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Ausgabe:

Januar/2003

Spalte:

115–121

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Haendler, Gert

Titel/Untertitel:

Neue Arbeitsbedingungen für die altlateinische Bibelübersetzung "Vetus Latina" seit dem Jahre 2001.

1. Zur Geschichte der Erforschung der "Vetus Latina"

Die wissenschaftlichen Bemühungen um die ältesten lateinischen Bibelübersetzungen reichen weit zurück: Vor 261 Jahren starb 1742 Petrus Sabatier, ein Jahr danach erschien sein dreibändiges Werk "Bibliorum Sacrorum Latinae Versiones antiquae sei Vetus Italica". Eine neue Bearbeitung seines Werkes versuchte Joseph Denk, dessen Bemühungen jedoch dem Beginn des ersten Weltkrieges zum Opfer fielen. Einige weiterführende Arbeiten seien genannt: Hans von Soden hatte 1909 das lateinische Neue Testament in Afrika zur Zeit Cyprians vorgelegt. 1939 konnte D. De Bruyne den altlateinischen Text der Makkabäerbücher abschließen. A. Jülicher, W. Matzkow und K. Aland brachten die vier Evangelien heraus: 1938 das Matthäus-Evangelium, 1940 das Markus-Evangelium, 1954 das Lukas-Evangelium und 1963 das Johannes-Evangelium.

Nach dem Ende des zweiten Weltkrieges begann die Arbeit im Kloster Beuron unter der Leitung von P. Bonifatius Fischer in umfassender Weise. Natürlich stand dieses Werk von Anfang an auch vor finanziellen Problemen. Im Jahre 1951 wurde die Vetus-Latina-Stiftung gegründet. Der 26. Arbeitsbericht 1982 berichtete im Rückblick auf 30 Jahre dieser Stiftung von einem Besuch des Verlegers Dr. Theophil Herder-Dorneich 1950 in Beuron, der danach in einem Brief an den Erzabt des Klosters schrieb: "Ihnen möchte ich sagen, daß ich gerne einen Weg suchen würde, diese gewaltige Edition in die Wege zu leiten. Falls das Kloster sich entschließt, hierfür eine besondere Stiftung zu begründen, so würde der Herdersche Verlag bereit sein, einen Anfangsbetrag zum Aufbau dieser Stiftung zur Verfügung zu stellen, um die Edition in Gang zu bringen. Ich hoffe dabei zuversichtlich, daß später, wenn erst einmal die ersten Editionen vorliegen, es unschwer möglich sein sollte, weitere Hilfe zu gewinnen" (10).

Diese Hoffnungen haben sich bis heute erfüllt und immer wieder neue Dimensionen angenommen. Im Jahre 1981 schilderte der 25. Arbeitsbericht einen Besuch der Deutschen Forschungsgemeinschaft, die das Unternehmen Vetus Latina zeitweise unterstützt hatte. Der Erzabt sprach von den sachlichen und finanziellen Voraussetzungen. In dem Zusammenhang verwies er "auf den Beitrag der Erzabtei durch Bereitstellung der Räume und Materialien, von Mitarbeitern und der Dienste der von ihm selbst über Jahrzehnte hin geführten Bibliothek, die zu den größten in der Bundesrepublik in privater Hand gehört. Er hob vor allem auch die Förderung der Arbeiten durch die Stiftung und die sie stützenden Persönlichkeiten und durch die Kirchen hervor" (12).

Das Jahr 1984 brachte eine positive Wendung. Der 28. Arbeitsbericht 1984 teilte zunächst mit, dass die Deutsche Forschungsgemeinschaft satzungsgemäß nur solche Forschungsvorhaben unterstützen könne, die kurzfristig abgewickelt werden. Für das langfristig angelegte Unternehmen Vetus Latina wurde nun eine andere Lösung gefunden: Der Präsident der Heidelberger Akademie der Wissenschaften und der Erzabt von Beuron unterschrieben einen Vertrag. "Dem Wunsch der Akademie entsprechend tragen die Veröffentlichungen des Vetus Latina Instituts künftig den zusätzlichen Vermerk in Verbindung mit der Heidelberger Akademie der Wissenschaften" (88).

