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Ausgabe:

Januar/1997

Spalte:

42 f

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Brakmann, Heinzgerd

Titel/Untertitel:

To para tois barbarois ergon theion. Die Einwurzelung der Kirche im spätantiken Reich von Aksum.

Verlag:

Bonn: Borengässer 1994. VIII, 213 S., 7 S. Abb. 8°. ISBN 3-923946-24-4.

Rezensent:

C. Detlef G. Müller

Es handelt sich um ein aus den Quellen gearbeitetes Werk über das alte Aksum und den Beginn seiner christlichen Zeit, das uns den neuesten Stand der Forschung präsentiert. Nach Vorwort und Einleitung wird der Leser über die Lage Aksums, die Namen und die Sprache informiert. Dann folgt ein Abschnitt über die nichtchristliche Zeit und zwar die Geschichte (die frühen Eroberer, die viel diskutierte Frage der münzprägenden Könige bis cEzana, die heidnischen Königsinschriften), die Profan- und Kultbauten, die Religion (Heidentum: Götter, Kult; Bestattung, Totenehrung; Juden mit einem Exkurs über Betä Esra’el = Fälasa). Weiterhin wird das christliche Aksum behandelt: Die Anfänge des Christentums im aksumitischen Reich unter christlichen Herrschern (cEzana, den Nachfolgern, Kaleb mit einem Exkurs über den getauften Bezwinger des Judenkönigs von Himyar, die Nachfolger Kaleb’s, Ausblick auf die Zeit nach der Jahrtausendwende).

Ein weiterer Abschnitt widmet sich dann der Christianisierung der Aksimiten als solcher. Behandelt wird zunächst die offene Frage nach der Verbreitung des Christentums: Heilige Gründer und frühe Bischöfe; Mönche, Märtyrer und Missionare (die wenig nachgewiesenen Gerechten; die "römischen Heiligen"; Libanos, Äbä Yohanni und Gefährten; Hagiographie und Historie), Rechtgläubigkeit und Kircheneinheit; Profan- und Kultbauten. Dann folgt ein Abschnitt über die Literatur: Übersetzungen (vorzugsweise aus dem Griechischen) = Bibel, Apokryphen; Gebetsliteratur; Patristisches. Ein zweiter Abschnitt widmet sich der einheimischen Literatur, wobei die Frage der jüdischen Einflüsse diskutiert wird. Ein eigener Abschnitt redet von Staatsideologie und meint die Frage der äthiopischen Salomonidenherrscher. Abschließend wird auch möglichen jüdischen Einflüssen bei Kult und Brauchtum nachgegangen. Ein Nachwort sucht das Ergebnis zusammenzufassen. Demnach wird in partiell hellenisierter Umgebung das Evangelium einer paganen Bevölkerung ohne einflußstarke jüdische Minorität verkündet. Die Idee eines Weges zum Christentum in Äthiopien über ein ­ wie immer geartetes ­ Judentum, wird durch Brakmann klar als irrig und durch keinerlei Quellen gestützt verworfen, da ein altes Judentum in Äthiopien nicht beweisbar sei (43-44). Auch ein spätantikes aksumitisches Judentum fehle (184/ 185). Im Mittelalter sind "Juden" Rebellen und nicht Vertreter jüdischer Religion (45). Auch die viel zitierten Fälasa sind als radikale, nebenchristliche oder entchristliche Variante christlich-äthiopischer Israel-Imitation zu verstehen (49).

Die Mission in Äthiopien ging von einem Christentum sicher ganz überwiegend griechisch-großkirchlichen Typs aus. Die dauerhafte Bekehrung der Herrscherdynastie Aksums setzt B. etwa Mitte des 4. Jh.s an. Vielfach frönt man ja der Idee, daß das orientalische Christentum sich aus altkirchlicher Zeit bis heute sozusagen unverändert erhalten habe. Man verkennt dann völlig die Tatsache der Neuprägung in der Kreuzzugszeit und danach in steter Auseinandersetzung mit dem Westen (Siebenzahl der Sakramente und vieles mehr). In dieser Arbeit wird nun auch schön für Äthiopien aufgezeigt, welche Veränderungen die Thronbesteigung der Salomoniden mit sich brachte, und daß die moderne äthiopische Kirche durch Kaiser Zär’a Yacqob (1434-1468) geschaffen wurde. Selbst die charakteristischen äthiopischen Rundkirchen sind nicht ursprünglich. Soweit Ausgrabungen bisher möglich waren, zeigen sie klar den auch im römischen Reich üblichen Kirchenbau mit Langhaus und Apsis (143/144).

Sehr genau behandelt B. auch die aksumitische Landnahme, die nicht erst am Ende des 3. nachchristlichen Jh.s beginnt (13). Etwa 270 n. Chr. wird Südarabien verlassen, nicht erst 320/30. Nur Brückenköpfe sind danach noch möglich (16). cEzana bietet nur Titel und hat in Wirklichkeit nichts von Südarabien besetzt. Die Kanzlei mag über die tatsächlichen Verhältnisse im Jemen im unklaren gewesen sein. Aksum war kein zentralistischer Staat (30/31165). Anfang des 6. Jh.s dürften gebildete Christenkreise der östlichen Reichshälfte noch ohne Kenntnis von der Existenz christlicher Könige in Aksum gewesen sein (66/67323).

Auf dem Gebiet der Liturgie sieht B. eine Anaphora alexandrinischen Typs als normativ an. Die Anaphora sanctorum Patrum nostrorum Apostolorum oder die Anaphora Domini nostri Iesu Christi können nicht als ursprüngliche Eucharistieformulare der Frumentioszeit betrachtet werden (160). Der Umfang des spätantiken Bibelkanons dürfte begrenzter gewesen sein als der von Kaiser Zär’a Yacqob durchgesetzte mit nominell 81 Büchern, der bis heute unterschiedlich gefüllt wird (149).

Das Werk bietet auf begrenztem Raum eine Fülle von Informationen. Jeder Satz, jede Anmerkung muß genau studiert werden. Man merkt der äußerst knappen Diktion an, daß der Vf. aus der Lexikonarbeit herkommt (Reallexikon für Antike und Christentum). Er verläßt sich ausschließlich auf durch Quellenbelege beweisbare Tatsachen. Abweichende Urteile werden durch kurze Hinweise "für" oder "gegen" charakterisiert. Geradezu unerbittlich werden Vermutungen auch bedeutender Gelehrter als solche gekennzeichnet. So ist eine Arbeit entstanden, die den aufmerksamen Leser über den derzeitigen Stand der Forschung informiert und einen soliden Ausgangspunkt bietet. Die Literatur ist in vollem Umfang berücksichtigt.

Man hat es mit einer soliden Grundlagenarbeit zu tun, die ihren Weg machen wird.