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Ausgabe:

Oktober/1999

Spalte:

1072–1078

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Heinrich Holze

Titel/Untertitel:

Neue Texteditionen in der Reihe Sources Chrétiennes

Aus der im Verlag Les Éditions du Cerf, Paris, erscheinenden Reihe Sources Chrétiennes sind eine Reihe neuer Texteditionen zur Geschichte der Alten Kirche, des frühen und des hohen Mittelalters anzuzeigen. Den Anfang bilden die Stromata des Klemens von Alexandrien1. Bisher liegen die Bücher 1 (SC 30), 2 (SC 38) und 5 (SC 278/279) vor (vgl. ThLZ 107, 1982, 485). Mit dem anzuzeigenden Band, der das 7. Buch der Stromata enthält, wird diese Editionsreihe fortgesetzt. Herausgeber ist Alain Le Boulluec, Inhaber des Lehrstuhls für Patristik und Dogmengeschichte an der École Pratique des Hautes Études (Sciences Religieuses), der u. a. eine wichtige Arbeit über das
Verständnis der Häresie bei den griechischen Kirchenvätern des 2. und 3. Jh.s (Paris 1985) veröffentlicht hat. In seiner Einführung erläutert er Aufbau, Thema und Gedankengang des 7. Buches. Durchgehendes Thema ist die Frage nach dem, wer oder was der Christ ist. Klemens beschreibt ihn unter dem Namen des Gnostikers, indem er zeigt, daß allein dieser der wahre Fromme ist und daß seine Lebensweise in jeder Hinsicht mit seiner Frömmigkeit übereinstimmt.

Das erklärte Ziel der Argumentation ist es, die griechischen Philosophen davon zu überzeugen, daß in der Frömmigkeit des christlichen Gnostikers in Wahrheit die Religion der Philosophen zur Vollendung gelangt ist. Literarische Anleihen bei Theophrastos, Porphyrios und Plutarch sowie Bezugnahmen auf Plato sind darum kein Zufall, sondern bieten das gedankliche Material, um die grundlegende Übereinstimmung zwischen dem christlichen und dem platonischen Gottesbegriff aufzuweisen und den Atheismusvorwurf der Philosophen zu widerlegen. Mit dieser Intention entfaltet Klemens eine Apologie der christlichen Frömmigkeit, in der die Hl. Schrift auf jeder Seite herangezogen wird, aber doch nicht als im Widerspruch zum griechischen Denken gesehen wird. Die ethische Reflexion, die die Stromateis durchzieht, kommt in der Zeichnung des Gnostikers, seiner inneren Schönheit, die aus der Beherrschung aller Tugenden gespeist wird und durch die Liebe zu Gott und den Nächsten erleuchtet wird, zur Vollendung. In seinem Leben, das mit dem der Engel verglichen wird, finden das unablässige Gebet und der geistliche Gottesdienst ihren vollkommenen Ausdruck. Darum erblickt Klemens im Gnostiker das irdische Bild der göttlichen Kraft. Hinsichtlich der Textedition orientiert sich die vorliegende Ausgabe an der kritischen Edition von O. Stählin und L. Früchtel (GCS 17, Berlin 1970). Diese bildet weitgehend, freilich nicht ohne Korrekturen, die Grundlage der vorliegenden Textfassung. Diese Veränderungen, an Zahl insgesamt etwa 100, ergeben sich aus der erneuten Durchsicht des Codex Laurentianus, dem durchgehend der Vorzug vor anderen Varianten gegeben wird. Auch der Apparat wird grundsätzlich aus GCS 17 übernommen, fällt aber deutlich kürzer aus und beschränkt sich auf die Textvarianten, die den vorhandenen Text wesentlich korrigieren. Querverbindungen zu den anderen Werken des Klemens sowie zu Werken der griechischen Philosophie werden, soweit sie signifikant sind, angeführt und kommentiert. Eine kurze Bibliographie rundet die Einführung ab.