Dasselbe Berichtsheft hielt später dazu fest: "Am 1. Januar 1984 erfolgte die Einbeziehung des Instituts in das Forschungsprogramm der Heidelberger Akademie der Wissenschaften. Für die unkomplizierte und schnelle Verwirklichung dieser Umstrukturierung und seiner Förderung dankt das Institut allen Beteiligten, insbesondere der Akademie und der Landesregierung von Baden-Württemberg" (26). Dieses Abkommen galt bis zum Ende des Jahrtausends. Es war also gerade auch jene Zeit, in der Hermann Josef Frede (1998) die Arbeit des Instituts geprägt hat. Mit Wirkung vom 31.12.2000 hatte sich die Heidelberger Akademie der Wissenschaften aus der Förderung des Forschungsprojekts Vetus Latina zurückgezogen. Der 44. Arbeitsbericht 2000 hatte dazu bemerkt: "Das Institut geht damit organisatorisch neuen Zeiten entgegen" (8). Die ThLZ 126, 2001, 1056 hatte berichtet. Die Akademie schätzt das ehrwürdige Unternehmen und will auch weiterhin in enger Verbindung bleiben. Im Vetus-Latina-Institut Beuron freilich musste man empfindliche Einschränkungen hinnehmen und die Arbeit auf einer neuen Basis organisieren.

Der 45. Arbeitsbericht für das abgelaufene Jahr 20011 bewertet diesen an sich bedauerlichen Vorgang positiv und formuliert: "Die im zurückliegenden Jahr in Angriff genommene Neustrukturierung der wissenschaftlichen Arbeit trägt bereits erste Früchte: Die projekbezogene Zusammenarbeit mit qualifizierten Wissenschaftlern auf der Basis freier Vereinbarungen anstelle fester Arbeitsverhältnisse hat sich bewährt. Wie der von Gryson vorgestellte Überblick zeigte, läßt sich so in personeller wie auch wirtschaftlicher Hinsicht die jeweils optimale Lösung finden. Hierin gründet die Zuversicht, daß der eingeschlagene Weg auch weiterhin eine gute Richtung nehmen wird" (8).

2. Zur Planung weiterer alttestamentlicher Bände

Neu in Angriff genommen wurde das Buch Ruth, dessen altlateinische Überlieferung von Bonifatia Gesche (Mariendonk) erarbeitet werden soll, die 1998 in Heidelberg promoviert hat. Das Buch Ruth soll als Band 4/5 erscheinen. Vorarbeiten am Buch Ruth reichen bis in das Frühjahr 1914 zurück. Damals hatte Josef Denk einen "neuen Sabatier" angekündigt und ein Probeheft herausgebracht, das u. a. 85 Verse aus dem Buch Ruth enthielt. Denk meinte damals, die gesamte Arbeit schon in den Jahren 1915/16 zum Abschluss bringen zu können. Der 1. Weltkrieg hat die Ausführung des Plans verhindert. Frau Dr. Gesche urteilt mit gutem Grund sehr kritisch: "Das Scheitern dieses Vorhabens - darüber ist sich die Fachwelt seitdem einig - ist indes nicht zu bedauern". Von heutiger Sicht her liegt es klar vor Augen, "daß das Programm Denks aus dem Jahre 1914 noch völlig unausgereift war. Inzwischen bezeugen der Umfang der Edition und die textkritischen Anforderungen, die man heute an ein solches Unternehmen stellt, den großen Fortschritt der biblischen und philologischen Studien seit der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts" (9).

Als Band 7/1 soll das Buch Tobit herauskommen. Die Arbeit liegt in den Händen von Jean-Marie Auwers (Louvain-la-Neuve). Das Buch Tobit steht in der Lutherbibel unter den Apokryphen, also jenen Büchern, die "der heiligen Schrift nicht gleich gehalten, und doch nützlich und gut zu lesen sind". Luther selbst hatte freilich gerade das Buch Tobit als "eine wahrhaft schöne, heilsame und nützliche Dichtung" bezeichnet. Die Textgrundlage des Buches Tobit ist jedoch ziemlich vielfältig schon hinsichtlich der aramäischen und griechischen Fassungen. Umso größere Bedeutung könnte daher den altlateinischen Übersetzungen zukommen.

Einige Einzelheiten seien genannt: Zahlreiche Zitate bei Cyprian beweisen das hohe Alter dieses Textes, - freilich "einschließlich seiner Verderbnisse" (Arbeitsbericht, S. 11). Es werden zahlreiche Gründe angeführt für "die Hypothese, daß eine einzige Übersetzung am Ursprung der altlateinischen Tradition des Buches Tobit steht" (12). Ein Termin für die erste Lieferung wird zwar nicht genannt, doch erwecken die umfangreichen Detailuntersuchungen den Eindruck, dass jedenfalls die Vorarbeiten schon recht weit vorangeschritten sind.

