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Ausgabe:

April/2010

Spalte:

471-473

Kategorie:

Christliche Kunst und Literatur

Autor/Hrsg.:

Garhammer, Erich [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

BilderStreit. Theologie auf Augenhöhe.

Verlag:

Würzburg: Echter 2007. 326 S. m. zahlr. Abb. 8°. Kart. EUR 17,80. ISBN 978-3-429-02889-3.

Rezensent:

Philipp Stoellger

Der Würzburger Pastoraltheologe Erich Garhammer legt mit diesem Band die Beiträge einer Würzburger Ringvorlesung von »2005/ 2007« vor (10; erweitert um zusätzliche Texte). Als leitende Frage gelten zwei Herausforderungen: die Ubiquität der Bilder und ihre Instrumentalisierung. Einerseits sei die Ubiquität Grund der »Blind­heit«, der gegenüber Kunst »sehend machen« solle (mit Canetti); andererseits führe die Instrumentalisierung der Bilder »gerade im kirchlichen Kontext« dazu, dass sie einen nicht mehr »wirklich berühren« könnten (7). Unter dieser Problemstellung werden 15 Beiträge versammelt, die sich in zwei Gruppen unterteilen lassen.
Im ersten Teil sind vor allem historische Studien versammelt: Friedhelm Hofmann, Recht auf Kultur – Pflicht zur Kultur. Kirchliches Kultur-Engagement zwischen Martyria, Leiturgia und Diakonia (11–19); Stefan Weigand, Auf Tuchfühlung. Ein Zugang zur Kreuzwegstation von Waldemar Kolmsperger (20–27); Theodor Seidl, Kunstverbot oder Kultverbot? Zum Verständnis des alttestamentlichen Bilderverbots (29–45); Franz Dünzl, Bilderstreit im ersten Jahrtausend (46–76); Wolfgang Weiß, Bilderzauber – Zauberbilder. Bild und Plastik in der westlichen Kirche des Mittelalters (77–114).
Dominik Burkard, Bildersturm? Die Reformation(en) und die Bilder (115–140), schildert die historische Entwicklung der vorreformatorischen und reformatorischen Bilder»stürme«, ausgehend von der Kritik an »törichten Einbildungen«, wie sie bereits von Erasmus im »Lob der Torheit« (1509) formuliert wurde. Als These spitzt er zu, dass die Entfernung von Bildern »bereits von den Zeitgenossen als der eigentliche Vollzug der Reformation« angesehen worden sei (120). Ob das in historischer und theologischer Perspektive zu überzeugen vermag, wäre zu diskutieren. Erhellend ist, wie Burkard den Praktiken der Entfernung und den Gebrauchsweisen der so entsorgten Bildwerke nachgeht (120 ff.). Über die bekannten Differenzen von Karlstadt, Luther, Zwingli und Calvin hinaus wird die katholische Reaktion von Trient knapp dargestellt (132 f.). Inwiefern die Bilderfrage in nachtridentinischer Zeit als ein Faktor der Konfessionalisierung wirkt, wird als differenzierte Forschungsfrage offen gelassen.
Den zweiten Teil des Bandes eröffnet Stephan Ernst. Das »christ­liche Menschenbild«. Norm oder Fiktion? (141–168) geht über die Fragen der Bildtheorie im eigentlichen Sinn hinaus und fragt, ob und wie sich aus der »Gottebenbildlichkeit« des Menschen ethische Normen ableiten lassen (149 ff.). Sein Ergebnis in Bezug auf Sterbehilfe, Altersrationierung und die Verpflichtung zu solidarischem Handeln ist im Wesentlichen negativ. Die »Begründungskraft des christlichen Menschenbildes« für die Ableitung konkreter ethischer Normen sei »relativ gering« (156, vgl. 163). Dieses Ergebnis kommt allerdings zustande aufgrund eines (rationalistischen?) Modells »ethischer Begründung«, die hermeneutische Formen ethischer Urteilsbildung, wie sie u. a. von Johannes Fischer entfaltet werden, außer Acht lässt. »Lässt sich der Gedanke der Menschenwürde aber prinzipiell auch allein mit der Vernunft begründen, kann er nicht mehr