Die folgenden beiden Quellen führen in die christologischen Auseinandersetzungen im ersten Drittel des 5. Jh.s und werfen aus verschiedenen Perspektiven darauf einen Blick. Zu nennen ist zunächst die Edition der 29 Osterfestbriefe Cyrills von Alexandrien2, von denen in den Sources Chrétiennes bereits die Bände SC 372 (vgl. ThLZ 117, 1992, 921/922) und SC 392 (vgl. ThLZ 119, 1994, 962) mit den Briefen I-VI bzw. VII-XI vorliegen. Die Edition wird mit dem vorliegenden Band weitergeführt. Der griechische Text der hier abgedruckten Briefe sowie der textkritische Apparat ist der kritischen Gesamtausgabe der Osterfestbriefe, die William H. Burns, Dozent an der Universität von Southampton, erstellt hat, entnommen.

Als Herausgeber zeichnen Marie-Odile Boulnois, Dozentin an der Universität von Nantes und hervorgetreten mit einer Arbeit über die trinitarische Theologie bei Cyrill von Alexandrien, und Bernard Meunier, Forschungsbeauftragter bei den Sources Chrétiennes und ebenfalls wissenschaftlich ausgewiesen durch eine Arbeit über das Verständnis der Person Christi bei Cyrill, verantwortlich. Beide haben die kommentierenden Einführungen zu den einzelnen Briefen, die französische Übersetzung und die Register verfaßt. In Aufnahme einer Tradition, die seine Vorgänger im alexandrinischen Patriarchenamt begründet haben, hat auch Cyrill nach Amtsantritt zu jedem Osterfest einen Brief geschrieben und darin das genaue Datum des Festtages mitgeteilt. Aus den Jahren 424 bis 429 datieren die hier vorzustellenden Festbriefe XII bis XVII. Die in ihnen verhandelten Themen sind zunächst von diesem Anlaß geprägt. Texte des Alten Testamentes, v.a. aus Exodus und Jesaja, werden nach dem moralischen und dem typologischen Schriftsinn auf das in Christus erschienene Heil ausgelegt. Außerdem wird die symbolische Bedeutung der Osterzeit in ihren verschiedenen Aspekten erläutert (v. a. Brief XV/XVI).

Geschichtlich bedeutsam sind die genannten Briefe aber weniger aus diesem Grund, sondern weil sie in einer entscheidenden Umbruchsphase im Leben und Wirken Cyrills zu stehen kommen - einer theologischen Wende, die ihn von der trinitarischen zur christologischen Frage führt. Im ersten Abschnitt dieser Phase, der von 424 bis 428 reicht, sind die Briefe Cyrills noch von dem arianischen Streit und seinen Nachwirkungen geprägt. Es handelt sich um die Zeit, in der er den Thesaurus de sancta trinitate, die Dialoge über die Trinität (SC 231, 237, 246) und den Kommentar über das Evangelium des Johannes geschrieben hat. Auch in seinen Briefen geht der alexandrinische Bischof ausführlich auf die trinitarische Thematik ein: Die Wesenseinheit von Vater und Sohn (Brief XII); die Inkarnation im Rahmen der göttlichen Heilsgeschichte (Brief XIII-XVI); die Gleichzeitigkeit von göttlicher Herkunft und wirklicher Menschwerdung (Brief XIII/XV); die Gemeinschaft der Christen mit Christus (Brief XIV). In der zweiten Periode, die an der Jahreswende 428/29 einsetzt, schiebt sich mit der nestorianischen Frage eine neue Themenstellung in den Vorder-grund. Der Osterfestbrief XVII aus dem Jahre 429 ist eines der ersten Dokumente, das gegen Nestorius geschrieben wurde und darum eine überragende Bedeutung hat. Die Themen, die hier anklingen, wird Cyrill wenig später ausführlich in den christologischen Dialogen De recta fide und Quod unus sit Christus erörtern (SC 97). Auch wenn in dem Brief der Name des Nestorius nicht fällt, ist die Argumentation von seinen Themen bestimmt. Cyrill betont die Einheit von Wort und Fleisch; er
stellt fest, daß es Gott ist, der im Fleisch geboren wird, daß in Christus Gott im Menschen Gestalt gewinnt und daß darum Maria die Mutter Gottes (Theotokos) und nicht, wie Nestorius behauptet, die Mutter Christi ist (Christotokos). Die Herausgeber erschließen das christologische Vokabular im Osterfestbrief XVII durch einen nützlichen Exkurs und weisen darin auch auf einige wichtige Veröffentlichungen zum Thema hin.

