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Ausgabe:

April/2010

Spalte:

423-425

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Ziegler, Yael

Titel/Untertitel:

Promises to Keep. The Oath in Biblical Narrative.

Verlag:

Leiden-Boston: Brill 2008. XVI, 309 S. gr.8 = Supplements to Vetus Testamentum, 120. Lw. EUR 89,00. ISBN 978-90-04-16843-5.

Rezensent:

Johannes Klein

Bei der Untersuchung handelt es sich um eine Dissertation, die unter der Betreuung von Elie Assis an der Bar Ilan Universität in Ramat Gan bei Tel Aviv eingereicht wurde. Sie beginnt mit einer zweigeteilten Einleitung, die eine allgemeine Einführung in den biblischen Schwur enthält (1–23) sowie Überlegungen zum Ernst der Rede und zur Macht des Schwurs in der Bibel (25–49). Ein erster Teil beschäftigt sich mit dem narrativen Gebrauch dreier Schwurformeln in der Bibel und zwar השעי הכ (53–80), הוהי יח (81–122) und הלילח (123–147). Ein zweiter Teil ist den Schwüren in den Saul-David-Geschichten gewidmet, und zwar zunächst den Schwüren in Sauls (153–183), danach jenen in Davids Karriere (189–263). Die Arbeit wird mit Schlussfolgerungen (265–270), der Bibliographieliste (271–286) so­wie einem Bibelstellenregister (287–294) und einem Register über Sachen und Namen (295–309) abgerundet.
Die Motivation zur Arbeit findet sich in der Beobachtung, dass Exegeten weitgehend die literarische Rolle des Schwurs in biblischen Erzählungen übersehen haben, und dem Versuch, dies Manko wettzumachen (15). Das soll geschehen, indem die Vfn. sich vornimmt, den literarischen Stellenwert zu erforschen, den der Schwur in der biblischen Erzählung hat (17), anhand von Methoden, die unter dem Namen »New Criticism« bekannt geworden sind (20), mit anderen Worten des »Close Reading«, wobei der Text als Objekt betrachtet wird und nicht als ein Fenster, um die Ge­schichte oder den Autor zu betrachten.
Die Vfn. definiert zu Beginn den Schwur als Versprechen, und zwar als Behauptung einer Wahrheit (assertorischer Schwur) oder Erklärung einer Intention (promissorischer Schwur) (3). Später, bei der Einteilung der sog. Schwüre nach den unterschiedlichen einleitenden Formeln und auch bei der Analyse der Erzähltexte, ignoriert sie jedoch offensichtlich diese Definition, denn sie behandelt als Schwur auch bekräftigte Aussagen, die weder assertorischen noch promissorischen Charakter haben. Zu erwähnen wären z. B. die Glaubensaussage in 1Sam 26,10 (212) oder die Verwünschung bzw. das Urteil in 26,16 (213 f.). Hilfreich ist auf jeden Fall die Feststellung, die allerdings nicht allein für Schwüre, sondern auch für andere Kraftworte gilt, dass der Erfolg durch drei Faktoren bedingt wird: der Macht des gesprochenen Wortes, dem latenten Fluch und der Implikation Gottes (47 f.).
Die Beobachtung, dass in den Samuelbüchern übermäßig viele Schwüre vorkommen, ist immer wieder gemacht worden. Das Verdienst der Vfn. besteht darin, diese systematisch in ihrem narrativen Kontext analysiert zu haben. Dabei ergeben sich immer wieder auch sehr interessante Schlüsse, z. B. dass die durch die Formel השעי הכ eingeleiteten Schwüre oft im Affekt ausgesprochen und ge­brochen werden (59 f.) oder dass durch die Nennung des Eigennamens im Schwur das persönliche (und positive) Engagement des Schwörenden zur Geltung gelangt (71 f.). Manchmal besteht allerdings die Gefahr, aus der systematischen Betrachtung von Gemeinsamkeiten und Besonderheiten vorschnelle Schlüsse zu ziehen. Beispielsweise wird aus der Beobachtung, dass das Dativ-Personalpronomen der Formulierung in 1Sam 3,17 nicht die erste, sondern die zweite Person anzeigt, geschlossen, dass Samuel in eine neue Rolle initiiert werde und Eli negative Gefühle Samuel gegenüber habe (62–65). Dabei wird übersehen, dass es eine einfachere Erklärung für die Verwendung der zweiten Person gibt, nämlich, dass es sich gar nicht um einen Schwur handelt, sondern um eine Beschwörung, die den Sinn hat, Samuel die Angst zu nehmen, über das Geschaute zu berichten, bzw. seiner Angst ein Gegengewicht zu verleihen.
