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Ausgabe:

Mai/2010

Spalte:

619-620

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Autor/Hrsg.:

Kaddor, Lamya, Müller, Rabeya, u. Harry Harun Behr [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Saphir 5/6 – Lehrerkommentar zum Religionsbuch für junge Musliminnen und Muslime. Hrsg. unter schuldidaktischer Beratung v. W. Haußmann. Erarb. v. S. El Abrache, S. Alhayari, B. R. Bauknecht, L. Becker, N. Farahat, M.-T. Hakimi, Z. Idrizovi, M. Ildem, U. Jarallah, S. D. Khayati, Ç. Mercan-Ribbe, I. Al-Moneyyer, M. Nikši.

Verlag:

München: Kösel 2009. 255 S. m. zahlr. Abb. 4°. Kart. EUR 26,95. ISBN 978-3-466-50785-6.

Rezensent:

Christian Grethlein

Neben dem angegebenen Titel in dieser Rezension besprochen:

Kaddor, Lamya, Müller, Rabeya, u. Harry Harun Behr [Hrsg.]: Saphir 5/6 – Religionsbuch für junge Musliminnen und Muslime. Erarb. v. S. El Abrache, S. Alhayari, M. Bagrac, B. R. Bauknecht, L. Becker, M.-T. Hakimi, Z. Idrizovi, M. Ildem, U. Jarallah, N. Karatepe, Ç. Mercan-Ribbe, I. Al-Moneyyer, M. Ni­k­ši. München: Kösel 2008. 192 S. m. zahlr. Abb. gr.8°. Kart. EUR 14,95. ISBN 978-3-466-50782-5.