Die zweite Textedition ergänzt diejenige der Festbriefe Cyrills hervorragend, weil sie die alexandrinische Sicht der christologischen Streitigkeiten durch den antiochenischen Blickwinkel ergänzt bzw. kontrastiert: Die Briefe des Theodoret von Cyrus.3

Von der umfangreichen Korrespondenz Theodorets liegen in den Sources Chrétiennes bereits drei Bände vor (SC 40, 98, 111). Mit dem vorliegenden Band wird die Gesamtedition, die von Yvan Azéma, der bereits 1954 mit einer Untersuchung über Theodoret hervorgetreten ist, verantwortet wird, abgeschlossen. Zusammen mit anderen Werken Theodorets, dem Jesajakommentar (SC 276, 295, 315), der Geschichte der syrischen Mönche (SC 234, 257) und der apologetischen Schrift Graecarum affectionum curatio (SC 57), ist damit in den Sources Chrétiennes ein repräsentativer Querschnitt des literarischen Werkes dieses streitbaren antiochenischen Theologen aus der ersten Hälfte des 5. Jh.s leicht verfügbar. Die in dem vorliegenden Band edierten 36 Briefe sind in den Jahren 431-435 verfaßt worden. Sie fallen damit in eine Zeit, die von den Auseinandersetzungen zwischen Cyrill von Alexandrien und Nestorius von Konstantinopel um das Verständnis der Person Jesu Christi erfüllt ist und in deren Folge Theologie und Kirche in unversöhnlich gegeneinander stehende Parteiungen und Schulen zerfallen. Als Bischof des östlich von Antiochien gelegenen Cyrus (seit 423) hat Theodoret an ihnen engagiert teilgenommen. Seine Briefe sind darum eine historische Quelle von einzigartigem Rang: Sie führen uns unmittelbar in die Zeitsituation, erhellen die theologischen Kontroverspunkte und lassen uns nicht zuletzt auch in die psychologischen Hintergründe der Auseinandersetzung Einblick nehmen. Theodoret läßt an seinem eigenen theologischen Standort keinen Zweifel. Als Cyrill Nestorius, der seit 428 Patriarch von Konstantinopel ist, nur ein Jahr später wegen seiner Christologie frontal angreift und mehrere synodale Verurteilungen gegen ihn erwirkt, stellt sich Theodoret ohne Einschränkung auf die Seite des Beschuldigten, verurteilt die Ergebnisse des Konzils zu Ephesus und erklärt sich erst, als Cyrill die Anathematismen fallen läßt, bereit, die Unionsformel von 433 zu unterschreiben. In diese Zeit fallen die Briefe des vorzustellenden Bandes. Zu den Adressaten gehören neben Nestorius, an den zwei Briefe gerichtet sind, Bischof Acacius von Beröa ( nach 437), Bischof Alexander von Hierapolis ( nach 435), Bischof Andreas von Samosata ( vor 449) sowie andere Parteigänger der Antiochener. Angeschrieben werden auch Vertreter des byzantinischen Kaisers, darunter ein gewisser Candidianus, der als Bevollmächtigter auf dem Konzil zu Ephesus anwesend war, sowie ein namentlich nicht bekannter hoher kaiserlicher Beamter. Neben zahlreichen zeitgeschichtlichen Bezügen erweisen sich die Briefe besonders in theologischer Hinsicht als ergiebig. Theodoret begründet und entfaltet die Anliegen der antiochenischen Theologie, er verteidigt das "Christotokos" und beteiligt sich mit eigenen Vorschlägen an der christologischen Diskussion der Zeit. Was die Textedition betrifft, übernimmt die vorliegende Ausgabe mit kleinen Korrekturen die von E. Schwartz verantwortete kritische Textausgabe in den "Acta Conciliorum Oecumenicorum" (Berlin 1922/30). Wie diese stützt sich deswegen auch die vorliegende Edition sowohl auf die byzantinische als auch auf die westliche Textüberlieferung, was zugleich erklärt, warum von den abgedruckten Briefen nur vier im griechischen Original, die anderen 32 aber in lateinischer Übersetzung vorliegen. Bleibt zu erwähnen, daß eine kurze Bibliographie nützliche Hinweise für die weitere Beschäftigung mit Theodoret gibt.