Das Buch Esther ist als Band 7/3 eingeplant. Jean-Claude Haewelick (Louvain-la-Neuve) hatte schon vor längerer Zeit mit der Arbeit begonnen. Auch bei diesem Text scheinen die Vorarbeiten schon recht weit gediehen zu sein: Die Schemata wurden im Laufe des Jahres erstellt. Fünf Hauptzeilen sind geplant, dazu kommt der Text der Vulgata des Hieronymus sowie gelegentlich noch eine weitere, mit A bezeichnete Zeile: Augustinzitate "erlauben es in der Tat, einen Texttyp A ausfindig zu machen. Er steht am Anfang des Textschemas, unmittelbar unter den beiden griechischen Textzeichen, der so genannten lukanischen und der hexaplarischen Textform" (18).

Die auch bei anderen Texten schon aufgetretenen Probleme der griechischen Vorlage treten auch beim Buch Esther wieder in Erscheinung. Ein Termin für die erste Lieferung wird leider nicht genannt, doch scheint die Darbietung des Textes grundsätzlich gesichert zu sein. Ausgesprochen hoffnungsvoll klingt der Schlusssatz im Berichtsheft, der daher wörtlich wiedergegeben werden soll: "Der Herausgeber hat gegenwärtig mit der Endredaktion der Einleitung begonnen" (20).

3. Zur Fortsetzung bereits begonnener Bände des Alten Testaments

Die erste Lieferung des Buches Judith (Band 7/2) von Pierre-Maurice Bogaert (Maredsous/Louvain-la-Neuve) liegt vor.2 In französischer Sprache berichtet er über seine Bemühungen um das Buch Judith, die über 35 Jahre bis in das Jahr 1967 zurückgehen. Zumal in der Abtei Maredsous hatte er gute Voraussetzungen gefunden: "un terreau tout préparé et une bibliothèque riche en la matière". Erfreulich war die Zusammenarbeit mit Emeritus Robert Hanhart, "qui est l'éditeur dans la Septuaginta de Göttingen des Plusierus livres pour lequels la Vetus Latina est d'une importance majeure, et particuliérement de Judith" (Avant-propos, 6).

Die vorliegende erste Lieferung von 80 Seiten bringt nur die Introduction. Das Beuroner Berichtsheft sagt dazu, die Einleitung hätte "noch viel länger ausfallen können" (15). Sie konnte jedoch begrenzt bleiben, weil fast alle für das Buch Judith benutzten Handschriften erst kürzlich von Roger Gryson in seinem Repertorium "Altlateinische Handschriften" vorgestellt worden waren (vgl. den Bericht in ThLZ 125, 2000, 1216 f.). Freilich sind Zitate von Kirchenvätern nach dem Beuroner Berichtsheft "nicht zahlreich und meistens recht allgemein" (16).

Die Datierung scheint klar zu sein: "Zwischen 400 und 450 ist die lateinische Textgeschichte des Buches Judith (Vetus Latina oder Vulgata) abgeschlossen" (17). Die Texte breiteten sich nach Spanien und nach dem Norden aus, sie sind auch in liturgischen Zusammenhängen zu finden, ein westgotischer Überlieferungsstrom könnte vorgelegen haben. Entscheidend ist folgende Verheißung: "P.-M. Bogaert hofft, mit Hilfe seines Mitbruders Ignace Baise ohne großen Verzug den zweiten Faszikel vorlegen zu können, in dem die Textedition beginnt" (18).

Vom Canticum canticorum (Band 10/3) ist die erste Lieferung 1992 erschienen. Die Herausgeberin Eva Schulz-Flügel informiert im Berichtsheft über den sonst unbekannten Schriftsteller Apponius, der nur von seinem Hohelied-Kommentar her fassbar ist. Die Datierung dieses Kommentars ist freilich umstritten. Es überwog bisher eine Frühdatierung in die Jahre 420-430, die aber zuletzt angezweifelt worden war. Schulz-Flügel vermag nun diese Frühdatierung mit überzeugenden Argumenten zu widerlegen: Der Kommentar des Apponius benutzt ältere Kommentare zum Hohenlied und "vereinigt Elemente aus den Werken seiner Vorgänger wie in einem Sammelbecken" (22). Die Datierung wird auf die Jahre zwischen 600 und 720/30 eingegrenzt, denn Apponius hat einerseits Gregor d. Gr. benutzt, andererseits wurde er von Beda zitiert.