Nachdem die Kultusminister-Konferenz bereits 1984 einen Islamischen Religionsunterricht forderte, es aber bisher aufgrund rechtlicher Probleme (Stichwort: »Religionsgemeinschaft«) lediglich zu einigen Modellversuchen in dieser Richtung kam, stellen die beiden Bände als Beginn der ersten deutschsprachigen Unterrichtsreihe einen wichtigen religionsdidaktischen Schritt nach vorne dar. – Das Vorwort zum Lehrerkommentar markiert die bleibende Problematik, indem »Islamkunde«, »Islamischer Religionsunterricht« und »Islamunterricht« als Einsatzmöglichkeiten ge­nannt werden: »Saphir 5/6 enthält sowohl Angebote, sich über den Islam und seine Glaubensinhalte zu informieren und sich kognitiv und diskursiv mit den Inhalten auseinanderzusetzen, als auch solche Angebote, Glaubensvollzüge handelnd einzuüben.« (Lehrerkommentar, 3) Demgegenüber nennt aber der Untertitel des Werkes »junge Musliminnen und Muslime« als Adressaten. Zudem sind – für ein deutsches Religionsbuch ungewöhnlich – den Wörtern »Gott« und »Muhammed« jeweils hochgestellte arabische Zeichen beigegeben, die »gepriesen und erhaben ist ER« bzw. »der Friede sei auf ihm« bedeuten.
Das Unterrichtswerk wurde von »Teams« in Bayern, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen erarbeitet, wobei Rahel Herweg die das Judentum betreffenden Inhalte durchsah und der evangelische Religionspädagoge Werner Haußmann als schulbuchdidaktischer Berater fungierte. Inhaltlich versucht es sich an dem zu orientieren, »was man den islamischen Mainstream nennen könnte« (Lehrerkommentar, 15).
Es geht im Folgenden nicht darum, die theologische Korrektheit zu überprüfen. Die kritische Stellungnahme der Islamischen Gemeinschaft Milli Görüş (vgl. dazu wiederum die lange Replik von Harry Harun Behr in: Zeitschrift für Religionslehre des Islam 3 [2009] H. 5, 2–25) zeigt, dass hier noch erheblicher innerislamischer Klärungsbedarf besteht und die Frage nach einer verantwortlichen »Religionsgemeinschaft« nicht einfach beiseite geschoben werden kann. Auf jeden Fall verdient das Religionsbuch (samt dem ausführlichen Lehrerkommentarband) aber religionsdidaktisches Interesse.
Das Unterrichtswerk ist in 15 Kapitel gegliedert, die jeweils durch eine ganzseitige Koran-Sure eingeleitet werden, präsentiert in arabischer Kaligraphie, in deutscher Übersetzung und einer etwas freieren Übertragung. Damit erhält das Buch eine strikte Anbindung an den Koran, und zwar in der Spannung zwischen theologisch notwendigem Bezug auf die arabische Fassung und pädagogisch gebotener deutscher Aktualisierung. Die ersten zehn Kapitel sind thematisch streng an religiösen Inhalten ausgerichtet. Die Gotteslehre, Muhammad als Vorbild sowie der Qu’ran stehen im Mittelpunkt. Erst ab dem 11. Kapitel begegnen stärker lebensweltliche Bezüge.
Dabei kommen immer wieder andere Religionen, vor allem das Judentum und das Christentum, in den Blick. Hinter solchen interreligiösen Aspekten steht die Einsicht, »dass religiöse Erziehung sich heutzutage immer in einem multi-religiösen Umfeld zu bewähren hat« (Lehrerkommentar, 17). Auch begegnen mehrfache direkte Verweise auf das Grundgesetz, dem dann jeweils bestätigend ein Hadith, ein Text aus der Tradition bzw. eine Koran-Stelle an die Seite gestellt werden (37.85.167).
Hinsichtlich der bildlichen Gestaltung schließt sich das Werk weitgehend dem sonst Üblichen an. Dem Bilderverbot wird da­durch Rechnung getragen, dass Propheten und Gesandte nicht mit dem Antlitz dargestellt werden. Auch werden Photographien sehr sparsam verwendet, stattdessen dominieren gezeichnete Illustrationen. Inhaltlich begegnet dabei meistens außerhalb der un­mittelbaren Lebenswelt der Kinder Angesiedeltes. So kann bei manchen Themen kritisch gefragt werden, ob sie tatsächlich für die Altersgruppe der die 5. bzw. 6. Jahrgangsstufe besuchenden Schülerinnen und Schüler geeignet sind.
Diese Anfrage gilt besonders hinsichtlich des recht häufigen Gebrauchs arabischer Begriffe. Hier steht wohl noch eine Elementarisierungs-Aufgabe bevor. Schon im Vorwort des Schulbuchs erscheint es fraglich, ob für in Deutschland aufgewachsene Schülerinnen und Schüler der arabische Gruß der Herausgeber tatsächlich einladend ist – oder nicht eher Fremdheit widerspiegelt: »assa­lā­mu ảlaikum wa-rahmatu llāhi wa-barakātuhu«. Der Integration dient der häufige Bezug auf arabische Begriffe wohl nicht.
Schließlich – und dies greift in eine jedenfalls mancherorts auch innerislamisch geführte hermeneutische Diskussion ein – ist zu fragen, ob nicht auf dieser Jahrgangsstufe schon erste historisch-kritische Zugänge zum Koran und zum Leben Muhammads angebahnt werden sollten. Es dürfte wohl angesichts der tiefen Prägung deutscher Kultur und damit auch des Bildungswesens durch den Historismus auf die Dauer schwer möglich sein, Inhalte schulischen Lernens der kritischen historischen Nachfrage zu entziehen.
Insgesamt liegt aber zweifellos ein inhaltlich anspruchsvolles Unterrichtswerk vor, das auf dem Weg zu einem geregelten Islamischen Religionsunterricht in Deutschland einen wichtigen Schritt nach vorne darstellt. Die Anfragen hinsichtlich der Schülerorientierung, der Elementarisierung und des historischen Zugangs zu wichtigen Inhalten könnten Impulse für die fachdidaktische Weiterarbeit sein.