Eine ganz andere Textgattung liegt der folgenden Edition zugrunde, die eine wichtige Quelle des östlichen Mönchtums erschließt.4 - Bei den in den vorzustellenden Bänden versammelten Texten handelt es sich um den ersten Teil einer Edition mit den Briefen des Barsanuphius ( 540) und seines Schülers Johannes von Gaza (530), zweier Eremiten, die sich Anfang des 5. Jh.s im Kloster des Abbas Seridos nahe Gaza niedergelassen haben. Ihre Briefe haben insgesamt unterschiedliche Adressaten; sie sind an Einsiedler und Klostermönche, an Bischöfe, Priester und Laien, an Novizen und an Fortgeschrittene, an Kranke und Sterbende gerichtet, die sich an die beiden Mönchsväter mit der Bitte um geistliche Weisung gewandt haben. Diese Weisung wird ihnen in der Tradition der ägyptischen Wüstenväter zuteil, erhoben aus dem Wort der Heiligen Schrift, das in Einsamkeit der Wüste unablässig meditiert wird, und in die Form der Apophthegmata gegossen, deren geistiges Erbe auf jeder Seite präsent ist.

Die Briefe bilden damit eine einzigartige Korrespondenz, die zentrale Themen des geistlichen Lebens und der spirituellen Erkenntnis erschließt. Unter der Verantwortung von Francois Neyt, Professor an der Katholischen Universität von Löwen und Mönch des Benediktinerklosters St. André de Clerlande (Belgien), und Paula de Angelis-Noah, Autorin einer Untersuchung zur Meditation bei Barsanuphius, werden in den vorliegenden beiden Teilbänden von Vol. 1 die ersten 223 der insgesamt 850 Briefe veröffentlicht; in Vol. 2-4 werden die noch ausstehenden Briefe folgen. Der Text der Edition ist auf der Basis der ältesten griechischen Manuskripte (11. bis 14. Jh.) erstellt und mit einem Apparat, der die Lesarten verzeichnet, versehen. Nach der unvollendet gebliebenen Edition des inzwischen verstorbenen D. J. Chitty in der Patrologia Orientalis (1966) liegt damit erstmals eine vollständige kritische Textausgabe, die zudem durch eine von L. Regnault, Mönch in der Zisterzienserabtei von Solesmes, erstellte französische Übersetzung leicht erschlossen wird, vor. Die vorangestellte Einleitung schildert zunächst die Entwicklung des palästinischen Mönchtums, insbesondere in Gaza, geht auf die Quellenlage, die eine Rekonstruktion erlaubt, ein, und skizziert dann den Lebensgang der beiden Hauptpersonen. Eine Untersuchung der Briefe, ihres Aufbaus, ihrer literarischen Gestalt, ihres Stils und ihrer Sprache, schließt sich an. In einem weiteren Abschnitt werden die Adressaten der Briefe 1-223, bei denen es sich ausschließlich um Einsiedler handelt, und die von diesen vorgetragenen Themen und Probleme, etwa der Umgang mit der Einsamkeit, dem Essen, dem Gebet und dem Verhältnis zum Nächsten, behandelt. In einem eigenen Abschnitt beschreiben die Herausgeber den Stellenwert der Schrift bei den Mönchen in Gaza: den täglichen Umgang in Liturgie und Psalmengesang, die Meditation, den Gebrauch der Schrift bei der Selbsterforschung sowie ihre geistliche Interpretation in alexandrinisch-origenistischer Tradition. Ein letzter Abschnitt geht auf die Prägung der geistlichen Unterweisung der beiden palästinischen Einsiedler ein: Er beschreibt die Heiligkeit ihres Lebens, die Radikalität ihrer Demut, die Ungeteiltheit ihrer Zuwendung zu den Menschen, erfüllt von der Vision eines Lebens, das sich gründet in den letzten Realitiäten der Existenz, wenn Gott alles in allen sein wird. Eine kurze Bibliographie sowie verschiedene Register runden diese ersten beiden Teilbände ab.

