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Ausgabe:

Juni/2010

Spalte:

724-725

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

Autor/Hrsg.:

Deinhammer, Robert

Titel/Untertitel:

Fragliche Wirklichkeit – Fragliches Leben. Philosophische Theologie und Ethik bei Wilhelm Weischedel und Peter Knauer.

Verlag:

Würzburg: Echter 2008. 244 S. gr.8°. Kart. EUR 19,80. ISBN 978-3-429-03071-1.

Rezensent:

F. N.

Auf der Suche nach einer lebensrelevanten Philosophie bringt diese Studie die in der gegenwärtigen Diskussion nur wenig beachteten Konzeptionen des Philosophen Wilhelm Weischedel und des Fundamentaltheologen Peter Knauer SJ ins Gespräch. Die Arbeit wurde 2006 von der Katholisch-Theologischen Fakultät der Paris-Lodron-Universität Salzburg als philosophische Dissertation angenommen.
Der Vf. zeigt in seiner vergleichenden Rekonstruktion der Konzeptionen von Weischedel und Knauer, wie beide auf der Basis der Einsicht in den unlösbaren Zusammenhang von Selbst- und Welt- und Gottesverständnis den Bezug zwischen Ethik, Ontologie und philosophischer Theologie herauszustellen suchen. Bei Weischedel bilde »die ontologische Einsicht in die radikale Fraglichkeit der Welt … den Ausgangspunkt nicht nur der philosophischen Theologie, sondern auch den Ausgangspunkt der skeptischen Ethik« (189), die auf die Grundhaltungen bzw. Tugenden skeptischer Existenz in der fraglichen Wirklichkeit reflektiere. Knauer hingegen entfalte ausgehend von der »Einsicht in die Geschöpflichkeit der Welt« (190) eine »Ethik der Verhältnismäßigkeit« (190), die auf bestimmte, der Ge­schöpflichkeit entsprechende Komplementärtugenden abhebe. Beide Ansätze verbinde ein normatives Erkenntnisinteresse und die Fundierung in einer negativen Theologie. Während allerdings Weischedel Gott als das Vonwoher der Fraglichkeit verstehe und eine besondere Offenbarung Gottes ausschließe, rechne Knauer nicht nur mit einer analogen »Erkenntnis Gottes von der Welt her« (125), sondern mit der nur im Glauben erkennbaren Selbstmitteilung Gottes als Liebe (198). Die kritische Reflexion dieser Konzepte dient dem Vf. als Grundlage für ein eigenständiges Verständnis der »Idee vom ›guten Leben‹« (231), die er abschließend in sieben Thesen formuliert.
Von konstitutiver Bedeutung erscheint dabei zum einen das radikale Fragen, zum anderen die Offenheit »für das unbegreifliche und unüberbietbare Geheimnis, auf das die Welt als radikale Fraglichkeit« (232) hinweise. Wo diese Offenheit herrsche, lasse man »Gott wirklich Gott sein« (233). Inwieweit sich eine solchermaßen fundierte Idee vom guten Leben tatsächlich als »philosophisch ausweisbar« (231) behaupten lässt, hängt davon ab, ob sich auch jenseits christlicher Rede von Gott bzw. christlich informierter Philosophie und Ethik die Einsicht in »die Wirklichkeit als Fraglichkeit« (232) anerkennen bzw. gewinnen lässt. Damit ist die fundamentaltheologische Frage nach dem Verhältnis von Vernunft und Glaube thematisch, die die gesamte theologische Debatte im 20. Jh. durchzieht und die durch die Regensburger Rede Benedikts XVI. neue Brisanz gewonnen hat. Ob es theologisch vernünftiger ist, eine mit der Fraglichkeit gesetzte Offenheit für das göttliche Geheimnis als philosophisch ausweisbar in Anspruch zu nehmen oder von der Begrenztheit vernünftigen Erkennens auch und gerade im Blick auf die genannte Fraglichkeit auszugehen, wird weiter zu diskutieren sein.