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Ausgabe:

Mai/2010

Spalte:

615-616

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Kumlehn, Martin

Titel/Untertitel:

Gott zur Sprache bringen. Studien zum Predigtverständnis Johann Gottfried Herders im Kontext seiner philosophischen Anthropologie.

Verlag:

Tübingen: Mohr Siebeck 2009. X, 276 S. gr.8° = Praktische Theologie in Geschichte und Gegenwart, 4. Kart. EUR 49,00. ISBN 978-3-16-149707-0.

Rezensent:

Ch. G.

Die im Wintersemester 2007/08 in Berlin als praktisch-theologische Habilitation angenommene Studie des langjährigen Mitarbeiters von Wilhelm Gräb leistet am Beispiel Herder einen Beitrag zur Klärung von Fragen der prinzipiellen Homiletik.
Dazu holt der Vf. weit aus und rekonstruiert bzw. gestaltet die Anthropologie und dann auch Sprachphilosophie Herders auf den ersten 190 Seiten nach. Besonders in Seitenblicken auf Baumgarten (69 ff.), Kant (10 ff.92 ff.96 ff.) und Spalding (206 ff.) treten wichtige Einsichten zu einer anthropologisch begründeten Religionsauffassung zu Tage, die sich im Gegenüber zu Orthodoxie und Neologie profiliert. Offenkundig sieht der Vf. in dem von ihm begrifflich erfassten Religionsmodell einen bis heute gültigen Lösungsvorschlag für die Fragen einer prinzipiellen Homiletik: »Wie kann Gott zur Sprache gebracht werden, wenn die aufgeklärte Vernunft sein Wesen immer weiter von der menschlichen Erfahrungs- und Sprachwelt abstrahiert? Wie ist der Hiatus zwischen der aus religionstheologischer Perspektive notwendigen Sicherung der Transzendenz des Gottesgedankens einerseits und seiner in der homiletischen Praxis immer neu zu wagenden Versprachlichung andererseits zu überwinden?« (143) Lediglich hinsichtlich der Stellung zu Stumm- und Taubgeborenen (110) und zur verfallstheoretischen Einschätzung der jüdischen Religion (168) werden kurz Probleme der Herderschen Position notiert.
Insgesamt liegt so ein glänzend geschriebener gelehrter Beitrag zur Geschichte der prinzipiellen Homiletik vor. Die wenigen Bezüge auf die aktuelle homiletische Diskussion, die sich in Anmerkungen, kurzen Seitenblicken und auf den letzten Seiten finden, deuten an, welches Lösungspotenzial der Herdersche Entwurf (in der Kumlehnschen Rekonstruktion) für eine Grundlegung der Homiletik bis heute enthält.