Die beiden folgenden Werke sind der Auslegung des Hohenliedes gewidmet. Sie stehen in der Reihe Sources Chrétiennes in einem editorischen Gesamtzusammenhang. Mehrere Auslegungen des Hohenliedes liegen bereits vor, die von altkirchlichen (Origenes, Nilus von Ancyra), frühmittelalterlichen (Aponius, Gregor der Große) und hochmittelalterlichen Autoren verfaßt wurden (Bernhard von Clairvaux, Wilhelm von St. Thierry).
Die beiden vorzustellenden Quellenbände führen dieses Editionsunternehmen weiter.

Der Kommentar des Aponius zum Hohenlied5, von dem in SC 420/421 bereits die Bücher I-VIII herausgegeben worden sind, wird mit dem vorliegenden Band, der die Bücher IX-XII enthält, abgeschlossen. Bei Aponius, dem Verfasser des hier vorzustellenden Kommentars, handelt es sich um einen weitgehend unbekannten Mönch, der im nördlichen Italien, vermutlich nicht weit von Rom entfernt, gelebt und gewirkt hat. Seine Lebenszeit fällt in das erste Drittel des 5. Jh.s.

Der Hohenliedkommentar, der auf ihn zurückgeführt wird, ist in zweierlei Hinsicht bedeutsam. Zum einen entfaltet Aponius darin eine Theologie der Inkarnation, die ihr Zentrum in dem Geist Christi hat, der zwischen dem Wort und dem angenommenen Menschen der Mittler ist. Zum anderen entwickelt Aponius eine Vision der Heilsgeschichte, die sich dem Hohenlied entlang von den Anfängen bis zur endzeitlichen Bekehrung Israels entfaltet. Beide Argumentationslinien belegt Aponius an den Aussagen des Hohenliedes, im Ganzen wie in den Einzelheiten. Im Mittelpunkt steht die Gnade der Kirche, die Braut Christi, die Petrus und den Aposteln anvertraut ist und die alle Reichtümer, die der Sakramente, der Jungfräulichkeit, des Martyriums und des monastischen Lebens, an den Tag legt. Dem Wirken des Antichrist als dem Gegenspieler des göttlichen Erlösungshandeln gilt dabei die besondere Aufmerksamkeit des Aponius (Exkurs 1). Ebenso fällt auf, daß er die Epiphanie des Gottessohnes und die Ausrufung der pax romana in einen engen sachlichen Zusammenhang stellt (Exkurs 2). Die Sprache, in der Aponius seine Gedanken entfaltet, ist reich an Bildern und Worten. Die Herausgeber bezeichnen seinen Stil als enthusiastisch und gehaltvoll. Die Textfassung wird in diesem wie in den beiden vorangegangenen Bänden von Bernard de Vregille und Louis Neyrand verantwortet. Beide Herausgeber, Mitglieder im Institut der Sources Chrétiennes, haben bereits 1986 im Corpus Christianorum (Series latina) die erste kritische Edition des Hohenliedkommentars des Aponius vorgelegt. Diese Textfassung ist in der vorliegenden Ausgabe ohne Änderungen übernommen und mit einer französischen Übersetzung versehen worden. Zusammen mit den kommentierenden Anmerkungen und mehreren Register ist auf diese Weise eine gleichermaßen textkritische wie handlich erschlossene Ausgabe des Hohenliedkommentars von Aponius entstanden.