Ferner geht Frau Schulz-Flügel auf Epiphanius Scholasticus näher ein. Dieser Epiphanius hat die Auslegung des Philo von Karpasia übersetzt; Philo gilt als Zeuge für die hexaplarische Rezension des Hieronymus. Es bleiben manche offene Fragen. "Sicher ist dagegen, daß Epiphanius den Lemmatext nicht aus dem Griechischen übersetzte, sondern sich einer vorhandenen lateinischen Version bediente" (23). Vermutlich hat Epiphanius kurz vor 600 in der Bibliothek des Cassiodor einen Canticum-Text vorgefunden, "der auf einer altlateinischen Schicht basierte, jedoch teilweise mit der hexaplarischen Rezension des Hieronymus überarbeitet war" (23). Diese vielen detaillierten Unter- suchungen der Bearbeiterin zum Hohenlied, die auch schon in den letzten Beuroner Berichtsheften zu lesen waren, legen den Schluss nahe, dass die Zeit jetzt reif ist für die Vorlage der ersten Textlieferungen des Hohen Liedes.

Walter Thiele, der Senior des Instituts in Beuron, legt die 8. Lieferung des Buches Sirach (Ecclesiasticus) vor, die von Sir 20,1 bis 23,6 reicht.3 Thiele arbeitet seit 50 Jahren im Vetus-Latina-Institut Beuron, - sicher ein ganz seltenes Jubiläum in einem Beruf, der neben spezialisierter Sachkenntnis ein hohes Maß an Beständigkeit und Treue erfordert. Thiele selbst dankt seinen Kollegen: Herbert Stanjek hatte "die durch die Fülle der ständig wechselnden Worte und Zeichen aus mehreren Sprachen und Systemen sowie die Gliederung in verschiedene Apparate mit ihrer gegenseitigen Zuordnung ganz besonders anspruchsvolle und schwierige Umsetzung des Manuskripts durch den Computer in der Hand" (24).

Kurz danach bedankt sich Thiele für alle "Hilfe und Beratung, die er durch den Austausch mit den Mitarbeitern im Institut empfängt, in erster Linie von Eva Schulz-Flügel". Gerade angesichts der aus finanziellen Gründen erzwungenen zunehmenden Ausgliederung vieler Arbeiten aus Beuron sollen diese Worte hier festgehalten werden. Thiele gehört zu den wenigen Mitarbeitern, die ganz konkret auch schon auf die kommende 9. Lieferung vorausblicken, die u. a. das lange Kapitel 24 mit dem Lob der Weisheit (Sapientiae Laus) bringen soll (26).

4. Planungen zum Johannesevangelium und zur Apostelgeschichte

Das 45. Beuroner Berichtsheft informiert erstmals über zwei weiterreichende Pläne für das Neue Testament: Die altlateinischen Texte des Johannesevangeliums und der Apostelgeschichte sollen als Band 19 und 20 vorbereitet werden. Für die Apostelgeschichte gibt es bereits eine feste Absprache:

"Dank der Finanzierung eines amerikanischen Mäzens kam man überein, daß sich Privatdozent Dr. Wilhelm Blümer, der schon seit 1987 verschiedene Funktionen im INTF zu Münster wahrgenommen hat, die nächsten zwei Jahre dem Studium der lateinischen Überlieferung der Apostelgeschichte, der direkten wie der indirekten, widmen wird. Konkret heißt das, in diesem Zeitraum für die ersten sechs Kapitel der Apostelgeschichte die Handschriften zu kollationieren und gleichzeitig die patristischen Texte aufzubereiten" (27).

Für das Johannesevangelium plant man eine ähnliche Zusammenarbeit mit dem International New Testament Project (unter der Leitung von Parker, Birmingham). Freilich ist man hier noch nicht so weit: Es gibt noch keinen Namen für den Bearbeiter. Vermutlich wird auch hier wieder die finanzielle Frage eine ganz zentrale Rolle spielen. Es ist aber sehr zu begrüßen, dass solche weitreichenden Pläne geschmiedet werden, auch wenn die Realisierung sich als schwierig erweisen könnte.

