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Ausgabe:

April/2010

Spalte:

480-482

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Gasecki, Krzysztof

Titel/Untertitel:

Das Profil des Geistes in den Sakramenten. Pneumatologische Grundlagen der Sakramentenlehre. Darstellung und Reflexionen ausgewählter katholischer Entwürfe.

Verlag:

Münster: Aschendorff 2009. XXVII, 492 S. gr. 8° = Münsterische Beiträge zur Theologie, 66. Kart. EUR 61,00. ISBN 978-3-402-11366-0.

Rezensent:

Karl-Hermann Kandler

Vielfach sei in wissenschaftlichen Publikationen herausgehoben worden, dass Jesus Christus der Stifter der Sakramente sei; »dass aber auch dem Heiligen Geist in den Sakramenten eine ebenso große Bedeutung zukommt, wurde im Westen lange Zeit vergessen.« Die Sakramente hätten eine »epikletische Note« und müssten »einem epikletisch-pneumatologischen Rahmen eingefügt« werden (XII f.). Krzysztof Gasecki ist davon überzeugt, dass dadurch »das personale Verständnis der Sakramente« zu erläutern sei. Der Heilige Geist befähige den Glaubenden, »die Sakramente aufzunehmen«. Dabei bleibe die Frage, ob der Heilige Geist deren Gabe oder Spender sei.
Im 1. Kapitel gibt G. einen historischen Überblick (1–110), im 2.untersucht er Gesamtentwürfe der gegenwärtigen Sakramentenlehre (111–365), im 3. behandelt er »die pneumatologische Eingebung in den neueren sakramententheologischen Lehrbüchern« (367–391), im 4. »Pneumatologische Grundsignaturen einer trinitarisch begründeten Sakramentenlehre« (394–451) und im Epilog fasst er das Ergebnis zusammen und stellt weitere Fragen aus pneumatologischer Sicht (453–464).
Der Vorwurf des Christomonismus wurde wiederholt von orthodoxen Theologen erhoben, wie er in der Scholastik artikuliert worden war. Diese habe die Einsetzung der Sakramente durch den irdischen Jesus behauptet, womit für den Heiligen Geist kein Platz geblieben sei. Die westkirchlichen Abendmahlsstreitigkeiten seien ein Zeichen dafür, dass das Eucharistieverständnis vom patristischen Begriff des Realsymbols abgewichen sei. Auch die Reformation habe die »Schriftbezeugung zum Kriterium der sakramentalen Richtigkeit gemacht«. Der Geist sei höchstens für die Fruchtbarkeit der Kommunion zuständig. Korrekturen der westkirchlichen Sicht habe es dann durch Romano Guardini, Odo Casel, Edward Schillebeeckx, Karl Rahner, Yves Congar (das »heilige Tun der Kirche«, vor allem die Wandlung der eucharistischen Gaben, erfordere eine Epiklese), Hans Urs von Balthasar, Heribert Mühlen und schließlich durch das Vaticanum secundum gegeben. Dieses verstehe die Kirche als »Sakrament des Geistes«, wiederum sei die Eucharistie das »Sakrament der Kirche«.
Als Gesamtentwürfe der gegenwärtigen Sakramentslehre un­tersucht G. zuerst den von Waclaw Hryniewicz. Dessen »Hauptanliegen ist es, den personal-relationalen Charakter der Sakramente sowie die Bedeutung der Pneumatologie für das Verständnis der trinitarischen Struktur der Kirche, der Feier der Sakramente, in der die Kirche als Sakrament des Geistes erscheint, zu betonen« (113). Wiederholt wird von ihm die reformatorische Theologie berücksichtigt, zumeist jedoch die calvinistische. Er meint, ihr fehle »die pneumatologische Perspektive«, wenn sie Kirche allein an die Wortverkündigung und Sakramentenspendung binde (125); die lutherische tut das jedenfalls nicht. Erinnert sei an CA V (vor Artikel VII)!
Hryniewicz betont in zahlreichen Wiederholungen die Gegenwart des Geistes in den Sakramenten bzw. in der Kirche, wobei er keinen Gegensatz zur Gegenwart Christi sehen will. Das »ganze sakramentale Leben der Kirche« befinde sich »unter dem Zeichen des Pascha und der Pentekoste« (222). Er ergänzt die Formel »ex opere operato« durch »ex opere Spiritus Sancti« (183) und hebt den »pentekostale(n) Sinn der Firmung in der personalistischen Heilsoptik« hervor. Er plädiert dafür, die ausdrückliche Einsetzung der Sakramente kritisch gegenüber dem Ritus der frühchristlichen Gemeinden abzuwägen. Es gebe ein »Entwicklungsrecht der christlichen Lehre und Praxis« (203). So stark Hryniewicz die Epiklese betont, er muss zugeben, dass in der frühchristlichen Tradition die