im eigentlichen, strikten Sinne als Inhalt des christlichen Glaubens verstanden werden« (158). Ernst meint darüber hinausgehend, dass die unbedingte Würde der Person nicht »als spezifisch christliches Menschenbild« zu »reklamieren« sei (163). Vielmehr setze der Glaube die unbedingte Achtung der Menschenwürde bereits voraus (166). Eigentlich sei das christliche Menschenbild nicht durch imago und Geschöpflichkeit bestimmbar, sondern durch Erschaffung und Erwählung »in Christus« (164). Daher argumentiert er (rechtfertigungstheologisch) für die mundane Unerkennbarkeit dieser Bestimmung, die als »Geheimnis der Welt« (mit Jüngel) in Gottes Liebe gründe (165). Bildwissenschaftlich ist zwar durch diese Ausführungen nichts gewonnen, aber anthropologisch einiges ge­klärt.
Heribert Hallermann, Kitsch oder Kunst? Bilder, Bilderstreit und Bilderverehrung im Kirchenrecht (169–185), vertritt eine doppelte These: Kirchenrecht sei selber auf Bilder angewiesen, um theologische und rechtliche Sachverhalte »angemessen umschreiben zu können« (169; hier sind Metaphern gemeint), und es normiere (in Gestalt des CIC) die Bildverwendung und -verehrung, so wie es zum Schutz der Autonomie der Kunst beitrage (ebd.). Denn »Kitsch hat keinen Platz in der Kirche« (185) – was leider eine vor allem normative These bleibt. – Guido Fuchs, Heilige Zeichen, die zu Gott führen. Über die vielfältige Verwendung der Bilder in der Liturgie (187–200), erörtert die Bildverehrung in der westlichen Kirche in den Funktionen von Illustrierung, Verkündigung, Betrachtung und Meditation. – Erich Garhammer, Entbanalisierung des Vertrauten. Bilder in Kirchenräumen (201–221), erörtert temporäre Installationen in Kirchen und den Bildgebrauch in Kirchenneubauten (leider ohne Abbildungen). Seine daraus gewonnene bildtheoretische These ist: »Kunst hat die Kraft und die Macht … Religion in ihrem Kern zu brechen und, gebrochen, zu neuem Leben zu erwecken« (221). So anregend das ist, die hermeneutischen Voraussetzungen und theologischen Konsequenzen dieser »divinen« Potenz der Kunst zur Auferweckung der Religion wären noch zu erörtern.
Es folgen Claudia Gärtner, Plädoyer für einen neuen Bilderstreit im Religionsunterricht (223–244); sie sucht einen Streit um die Darstellbarkeit der christologischen »Kernthemen« des Glaubens im Religionsunterricht zu eröffnen (244); und Thomas Schauerte, Ein erfundener Skandal. Caravaggios »Matthäus Giustiniani« und »Mat­thäus Contarelli« (245–270); er leistet einen Beitrag zur Caravaggio-Forschung und damit zu den Problemen einer »Künstlersoziologie des Skandals« (269). Wolfgang Riedel, Ich bin nicht der ich bin. Anthropologisches Bildnisverbot bei Max Frisch (Stiller) – mit einem Nachsatz zu Brechts Über das Anfertigen von Bildnissen (271–295), erörtert Sinn und Unmöglichkeit des Bilderverbots bei Frisch im Unterschied zu Brechts Bildpädagogik und wirft damit (latent) Folgefragen über die Macht und Funktion Christi (als Bild) und der Christusbilder für den Glauben auf.
Der Band schließt mit den Beiträgen von Jürgen Lenssen, Bilder im Museum. Das Konzept des Museums am Dom in Würzburg (297–306), und Gerhard Droesser, Wahrnehmungskunst und Kunstwahrnehmung. Zur Funktion der (Selbst)Erzählung für die Praxis (307–324).
Es liegt eine hilfreiche und anregende Sammlung einerseits bildwissenschaftlicher Aufsätze teils in historischer, teils in thematischer Orientierung vor. Der Zusammenhang und die Folgen für die Bildtheorie zu formulieren, bleibt diskreterweise allerdings die Aufgabe der Leser.