5. Fragen zur Fortsetzung der Arbeiten an paulinischen Briefen

In früheren Berichtsheften war über die Arbeit am Römerbrief und am 1. Korintherbrief berichtet worden. Das 45. Berichtsheft bringt dazu leider keine Ausführungen. In der klein gedruckten Übersicht auf S. 40 findet man zum Römerbrief die Information, dass nach der 1. Lieferung 1996 von Hugo S. Eymann eine 2. Lieferung vorbereitet werde, die die Einleitung abschließen und mit dem Text von Röm 1 beginnen solle. Ein Termin wird freilich nicht genannt. In anderem Zusammenhang liest man, dass Hugo S. Eymann mit einem Eutropiusband bei der Reihe Fontes Christiani eingeplant ist. Es sieht so aus, dass man sich wohl leider auf eine längere Pause beim Erscheinen der nächsten Lieferungen wird einstellen müssen, - auch wenn das 45. Berichtsheft dies nicht expressis verbis mitteilt.

Noch problematischer scheint es mit dem 1. Korintherbrief zu stehen. Uwe Fröhlich hatte drei Lieferungen 1995, 1996 und 1998 vorgelegt, die freilich nur die Einleitung boten und noch gar nicht an den Text herangekommen waren. Immerhin hatte Fröhlich 1998 im 42. Berichtsheft recht klare Ergebnisse vorgelegt, die Texte von Novatian bis zu Sedulius Scottus umfassen. Das 45. Berichtsheft 2001 sagt kein Wort über den Fortgang dieser hoffnungsvollen Arbeit. Selbst die zeitlich ganz unverbindlichen Wort "In Vorbereitung" fehlen. Angesichts dieser Lücke drängen sich einige Fragen auf: Musste Fröhlich aus finanziellen Gründen - der Heidelberger Sparpolitik - seine Arbeit in Beuron einstellen? Soll diese Arbeit auf unbestimmte Zeit liegen bleiben? Es wäre schön, wenn am Ende des Jahres 2002 das 46. Berichtsheft eine bessere Lösung mitteilen könnte.

6. Arbeiten rings um die Apokalypse

Am Ende des Jahres 2001 erschien noch der dritte Faszikel in der von Roger Gryson betreuten Vetus-Latina-Ausgabe der Apokalypse.4 Er bringt den Abschnitt apc 2,7 bis 4,1 - also die letzten sechs Briefe an die Gemeinden in Asien. Dieser Abschnitt hat "bei den Vätern - wahrscheinlich wegen seines moralisierenden Charakters - mehr Aufmerksamkeit als die übrigen Kapitel gefunden" (28). Deutlich zeichnen sich zwei altlateinische Texttypen ab: Der Text des Nordafrikaners Tyconius (S) und ein in Italien und Europa geläufiger Text (I). Der Name des Herausgebers Gryson, der als seine Arbeitsorte Beuron und Louvain-la-Neuve angibt, bürgt dafür, dass diese Edition planmäßig weitergeführt werden wird und mit neuen Lieferungen kontinuierlich zu rechnen ist.

Der angekündigte Kommentar Bedas zur Apokalypse ist erschienen, jedoch nicht wie geplant in der Beuroner Reihe "Aus der Geschichte der lateinischen Bibel" sondern im Corpus Christianorum, Series Latina, wo er ja auch in den Rahmen der anderen Schriften Bedas primär hineingehört. Dankenswerterweise gibt Gryson im 45. Beuroner Berichtsheft wichtige Informationen: Es wurden 113 direkte Zeugen ausgemacht, von denen 84 den vollständigen Text enthalten. Die handschriftliche Überlieferung jenes Kommentars ist "die bei weitem reichhaltigste unter allen Apokalypsenkommentaren in präkarolingischer Zeit" (29). Aber es muss unmittelbar danach auch mitgeteilt werden: "Außer zwei kurzen Fragmenten, deren insulare Herkunft jedoch unsicher ist, hat kein englischer Zeuge aus dem achten und neunten Jahrhundert überlebt" (29).

Gryson kommt auch zu allgemeineren Feststellungen, die Beachtung verdienen: Bei lateinischen Fehlern zögern die Herausgeber meist, sie Beda zuzuschreiben. Wenn sie aber schon von vornherein davon ausgehen, "daß Beda ein perfektes Latein geschrieben hat, so ist es aussichtslos, daß seine sprachlichen Besonderheiten jemals zum Vorschein kommen. Andererseits unterlagen nicht weniger als wir auch die Alten dem Irrtum ... Wenn man systematisch den Abschreibern alle Unvollkommenheit zuschreibt, die den Text verunstaltet, ist es wahrscheinlich, daß man nicht das herausgibt, was die Autoren geschrieben haben, sondern das, was sie hätten schreiben müssen, wenn sie unfehlbar gewesen wären" (31).

