Zeit, als sie unangefochten das Sagen und den Lehrstuhl hatte? Diese Frage stellen wir an das Werk Julius Richters (1862-1940), der 17 Jahre, von 1913 bis 1930 die Missionswissenschaft in Berlin vertrat. Die zweite, komplementäre Frage geht dem bis heute wirkungsmächtigsten Beitrag aus der übrigen Berliner Fakultät zur Sache der Missionswissenschaft und geschichtlichen Missionskritik nach: sie führt uns zu A. v. Harnack (1851-1930) und seinen Erkundungen über "Mission und Ausbreitung" des Christentums(9). Drittens schließlich soll ein Gespräch zwischen Richter und Harnack über den Gegenstand der Missionswissenschaft angedeutet werden. Genauer, dieses noch offene Gespräch soll mitdenkend nachgeholt werden, weil es damals zwischen dem jüngeren und dem älteren Fakultätskollegen offenkundig nicht stattgefunden hat.

1. J. Richter: Missionsapologetik und Allgemeine Evangelische Missionsgeschichte

Julius Richters Hauptlebenswerk ist unbestritten die Allgemeine Evangelische Missionsgeschichte, trotz ihrer fünf Bände und 3000 Seiten nur ein Torso; weitere drei Bände waren vorgesehen(10). Richter hatte früh schon, 1906, mit ihr angefangen, aber sie nicht immer als die Hauptsache angesehen. Äußerungen am Anfang seiner akademischen Lehrtätigkeit bezeugen, daß er eigentlich eine andere, noch weniger bekannte und anerkannte Disziplin als die Missionsgeschichte weiter ausbauen wollte: die Auseinandersetzung mit den anderen Religionen, die er, mit seinem Lehrer G. Warneck, "Missionsapologetik" nennt. Solche Apologetik, definierte Richter 1913(11), geht aus vom absoluten Wert der eigenen Religion, befaßt sich sodann wissenschaftlich mit den zu überwindenden Religionen und geht schließlich an die praktische und "innere" Überwindung der Religionen, zu der die Entwurzelung und Ausrottung des Heidnischen gehört, aber auch positiv die Bewahrung guter Volkssitte und alten religiösen Wahrheitsbesitzes bei denen, die durch die Mission neu Christen werden. Richter erwägt, ob er dies Programm nicht eher "Polemik" statt Apologetik nennen sollte(12); aber, das ist das Bemerkenswerte, in seinem weiteren publizierten Werk fehlt eine breite Ausführung dieses streitbaren Ansatzes. Die 100 Seiten "Missionsapologetik" in seiner Evangelischen Missionskunde 1920 sind im Durchgang von den archaischen zu den asiatischen Hochreligionen einfühlsamer und weniger polemisch, als man dies erwartet oder befürchtet hätte(13) ­ und hier lag möglicherweise für Richter selber ein theologisches Problem. Andere spätere Äußerungen Richters deuten an, daß er hier eigene Wege auch seinem Lehrer Warneck gegenüber gehen wollte, aber dann doch nicht dem Mut dazu fand.

Dies mag der eine Grund für die einseitige Entwicklung der Missionsgeschichte bei Richter sein. Ein anderer wird ebenfalls an seiner Missionskunde, genauer, an deren Umbau von der ersten zur zweiten Auflage 1927 erkennbar(14). In der ersten waren die systematischen Teile: Missionsbegründung, Missionslehre und Apologetik, der Missionsgeschichte noch mit Bedacht vorangestellt, um aus der Missionswissenschaft ein Ganzes zu machen. In der zweiten Auflage rückt dann aber ­ wie sich nachweisen läßt, durch den Kirchen- und Missionsgeschichtler C. Mirbt beeinflußt(15) ­ die Missionsgeschichte an den Anfang, alles übrige folgt ihr erst. Die Geschichte der evangelischen Mission ist, wie es nunmehr beim späteren Richter erscheint, der einzig feste, unerschütterliche Grund; sie muß für sich selber sprechen. Andere Fragestellungen sind nur aus ihr "abgeleitet" und in sich selber nicht tragfähig. Manche kritischen Leser Richters schon unter seinen Zeitgenossen haben bestritten, daß die Missionsgeschichte in diesem Sinne für sich selber spricht, und die Unterentwicklung der theologischen Fragestellung nach der Mission bei ihm beklagt: nicht zu Unrecht(16).

Und doch kann, ja muß man in der Deutung Richters noch einen anderen, komplementären Weg gehen, nämlich indem man fragt, welches denn nun die Ordnungsprinzipien der ausgeführten großen Missionsgeschichte sind. Das eine, welches den fünf Bänden ihr je eigenes Profil gibt, ist die Auseinandersetzung mit den anderen Religionen, also geschichtliche Missionsapologetik: Indien erhält deshalb den ersten Band(17), der Islam im Orient den zweiten(18); in Afrika(19) und in China sieht Richter die alte Religion schon zusammenbrechen, darum die größere Möglichkeit für die Mission; in China freilich auch die Gefahr des hereinbrechenden Kommunismus(20). Das zweite erkennbare Ordnungsprinzip ist das Werden der europäischen Kolonialreiche, unter deren Herrschaft zu Richters Zeit die gesamte Erde steht. An einzelnen Auswüchsen dieser Herrschaft übt er Kritik, aber grundsätzlichen Zweifel an der Weltsendung der "christlichen Völker" hat er nicht. Richter denkt kaum in ökonomischen, sondern immer in politisch-nationalen Kategorien. Schrill nationalistische Züge finden sich nur um 1914/15(21); aber schon bald fand Richter zurück zu seiner früheren Mitarbeit an der ökumenischen Bewegung, auf die zu Recht H. Trebs 1985 als ein wichtiges Stück der Vorgeschichte der Ökumenik an der Berliner Fakultät hinweist(22).

Eine Verherrlichung des Kolonialismus kann man Richter nicht eigentlich vorwerfen, allenfalls Inkonsequenz in seiner geschichtlichen Behandlung. Insofern wäre dieser Mangel für uns ­ anders als für Trebs ­ nicht mehr der entscheidende Grund, warum solche Missionswissenschaft "alten Stils" nicht weitergehen darf(23). Der tiefere Mangel an Richters großer Missionsgeschichte ist ihre zeitliche und konfessionelle Beschränkung. Nur evangelische Missionsgeschichte will er schreiben; die frühneuzeitliche Kolonialmission der Spanier und Portugiesen erscheint darum nur am Rande, als eine Verirrung, die den protestantischen Mächten und Missionen glücklicherweise nicht mehr geschehen könne. Mittelalterliche und altkirchliche Ausbreitungsgeschichte des Christentums bleiben für Richter, weil nicht "evangelisch", ohnehin methodisch außer Betracht; und zur Reformation selber, der Wiederentdeckung des Evangeliums, hat er auch kein sehr ausgeprägtes Verhältnis. Daß sein Werk dennoch auf 3000 Seiten anwuchs, liegt denn auch weniger an der "allgemeinen" als an der in sie eingeschlossenen "speziellen" Missionsgeschichte, die jeder Missionsgesellschaft, ihren Gebieten und Stationen, ja fast jedem einzelnen Missionar Gerechtigkeit widerfahren lassen will(24). Auch das ist ein in sich sinnvolles enzyklopädisch-wissenschaftliches Unternehmen, aber schwerlich eines, um die übrige theologische Fakultät für die Missionswissenschaft sonderlich zu interessieren. Dies würde mehr "theologische Arbeit" erfordern, wie Richter selber weiß; sie aber findet in der großen Missionsgeschichte kaum statt. Er baut sich das Reservat einer Sonderwissenschaft aus; er ist Brückenkopf der Missionsleute in der wissenschaftlichen Theologie, kaum jedoch der Brückenkopf theologischen Fragens im laufenden Missionsbetrieb. Insofern treibt er Missionswissenschaft ohne Missionskritik.