Im Zuge der Gesamtedition der Werke Bernhards von Clairvaux, die 1990 begonnen wurde und deren Abschluß für die zweite Hälfte des nächsten Jahrzehnts vorgesehen ist, kommen auch die Predigten Bernhards von Clairvaux über das Hohelied zu stehen.6 Ein erster Band mit den Predigten 1-15 (SC 414) liegt bereits vor (vgl. dazu ThLZ 122, 1997, 410/411). Der vorliegende Band, der die Predigten 16-32 enthält, setzt das Unternehmen fort. Herausgeber sind Paul Verdeyen, Jesuit und Hochschullehrer an der Universität von Anvers, und Raffaele Fasseta, Zisterziensermönch in der Abtei Notre-Dame von Tamié. In ihrer historisch-theologischen Einführung weisen sie darauf hin, daß die Datierung der Predigten einen klaren zeitlichen Einschnitt erkennen läßt, der sich aus der dritten Italienreise ergibt, die Bernhard Anfang 1137 bis Juni 1138 nach Rom unternommen hat. Vor allem Predigt 26 erlaubt eine genaue Datierung. Sie ist der Erinnerung an den Bruder Gerhard gewidmet, der Bernhard nach Italien begleitet hatte, im Jahre 1139 aber nach längerer Krankheit verstorben war. Daraus ergibt sich, daß die Predigten 1-25 noch vorher geschrieben wurden, also zwischen Sommer 1135 und dem Jahresende 1136, während die Abfassung der Predigten 26-32 in die anschließenden Jahre 1139/1140 fällt, also unmittelbar vor der großen Auseinandersetzung mit Abälard.

Inhaltlich entwickelt Bernhard seine Predigten, indem er dem Gedankengang des Hohenliedes Wort für Wort folgt. Dabei bedient er sich in Übereinstimmung mit der mittelalterlichen Exegese der Lehre von dem vierfachen Schriftsinn, legt also je nach Bedarf den wörtlichen, den allegorischen, den moralischen oder den anagogischen Schriftsinn aus und bezieht ihn auf die jeweilige Hörersituation. Bernhard erweist sich, wie die Herausgeber betonen, nicht nur als ein Psychologe von großem Talent, der mit Beobachtungsgabe und Einfühlungsvermögen die Haltungen, Bestrebungen und Gefährdungen seiner Mönche, seien sie Novizen oder Obere, seien sie jung oder alt, genau zu beschreiben vermag. Er erweist sich auch als ein großer Moralist, der seinen Hörern ethische Weisung für alle Phasen des monastischen Lebensweges gibt und sie in die Demut als die oberste aller Christustugenden einübt.

