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Ausgabe:

April/2010

Spalte:

440-442

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Athanasius

Titel/Untertitel:

Zwei Schriften gegen die Arianer. Verteidigungsschrift gegen die Arianer (Apologia contra Arianos). Geschichte der Arianer (Historia Arianorum). Eingeleitet, übersetzt u. kommentiert v. W. Portmann.

Verlag:

Stuttgart: Hiersemann 2006. VIII, 399 S. gr.8° = Bibliothek der Griechischen Literatur, 65. Geb. EUR 198,00. ISBN 978-3-7772-0605-9.

Rezensent:

Hanns Christof Brennecke

Eine kritische Edition der Schriften des Athanasius von Alexandrien, deren Bedeutung für die Kirchengeschichte des 4. Jh.s und besonders des arianischen Streites schon wegen der zahlreichen in ihnen überlieferten Dokumente nicht infrage steht, begann erst im 20. Jh. und konnte bis heute nicht abgeschlossen werden. Bis zu seinem Tod im Jahre 1941 hatte Hans-Georg Opitz sieben Faszikel der sog. Apologien des Athanasius als 2. Band der geplanten Gesamtausgabe vorgelegt, unter ihnen auch die apologia contra Arianos (apologia secunda) und die historia Arianorum.
Eine einzige deutsche Übersetzung auf der Grundlage eines vorkritischen Textes war 1836 erschienen. In der bis zu seinem Tod 2006 von Wilhelm Gessel herausgegebenen patristischen Reihe der »Bibliothek der Griechischen Literatur« hat Werner Portmann eine breit kommentierte deutsche Übersetzung dieser beiden wichtigen Schriften vorgelegt, die man im Grunde als ihre erste deutsche Übersetzung dieser beiden Schriften bezeichnen kann. Sinn und Notwendigkeit von Übersetzungen braucht man heute wohl kaum mehr zu begründen.
Ganz aus den Quellen und in Auseinandersetzung mit der Forschung bietet P. zunächst eine Übersicht über die Quellen zum Leben und eine Chronologie des Athanasius (1–36), wobei er im Wesentlichen dem chronologischen Ansatz von Opitz mit den Korrekturen von Barnes folgt. Wegen der Unsicherheit der Überlieferung wird hier eine opinio communis nicht in allen Fällen zu erzielen sein. Ob man Arius z. B. als Schüler Lucians von Antiochien ansehen kann, erscheint mehr als fraglich, ebenso, ob Athanasius als Bischof ab 328 überhaupt noch mit der Person des Arius konfrontiert war. Nicht befriedigen kann in diesem Zusammenhang die theologische Verortung der »Eunomianer« (bei P. »Neu-« oder »Jung-Arianer«, in deren Nähe er auch theologisch falsch die 2. sirmische Formel von 357 rückt).
Hilfreich ist eine Übersicht über die Werke des Athanasius (37–57), wobei je zur Verfügung stehende Editionen angegeben werden. Hinsichtlich der Editionen sowie der Echtheitsfragen hat sich das Bild inzwischen an einigen Stellen bereits wieder verändert (zu dieser Übersicht hinzuzunehmen ist – etwas umständlich – der Anhang 3 [297–300], eine tabellarische Übersicht über die Schriften des Athanasius mit CPG-Nummern, Datierungen nach Tetz und Angabe der Edition bei Migne PG 25–28). Die Einführung in die beiden übersetzten Schriften (57–63) informiert vor allem über den historischen Kontext und bei der apologia secunda über die sehr unterschiedlichen literarkritischen Analysen. Leider lässt P. die handschriftliche Überlieferung völlig aus.
Die Übersetzung der beiden apologetischen Schriften des Athanasius (75–285) muss man als gelungen ansehen. Die Probleme in einigen Fällen sind P. durchaus bewusst (zur Übersetzung von hoi pery mit dem Akk. eines Personennamens vgl. S. 70, auch wenn ich seiner Entscheidung, die Phrase grundsätzlich inklusiv zu verstehen, nicht immer folgen kann; hier wird man jeden Fall einzeln beurteilen müssen). Seiner Übersetzung liegt die kritische Edition von Opitz zugrunde. Allerdings hat P. die verschiedenen Korrekturen und Verbesserungsvorschläge, die im letzten halben Jh. gemacht worden sind, eingearbeitet und auch im Einzelnen diskutiert. Dazu kommen eigene Korrekturen an dem Text von Opitz. Die von P. vorgelegte Übersetzung repräsentiert also einen besseren Text als die Ausgabe von Opitz (unsere erst 2006 erschienenen Korrekturen am Text von Opitz, Athanasius Werke II 8, CI–CV konnte P. nicht mehr berücksichtigen). Dass die von Athanasius zitierten Dokumente schon im Druck deutlich hervorgehoben werden, ist außerordentlich hilfreich. Die für eine Übersetzungsausgabe um­fangreiche Kommentierung bietet einen guten Überblick auch über Forschungskontroversen, ohne dass P. sich hier in jedem Fall für eine Position entscheidet. Ob man den in der apol. sec. überlieferten Juliusbrief wirklich mit Joannou und Girardet als Zeugnis eines römischen Papsttums ansehen muss, erscheint zweifelhaft (100; vgl. seine einschränkende Bemerkung: 117). Ob bei den Dokumenten der Synode von Serdica Hilarius wirklich die lateinischen Originalfassungen überliefert, wie P. annimmt, ist fragwürdig. Hilarius scheint hier eine griechische Übersetzung benutzt zu haben. Bei der von Athanasius gebotenen Fassung des Synodalbriefes vermisst man einen Hinweis auf die von Athanasius bewusst ausgelassene theologische Erklärung von Serdica.
Dass am Anfang der historia Arianorum offensichtlich etwas ausgefallen ist (190), hätte wie in der Edition von Opitz durch ... deutlich gemacht werden sollen (P. weist in einer Anmerkung darauf hin). Die Schlussbemerkung in einem Teil der hs. Überlieferung hätte irgendwie als nicht mehr zum Text gehörig deutlich gemacht werden sollen.
Die Anhänge dienen der Erschließung beider Schriften. Hilfreich sind vor allem die Übersicht der von Athanasius mitgeteilten Dokumente (Anhang 1; vgl. aber noch zusätzlich das chronologische Dokumentenregister: 372–384!) sowie die chronologische Tabelle (Anhang 2), bei der P. wieder im Wesentlichen der Chronologie von Opitz folgt (man vermisst allerdings z. B. für ca. 327 die Rehabilitierung des Arius oder die wichtige Synode Anfang 360 in Konstantinopel). Ein ausführliches Quellen- und Literaturverzeichnis (die Kirchengeschichte des Ps.-Gelasius sollte man nur noch nach der neuen Edition von Hansen, GCS NF 9, von 2002 zitieren!), Bibelstellen-, Personen-, Orts- und Sachindex (der in seiner Knappheit wenig hilfreich ist) sowie Listen von Synoden, Verfassern und Adressaten der Dokumente und eine Auflistung der in den Texten genannten staatlichen Ämter erleichtern die Benutzung wesentlich.
P. hat somit eine im Ganzen vorzügliche Übersetzung und Kom­mentierung zweier für die Kirchengeschichte des 4. Jh.s und besonders des arianischen Streites ungemein wichtiger Schriften vorgelegt, die Maßstäbe setzt, und eine (vielleicht manchmal etwas redundante) Fülle von Erschließungshilfen zur Verfügung gestellt. Die gewohnt gediegene Ausstattung durch den Verlag, die einen allerdings kaum über den Preis von fast 200 EUR hinwegtrösten kann, sei nur am Rande vermerkt.