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Ausgabe:

Juni/2010

Spalte:

660-662

Kategorie:

Bibelwissenschaft

Autor/Hrsg.:

Collins, Adela Yarbro, and John J. Collins

Titel/Untertitel:

King and Messiah as Son of God. Divine, Human, and Angelic Messianic Figures in Biblical and Related Literature.

Verlag:

Grand Rapids-Cambridge: Eerd-mans 2008. XIV, 261 S. gr.8°. Kart. US$ 28,00. ISBN 978-0-8028-0772-4.

Rezensent:

Gottfried Schimanowski

Es handelt sich um ein gemeinsames Buch beider Autoren, wobei sich die Kapitel auf je drei Vorlesungen beziehen, die in Oxford im Mai 2006 gehalten wurden. Neu wurde in der Printausgabe von beiden noch je ein Kapitel hinzugefügt, der Alttestamentler schrieb über die Königsvorstellung in der deuteronomistischen und in der prophetischen Literatur, die Neutestamentlerin über die johanne­ische (Evangelium und Apokalypse).
Ein kurzer Forschungsüberblick ordnet die Thematik in die Theologiegeschichte ein: Der Messias hat in der wissenschaftlichen Theologie in der englischsprachigen Literatur (vergleichbar in der deutschen Literatur, die allerdings in der Veröffentlichung weniger in den Blick kommt) der letzten Jahre eine entscheidende Bedeutung gehabt (mit Verweis auf J. Fitzmyer; S. Porter; A. Chester u. a.). Schon hier wird die spezielle Fragestellung und Perspektive der zu besprechenden Untersuchung herausgestellt: »it is focused on the specific question of the divinity of the messiah« (XI).
Das erste Kapitel beschäftigt sich mit der Vorstellung von dem jüdischen König als »Sohn Gottes«; antike Königsideologien aus Ägypten, Mesopotamien, Kanaan und dem antiken Juda (Ps 2 und 110) kommen zur Sprache. Abschließend wird gefragt: »In What Sense was the King Divine?« (22–24). Antwort: Im Unterschied zur Göttlichkeit »des Höchsten« kann man nicht von einer »Göttlichkeit« des Königs sprechen; allerdings ist er »eingeborener Sohn« im Sinne einer Statusangabe und nicht nur im Sinne eines »Tutors«. Das nächste (hinzugekommene) Kapitel zeigt, dass in der deuteronomistischen und prophetischen Literatur diese vorexilische Sicht verblasst. Mehr und mehr wird der irdische König in mythologischer Terminologie als »Sohn Gottes« begriffen. Es kommt zu messianischen Verheißungen. Die Verheißung des Immanuel gewinnt nach Überzeugung des Autors allerdings erst in späterer Zeit messianische Implikationen.
Das dritte Kapitel beschäftigt sich mit der hellenistischen Periode, in der »eine neue Kultur« im Nahen Osten Einzug hält, ja, in der der Herrscherkult dort geradezu vorherrschend wird. Ausführlich wird auf die neuere Erforschung der Septuaginta Wert gelegt. Die Übersetzer zeigen keine Hemmung, den König als Sohn Gottes zu bezeichnen (Ps 2 und 89); als »von Gott gezeugt« (Ps 110) oder als Gott angeredet (Ps 45). Sogar seine »Präexistenz« wird nach Überzeugung des Autors in Ps 110 eingeführt und ist möglicherweise auch in Ps 72 impliziert. Die Bereitschaft der Übersetzer, göttliche Prädikate zu verwenden oder eine (engelartige) Transzendenz des Königs vorauszusetzen, wird mit vertrauten Assoziationen zu seiner Göttlichkeit im Hellenismus zusammenhängen. Allerdings scheint der Einfluss des Herrscherkultes nur gering zu sein.
Die explizite Bezeichnung als »Sohn Gottes« in Qumrantexten (4Q 246) passt recht gut zur grundsätzlichen Vorstellung des davidischen/messianischen Messias. Die Bezeichnung als »Gottessohn« wird als Ehrentitel verwendet. Nichts weiter wird über seine Geburt verlautet, obwohl durchaus in einem anderen Text (1QSa 2,11–12) die göttliche Herkunft des Messias impliziert sein könnte.