Dennoch, oder gerade wegen der im ganzen unbefriedigenden Bilanz des Hauptwerks bleiben einige bemerkenswerte Einsichten des späten, siebzigjährigen Richter die, wenn auch nicht geradewegs nur aus ihr "abgeleitet", dennoch mit seiner lebenslangen Beschäftigung mit der Missionsgeschichte eng verbunden sind. Auf sie ist genauer einzugehen. Am Schluß seines 5. Bandes angelangt(25), sieht Richter die evangelische Weltmission in der Krisis; alle drei großen Hoffnungen, die zur Jahrhundertwende noch beflügelten, muß sie aufgeben: die angelsächsische auf die Evangelisierung der Welt in einer Generation, die deutsche auf das Werden großer Volkskirchen in den Missionsländern und schließlich die eines bleibenden protestantischen Vorsprungs vor den Katholiken. Der Anteil der Christen an der Weltbevölkerung ist insgesamt nicht mehr am Steigen, sondern am Sinken. Mit seiner abschließenden Krisenbilanz von 1932 behält Richter insbesondere neben K. S. Latourettes vielbändiger, 1945 abgeschlossener optimistischerer Missionsgeschichte, seine Aktualität und verdient, als die andere Stimme der Missionsgeschichtsschreibung weiterhin gehört zu werden(26).

Die äußere Krise lenkt Richters sorgenvollen Blick auf den Zustand des heimischen Protestantismus, die zunehmend sich säkularisierende Christenheit, denn, das ist sein Fazit aus aller Missionsgeschichte: "Der Fluß steigt nicht höher als die Quelle"(27) ­ mehr als was in der heimatlichen Christenheit lebt, erwartet und erhofft er sich auch nicht vom Missionsergebnis, von den entstehenden Kirchen in Übersee. Tief beunruhigt schaut Richter sich darum in Deutschland nach Bundesgenossen um und kommt 1932 zu dem befremdlichen Schluß: Dialektische Theologie und Nationalsozialismus haben beide ihr mögliches Gutes für die Mission: jene die Verkündigung des Wortes Gottes und dieser den Sinn für Volkstum und Volksart(28). Dennoch ließ Richter sich nicht sehr lange von diesem Völkischen blenden: im Deutschen Evangelischen Missionsrat war es der alte Richter, der nach 1935 dazu aufrief, öffentlich für die Juden und gegen den Arierparagraphen aufzutreten. Vergebens freilich, denn die anderen deutschen Missionsmänner sahen hier weiterhin keinen Handlungsbedarf(29).

Es bleibt die andere Frage, was beim späten Richter aus der vordem so kämpferischen "Missionsapologetik" geworden ist. Ein Essay von 1934 deutet eine modifizierte Einstellung den anderen Religionen gegenüber an(30). Die einst strategisch geplante und erhoffte "Überwindung" der Hochreligionen läßt, zumal in Indien, auf sich warten. Andere christliche Zeitgenossen sehen gar in der Konsolidierung indischer Religionen eine Chance für eine neue, wirklich geistige Auseinandersetzung: Dies läßt Richter nun als eine "edle christliche Betrachtungsweise" gelten, ist freilich selber mehr beschäftigt mit der Frage, was denn das Christentum der "indischen Seele" zu bieten habe, wo scheinbar alle religiösen Bedürfnisse schon gedeckt, "alle Stühle bereits besetzt" seien(31). ­ Zur Frage schließlich, wie im weiteren Gang der Weltgeschichte das Ergebnis christlicher Mission aussehen könnte, kommt Richter zu einem bemerkenswerten, aber gerade bei ihm eher unerwarteten Vergleich: es könnte damit werden wie mit der jahrtausendalten Ausbreitung des Buddhismus in Asien ­ ein diffuser Einfluß auf die fortbestehenden großen Volksreligionen und Kulturen, aber daneben bzw. darin starke, beständige "Kircheninseln", eine künftige christliche Weltdiaspora also(32).

Auch dies ist nur eine Andeutung beim späten Richter, aber eine, die bedenkenswert ist. Sie zeigt, wie von der allgemeinen Religionsgeschichte her, die notwendig auch den früheren, vorreformatorischen Phasen der Christentumsausbreitung ihren Platz wieder zuweist, die modern-evangelische Beschränkung des Blickes hätte überwunden werden können. Der Blick auf den gegenwärtigen Stand des Buddhismus in Asien zeigt zudem, nimmt man ihn zusammen mit Richters frühem Interesse an der friedlichen, organisationslosen "Propaganda" des Islam, was ein fruchtbares Forschungsgebiet für Missions- und Religionswissenschaft in Berlin wieder werden könnte: die vergleichende Untersuchung der Ausbreitungs- und Stagnationsgeschichte der Weltreligionen; und dies nicht aus grundsätzlichem Relativismus heraus, sondern umgekehrt, gerade darum, weil einem die Mission und Ausbreitung des Christentums unaufgebbar ist und den Blick für neue geschichtliche Zusammenhänge geöffnet hat.

2. A. v. Harnack: "Mission und Ausbreitung" in der Geschichte des Christentums

Ein steiler Satz A. v. Harnacks, der sich bis heute unter Theologen häufiger Zitation erfreut, besagt über die Wissenschaft von den anderen Religionen: "Wer diese", nämlich die christliche, "Religion nicht kennt, kennt keine, wer sie samt ihrer Geschichte kennt, kennt alle"(33). Es wäre, von Richter herkommend, reizvoll, Harnack selber hier bei einigen Inkonsequenzen zu behaften: bei sporadischen Aussagen über den Buddhismus, den er weder kannte noch verstand, und bei seinen durchaus sachverständigen Ausführungen über die anderen "Weltreligionen" des Manichäismus, Neuplatonismus und Islam in ihrer je eigenen Geschichte(34). Wichtiger aber ist, daß zur Geschichte des Christentums dessen "Mission und Ausbreitung" für Harnack notwendig und konstitutiv hinzugehört. Das seit 1902 in vier mehrfach umgearbeiteten Auflagen bis 1924 erschienene Werk Mission und Ausbreitung des Christentums in den ersten drei Jahrhunderten beweist dies hinlänglich.

