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Ausgabe:

Januar/1997

Spalte:

14–16

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Bsteh, Andreas [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Christlicher Glaube in der Begegnung mit dem Islam. Zweite Religionstheologische Akademie St. Gabriel. Referate –­ Anfragen –­ Diskussionen.

Verlag:

Mödling: St. Gabriel 1996. 616 S. 8° = Studien zur Religionstheologie, 2. Kart. DM 42,80. ISBN 3-85264-496-8.

Rezensent:

Wolfgang Pfüller

Der vorzustellende Band dokumentiert die Referate und Diskussionen der zweiten Religionstheologischen Akademie St. Gabriel vom September 1993. Obwohl er in engem Zusammenhang mit der Dokumentation der ersten Religionstheologischen Akademie (A. Bsteh [Hrsg.]:, Der Islam als Anfrage an christliche Theologie und Philosophie, Mödling 1994) steht, ist er ohne weiteres in sich selbst verständlich und soll hier auch in dieser Weise besprochen werden.

Naturgemäß bringen es vor allem die sehr übersichtlich, wenngleich nicht gerade papiersparend dargebotenen Gespräche im Anschluß an die Referate mit sich, daß eine Fülle von Problemen und Lösungsaspekten angesprochen wird. Dies kann hier auch nicht annähernd wiedergegeben werden. Ich will gleichwohl versuchen, anhand der reflektierten Probleme einen Überblick über die Beiträge des vorliegenden Bandes zu geben.

Zusammenfassend könnte man sagen, daß auf der einen Seite grundlegende Probleme im christlich-islamischen Dialog reflektiert werden, während auf der anderen Seite Probleme des Dialogs der Religionen im allgemeinen im Vordergrund stehen. Ich beginne mit den Beiträgen zu grundlegenden Problemen im christlich-islamischen Dialog.

(1) Ist Muhammad als legitimer Prophet zu akzeptieren? Dieser Frage widmet sich N. Füglister, Die Propheten. Berufung ­ Sendung ­ Kriterien (11-29). Selbstredend hängt die Antwort hierauf davon ab, was unter "Prophet" verstanden wird. Geht man wie F. von einem weiten religionsphänomenologischen Begriff aus (14), ist Muhammad ohne weiteres als Prophet zu verstehen. Schwierig wird die Antwort demgegenüber, wenn der Inhalt der Botschaft Muhammads vom christlichen Glauben her auf seine Legitimität überprüft werden soll (27 f.; vgl. 61 f.). Und inakzeptabel ist ja jedenfalls der Anspruch Muhammads auf Endgültigkeit seiner Botschaft ("Siegel der Propheten"). (vgl. 51) Dennoch wäre es m. E. mehr als eine freundliche Geste (vgl. 38), wenn Muhammad christlicherseits als Prophet betrachtet werden könnte. ­ H. Ott, Die Endgültigkeit der Christusoffenbarung (205-215), versucht sogar, im Blick auf den Endgültigkeitsanspruch eine Verständigung anzubahnen. Er fragt, ob die diesbezügliche Unvereinbarkeit von Christentum und Islam nicht in einem unzureichenden Verständnis von "Endgültigkeit" begründet ist (207 f.). Wenn Offenbarung "wesenhaft Selbstoffenbarung Gottes ist" (212), wenn sie demzufolge "radikal und konsequent als personale Begegnung gedacht werden" muß (213), dann "bedeutet das ’Endgültige’ nicht zwangsläufig das zeitlich Letzte. Es könnte ebensowohl das unvordenklich Frühe sein, das allen Menschen seit der Frühzeit menschlicher Geschichte galt und gilt und angeboten wird. Und zwar dies eben als das unwiderruflich Endgültige: nämlich, daß Gott mit ihnen und für sie ist, personal, in seiner Liebe und Treue" (214). Geschieht dieses Endgültige nach christlicher Überzeugung in Jesus Christus, so widerspricht der damit verbundene Anspruch nicht dem des Islam, "weil das Verständnis von Endgültigkeit ja bei beiden Religionen auf ganz unterschiedlichen Ebenen angesiedelt ist". (215) Ob Ott hiermit recht hat und seine löbliche Verständigungsbemühung somit aussichtsreich ist, erscheint mir allerdings zweifelhaft (vgl. 244).

