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Ausgabe:

April/2010

Spalte:

422-423

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Scheuer, Blaženka

Titel/Untertitel:

The Return of YHWH. The Tension between Deliverance and Repentance in Isaiah 40–55.

Verlag:

Berlin-New York: de Gruyter 2008. XV, 175 S. gr.8° = Beihefte zur Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft, 377. Lw. EUR 68,00. ISBN 978-3-11-019034-2.

Rezensent:

Christina Ehring

Diese 2008 veröffentlichte Studie ist die leicht überarbeitete Fassung einer 2005 am Centre for Theology and Religious Studies in Lund eingereichten Dissertation. Gegenstand der Untersuchung ist der theologische Bezug zwischen der deuterojesajanischen Heilsbotschaft (deliverance) einerseits und den Aufrufen zu Buße und Umkehr (repentance) in Jes 40–55 andererseits.
Eine methodische Grundentscheidung der Arbeit ist der Verzicht auf literarkritische und redaktionsgeschichtliche Methoden zuguns­ten eines Verständnisses von Jes 40–55 als »a collected whole« (13). Diese Entscheidung basiert auf der Hypothese (im Anschluss an R. Albertz), dass die erste Schriftfassung des Deuterojesajabuches (nach 539 v. Chr. in Jerusalem) schon den größten Teil von Jes 40–52 umfass­te und eine bereits reflektierende Haltung dem Exil gegenüber eingenommen habe. Von den späteren Ergänzungen im Zuge der Einfügung in das Jesajabuch sei daher keine grundsätzliche theologische Richtungsänderung zu erwarten. Gegenüber Positionen, die das Nebeneinander von Heilsbotschaft und Aufrufen zur Umkehr in Jes 40–55 als eine Spannung deuten, die auf einen mehrschichtigen Entstehungsprozess hinweist (K. Elliger, C. Westermann u. a.), versucht Sch. daher aufzuzeigen, dass dieses Nebeneinander gerade »the very characteristic mark of Deutero-Isa« (28) darstellt.
Die Arbeit besteht aus sechs Kapiteln. Auf die Erläuterung der Fragestellung (Kapitel 1) folgt ein forschungsgeschichtlicher Überblick zum Thema (Kapitel 2). Das Kernstück der Arbeit bildet Kapitel 3 mit einer Exegese der einschlägigen Texte. Deren Auswahl folgt semantischen Kriterien: Untersucht werden Anklagereden, in denen die Israeliten als Frevler (Wurzel ‘) bezeichnet werden (Jes 43,22–28; 46,8–13; 48,1–11; 50,1–3), sowie Texte, in denen das Volk zur Um­kehr (Wurzel šwb) aufgefordert wird (Jes 44,21–22; 55,6–7). Auf diese Weise werden viele relevante Texte erfasst. Jedoch ist auch zu fragen, ob nicht andere Belege wie z. B. Jes 40,2 möglicherweise zu schnell für nicht relevant erklärt werden.
Am Ende von Kapitel 3 stehen folgende Ergebnisse: Das zentrale den Israeliten zur Last gelegte Vergehen bestehe in ihrem mangelnden Vertrauen auf JHWH und ihrer Neigung zur Verehrung fremder Götter(bilder). Die Aufrufe zur Umkehr seien daher »an invitation to the exiles to re-enter into the relationship with YHWH« (80). Dabei betont Sch., dass zwischen der Umkehr und der Erlösung Israels in keiner Richtung ein kausaler Zusammenhang bestehe. Vielmehr handele es sich bei der Umkehr zurück zu JHWH um eine freiwillige Antwort des Volkes auf die vorausgegangene »Rückkehr JHWHs«, d. h. seine Bereitschaft zur Wiederherstellung der Beziehung mit seinem Volk.
Anknüpfend an die Ergebnisse von Kapitel 3 widmet sich Kapitel 4 den götterbilderpolemischen Texten in Jes 40–55. Die Beobachtungen zu den Götterbilderfabrikationstexten Jes 40,19–20; 41,6–7; 44,9–20; 46,6–7 münden in die Feststellung, dass diese Texte an israelitische Adressaten gerichtet seien, um diesen die Absurdität der Verehrung fremder Götter(bilder) vor Augen zu führen. Dasselbe gelte für die Gerichtsreden an die Völker. Auch deren Funktion sei es, die Israeliten vor der Übernahme fremder Kultpraktiken zu warnen. Interessanterweise unterstützt Sch.s Arbeit damit die Hypothese, dass die Götterbilderthematik (und ein Teil der zugehörigen Texte) bereits zum Kernbestand des Deuterojesajabuches gehört haben könnte.
Kapitel 5 geht in einem Exkurs auf die prophetischen Aufrufe zur Umkehr bei Jeremia und Ezechiel ein. Dabei findet Sch. Parallelen zu dem von ihr für Jes 40–55 herausgearbeiteten Zusammenspiel von Erlösung durch JHWH und Umkehr zu JHWH vor allem in Jer 3 und Ez 11. Das abschließende Kapitel 6 fasst die Ergebnisse der vorangegangenen Kapitel in einer systematischen Darstellung zusammen.
Positiv zu würdigen sind vor allem der klar gegliederte Aufbau der Arbeit (inklusive der hilfreichen Zusammenfassungen am En­de jedes Abschnitts) sowie die Fülle des untersuchten Textmaterials. Hinsichtlich der methodischen Durchführung sind jedoch auch kritische Anfragen zu formulieren. So ist zu fragen, ob es aufgrund der Prämisse, Jes 40–55 als einheitlichen Textzusammenhang zu verstehen, sowie im Rahmen der Zielsetzung, einen Zusammenhang zwischen der Heilsbotschaft und den Aufrufen zur Umkehr in Jes 40–55 aufzuzeigen, nicht nahelegen hätte, auch größere Textabschnitte im Ganzen zu untersuchen. Anbieten würde sich dafür z. B. die Position der Gerichtsrede Jes 43,22–28 zwischen den beiden Heilsorakeln Jes 43,16–21 und 44,1–5, auf die Sch. selbst hinweist. Darüber hinaus fordern manche der exegetischen und theologischen Schlussfolgerungen zur Diskussion heraus. Dies gilt z. B. im Blick auf die Frage nach den Ursachen und Implikationen der »Rückkehr« JHWHs oder die postulierte Unterscheidung von physischer und spiritueller Erlösung (Kapitel 6.3). Insgesamt leistet die Arbeit mit einer Fülle wertvoller Textbeobachtungen einen hilfreichen Beitrag zum Verständnis der Theologie von Jes 40–55.