In der Wirkungsgeschichte von Harnacks Untersuchung über die ersten drei Jahrhunderte hat der eingängige Titel Mission und Ausbreitung sich sozusagen selbständig gemacht und Eigendynamik entwickelt, und dies bei Kirchengeschichtlern nicht weniger als bei Missionswissenschaftlern. Beide verweisen darauf, daß in der Doppelung nicht "Mission", sondern "Ausbreitung" den neuen, den wichtigeren Akzent habe: organisierte, berufsmäßige Mission hat weder in der alten Kirche noch später eine wirkliche, eigene und durchgängige Geschichte, wenn man nicht den weitergreifenden, schwerer zu fassenden Prozeß unorganisierter christlicher "Ausbreitung" einbezieht und mitbeachtet(35). ­ Für Harnacks lesende Zeitgenossen, die Missionsleute im besonderen, war aber an seinem Buch etwas anderes entscheidend bzw. untragbar: die Feststellung, daß für Harnack der Missionsbefehl Mt 28,19 f erst die Folge der schon stattfindenden urchristlichen Mission, nicht aber deren Begründung als ein historisches Wort Jesu sei. Dagegen, nämlich daß christliche Mission nicht mehr wesentlich verschieden sein sollte von der Ausbreitung anderer Religionen in der Antike, zumal des Judentums, erhob sich lauter Protest(36). Ist christliche Mission heute wie damals sui generis, oder darf sie dem vergleichenden Zugriff der Religionsgeschichte preisgegeben werden? Hierum ging der Streit, in welchem Harnack eindeutig und plausibel die letztere Position entwickelt hatte. Schüsselworte waren dabei nicht etwa "Mission und Ausbreitung" sondern hier "Mission" des Christentums, dort "Propaganda" der anderen Religionen(37).

Harnacks Untersuchung gab die frühkirchliche Mission und Ausbreitung des Christentums der historischen Erkenntnis frei. Sie profanierte sie ­ aber doch nicht gänzlich. Hier ist die zeitliche Begrenzung auf die "ersten drei Jahrhunderte" bedeutsam. Ausbreitung und Mission gehen auch im 4. Jahrhundert unter Konstantin und nach ihm weiter im Reich, aber sie sind dann unter den gewendeten politischen Verhältnissen schon nicht mehr das, was sie zuerst, im erfolgreichen Hinaustreten des Evangeliums aus dem Judentum in die antike Welt waren. Harnacks Thema ist in seinen eigenen Worten die "embryonale Epoche der Kirche", also die vorpolitische Zeit der Mission und Ausbreitung des Christentums ­ und insofern doch nicht ihre völlige Profanisierung(38). Sie verharrt in einem vermittelnden Zwischenreich zwischen dem Evangelium als "Wesen" des Christentums und der politischen Weltgeschichte.

Was aber war dann in der vorkonstantinischen Zeit wesentlich für diese Ausbreitung? Die materiale und positive Antwort gibt bei Harnack das 2. Buch: "Die Missionspredigt in Wort und Tat"(39). Selbst in dieser frühen Zeit wurde dem Christentum kein Sieg ohne gleichzeitige Niederlage, ohne Verweltlichung, Aberglaube und sich anlagernde "sekundäre Religion" oder, wie Harnack dies seit 1902 herausfordernd nennt, ohne die "volle Ausgestaltung des Christentums als synkretistische Religion"(40). Dieses harte Urteil wird von Missionsleuten, einschließlich Richters, die sonst Harnack gern zitieren für die frühe Erfolgsgeschichte christlicher Ausbreitung, gern überlesen. Dagegen wird es von modernen Freunden der Religionsbegegnung und des theologischen Pluralismus fast als Harnacks wichtigste religionsgeschichtliche Errungenschaft gefeiert(41). Harnack verwirft und rechtfertigt zugleich, was er als Resultat christlicher Ausbreitung zu Ende des 3. Jh.s findet: Missionskritik und Missionswissenschaft fallen hier für den Historiker zusammen.

Doch solche synkretistische und katholische, verweltlichte und verwirrte Religion ist, obwohl langlebig, dennoch nicht für immer. Denn was der christlichen Religion damals in der Antike zum Sieg verholfen hat, verbürgt nicht ihren dauernden Erfolg in der Geschichte. Wesenhaft ist dem Christentum vielmehr "die Fähigkeit, jenen gesamten Synkretismus wieder abzustreifen und sich mit anderen Koeffizienten zu verbinden. Damit hat die Reformation den Anfang gemacht"(42). Um Größe und Grenze der frühchristlichen Mission und Ausbreitung geschichtlich zu würdigen, rekurriert Harnack auf die Reformation, auf das Evangelische. Auch er betreibt also in seinem zeitlich weiter entfernten Feld kritische "evangelische" Missionsgeschichte, aber in einem anderen und theologischeren Sinn als Richter, sein jüngerer Fakultätskollege. ­ "Mission" und "Ausbreitung" stehen für Harnack nicht nur sachlich, sondern vor allem geschichtlich in der vorkonstantinischen Kirche in einem unumkehrbaren Verhältnis zueinander. Am Anfang der Epoche stehen Paulus und andere berufmäßige Missionare; an ihrem Ende steht eine durch Kult und Priester, Sakrament und Lehre übermächtige Kirche, die wie ein Magnet und alles andere aussaugend "durch ihr bloßes Dasein missionierend" wirkt. Die kirchliche Ausbreitung ist an die Stelle anfänglicher berufmäßiger Mission gerückt, die zu ihrer Zeit notwendig und unersetzbar war(43). Man bliebe aber hinter Harnack zurück, wollte man darum grundsätzlich und zeitlos für Ausbreitung und gegen Mission optieren ­ die Zeit der notwendigen Mission kann unter veränderten Bedingungen auch wiederkommen.

Für seinen Erfolg als Weltreligion in der späten Antike hat das Christentumn einen hohen Preis bezahlt. In die Ironie mischt sich auf seiten des Historikers die Resignation. "Und diese Religion hätte nicht siegen sollen? Neben anderen konnte sie auf Dauer nicht bestehen, und untergehen noch weniger. Also mußte sie siegen"(44). So ist das großkirchliche Christentum: Es kann halt siegen nur, und sonst gar nichts. Damit aber ist Harnacks Sympathie schon hinübergewechselt zu den Besiegten, den Opfern, den hellenistisch gebildeten Kritikern der neuen Religion, zumal zum edlen Neuplatoniker Porphyrius im 3. Jahrhundert, der in so vielem der vom ihm bekämpften Kirche nahe steht. Er kämpft tapfer, aber vergebens, nicht weil er Unrecht hat, sondern schlicht, weil zu seiner Zeit die Religion der Kirche schon aufsteigende Weltreligion ist; gegen solche Religion aber, gibt Harnack zu verstehen, "vermag kein Professor mit Erfolg zu kämpfen, es sei denn, daß er neben der Feder auch das Schwert des Reformators führt"(44a). Hier spricht, so darf man füglich deuten, der klassisch gebildete Gelehrte, der sich auch mit seiner eigenen evangelischen Kirche, dem Ergebnis der Reformation, nur unvollkommen identifizieren kann, also der Porphyrius in Harnack selbst. In der Tiefe seines Herzens ist er froh, daß das, wofür ihm Porphyrius steht, letztlich doch nicht besiegt wurde; daß in dem alten Bund zwischen Christentum und Antike "keines das Andere hat überwinden können"(45) und beides zusammen bis heute unser geistiges Leben ausmacht. Von altkirchlicher wie von Richterscher "Apologetik" ist diese Haltung gleich weit entfernt.

