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Ausgabe:

Januar/1997

Spalte:

50 f

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Cusa, Nicolai de

Titel/Untertitel:

Opera Omnia. XVIII, Sermones III (1452–1455). Fasciculus I: Sermones CXXII–CXL. Hrsg. von Haubst, Rudolf, u. Heinrich Pauli.

Verlag:

Hamburg: Meiner 1995. 91 S. Kart. DM 98,­. ISBN 3-7873-1204-8.

Rezensent:

Karl-Hermann Kandler

Gleich, nachdem Nikolaus von Kues (= NvK) als Fürstbischof in seiner Diözese Brixen eingetroffen war, begann er zu predigen. Aus seiner Brixener Zeit sind 167, z. T. sehr umfangreiche Predigtentwürfe erhalten, mehr als die Hälfte aller von ihm überlieferten. Daß ein Bischof dieser seiner pastoral-episcopalen Aufgabe so entschlossen nachkam, war zu seiner Zeit einmalig!

Bevor die Edition des zweiten Predigtbandes abgeschlossen ist, beginnt das Trierer Institut für Cusanus-Forschung mit der Herausgabe des dritten Bandes, diese wichtige Quelle cusanischen Gedankengutes zu erschließen. Sicher, es sind nicht völlig neue, uns bisher unbekannte Gedanken, die sich in diesen Predigten widerspiegeln, aber das Bild, das wir von NvK gewinnen, wird facettenreicher. Er tritt uns als Theologe immer plastischer vor Augen.

Manche Predigtentwürfe sind ausgearbeitet (wurden sie auch so gehalten?), manche nur skizziert, in einem Fall liegt nur eine kurze Notiz vor. In der ersten hier vorgelegten Predigt (CXXII), gehalten am Karfreitag 1452, verdeutlicht NvK: In Christus ist die Wahrheit überhaupt sichtbar geworden. Sie ist keine andere als die Wahrheit über den Menschen (veritas hominis). Christus weicht der äußersten Bewährungsprobe eines Lebens in dieser Wahrheit nicht aus. Weil er zugleich Gott und Mensch ist, ist er der einzige real mögliche und wirkliche Inbegriff des Menschlichen, er verwirklicht wahres Menschsein in der imago Dei: "Christi Passion ist Zeugnis des Übergangs aus der Welt zum Vater... vom Sterblichen zum Unsterblichen... vom Sinnhaften zum Vernunfthaften durch den Sieg über das Sinnhafte dieser Welt und durch den Aufstieg zur dauerhaften Wahrheit der vernunfthaften Welt oder des Himmels."

In der Predigt CXXVI über Mt 16,18, früher oft zu Unrecht als "Papstpredigt" bezeichnet, variiert NvK das Thema: Die "höchste Theologie" von Christus als dem Eckstein (der Kirche); sie ist also letztlich christozentrisch. Wichtig ist NvK der Gedanke, daß Petrus der erste Bekenner der Gottessohnschaft Jesu ist: Nicht Petrus als Person, sondern sein Christusbekenntnis ist Fundament der Kirche. Darum: "Siehe, wie wunderbar ist dieser Theologe, der uns jene Tugenden des Steins, welcher Christus ist, darlegt." Im Namen Petrus sieht er den persönlichen Siegestitel des glaubenden Petrus: "...weil er das bekennt, was weder Fleisch noch Blut offenbaren können, siegte Simon und wurde Petrus."

In den CXXVIII-CXXX entfaltet NvK eine "Lichtmetaphysik": Christus ist das "lumen nobilissimum", er vollendet die menschliche Natur; "beendet die Finsternis und ist Vernunft... In Christus ist jenes vernunfthafte Licht der Wahrheit und der ewigen Vernunft geeint, so wie die Allmacht in sich selbst ruht." Dieses Licht ist Gesetz, d. h. Liebe (",Lex lux’ est. Lex enim ostendit, quid agendum, et sic illuminat. Et quia ’Deus est caritas’, qui est et lux, ’lex Dei est lux’, quae est et caritas seu lux"). Hier greift NvK auf Gedanken Meister Eckharts zurück, den er ausdrücklich erwähnt. Vom Satz "Das Wort war bei Gott" erschließt er aus "apud" die Gleichheit (aequalitas) des Sohnes mit dem Vater, er geht aus ihm hervor und ist darum "alius in persona, non aliud in natura". Diese "Lichtmetaphysik" setzt schon in der Petruspredigt (CXXVI) ein: "Wenn Gott zu ehren ist, weil er Schöpfer ist, ist Christus zu ehren, weil durch ihn alles geschaffen ist; wenn der Mensch zu ehren ist, weil sich in ihm die göttlichen Werke widerspiegeln (relucere), ist Christus am meisten zu ehren, weil sie sich in ihm am meisten widerspiegeln."

Der dreigeteilte Apparat (Textvarianten, Zitatnachweise, Hinweise auf cusanisches Schrifttum) wurde, wie immer, sorgfältig erarbeitet. Nicht immer einsichtig ist, warum cusanisches Schrifttum in den einen und nicht in den anderen Apparat verwiesen wird. Die Opera omnia sollen bis 2002 fertig vorliegen. Bis dahin bleibt nicht viel Zeit. Der Rez. wünscht darum allen, die an der Edition arbeiten, einen guten Fortgang der Arbeit.

Das Faszikel ist dem Andenken von R. Haubst gewidmet, der die Predigtedition begründet hat. Seine Mitarbeiter vollenden in seinem Sinn das begonnene Werk.