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Ausgabe:

Januar/1997

Spalte:

23 f

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Hanson, Paul D.

Titel/Untertitel:

Isaiah 40–66.

Verlag:

Louisville: Knox Press 1995. X, 255 S. gr.8° = Interpretation. A Bible Commentar for Teaching and Preaching. geb. DM 198,­. ISBN 0-8042-3132-X.

Rezensent:

Peter Höffken

Die Reihe biblischer Kommentare "for Teaching and Preaching" hat das Jesajabuch auf zwei Autoren verteilt (C. R. Seitz behandelt Kap.1-39), ein ja weithin übliches Verfahren. Hanson hat Deutero- und Tritojesaja behandelt. Zur allgemeinen Charakterisierung nur so viel: jeweils einleitend werden im Sinn eines "Overview" (1-13 u. 185-192) knapp umgreifende Fragen zu den beiden Buchteilen 40-55 und 56-66 behandelt. Diese kommen darin überein, daß für Deutero- und Tritojesaja jeweils das "Historical Setting" (äußerst knapp, vgl. 1-4 u. 185 f.) und ­ besonders ausführlich ­ "The Worldview" behandelt werden. Bei Deuterojesaja geht es daneben noch um die "Personal Dimension of the Prophetic Message"(4 f.) und um "The Literary Qualities" (11-13), während bei Tritojesaja Überlegungen zum Thema "The Relation of Literary Character to Social Setting" (186 f.) angestellt werden.

Die Kommentarreihe will irgendwie die Mitte fahren zwischen allzuviel Exegese und allzuviel Praxisbezug. Bei Hanson schlägt sich das so nieder, daß ein historisches Aussageprofil der Texte nur sehr teilweise entwickelt wird (ein Beispiel weiter unten). Dabei verfährt der Autor mit einem Ansatz, dem Jes 40-55 samt 34 f. als deuterojesajanisches Produkt gilt: ohne alle Einschränkung, sieht man von Ergänzungen zu den ersten drei Gottesknechtsliedern ab. In 41,6 f. ist ferner ein "editor" am Werk, der etwas aus der Götzenbildpolemik aus Kap. 40 an diese Stelle versetzt. Entsprechend werden die tritojesajanischen Partien (die als auktorial einheitlich begriffen werden, freilich nicht in der richtigen Reihenfolge überliefert) in die Zeit bis zur Vollendung des Tempels 515 v. C. datiert in engerer Affinität zum Buch Haggai (vgl.185 f.). ­ S. 12 setzt sich Hanson von anderen Zugangsweisen zu Deuterojesaja ab. Er bemängelt hier den atomisierenden formgeschichtlichen Zugang von C. Westermann und die modernisierende "literary analysis" J. Muilenburgs, um demgegenüber die literarische Art Deuterojesajas als im Umgang mit vorgegebenen Formen innovativ zu begreifen. Das zeigt, daß der Autor seine eigene Arbeit auf einem relativ alten Stand der Forschung situiert hat und von neueren Fragestellungen wenig verarbeitet (wie auch sein Literaturverzeichnis demonstriert, 253 ff.).

Auf dieser doch recht eingeschränkten Basis empfängt der Leser dann allerlei gute theologische Gedanken zu den einzelnen Abschnitten des Buches. Hanson begreift den einen Gott Deuterojesajas als das Zentrum der Welt. Es ist interessant zu sehen, wie Hanson mit dieser Problematik des rigiden Monotheismus im Kontext moderner Multireligiosität umgeht (zu 44,6-23). Ich würde es freilich vorziehen zuzugestehen, daß Deuterojesaja zunächst einmal seine eigenen Probleme bearbeitet ­ und das ist die Proklamation des Gottes einer kleinen Ex-ulantengruppe als Schöpfer und Herr der Welt, dem gegenüber alle anderen Götter ins Wesenlose abrutschen. Gedanken wie der Gotteserweis aus dem Geschehen von (prophetischer) An-kündigung und folgendem Eintreffen (der sog. Weissagungsbeweis) werden bei Hanson stark minimiert. Zu 41,21 ff lesen wir beispielsweise, es gehe um die Frage "which deity is involved in the happenings of human history" (39). Farbloser läßt sich Deuterojesaja kaum auffassen (vgl. auch zu 48,3 f. 124).

Auf dem Buchumschlag liest man über die Reihe: "This series offers a full interpretation of the biblical text, combining historical scholarship and theological purpose". Ein Beispiel zur full interpretation: Hanson interpretiert 41,1-29 (33-40) als Einheit. Wir finden hier ausführlichere Aussagen zu v.1-4, einiges über v.8-11 (mit besonderer Würdigung der Verbindung von v.10 ("nicht verwerfen") mit Klagelieder 5,20-22; nichts eigentlich über v.11 f.

Völlig übergangen wird v.14-16 u. 17-20. Dann wieder lesen wir etwas zu v. 21-29 und das Götterurteil daselbst. Das ist eine extrem einseitige Auslegung. Man findet natürlich Beispiele, wo das anders ist ­ vgl. etwa die Ausführungen zu 42,1-9.

Interessanter sind freilich die heutigen Perspektiven. Wie schon angedeutet, schreibt Hanson aus einer multikulturellen Situation heraus, in der Parochiales (Denominationen usw.) und Globales in ein Verhältnis kommen sollen oder gar müssen. Man kann dieser Meinung sein, und sie hat auch bei Deuterojesaja irgendwo Anhalt. Freilich nicht überall. Es ist m. E. abwegig, um an Hansons Auslegung von Jes 41 anzuknüpfen, hier von einem Gott zu reden, dem es darum geht "to restore whole-ness within the human family" (40). Es sei denn ­ und das wäre dann zu reflektieren ­, man berücksichtige, daß dafür doch viele ihr Leben verlieren (v. 2 f.; 11 f.; 15 f.) oder ihre bisherige religiöse Identität einbüssen müssen (v. 1-5.21-29).

Von daher erweist sich manches doch als recht freie Assoziation von Text(teil) und Gegenwart: etwa wenn 45,7 auf die Lebenserfahrungen von V. Havel und N. Mandela bezogen wird. Das sind richtige und wichtige Aspekte ­ nur am falschen Text aufgehängt. Anderwärts hat man das Gefühl, daß die moderne Problematik den Text abserviert (freilich so hingestellt, als sei er so verstanden): 45,23 ("mir wird sich beugen jedes Knie, jede Zunge schwören") soll heißen, der Mensch finde "the proper posture before God in awareness of the diversity represented by the nations with their various cults and beliefs" (112). Spätestens hier merkt man, daß Deuterojesaja für eine Welt der various cults and beliefs ein Fremder ist. Fremdheit könnte heißen, daß es bei ihm etwas zu entdecken gilt, was wir so gegenwärtig nicht haben.

Abgesehen davon ist Hansons Buch auch eines, das Mut macht, sympathisch geschrieben ­ nur Deuterojesaja und Tritojesaja kommen nicht recht zum Zuge. Der Dialog mit ihnen müßte geführt werden. So werden sie, weithin wenigstens, vereinnahmt.