Wir verlassen Harnacks Buch über die Mission und befragen abschließend sein übriges Werk, besonders die Dogmengeschichte, wie er die mittelalterliche Ausbreitung und den neuzeitlich organisierten Neuaufbruch christlicher Mission einordnet. Das Spezifische am Mittelalter ist für ihn, daß die Kirche im Westen des Reiches statt in einer alten Kultur nunmehr bei den neuen Völkern nur noch an den "elementaren Mächten" des menschlichen Lebens: Lebenslust, Hunger, Liebe und Habsucht ihre Schranke findet(46). Das bekommt ihr nicht gut und läßt sie der Versuchung der Weltherrschaft vom Kloster aus erliegen(47). Durch straffe Ordnung und das Dogma hat sie nicht nur "die alte Welt erobert" sondern auch "die neuen Völker erzogen"(48). Was ihr dabei geschah, sieht Harnack ähnlich zwiespältig wie den Sieg des Christentums in der späten Antike: von Augustin hin zu Gregor dem Großen im 7. Jh., dem pater superstitionum wurde es "völlig Nacht im Abendlande" ­ und doch hat derselbe, für die Missionsgeschichte wichtige Papst ja "das Kirchenthum so zubereitet, wie es die rohen Völker bedurften"(49). Die Aufgabe war, eine "halbentwickelte", nicht wahrhaft christianisierte Christenheit äußerlich im Zaume zu halten; erst im 12. und 13. Jahrhundert und in Franz von Assisi sieht Harnack eine tiefergehende "Evangelisierung" so der Kultur wie des individuellen Lebens am Werke(50), ja mehr noch: in Franziskus und nur in ihm ist "Jesu eigene Art der Mission" wiedergekehrt(51).

Zur neuzeitlich evangelischen Mission, Richters Lebensthema, gibt es bei Harnack neben anderem Beiläufigen einen im September 1900 in Hamburg vor dem Allgemeinen Evangelisch-protestantischen Missionsverein gehaltenen gewichtigen Vortrag: "Grundsätze der evangelisch-protestantischen Mission"(52). Mission, so setzt Harnack ein, ist in seiner Gegenwart eine "schlechthin notwendige Funktion der Christenheit", und dies nicht aufgrund eines Missionsbefehls, sondern weil das Christentum nicht eine Religion neben anderen, sondern "die Religion selbst" ist, durch welche erst "jedes Volk und die Menschheit das wird, was sie sein sollen", nämlich Gotteskinder und Gottesmenschen(53). Diese einfache und ungebrochene Begründung für Mission bei Harnack steht näher bei Warneck und Richter als bei den um vieles skeptischeren, ja relativistischen Überlegungen, die in denselben Jahren etwa E. Troeltsch ebenfalls vor dem liberalen evangelisch-protestantischen Missionsverein vorgetragen hatte(54). Liberal ist freilich wieder Harnacks Mahnung an die Missionare, nirgendwohin einen "neuen, gespenstigen Gott" zu bringen, sondern nur den "nahen Gott", der nach Apg 17 von allen Völkern schon geahnt wird(55).

Kennzeichen der neuen Zeit für die Mission ist nach Harnack die koloniale Expansion der europäischen Völker, die Befürchtungen und Hoffnungen gleichermaßen auslöst. Die militärische Intervention der westlichen Mächte im Jahr 1900 in China zur Niederwerfung des Boxer-Aufstands nimmt er zum Anlaß, eine Reihe von Thesen zur notwendigen Freiheit der Mission von der Politik der Großmächte zu formulieren(56). Die "Kirchen- und Staatsgeschichte Europas" ist es, die der Mission neue Gewissenskollisionen schafft, wie frühere Missionszeiten sie so noch nicht kannten. Missionare dürfen, um etwa in China glaubwürdig zu sein, keine militärische Drohung hinter sich haben; sie müssen vielmehr dem unvermeidlichen Kommen der europäischen "Kontrolle" und Kolonialherrschaft einen möglichst friedlichen Verlauf geben helfen. Zugleich aber müssen sie wissen, daß ihr eigenes Geschäft, das "Eindringen einer neuen Religion" in ein Land selbst "schwere Krisen" auslöst, die um so heftiger sind, je entwickelter ein Volk ist und an seiner "heimischen Kultur" festhält(57).

In diesen modernen Rahmen fügt Harnack nun sein frühkirchliches Leitthema "Mission und Ausbreitung" ein. Am besten wäre es, so überlegt Harnack, "wenn wir keine besonderen Missionare brauchten", wenn die europäische Präsenz, wo immer der moderne Welthandel sie hinbringt, ausstrahlte, also wie ehedem durch "bloßes Dasein missionierend" wirkte. "Die Frau, der Lehrer, der Arzt ­ sie sollen gleichsam als Zwischenglieder zwischen dem Missionar und dem Kaufmann stehen"(58). Sie sollen: Harnack ist nüchtern genug, um sich nicht seinem Traume hinzugeben; er sieht, daß die koloniale Wirklichkeit eine andere ist, daß christliche und politische "Missionen" im Konflikt mit einander sind. Seine Folgerung daraus ist ­ nicht etwa eine grundsätzlichere Kritik der europäischen Kolonialpolitik, sondern ­ die verstärkte Forderung nach "direkter", berufmäßiger und organisierter Mission in Übersee. Sie ist nicht das Ideal freier, wie ein Magnet wirkender Ausbreitung, aber sie ist notwendig, und sogar "doppelt notwendig" geworden sagt Harnack, seit der "Invasion der christlichen Europäer in fremde Länder" (59). In moderner Zeit geht also, so haben wir zu schließen, für Harnack die Bewegung umgekehrt als in der frühen und mittelalterlichen Kirche, von der "Ausbreitung" zurück zur "Mission" ­ nicht weil diese besser oder biblischer wäre, sondern weil es unter den Bedingungen des kolonialen Zeitalters anders nicht geht. Hier ist Harnack also schon im Jahr 1900 kritischer und resignierter als die Mehrheit der Missionsfreunde, einschließlich J. Richters.