Die Schwüre in den Saul-David-Erzählungen werden als Textmarker (154) aufgefasst, die bestimmte Aspekte der Erzählungen hervorheben, als Indikatoren für das Innenleben der Figuren, deren Intentionen oder Charakter, als Spiegel des Plots oder dessen Hauptideen (149).
Die Schwüre der Saul-Erzählung lenken die Aufmerksamkeit auf seinen drastischen Verfall (154). Aus dem »Schwur« (!?) in 1Sam 11,7 schließt die Vfn., dass Saul seine Karriere würdevoll beginnt. In 1Sam 13 f. werden anhand einiger Schwüre Defizienzen in Sauls Führungsfähigkeiten sichtbar, überhaupt falle eine gewisse Unbeschwertheit Sauls auf, Schwüre zu brechen (175). Der letzte Schwur Sauls (1Sam 28,10) zeigt dann vollkommen seinen Verfall an: Er verleugnet nicht nur Gottes Gesetz, sondern auch sich selbst (177). Sogar nach seinem Tod (2Sam 21) gibt es noch die Ahndung eines Schwurbruchs (178). Die Charakterzüge Sauls, die anhand der Schwüre zur Geltung kommen, sind Mangel an Weisheit, Charak­terschwäche, aufkeimende Tyrannei, falsches Verständnis von Frömmigkeit sowie sein Verfall von einem potentiellen Führer zu einem, der seine Position verliert (180).
Die Schwüre in Davids Karriere reflektieren sein Verhältnis zur Macht. In Abschnitt 1 (1Sam 16–2Sam 1) formen und illustrieren die Schwüre dies Verhältnis. In Abschnitt 2 (2Sam 2–9) leistet David Schwüre, um zu verdeutlichen, dass er in seinem Streben nach Macht keine Gewalt anwendet, und um sich von der Komplizität bei Morden zu distanzieren. In Abschnitt 3 (2Sam 10–20; 1Kön 1–2) wird sichtbar, wie David während der Batseba-Affäre den moralischen Kompass verliert und danach zu einem zögernden bzw. unweisen Führer mutiert. Seine Schwüre offenbaren Unvorsichtigkeit und Nachsicht in Fällen, in denen entschiedenes Urteil notwendig gewesen wäre. Andere beginnen, Entscheidungen für ihn zu fällen. Sein Verhalten führt zu mehr Blutvergießen und schwächt seine Glaubwürdigkeit als König. Die Vfn. versucht darzulegen, dass sich die drei vorangegangenen Abschnitte im Epilog (2Sam 21–24) gleichsam als Index zu Davids Leben wiedererkennen lassen. Das Verhalten Davids in 2Sam 21,1–14 sei tadellos, der Schwur in 21,17 zeige Davids mangelnde Effektivität und Machtmissbrauch, und der dritte Schwur (23,17) gebe zu erkennen, wie David Macht missbrauche, Gewissensbisse habe und seine Tat bereue. Hier ist erkennbar, dass der Versuch besteht, die Schwüre in ein Schema zu pressen, denn dass sich David in 2Sam 21 tadellos verhält, kann als ungesichert gelten. Die Erinnerung an den Schwur, den David Jonatan gegeben hat (21,7), suggeriert zwar, dass David den Schwur einhält, die Nachkommen Jonatans nicht vollkommen auszurotten, die Erzählung offenbart allerdings auch, dass er außer dem behinderten Mefiboschet keinen an­deren übriglässt. David erfüllt also seinen früher geleisteten Schwur nur in seiner Minimalform, d. h. dem Buchstaben, keineswegs dem Geiste nach.
Insgesamt erweist sich die Arbeit als gelungene Analyse der Daviderzählungen mit dem Fokus auf den Schwüren, die in diesen Abschnitten geleistet werden. Selbst wenn man im Detail nicht alle Interpretationen mitträgt, führt doch diese Analyse der Schwüre zu einem stimmigen Bild über die Erzählungen von Saul und David, da sie ein ganz wichtiges Element des Erzählsystems dieser Ge­schichten sind. Die alttestamentliche Wissenschaft erhält auf zwei Ebenen wichtige Impulse, und zwar sowohl für die Erforschung der Samuelbücher als auch für den alttestamentlichen Schwur. Als innovativ erweist sich die Arbeit gerade in der Fruchtbarmachung narrativer Analysemodelle für die Schwurproblematik.