euchar­istische Epiklese noch keinen pneumatologischen Charakter hatte; sie kannte nur die Logos-Epiklese (251 f.). Danach untersucht G. den Entwurf von Lothar Lies. Er versucht, »die neuscholastisch geprägte Systematik der Sakramententheologie zugunsten eines personal-dialogischen Begegnungsmodells zu überwinden«, und versteht »die Sakramente als Begegnungen zwischen Mensch und Gott«, als »Begegnungsräume mit dem dreifaltigen Gott zur Personwerdung des Menschen« (280.283 f.). Der Heilige Geist schließt den Sohn Gottes mit den Menschen zusammen und bestimmt die Wirksamkeit der Sakramente. Sie sind vom Geist durchwirkt, damit in der realen Gegenwart Christi die Menschen zu Gott gelangen können (357). Die Epiklese gehört in seinem Modell »unbedingt zur Sinnstruktur der Sakramente« (318). Der Heilige Geist sei es, »der den Amtsträger zum sakramentalen Zeichen der bleibenden Gegenwart Christi verwandelt« (331), anderswo spricht er von der »reale(n) Aktualpräsenz Christi im Amtsträger« (349). Er stimmt der reformatorischen Theologie zu, »dass die Sakramente nicht über Christus verfügen können, sondern als Symbole der Kirche stets den Verweis auf das Haupt tragen müssen, dessen Leib sie aufbauen« (352). – Kurz behandelt werden noch die Entwürfe von Jean Corbon und Edward J. Kilmartin ebenso wie die Lehrbücher von Theodor Schneider, Herbert Vorgrimler und Hans Otmar Meuffels, auf die hier nicht eingegangen werden kann.
Im 4. Kapitel fasst G. den Ertrag der trinitarischen Profilierung der Sakramentenlehre in der römisch-katholischen Theologie zusammen. Als theologisches Zentralproblem sieht er – mit Jürgen Moltmann! – die Frage nach der »Personalität des Heiligen Geistes« (395, Anm. 2). Dieser kann nicht »als nur eine gewisse Wirkkraft Gottes« interpretiert werden, sondern sei »stark personal-relational zu betrachten ... in seinem eigenständigen aktiven, wirkungsvollen Profil« , er sei der »Gott der Gegenwart«, wobei die »trinitarische Pneumatologie« dazu tendiere, diesen dem »Gott der Vergangenheit gegenüber zu stellen«. Doch versteht er Jesus Christus durch das göttliche Pneuma als den wesentlich beim Sakrament Wirkenden (411 f.). Die Sakramente hätten wohl »ihren Ursprung in Jesus Christus, aber nicht in seiner historischen Person, sondern in seinem ganzen Schicksal und Heilsereignis – bis zur Geistausgießung«; der Stiftungszusammenhang zwischen Jesus und den Sakramenten würde nicht historisch garantiert, sondern durch den Heiligen Geist bewirkt (397–403). G. sieht den Priester so an Christus gebunden, dass dieser und nicht jener der eigentliche Liturg beim Sakrament sei. Dem kann man aus lutherisch-reformatorischer Sicht nur zustimmen. Von daher sieht G. das Problem des (angeblichen) »defectus ordinis« pneumatologisch als lösbar an, weil der Heilige Geist die Gesamtkirche in der apostolischen Sukzession bewahrt; die personale Sicht der Sakramente ermögliche es, auch in den getrennten Kirchen die reale Gegenwart Christi in den Sakramenten zu akzeptieren (441). Könnte das in der römisch-katholischen Kirche opinio communis werden?
Insgesamt gibt das Buch viele Denkanstöße. Das gilt ebenso für die Ausführungen über den hierzulande weithin unbekannten polnischen Theologen Hryniewicz wie für die über Lothar Lies. Leider gibt es in dem Buch zahlreiche Wiederholungen. Auch stören Zitate aus zweiter Hand; sie sind nicht immer nachprüfbar. Insgesamt hat man den Eindruck, dass die pneumatologische Sicht der Sakramente überzeichnet ist, auch wenn man zugeben muss, dass »das Profil des Geistes in den Sakramenten« stärker als in der westkirchlichen Tradition zu berücksichtigen ist. Darf man den Heiligen Geist aber als »Gott der Gegenwart« bezeichnen – und so gegen die beiden anderen Personen der Trinität absetzen? Wird die Epiklese nicht ebenso gegen die Konsekration kraft der schöpferischen Worte Christi überbetont wie das »Entwicklungsrecht« der kirchlichen Lehre? Andererseits überrascht – im guten Sinne – die Ge­sprächsbereitschaft mit den Kirchen der Reformation, wenn diese auch reichlich einseitig auf den Calvinismus bezogen wird. Mit dem Buch wird man sich auseinandersetzen müssen.