3. Mission, Geschichte und Theologie: das nachzuholende Gespräch Richter ­ Harnack

Wir nehmen einen Schritt Abstand und blicken zurück. Ausgangspunkt unserer historischen Lektüren war die Vermutung, daß ­ trotz Richters Beitrag zur Harnack-Festschrift 1921, in welchem er sich vorsichtig mit dessen Kritik am Dogma solidarisiert, seine Kritik an der Mission aber mit beredtem Schweigen übergeht(60) ­ ein damals nicht stattgefundendes Gespräch zwischen J. Richter und A. v. Harnack heute, in nachsozialistischer Zeit in Berlin, wert sei nachgeholt zu werden, um der Missionswissenschaft ihren spezifischen Gegenstand deutlicher vor Augen zu rücken. Richter bestimmte dabei wesentlich den Rahmen, die Fragenliste, und Harnack gab einige weiterhin bedenkenswerte Antworten. Sache einer Missionswissenschaft neuen und nicht "alten Stils", mit Trebs zu reden, kann es nicht sein, sich abermals in ein gesichertes Schutzgebiet zurückzuziehen, sondern vielmehr, die anderen theologischen Hauptdisziplinen mit großem Appetit in sich hineinzuziehen, zu befragen und sich auf deren alte oder neuen Entdeckungen einen eigenen, neuen Vers zu machen. Das Gespräch Richter ­ Harnack also war neu aufzunehmen; zugleich aber ist es auch theologisch kritisch zu verantworten. Wir deuten beides stichworthaft an in vier abschließenden Thesen.

(1) "Allgemeine" Missionsgeschichte. Von Harnack hätte Richter lernen sollen, daß auch "evangelische" Missionsgeschichte nicht erst mit dem Neuaufbruch im 18./19. Jahrhundert beginnen kann. Sie braucht um ihrer eigenen Sache willen den Blick auf die alte Kirche, das Mittelalter und die frühneuzeitliche katholische Kolonialmission; nicht um sich mit dem allem in Stolz und Reue vorbehaltslos zu identifizieren, wohl aber, um dieses alles evangelisch zu befragen und zu ergründen, ob evangelische Mission denn wirklich anders und besser ist als diese ihre Vorläufer und Konkurrenten. ­ Vor allem aber bleibt auf die von Richter vor siebzig Jahren schon diagnostizierte und seither noch offenkundiger gewordene "Krisis der Weltmission" neuerlich Harnacks Leitfrage aus der frühen Kirche anzuwenden: könnte es nicht sein, daß hier ein Pendel sich legitim zurückbewegt von seinem modernen Extrempunkt; daß also die "Krisis" sich wesentlich auf die von Europa ausgehende organisiert-berufsmäßige Mission bezieht, während dort, wo Kirche als Ergebnis solcher Mission neu Fuß gefaßt hat, die Ausbreitung der "durch ihr Dasein missionierend" wirkenden jungen Kirchen unbemerkt schon wieder begonnen hat?

Manche Anzeichen, etwa in China oder in Afrika, und gelehrte Bücher nichtwestlicher Theologen, die ihren Harnack gut gelesen haben, lassen sich in diesem Sinne deuten(61). Gerade weil es um kirchliche Gegenwart und Zukunft geht, wird hier der spezifische Rückblick in die Geschichte wieder wichtig. Und weil Harnack, anders als Richter und manche nach ihm, nicht seine eigene Sache und Wissenschaft aus der Krise zu retten hatte, eben darum ist bei ihm etwas zu holen, um auch heute und in Berlin wieder von Mission als einem bloßen Schimpfwort wegzukommen, hin zu einer Wissenschaft neuen Stils von Mission und Kirchenausbreitung; einer Missionswissenschaft freilich, die nach Harnacks Exempel, die Missionskritik immer schon in ihrem Ansatz mit sich führt.

(2) Mission und koloniales Zeitalter. Beide, Harnack und Richter sind kritisch gegen eine zu enge politische Machtverflechtung christlicher Mission in ihrer Zeit. Aber sie sind es beide, von heute aus gesehen, nicht genug. Daß die europäischen Mächte, weil christlich, darum auch "sittliche" Mächte sind, steht ihnen noch nicht in Frage wie anderen ihrer unkirchlichen Berliner Zeitgenossen. Daß sie die Imperialismus-Deutung ihrer unkirchlichen Zeitgenossen nicht kennen, ist verzeihlicher als daß sie ­ zumal der große Harnack ­ ihren Augustin nicht gut genug gelesen haben; denn auch bei ihm steht ja zu lesen, daß die irdischen Imperien, und zwar alle, nichts anderes sind als latrocinia magna, große Räuberbanden, die sich, anders als die kleinen Räuberbanden, ihrer gerechten Strafe diesseits des Endes der Geschichte durch ihre Größe und Macht zu entziehen vermögen(62).

Doch damit ist nicht alles gesagt. Gegenüber der politisch-ökonomischen Expansion ist christliche Mission sui generis, und trotz aller Verstrickungen nicht restlos verrechenbar. Sie hat eigene Wurzeln. Was der Reformation recht ist, das ist der modernen Missionbewegung billig, auch wenn es für sie von der allgemeinen Geschichtsschreibung noch nicht wieder in gleichem Maße anerkannt ist. Harnack lehrt, daß die grundlegenden, eigentlich spannenden Entscheidungen für die Ausbreitung des Christentums in den ersten drei Jahrhunderten fielen, in seiner "embryonalen", vorpolitischen Zeit. Richter andererseits lehrt, daß auch in der Neuzeit und unter den Bedingungen der kolonialen Expansion das Gegenüber der Mission nicht nur verschieden entwickelte unterworfene Völker und Gesellschaften waren, sondern verschiedene Religionen, deren unterschiedliche Antwort auf das Evangelium es zu verstehen gilt.

(3) Religionsgeschichte und Mission. Harnack stellte sich 1900 den künftigen Siegeszug des Christentums in Asien, speziell in China, noch nach der Analogie des Sieges der frühen Kirche in der Mittelmeerwelt vor(63). Richter weiß es um 1930 schon besser und anders: so unaufhaltsam wird der Sieg diesmal nicht sein. Nur in den archaischen Gesellschaften geht es, wie einstmals bei Germanen und Slawen, eindeutig vorwärts; nicht im Bereich der Hochreligionen, wo die religiösen Bedürfnisse schon gedeckt, die Stühle schon besetzt sind. Der Sieg des Christentums in der Hochkultur der antiken Mittelmeerwelt war, so betrachtet, weltgeschichtlich die Ausnahme und nicht die Regel. In Indien hat Porphyrius, genauer, haben seine professoralen Äquivalente im 19. und 20. Jahrhundert, nicht auf verlorenem Posten gekämpft; die Reform der alten Religion gegenüber dem anstürmenden Christentum scheint dort gelungen zu sein. Das wußte Harnack in seiner Schau der Christentumsgeschichte noch nicht; und es wird auch, soweit sich sehen läßt, in der alten Kirchengeschichte wenig bedacht und gelehrt, wiewohl es doch zu ihrer eigenen Sache gehört und neue Fragen an sie aufgibt.

