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Ausgabe:

Juni/2010

Spalte:

700-701

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Meyers, Eric M., and Carol L. Meyers

Titel/Untertitel:

Excavations at Ancient Nabratein: Synagogue and Environs. With Contributions by G. Bijovsky, J. Ebeling, S. Fine, A. Fischer, E. Lapp, M. Peskowitz, J. Reed, and J. G. Younger. Architectural plans, sections, and drawings prepared by L. Belkin and L. Bute.

Verlag:

Winona Lake: Eisenbrauns (for The American Schools of Oriental Research) 2009. XX, 470 S. m. Abb. u. Tab. 4° = Meiron Excavation Project Reports, 6. Lw. US$ 99,50. ISBN 978-1-57506-162-7.

Rezensent:

Jürgen Zangenberg

Mit diesem detaillierten Bericht legen Eric M. und Carol L. Meyers die Endpublikation der letzten Unternehmung des Meiron Excavation Project in Obergaliläa vor. Die Aktivitäten dieses Projektes unter der Leitung der Autoren (neben weiteren Kollegen) und in Verantwortung der American Schools of Oriental Research, des W. F. Albright Institute of Archaeological Research und der Duke University haben seit 1971 nicht nur den Grundstein für die intensive archäologische Erforschung (Ober-)Galiläas gelegt, sondern auch die Erforschung antiker Synagogen in Palästina in all ihren Aspekten auf eine neue Grundlage gestellt. Es ist ein besonderer Gewinn, dass nach der Publikation der Grabungen in Khirbet Shema c (1976), Meiron (1981) und Gush Halav (1990) nun auch die beiden Kampagnen 1980 und 1981 in und um die Synagoge von Nabratein (arabisch Niburaya’) die ihrer Bedeutung entsprechende Dokumentation und Analyse gefunden haben. Der lange Zeitraum, der zwischen der eigentlichen Grabung, der Abfassung der Teilberichte und letzt­endlichen Publikation liegt, ist zwar nicht unproblematisch, erlaubte es Hauptautoren jedoch, nach Möglichkeit neuere Fragen und Probleme der Synagogenarchäologie zu berücksichtigen.
Die Einleitung (Kapitel 1; 1–32) diskutiert die Lage und Etymologie von Nabratein, dessen Rolle in den antiken Quellen (dies von S. Fine; besonders prominent ist die Diskussion um den »häretischen« Rabbi Jakob von Kfar Nevoraia), bietet eine Zusammenfassung der bisherigen Forschungsgeschichte (1860 entdeckt von Ernest Renan einschließlich der Inschrift auf dem Türsturz der Synagoge, die seither immer wieder Forscher angezogen hat), erläutert die Vorgehensweise der Grabung des Meiron Excavation Project und schließt mit einer Übersicht über die Chronologie (erster Höhepunkt in der Eisenzeit II, Schwerpunkt zwischen der frührömischen und frühbyzantinischen Epoche). Das Keramikaufkommen macht deutlich, dass der Ort bereits seit der späthellenis­tisch-frührömischen Zeit (1. Jh. v. Chr.) intensiv besiedelt war, noch bevor gegen Ende des 1. Jh.s n. Chr. der Bau der ersten Synagoge vorbereitet wurde.
Der erste Hauptteil präsentiert die Stratigraphie der ausgegrabenen Fläche in aller wünschenswerten Ausführlichkeit. Kapitel 2 (33–101, darin 78–92 die Dokumentation der Architekturelemente von J. G. Younger und 92-95 die Diskussion der Inschrift auf dem Architrav) diskutiert intensiv die Besiedlung von Field I während der vorsynagogalen Phase I (bis gegen Ende des 1. Jh.s n. Chr.) sowie der folgenden Phasen II mit Synagoge 1 (viersäuliger Breithaustyp, zwischen 2. und Mitte des 3. Jh.s), Phase III mit Synagoge 2 (Bevölkerungszuwachs; Erweiterung zur sechssäuligen Basilika in zwei Phasen zwischen Mitte des 3. Jh.s und 363; hierzu gehört das berühmte Dachfragment des Tora-Schreins) und Phase IV mit Synagoge 3 (achtsäulige Basilika zwischen 564 und ca. 700). Die beiden folgenden Kapitel dokumentieren die vielfältigen Befunde der benachbarten, nur in Ausschnitten ausgegrabenen Wohnbebauung in den Feldern II, III und Areal IV.3 (Kapitel 3; 102–112) sowie Feld IV (Kapitel 4; 113–130).
Danach stehen die Funde zur Debatte. Kapitel 5 (131–251) präsentiert das typologisch sehr reichhaltige Keramikcorpus (252–283), dessen ausführliche Diskussion und Dokumentation eine wesentliche Verbesserung der Publikationslage antik-galiläischer Keramik darstellt und den Band, vor allem was die Gebrauchskeramik betrifft, zu einem wesentlichen Referenzwerk für die zukünftige archäologische und landeskundliche Forschung macht.
47 Lampen (zumeist fragmentiert und bis auf zwei mögliche Importe allesamt aus lokaler Produktion) stehen im Zentrum von Kapitel 6 (252–283 von Eric C. Lapp). Kapitel 7 behandelt Steinobjekte (zunächst 284–295 Mörser, Reibesteine etc. von J. R. Ebeling, dann die für die jüdische materielle Kultur so bedeutsamen Kalkstein­gefäße (296–305 von J. Reed), Kapitel 8 Glasobjekte (306–343 von A. Fisher), Kapitel 9 (344–373) verschiedene Objekte, darunter eine auffallend große Anzahl von Objekten zur Textilherstellung (349–352 von M. Peskowitz) und ein Tintenfass ähnlich solchen aus Qumran oder Jerusalem (352–354), in Kapitel 10 behandelt G. Bijovsky schließ­lich die Fundmünzen (374–395). Im Schlusskapitel (396–404) fassen Meyers & Meyers die Ergebnisse der Grabungen zusammen, wobei immer wieder der Vergleich zu den weiteren Fundstellen des Meiron Excavation Project (Khirbet Shemac, Meiron und Gush Halav) vorläufige Schlüsse ermöglicht.
Eine ausführliche, auf dem neuesten Stand befindliche Bibliographie (405–420) und zwei Locuslisten schließen den wichtigen Band ab, der weit mehr ist als nur ein Grabungsbericht. Die reichen archäologischen Befunde stellen immer wieder die Basis für Dis­kussionen zu wichtigen baulichen, dekorativen und liturgischen Problemen der Synagogenarchitektur (Toraschrein, Bema, Orientierung etc.).
Der Band fügt dem Bild einer »konservativen«, jedoch für Einflüsse von außen nicht abgeschlossenen Region Obergaliläa we­sentliche Daten hinzu und hilft, zentrale Aspekte jüdischer Kultur im antiken Palästina besser zu verstehen. Es ist zu hoffen, dass die 1981 abgebrochenen Grabungen wieder aufgenommen werden, um Fragen wie nach der Art der späthellenistisch-frührömischen Besiedlung, dem Verhältnis zwischen dem Bau von Synagoge 1 und den erst 1983 entdeckten und 2004 publizierten Tunneln und un­terirdischen Räumen (29) sowie dem Charakter der Besiedlungslücke zwischen Phase III und IV zu klären. Eric und Carol Meyers ist für ihren aktuellsten Beitrag zur Galiläaarchäologie zu danken.