Oftmals überschreitet Bernhard die Ebene der moralischen Auslegung und wendet sich einer anderen Verstehensebene zu, die auf das spirituelle, geistliche, kontemplative Leben zielt. In einem Bild vergleicht er dieses mit einer Quelle, aus der das Leben der Kirche, die vita activa, ihr Wasser beziehe, und er beklagt, daß es in der Kirche zwar viele Kanäle, aber nur wenige Quellen gebe (Sermo 18). In seinen Predigten macht Bernhard deutlich, daß die wichtigste Quelle die Liebe ist, die jedoch nicht als menschliche Gefühlsregung, sondern als Liebe Christi verstanden wird, mit der dieser sich dem Menschen zuwendet und ihn zur antwortenden Liebe bewegt. Es ist vor allem das Bild des Zwiegesprächs von Braut und Bräutigam, das das Hohelied durchzieht und das Bernhard dazu anregt, die Vision von der mystischen Begegnung mit dem im Geist gegenwärtigen Gott durch die Liebe Christi zu entwerfen.

Der lateinische Text ist mit geringen Korrekturen, die teilweise noch auf die Erstherausgeber zurückgehen, der von Jean Leclercq, Henri Rochais und Charles H. Talbot erstellten kritischen Edition der Sancti Bernardi Opera (1957-1977) entnommen. Während aus dem kritischen Apparat nur die wichtigsten Textvarianten angeführt werden, sind die Hinweise auf Schrift- und Väterzitate neu zusammengetragen worden. Durch Register werden die Predigten nach Bibelworten, Personennamen, Ortsnamen und zentrale Worte erschlossen.



Die letzte hier vorzustellende Publikation7 hat editorisch gesehen einen besonderen Rang, weil mit dem Voranschreiten des Editionsvorhabens die Autorschaft der Quelle und damit die Zuordnung zu einer bestimmten Zeitepoche strittig geworden ist. Es handelt sich um einen Kommentar über die Königsbücher (entspricht dem 1. Buch Samuel), der bisher Gregor dem Großen zugeschrieben wurde.

Von dem Kommentar über das 1. Buch der Könige (es entspricht dem 1. Buch Samuel), der insgesamt sechs Teilausgaben umfassen wird, liegen bisher zwei Bände vor, die zunächst (SC 351) von Adalbert de Vogüé, dem renommierten Mediaevisten und Mitherausgeber des Gesamtwerkes von Gregor (vgl. die Dialoge in SC 251, 260, 265), und dann (SC 391) von Christophe Vuillaume, Benediktiner in der Abtei Mahitsy auf
Madagaskar, betreut wurden (vgl. dazu ThLZ 119, 1994, 962).
Der vorliegende Band führt die begonnene Edition fort. Freilich wird bereits im Titel bzw. bei der Nennung des Verfassers deutlich, daß Adalbert de Vogüé, in dessen Händen die Herausgeberschaft nun wieder liegt, den Königekommentar nicht mehr Gregor dem Großen zuordnet. Schon lange habe man, stellt er in seiner Einleitung fest, beobachtet, daß das Werk zwar gregorianisch geprägt sei, gleichzeitig aber deutliche Unterschiede zu den anderen Werken Gregors erkennen lasse.

Der in einer kürzlich aufgefundenen Chronik entdeckte Hinweis auf einen Königekommentar des Abtes Petrus von Cava (1156) und die Möglichkeit, ihm einen seit längerem bekannten anonymen Codex des 12. Jh.s zuordnen zu können, habe den Anstoß für eine erneute Untersuchung der Autorschaft gegeben. De Vogüé vertritt darum die kürzlich auch in der Revue Bénedictine (106, 1996, 319-331) vorgetragene These, daß der Kommentar zum ersten Buch der Könige das Werk eines italienischen Mönches des 12. Jh.s namens Petrus von Cava ist, der mit den gregorianischen Schriften bestens vertraut war und diese gekonnt nachgeahmt habe. Unter dem Pseudonym und mit der Autorität des Gregor greife Petrus in die Reformdiskussion seiner Zeit ein. Er beklage die Verweltlichung der Kirche und der Priesterschaft seiner Zeit und schlage ein Programm zur Erneuerung vor, in dem das Reformmönchtum den entscheidenden Platz einnehme. In diesem Sinne deutet Gregor-Petrus die Verschleppung der Bundeslade durch die Philister, das Richtertum Samuels und die Errichtung des Königtums in Israel als ein Bild des Weges des Volkes Gottes durch die Zeit. Von den Anfechtungen der Dämonen und falschen Götter verführt wird es zur tätigen Buße und Umkehr geführt. Der Weg der Lade von Israel zu den Philistern und wieder zurück ist in dieser allegorischen Auslegung ein Symbol für den Zustand von Klerus, Laien und Mönchen. Besonders die Bischöfe werden kritisiert und ermahnt, zu ihrer wahren priesterlich-sakramentalen Berufung zurückzufinden. Die Rückkehr der Bundeslade wird von Gregor-Petrus als die Aufforderung zu einem Leben in monastischer Kontemplation als der wahren Bestimmung christlicher Existenz gedeutet.