Hier wird die allgemeine Religionsgeschichte für die theologischen Fakultäten wieder bedeutsam. Am Anfang traute Richter sich noch zu, die anderen Religionen insgesamt argumentativ und dann auch praktisch durch Missionsapologetik zu "überwinden"; später wurde er darüber zurückhaltender. Zwischen diesen beiden Grenzpositionen sucht theologisch verortete Religionsgeschichte und Religionswissenschaft bis heute ihren eigenen Weg. Und sie hat überdies ein zweites, nicht weniger spannendes Feld zu bearbeiten, dort, wo unter modernen kolonialen und postkolonialen Bedingungen, und dennoch den ersten drei Jahrhunderten vergleichbar, das Christentum sich weiterhin ausbreitet, wo es "siegt"(64). Hier ist nicht nur, wie Richter meinte, von Volkstum und Volksseele zu reden, sondern auch von Religion und Religionswandel, damit aber auch von dem, was Harnack in der alten Kirche zuspitzend, aber letztlich wohl doch nicht zureichend, als "Synkretismus" beschrieben hat.

(4) Missionswissenschaft und Missionstheologie. Das Gespräch Richter-Harnack bleibt nachzuholen; es bleibt aber auch theologisch zu verorten. Dafür ist letztlich die Systematische Theologie zuständig. Eine Kirchengeschichte, welche die Mission, oder in unseren Tagen, die Geschichte der jungen außereuropäischen Kirchen außer Betracht läßt, schadet sich selber. Eine Systematische Theologie aber, die zu Mission nichts zu sagen hätte ­ sei es aus unverarbeiteter Kolonialismuskritik, oder aus zu enger Fixierung auf den nachreligiösen Menschen in unserer eigenen Gesellschaft heraus ­ sie würde nicht nur sich selbst schaden, sondern dem Ganzen einer evangelisch theologischen Fakultät. Eine solche theologische Verankerung findet sich weder bei Harnack, noch bei Richter in hinreichendem Maße(65). Harnack ist in seinem Blick auf die Missionsgeschichte insgesamt theologischer als Richter insofern, als er sie schon in ihrer Anfangszeit an zwei Maßstäben mißt: an der Entfernung und Nähe zum ursprünglichen Evangelium Jesu und an der Reformation, welche die alten katholischen "Bündnisse" aufgekündigt hat. Beide Kriterien sind gut. Man wünschte als nachgeborener Leser nur, daß Harnack selber ihnen ausdauernder die Treue gehalten hätte; daß er nicht seinerseits alsbald die neuen geschichtlichen Koeffizienten und Bündnisse zum neuen Gesetz erhoben hätte, mit denen Evangelium und Mission sich in seiner eigenen Zeit verbündet hatten.

Weil die letzte Dimension der Mission als notwendige Krisis von Gott her bei Harnack fehlt, fehlt auch das letzte Vertrauen auf Gottes Verheißung, das evangelische Theologie und Mission gleichermaßen freizumachen vermag von, aber auch in, sonst schicksalhaften und unlösbaren geschichtlichen Bindungen und Bündnissen. Hier, an diesem Streitpunkt könnte eine ihres Gegenstandes gewisse Berliner Missionswissenschaft und Missionstheologie nicht mit Harnack gegen Karl Barth, sondern nur mit Barth gegen Harnack argumentieren. In Berlin hielt Barth im April 1932 seinen Vortrag "Die Theologie und die Mission in der Gegenwart"(66). Mit Barth wäre weiterhin zu streiten darüber, ob in der Mission die Kirche wirklich nur "diktierend" verfahren kann: dagegen steht die mit Harnack begriffene Erfahrung der Missionsgeschichte; dagegen stehen heute zumal die jungen Kirchen, die, sofern sie selber glauben und erkennen, frei geworden sind auch vom Botendienst westlich-fehlbarer Mission. Nicht zu streiten, sondern voll zu bekräftigen ist dagegen mit Barth damals 1932, daß christliche Mission dann "auf dem Felsengrunde der Erwählung Gottes" steht, wenn sie sich auf ihre tiefste und ewige Begründung in der Sendung Gottes des Sohnes durch den Vater in die Welt besinnt(67). Missio Dei als ein wiederentdecktes Grundthema des Evangeliums: von hier aus sind die im Gespräch zwischen Harnack und Richter aufgekommenen Fragen, wie auch die aus der DDR-Ökumenik Bassaraks und anderer, gleichermaßen zu begrenzen wie zu würdigen.

Doch nur unter Theologen soll das Gespräch über die Mission nicht bleiben. Deshalb noch ein weiterer und letzter Blick in die Gründungs- und Vorzeit der Berliner Universität. In den Jahren 1801 bis 1807 nützte ein junger preußischer Diplomat in Rom seine reichliche Muße zu vergleichenden Studien der indianischen Sprachen Amerikas. Zu diesen verhalf ihm die Be-gegnung mit vormaligen Jesuiten-Missionaren die, nach dem Verbot ihres Ordens 1773 in unfreiwilligem Moratorium, dort in Rom ihre sprachlichen Erkundungen archivierten. Sie gaben den entscheidenden Anstoß, das Material, woraus dann Wilhelm von Humboldts eigene, den Geist der Aufklärung aufnehmende und zugleich überbietende Wissenschaft und Philosophie der Sprache wurde(68). Christliche Missionare waren es also gewesen, die dem Humboldtschen Geist, dem Genius dieser Universität die Kastanien aus dem Feuer geholt haben. Wilhelm, der im Unterschied zu seinem Bruder Alexander nie über Europa hinaus gereist war, steht nicht an, ihnen dafür ausdrücklich seinen Dank abzustatten(69).

Dessen mag eine wieder an die Universität zurückkehrende Wissenschaft von der Mission in Berlin zur Selbstermutigung sich erinnern. Sie sollte aber auch noch ein anderes tun, und dies im Bunde mit dem Ganzen der Theologie an der Universität ­ nämlich das Gespräch der Gelehrten dort wieder hinführen, wo es damals in Rom zwischen Wilhelm v. Humboldt und den durch die Zeitläufte arbeitslos gewordenen Jesuitenmissionaren stand, oder doch hätte stehen müssen: zur Frage, ob Sprache in ihrer Vielfalt als "Mittel zur Bildung des Menschen" das erste und letzte ist, was für den menschlichen Geist zu erforschen sich lohnt ­ oder ob, wie christliche Mission durch die Zeiten und Konfessionen hindurch dies voraussetzt, es auch etwas zu sagen gibt; etwas, das alle Menschen angeht und was es darum in alle Sprachen und Kulturen zu übersetzen gilt.