Die schon früher angekündigten Arbeiten an anderen Kommentaren zur Apokalypse bleiben auf dem Programm: "Kommentare des Aspringius, Cassiodor und Pseudo-Hieronymus sowie jener Sektion im Bibelwerk, die der Apokalypse gewidmet ist" (34). Auch ein "um das Jahr 1000 entstandener anonymer Kommentar (Cambridge, University Dd X. 16 fol. 58R-104V. Stegmüller 8933), dessen Edition von Guy Lobrichon vorbereitet wird, verdient unsere Aufmerksamkeit hinsichtlich der benutzten Quellen; es ist zu klären, ob der Verfasser Tyconius noch direkt oder über das Bibelwerk kennt" (35). Die Übersicht über die Reihe "Aus der Geschichte der lateinischen Bibel" enthält jedoch über die bisher erschienen 36 Bände hinaus keine weitere Ankündigung eines neuen Bandes, - also auch keines weiteren Kommentars zur Apokalypse (44).

Zuletzt berichtet die Tübinger Stipendiatin Masako Hamanishi von ihrer Dissertation über die Trierer Apokalypse. Diese enthält den ältesten umfangreichen Bilderzyklus der Apokalypse und ist "in wesentlichen Bestandteilen unverändert aus einem verlorenen spätantiken Archetyp der Apokalypse-Zyklen übernommen worden" (35). "Bestimmte Bildelemente stehen in fester Beziehung zu bestimmten Wörtern bzw. Redewendungen innerhalb des Textes, und wenn diese Wörter bzw. Redewendungen mehrmals in einem Text vorkommen, dann werden sie auch jedes Mal ins Bild gesetzt" (36).

Man kann diesen letzten Hinweis im 45. Berichtsheft auf eine junge Japanerin als ein weiteres Zeichen dafür verstehen, dass die Arbeit am Vetus-Latina-Text sich immer mehr global ausweitet: Neben dem erwähnten amerikanischen Mäzen für die Apostelgeschichte könnte vielleicht eines Tages ein Geldgeber aus Japan auftauchen, der einen Stipendiaten für weitere Kapitel eines biblischen Buches bezahlt? Das Unternehmen Vetus Latina sieht klar die anstehenden Probleme und setzt sich nach Kräften für ihre Lösung ein. Mit den drei Lieferungen des Jahres 2001 darf man sehr zufrieden sein. Die vorgestellten, z. T. weitreichenden Pläne lassen hoffen.

Fussnoten:

1) Vetus Latina. Gemeinnützige Stiftung zur Förderung der Herausgabe einer vollständigen Sammlung aller erhaltenen Reste der altlateinischen Bibelübersetzungen aus Handschriften und Zitaten bei alten Schriftstellern. Sitz Beuron. 2001. 45. Arbeitsbericht der Stiftung. 34. Bericht des Instituts. Freiburg: Herder 2001. 44 S. 8.

2) Bogaert, Pierre-Maurice [Ed.]: Judith. Freiburg: Herder 2001. 80 S. 4 = Vetus Latina 7/2, Fasc. 1: Introduction. ¬ 64,00. ISBN 3-451-00281-7.

3) Vetus Latina. Die Reste der altlateinischen Bibel. Nach Petrus Sabatier neu gesammelt und hrsg. von der Erzabtei Beuron unter der Leitung von Roger Gryson. 11/2: Sirach (Ecclesiasticus). Hrsg. von W. Thiele. 8. Lfg.: Sir 20,1-23,6. Freiburg: Herder 2001. S. 561-640. 4. ISBN 3-451-00438-5.

4) Vetus Latina. Die Reste der altlateinischen Bibel. Nach Petrus Sabatier neu gesammelt und hrsg. von der Erzabtei Beuron. 26/2: Apocalypsis Johannis. Hrsg. von R. Gryson. 3. Lfg.: Apc 2,7-4,1. Freiburg: Herder 2001. S. 161-240. 4. Kart. ¬ 64,00. ISBN 3-451-00203-5.