Zur Textedition ist zu bemerken, daß dem lateinischen Text der vorliegenden Ausgabe die von Patrick Verbraken herausgegebene kritische Edition im Corpus Christianorum (Series Latina) zugrunde liegt, wobei in einzelnen Fällen abweichenden Lesarten des Apparates der Vorzug gegeben und die Gliederung der Kapitel dem Gedankengang der Texte angepaßt wird. Eine kurze Bibliographie sowie mehrere Register vervollständigen die vorliegende Edition.

Fussnoten:

1) Clement d’Alexandrie: Les Stromates. Stromate VII. Introduction, Texte critique, Trad. et Notes Par A. le Boulluec. Paris: Cerf 1997. 351 S. 8 = Sources Chrétiennes, 428. Kart. fFr 197.-. ISBN 2-204-05828-9.

2) Cyrille d’Alexandrie: Lettres Festales XII-XVII. Tome III. Texte Grec par W. H. Burns. Traduction et Annotation par M.-O. Boulnois et B. Meunier. Paris: Cerf 1998. 315 S. 8 = Sources Chrétiennes, 434. fFr201.-. ISBN 2-204-06079-8.

3) Théodoret de Cyr: Correspondance, IV (Collections conciliaires). Texte critique de E. Schwartz. Introduction, Traduction, Notes et Index par Y. Azéma. Paris: Cerf 1998. 376 S. 8 = Sources Chrétiennes, 429. Kart. fFr 229.-. ISBN 2-204-05557-3.

4) Barsanuphe et Jean de Gaza: Correspondance, I et II: aux solitaires. Lettres, 1-223. Introduction, Texte critique et Notes par F. Neyt et P. de Angelis-Noah, Traduction par L. Regnault. Paris: Cerf 1997. 716 S. 8 = Sources Chrétiennes, 426/427. Kart. fFr 204,-; 215,-. ISBN 2-204-05918-8 et 2-204-06015-1.

5) Apponius: Commentaire sur le Cantique des Cantiques. Tome III. Texte, Traduction, Notes et Index Livres IX-XII, par B. de Vregille, et L. Neyrand. Paris: Cerf 1998. 342 S. 8 = Sources Chrétiennes, 430. fFr 219.-. ISBN 2-204-05709-6.

6) Bernard de Clairvaux: Sermons sur le cantique. Tome 2 (Sermons 16-32). Texte Latin des S. Bernardi Opera par J. Leclercq, H. Rochais et Ch. H. Talbot. Introduction, Traduction et Notes par P. Verdeyen, R. Fassetta. Paris: Cerf 1998. 495 S. 8 = Sources Chrétiennes, 431. ISBN 2-204-05997-8.

7) Grégoire le Grand (Pierre de Cava): Commentaire sur le Premier Livre des Rois. Tome III. (III,38-IV,78). Introduction, Texte, Traduction et Notes par A. de Vogüé. Paris: Cerf 1998. 463 S. 8 = Sources Chrétiennes, 432. Kart. fFr 254.-. ISBN 2-204-06080-1.