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Ausgabe:

Mai/2010

Spalte:

593-594

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

Autor/Hrsg.:

Grøn, Arne, Damgaard, Iben, and Søren Overgaard [Eds.]

Titel/Untertitel:

Subjectivity and Transcendence.

Verlag:

Tübingen: Mohr Siebeck 2007. VIII, 255 S. gr.8° = Religion in Philosophy and Theology, 25. Kart. EUR 59,00. ISBN 978-3-16-149260-0.

Rezensent:

Malte Dominik Krüger

Der Sammelband geht auf eine interdisziplinäre Tagung des Kopenhagener »Center for Subjectivity Research« im Jahr 2004 zum Verhältnis von Subjektivität und Transzendenz zurück – und versammelt entsprechende Beiträge. Damit wollen die Herausgeber, wie die Einleitung (1–8) deutlich macht, einen Beitrag zur komplizierten Beziehungsgeschichte von Subjektivität und Transzendenz in der modernen Theologie und Philosophie leisten.
Im ersten Beitrag entwickelt Arne Grøn (9–36) eine religionsaffine Dialektik von Transzendenz und Subjektivität, wie sie nach Grøn mit der Rätselhaftigkeit der Welt verbunden ist. Danach transzendiert sich die menschliche Subjektivität so, dass sie sich als Moment einer ihr sich entziehenden Welt versteht. Insofern wird die Subjektivität im Licht der Transzendenz zum Erfahrungsort von uneinholbarer Alterität. Ingolf U. Dalferth (37–54) widmet sich dem Problem des Unbegreiflichen und unterscheidet von eher alltäglichen Unbegreiflichkeiten solche, die darüber hinausgehen. Letztere gehen auch die Religion an. In der Religion ist nach Dalferth eine bipolare Struktur von Verständlichkeit und Unbegreiflichkeit plausibel, die sich im Gottesgedanken darstellt. Danach ist Gott dem Menschen unbegreiflich, insofern Gott selbstverständlich und der Mensch sich selbst unverständlich ist. Weniger theologisch, sondern vielmehr psychologisch setzt Josef Parnas an (55–69). Auch unter Einbeziehung von Erkenntnissen aus der Analyse von schizophrenen Fällen wird plausibel: Subjektivität lässt sich als Strukturmoment nicht von dem trennen, was in verkörperter Intersubjektivität als ein relationales Ganzes weltlicher Bezüge aufscheint.
Merold Westphal (71–93) plädiert angesichts der seines Erachtens insbesondere im Anschluss an Hegel und Edmund Husserl auftretenden Verkennung von Alterität für eine starke Lesart von Transzendenz. Aufgrund von Überlegungen Emmanuel Levinas’ erscheint Westphal an diesem Punkt Kierkegaards intersubjektiv verfasster Theismus vielversprechend, der eine ethische Relation von Angesicht zu Angesicht einschließt. Auch Søren Overgaard (95–114) setzt sich in seinem Beitrag mit Edmund Husserl und Emmanuel Levinas auseinander. Ihm erscheint jedoch die Alterität und der Überschritt in die Intersubjektivität mit einer starken Lesart von individueller Subjektivität durchaus vereinbar. Henrik Vase Frandsen (115–131) entwickelt die Einsicht, dass die individuelle Subjektivität in ihrer Endlichkeit notwendig und grundlegend für das Phänomen der Bitte und Aufforderung ist. Im Gespräch mit Überlegungen von Emmanuel Levinas und Jean-Luc Marion kann dies dazu führen, Subjektivität im Sinn eines »sovereign receiver« zu begreifen. Dan Zahavi (133–147) geht dem Verhältnis von Subjektivität und Immanenz bei Michel Henry nach. Danach scheint Michel Henry nicht wirklich überzeugend den Gedanken einer absolut selbstgenügsamen und relationslosen Selbstmanifestation mit der Möglichkeit ihrer Artikulation vermitteln zu können. Die Beiträge von Claudia Welz (149–176) und Iben Damgaard (177–191) sind unter Einbezug von Überlegungen von Emmanuel Levinas beziehungsweise Paul Ricœur deutlich an Kierkegaard ausgerichtet, dessen existentielle Lesart von Transzendenz als weiterführend gilt. George Pattison (193–211) erweitert in gewisser Hinsicht diese Perspektive, indem er der Tradition mystischer Theologie ausgehend von Augustinus und Dionysios nachspürt – bis zu ihrer neuzeitlichen Transformation bei Kierkegaard, aber auch bei Simone Weil und Dostojewskij. Pattison ist durchaus skeptisch, inwiefern diese Tradition auch in ihrer Transformation neuzeitlich Bestand haben kann. Caspar Wenzel Tornøe (213–223) wendet sich gegen die philosophisch-theologische Korrektheit unserer Zeit, wenn er eine schöpferische Subjektivität für vereinbar mit einer realen Welt und einem transzendenten Gott hält. Tornøe sieht in dieser Hinsicht in Schellings Spätphilosophie ein plausibles und diskutables Theorieangebot. Saskia Wendel (225–239) schlägt vor, das Verhältnis von Transzendenz und Subjektivität neu zu überdenken. Wendel bestimmt Transzendenz als das Unbedingte, das nicht in der Bedingtheit innerweltlicher Bezüge aufgeht, und Subjektivität als präreflexive Vertrautheit des Bewusstseins mit sich selbst. Diese Bestimmungen erlauben Wendel eine freiheitstheoretische Interpretation des Verhältnisses von Transzendenz und Subjektivität. Danach erscheint Transzendenz als unbedingtes Selbst, als dessen Bild das endliche Selbst denkbar wird.
Der mit Registern gut erschlossene Band dokumentiert den Dis­kussionsstand zum Verhältnis von Subjektivität und Transzendenz. Insofern ist es sinnvoll, ihn bei jeder weiteren Diskussion der Thematik zu berücksichtigen. Auffällig ist ein gewisser Schwerpunkt auf Kierkegaard und alteritätstheoretischen Weiterführungen. Wenn man sich vor Augen führt, dass überhaupt die Frage und die Problematik des Verhältnisses von Subjektivität und Transzendenz im Deutschen Idealismus thematisch wird (Dieter Henrich), dann hätte man sich aus Gründen der Erschließung argumentationsanalytischer Potentiale auch eine stärkere Berücksichtigung insbesondere des Hochidealismus vorstellen können. So animiert das Buch zu weiterer Forschung. Man wünscht ihm eine breite Rezeption.