Das vierte Kapitel beschäftigt sich mit der Frage nach dem Verhältnis zwischen den Bezeichnungen »Messias« und »Menschensohn«. Dan 7, 11 Q Melch, die Bilderreden des äth. Henoch und 4 Esra 13 werden besprochen. Ein gewisser Austausch, eine Variabilität der Bezeichnungen wird konstatiert. Die Texte zeigen, dass nun keinerlei Beschränkungen mehr die Aussagen beeinflussen. Ganz unterschiedliche Traditionen und Konzeptionen werden zueinander in Beziehung gesetzt. So kann im 1. Jh. n. Chr. ohne Weiteres von bestimmten Gruppen der göttliche Status einer Befreiergestalt vorausgesetzt und behauptet werden. Eine außergewöhnliche Rolle spielt aber die Verehrung (Proskynese) der Gestalt in 1Hen 48,5, die den Erlöser eindeutig unterscheidet von der Verehrung des »Herrn der Geister«. Ob allerdings diese »Proskynese« als göttliche Verehrung zu verstehen ist, bleibt eine Frage der Definition.
Das nächste Kapitel springt zu den paulinischen Texten. Die Bezeichnung »Christus« impliziert in allen Briefen des Apostels seine Messianität als die grundlegende Voraussetzung. Er wird sie schon in den Gemeinden als feste Tradition vorgefunden haben. Ähnliches kann bei der Bezeichnung als »Sohn Gottes« vorausgesetzt werden. Dabei wird man sicher davon ausgehen können, dass es sich hierbei um eine Interpretation des Kreuzesgeschehens im Licht der vielfältigen messianischen Traditionen handelt.
Im Vergleich zur paulinischen Position erscheinen die synop­tischen Texte (Kapitel 6) sehr zurückhaltend gegenüber allen Versuchen, in ihnen einen göttlichen Status Jesu oder gar Aussagen über seine Präexistenz wiederzufinden. Der Fragestellung der Menschensohnaussagen und ihrer Bedeutung bei den Synoptikern widmet sich ein weiteres Kapitel. Darin spitzt Adela Collins u. a. die Fragestellung zu auf eine (spätere) gottesdienstliche/kultische Verehrung Jesu. Vor allem im Blick auf die nachösterliche Perspektive muss es – in Analogie zur Selbstverständlichkeit des verbreiteten und praktizierten hellenistischen Herrscherkultes – zu einer globalisierenden Bedeutung des himmlischen Messias und den damit verbundenen Vorstellungen gekommen sein. Daran konnten Spekulationen z. B. über die Präexistenz und damit die Bedeutung seines göttlichen »Status« anknüpfen. Von daher ist es für die Autorin nicht mehr weit, dass Jesus als »Gott« anerkannt wurde und dass sich ein Gottesdienst als Alternative zur Verehrung des weltlichen Herrschers entwickelte.
Das letzte Kapitel beschäftigt sich mit dem Johannesevangelium und der Apokalypse. Als religionsgeschichtlicher Hintergrund beider Werke wird die (alttestamentliche) weisheitliche Tradition in Anschlag gebracht. In der Johannesoffenbarung wird auf diesem Hintergrund die Nähe zwischen dem (himmlischen) Messias und dem Erzengel gesucht. Auch in dieser Weise rückt Christus als Schöpfungsmittler ganz auf die Seite des Schöpfers selbst. Die Autorin sieht dabei – trotz aller Unterschiedlichkeit in Terminologie und Vorstellung – beide johanneischen Werke theologisch in großer Nähe zueinander.
In einer kurzen Schlussreflexion wird noch einmal Fazit gezogen. Wert wird gelegt auf die Methodik eines historisch(-kritisch)en Zugangs im Gegenüber zu anderen Versuchen, den Weg der frühen Christologie nachzuzeichnen. Insgesamt eine Analyse, die einleuchtet und nur selten zu Widerspruch herausfordert.
Mehrere hilfreiche Indizes beschließen das Werk: ein reichhaltiges (26 Seiten!) Literaturverzeichnis, ein Register zu den modernen Autoren und ein ausführliches Stellenverzeichnis.