Fussnoten:

* Antrittsvorlesung an der Theologischen Fakultät der Humboldt-Unversität zu Berlin, gehalten am 12.4.1995.
(1) A. v. Humboldt, Die Wiederentdeckung der Neuen Welt. Erstmals zusammengestellt aus dem Reisebericht und den Tagebüchern, hg. u. eingel. v. P. K. Schäfer, Berlin 1989, 111.
(2) Nachweis der verschiedenen Etappen bei O. Kübler, "Der Missionsgedanke bei Schleiermacher" in ders., Mission und Theologie. Eine Untersuchung über den Missionsgedanken in der systematischen Theologie seit Schleiermacher, Leipzig 1929, 4-45.
(3) Zum ganzen s. W. Elliger, 150 Jahre Theologische Fakultät Berlin, Berlin 1960, 64f. 108. 134. 147. Zur Rolle Berlins im europäischen geschichtlichen Zusammenhang der Disziplin s. O. G. Myklebust, The Study of Mission in Theological Education, Oslo 1955-1957, passim.
(4) H. Trebs, "Die Geschichte des Berliner Lehrstuhls für Ökumenik" in WZ HUB Ges. R. 34, 1985, 565-570, Zitate 568. Vgl. auch ders., Ökumenewissenschaftliche Grundlegungs- und Aufbauprobleme. Ein Beitrag zu einem Teilgebiet der theologischen Enzyklopädie, Habil. Schrift (masch.) Berlin 1967.
(5) G. Bassarak, Missionsstrategie im Wandel. Weltmission zwischen Kolonialismus und Ökumene, Berlin 1978.
(6) A.a. O., 2.
(7) A.a. O., 7.
(8) S. hierzu etwa von dem marxistischen Historiker H. Loth: Zwischen Gott und Kattun. Die Berliner Konferenz 1884/85 zur Aufteilung Afrikas und die Kolonialismuskritik christlicher Missionen, Berlin 1985, sowie 1987 vom Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR das Papier: "Mission ­ Gerechtigkeit ­ Partnerschaft: Gesichtpunkte für eine Neubesinnung auf den ökumenisch-missionarischen Auftrag der evangelischen Kirchen in der DDR".
(9) Harnack spielte bei der Selbstverständigung der Berliner Ökumenik bei C.-J. Kaltenborn seit seiner Dissertation: Adolf von Harnack als Lehrer Dietrich Bonhoeffers, Berlin 1973, und in einer Reihe weiterer Aufsätze, bes. "Das Leben der mündigen Kinder Gottes. Zur Theologie bzw. Ekklesiologie Adolf v. Harnacks" in ThLZ 1976, Sp. 891-906, eine Rolle. Es ist in dieser Hinsicht sinnvoll, ihm auch über Mission, über die er mehr und direkter geschrieben hat als über Ökumene, nochmals Gehör zu geben; vgl. auch u., Anm. 54.
(10) J. Richter, Allgemeine Evangelische Missionsgeschichte, 5 Bde., Gütersloh 1906-1932 (künftig abgekürzt: AEM). Über die geplanten weiteren Bände s. Bd. 5, H. 2, VII (Vorwort).
(11) Richter, "Begriff, Aufgabe und Methode der Missionsapologetik" in AMZ 40, 1913, 337-347 und 399-408; gekürzt auch in Richters Habilitationsschrift: Weltmission und theologische Arbeit, Gütersloh 1913, 91-96.
(12) Richter, Begriff, 407.
(13) "Auseinandersetzung des Christentums mit den nichtchristlichen Religionen (Missionsapologetik)" in Richter, Evangelische Missionskunde, Leip-zig u. Erlangen 1920, 87-194. Anders als in seinen Veröffentlichungen haben in Richters Berliner Vorlesungen die anderen Religionen und die Auseinandersetzung mit ihnen immer eine wichtige Rolle gespielt, s. K.-W. Tröger, "Zur Geschichte des Spezialfaches Allgemeine Religionsgeschichte im Gebiet der DDR", in Mitteilungsblatt der DVRG, Mai 1990 (13-19), 16 f.
(14) Richter, Evangelische Missionskunde, 2., erweiterte und umgearbeitete Auflage, Leipzig 1927.
(15) C. Mirbt, Rezension von Richter, J., Evangelische Missionskunde, in ThLZ 1921, Sp. 237.
(16) Vgl. hierzu die Rezensionen der Missionskunde vom M. Schlunk in AMZ 1920, 141-148; K. Pieper in ZM 1922, 118f, sowie die insgesamt kritische Bilanz zu Richter bei W. Elliger 1960 (o. Anm. 3), 108.
(17) AEM 1, (1906) 21924; zur Apologetik Kap. VII, 523-552: "Im Kampf der Geister".
(18) AEM 2 (1908) 21930, zum Islam als Religion 44f.
(19) AEM 3, 1922.
(20) AEM 4, 1927.
(21) Vgl. bes. Richter, "Der Krieg und die Mission" in AMZ 41, 1914, 497-505, und ders., "Ein nationaler Einschlag im Missionsmotiv?" in AMZ 42, 1915, 299-310.
(22) Trebs, Geschichte (o. Anm. 4), 567.
(23) Trebs, 568.
(24) Zur Unterscheidung allgemeiner und spezieller Missionsgeschichte: AEM 1, 283. Ursprünglich wollte Richter der "allgemeinen" die "Spezialgeschichte der indischen Mission" folgen lassen.
(25) AEM 5, "Schluß", H. 2, 455-464.
(26) K. S. Latourette, A History of the Expansion of Christianity, 7 vols, (1937-1945), 1970 ed., Grand Rapids. Latourettes History hat Richters Geschichte als Klassiker und Arbeitsinstrument der Missionswissenschaft früh international und auch in Deutschland den Rang abgelaufen; nicht zu Unrecht insofern, als sie die konfessionelle wie auch die neuzeitliche Beschränkung Richters überwunden hat und insgesamt auch solider dokumentiert ist.
(27) AEM 5, H. 2, 564.
(28) 561f.
(29) Briefliche Mitteilung 25.1.1995 von Prof. Dr. W. Ustorf, Birmingham, der an einem Buch über die deutschen evangelischen Missionen 1933-1948 schreibt.
(30) Richter, In der Krisis der Weltmission, Gütersloh 1934, 32- 34.
(31) A.a.O., 38. f.
(32) A.a.O., 2. 24 f. 27 f.
(33) A. v. Harnack, "Die Aufgabe der theologischen Fakultäten und die allgemeine Religionsgeschichte" (1901), in ders., Reden und Aufsätze 2, Gießen 1904, 161-178, Zitat 168.
(34) S. "Der Neuplatonismus", Beigabe III in Harnack, Lehrbuch der Dogmengeschichte (abgekürzt: DG) (1886) 41909, Neudruck Darmstadt 1990, Bd. I, 808-826, sowie "Der Manichäismus", Beil. I, 513-527 und "Der Islam", Beil. III, 529-538 in Bd. II.
(35) Zur kirchengeschichtlichen Deutung vgl. K.-V. Selge, "Mission als Aspekt der Kirchengeschichte" in ZMiss 17, 1991, 167-174; zur missionswissenschaftlichen Aneignung W. Holsten, Das Kerygma und der Mensch. Einführung in die Religions- und Missionswissenschaft, München 1953, bes. 126-137.
(36) Mission und Ausbreitung 41924, Nachdruck Leipzig 1965, (künftig abgekürzt: MuA) Bd. 1, Kap. 4: "Jesus Christus, die Aussendung der Jünger und die Weltmission", 39-48. Zum Protest gegen Harnacks These vgl. G. Warneck, "Jesus Christus und die Weltmission nach den Evangelien", in AMZ 1903, 57-67.
(37) Die Frontstellung wurde dadurch noch verwickelter, daß zur gleichen Zeit M. Kähler in Halle "evangelische Mission" in schärfstmöglichen Gegensatz zu "katholischer Propaganda" setzte; s. Kähler, "Die Mission ­ ist sie ein unentbehrlicher Zug am Christentum" in ders., Schriften zur Christologie und Mission, hg. v. H. Frohnes, München 1971, (105-255), 108-116. Kähler zitiert Harnack nicht, nimmt aber erkennbar auf dessen Fragestellung "Mission und Ausbreitung" Bezug.
(38) MuA 2, 958: "Das ganze vorconstantinische Zeitalter ist deshalb die embryonale Epoche der Kirche. Erst durch Constantin ist sie zur Welt geboren."
(39) MuA 1, 111-331.
(40) Schlußbetrachtung zum 2. Buch: "Die volle Ausgestaltung des Christentums als synkretistische Religion", 324-331. Die DG von 1886 hatte diesen Begriff noch nicht. Das Register verweist unter "Synkretismus" auf "Religion" und "Gnosticismus", DG III, 953.
(41) A. Feldtkeller, "Der Synkretismusbegriff im Rahmen einer Theorie von Verhältnisbestimmungen zwischen Religionen" in EvTh 52, 1992, (224-245), 227-229.
(42) MuA 1, 331.
(43) S. hierzu die Schlußbetrachtung des 3. Buchs: "Motive und Gegenmotive für die Annahme der christlichen Religion", MuA 1, (526-528), 528. Die Christenverfolgungen des 2. und 3. Jh.s handelt Harnack unter den "Gegenwirkungen" relativ kurz ab: 500-513.
(44) MuA 1, 528.
(44a) MuA 1, 524.
(45) DG I, 349.
(46) DG III, 332 f.
(47) DG III, 337-339.
(48) DG I,20. Der Satz folgt unmittelbar auf den klassischen und vielzitierten über das Dogma als ein "Werk des griechischen Geistes auf dem Boden des Evangeliums".
(49) DG III, 239.
(50) DG III, 424.
(51) MuA 1, 40.
(52) Harnack, "Grundsätze der evangelisch-protestantischen Mission", Vortrag auf der Generalversammlung des Allgemeinen Evangelisch-protestantischen Missionsvereins am 26.9.1900 in Hamburg, in Reden und Aufsätze 2, Gießen 1904, 107-128.
(53) Grundsätze, 110-116.
(54) Vgl. E. Troeltsch, "Die Mission in der modernen Welt" (1906), in ders., Gesammelte Schriften II, Tübingen 1913, 779-804, und ders., "Missionsmotiv, Missionsaufgabe und neuzeitliches Humanitätschristentum" in ZMR 22, 1907, 129-139 und 161-166. Vgl. dazu auch die letzten, schon nahezu "pluralistischen" Äußerungen des späten, Berliner Troeltsch in "Die Stellung des Christentums unter den Weltreligionen" in ders., Der Historismus und seine Überwindung, Berlin 1924, 62-83. ­ C.- J. Kaltenborn weist mich darauf hin, daß bei Harnack sein Verhältnis zu den anderen Religionen, analog seinem Verhältnis zur Ökumene der christlichen Kirchen, von seinen spätesten Äußerungen her zu deuten wäre: nach MuA gibt es bei Harnack keine zusammenhängenden Auslassungen über Mission und Religionen mehr; freilich auch keine Retraktationen wie beim späten Troeltsch. So bleibt als letzte Aussage die erst in der 4. Auflage 1924 hinzugefügte knappe "Einleitung" zu MuA, 1- 3, zu interpretieren, welche die "christliche" scharf von der "weltgeschichtlichen" Betrachtung unterscheidet und "Weltreligion" wesentlich vom römischen "Weltstaat" her deutet, also wenigstens methodisch auch relativiert.
(55) Grundsätze, 110 f.
(56) A.a.O., 116-119.
(57) A.a.O., 115. 119.
(58) A.a.O., 114. 126.
(59) A.a.O., 114.
(60) J. Richter, "Vier deutsche Missionstheologen des 18. Jahrhunderts", in: Festgabe von Fachgenossen und Freunden A. v. Harnack zum 70. Geburtstag dargebracht, Tübingen 1921, 243-262.
(61) Vgl. besonders aus Gambia L. Sanneh, Translating the Message. The Missionary Impact in Culture, New York 1992, und aus Ghana K. Bediako, Theology and Identity. The impact of culture upon Christian thought in the second century and modern Africa, Oxford 1992.
(62) Aurelius Augustinus, De civitate Dei IV, 4; dazu Harnack, DG III, 152.
(63) Harnack, Grundsätze (o. Anm. 52),114f.
(64) Eine Ahnung davon ist an der Berliner Universität in den dreißiger bis fünfziger Jahren freilich weniger bei den Theologen am Werke gewesen als bei der Afrikanistik, wie sie von zwei heimgekehrten Missionaren, D. Westermann und E. Dammann, eingerichtet und betrieben wurde; vgl. dazu: Afrika-Institut der HUB, Zur Geschichte der Afrikanistik an der Berliner Universität/Humboldt-Universität, Berliner afrikanistische Arbeitsblätter, H. 2, 1993.
(65) Der Vergleichspunkt zu Berlin wäre hier die Theologische Fakultät in Halle, an welcher G. Warneck als Missionswissenschaftler und M. Kähler als Systematiker jahrzehntelang einander gegenseitig theologisch forderten; vgl. hierzu M. Kähler, "Gustav Warnecks Sendung" (1911) in ders., Schriften zur Christologie und Mission (o. Anm. 37), 264-291.
(66) K. Barth, "Die Theologie und die Mission in der Gegenwart" in ders., Theologische Fragen und Antworten (GV Bd. III), Zürich 1957, 100-126. 67) Vgl. dazu H. Balz, "Berliner Missionstheologie und Karl Barth: Aneignung und Widerspruch", in G. Besier und C. Gestrich (Hgg.), 450 Jahre Evangelische Theologie in Berlin, Göttingen 1989, 419-437; dort auch der Nachweis der Barth-Zitate.
(68) Zu W. v. Humboldts römischen Jahren und ihrer Bedeutung für seine spätere Sprachphilosophie s. T. Borsche, Wilhelm von Humboldt, München 1990, 138-140, mit Zitaten aus Humboldts selbst verfaßtem Lebenslauf von 1828.
(69) W. v. Humboldt, Schriften zur Sprachphilosophie, Werke Bd. III, Darmstadt 1963, 170f und 186-189.