Dieser Zweifel wird bekräftigt durch M. Karrers Beitrag: Fülle Gottes und der Zeiten. Zur neutestamentlichen Christologie (139-162). Das "christologische Proprium des Christentums mit dem Anspruch: in Christus und nirgendwo sonst zeigt sich Gottes Fülle" (140) soll hier anhand des biblischen Befundes expliziert werden. Zwar werden, so K., die anderen Religionen aus dieser Fülle nicht ausgeschlossen, vielmehr in sie eingeschlossen (161 f.). Daraus aber folgt, daß eine gleichwertige Fülle in anderen religiösen Traditionen nicht gegeben sein kann (vgl. 191). Der Islam würde angesichts dessen ganz gewiß nicht nur seinen Endgültigkeitsanspruch bestritten sehen, sondern auch die in der Diskussion gestellte Frage zum Einwand verdichten: "Besteht nicht die Gefahr, daß mit der Aussage, in Christus begegnet die ganze Fülle der Gottheit, die Transzendenz Gottes aufgehoben wird?" (164) ­ Im Zusammenhang der christologischen Probleme erörtert Karrers zweiter Beitrag: Neue Schöpfung. Das Eschaton in der Geschichte? (457-478) nochmals grundsätzlich die Frage nach der Endgültigkeit in der Geschichte. Zeigt nach paulinischer Tradition (2Kor, Gal, Eph) das Christusgeschehen fraglos "Gottes endgültiges Handeln in der Geschichte, so fragt es sich nun doch, wie strikt dieser Ansatz durchzuhalten ist. "Ist es nicht zu kühn, in der Geschichte gleichsam aus der Geschichte heraus ins Ende einzutreten?" (466) Nun, für K. läßt sich diese Kühnheit urchristlich durchaus in verschiedener Weise denken (473), wobei er wieder die Inklusivität eines solchen Denkens unterstreicht (474 ff., bes. 478).

(2) Neben diesen grundlegenden Problemen (im Zusammenhang) der Christologie eröffnet G. Greshake, Trinität als Inbegriff des christlichen Glaubens (327-342), eine anspruchsvolle, um nicht zu sagen prätentiöse trinitätstheologische Perspektive. Nicht nur behauptet G. den Glauben an den trinitarischen Gott als Inbegriff des christlichen Glaubens; nicht nur betrachtet er ihn damit als "das eigentliche Zentrum der Differenz zum Islam". (327) Vielmehr unternimmt er es, in Kürze darzulegen, daß "eine widerspruchsfreie und plausible Schöpfungs-, Offenbarungs- und Geschichtstheologie ohne trinitätstheologischen Hintergrund" schwerlich entwickelt werden kann und daß erst auf diesem Hintergrund der Satz: Gott ist die Liebe konkret und denkerisch plausibel entfaltet werden kann (327 f., 342). ­ Daß dieses anspruchsvolle Unternehmen kaum gelungen sein dürfte, belegen nicht zuletzt die Anfragen der christlichen (!) Gesprächspartner in der Diskussion (vgl. 344. 360. 370 f.).

(3) R. Schaefflers Überlegungen: Durch das Wort geschaffen ­ Für das Wort geschaffen. Von der Transzendenz und Immanenz des göttlichen Wortes (389-400) verfolgen das Problem des Verhältnisses von Transzendenz und Immanenz Gottes bzw. des göttlichen Wortes bzw. der Wahrheit im Blick auf den philosophisch-theologischen Dialog (389). Die Bezugspunkte dieses Problems zu Problemstellungen der hebräisch-jüdischen Tradition werden im Referat wiederholt angesprochen. Leider führen die Schlußfolgerungen Sch.s in bezug auf "ein mögliches christlich-islamisches Gespräch" (399 f.) eher auf Nebengleise, auf denen sich wohl dadurch dann weithin auch die anschließende Diskussion bewegt. So wird hier hinsichtlich der Reflexion eines grundlegenden Problems im christlich-islamischen Dialog manches verschenkt.

Nach diesem Überblick zu den Reflexionen über wesentliche Probleme im christlich-islamischen Dialog nun zum anderen Schwerpunkt des vorliegenden Bandes, den Problemen des Dialogs der Religionen im allgemeinen. Hierfür mögen die beiden restlichen Beiträge stehen. Da ist zunächst der Beitrag von W. Dupré, Dialog und Wahrheit (65-92). Darin wird für eine "Priorität praktischer Wahrheitswirklichkeit" plädiert (bes. 69. 71), der Dialog als "eigene Form der Wahrheit" sowie "als Forderung des religiösen Wahrheitsbewußtseins" deklariert (bes. 78; vgl. auch 137) und auf Konsequenzen aus diesem Ansatz für das Verhältnis zwischen den Religionen sowie für eine Näherbestimmung des Sinns der Wahrheit im religiösen Selbstverständnis reflektiert (81 ff.). ­ Sodann möchte ich in diesen Zusammenhang A. Th. Khoury, Der Islam in der Sicht christlicher Theologie (265-286), stellen. Dieses Referat befaßt sich zwar zuerst mit der Sicht christlicher Theologie auf den Islam in Vergangenheit und Gegenwart, weitet jedoch bald die Perspektive auf eine christliche Position zu den Religionen überhaupt (275 ff.), um schließlich in Richtung eines religionstheologischen Inklusivismus zu votieren (286).

Der nunmehr überblicksartig vorgestellte Band, der durch "Schlußreflexionen auf das Ergebnis der Akademie" (527-561), Angaben zu Referenten und Teilnehmern (562-567) und einen umfangreichen Registerteil (568-616) abgerundet wird, bewegt sich nach Auffassung des Hg.s (7) gleichsam erst im Vorveld des christlich-islamischen Dialogs, insofern christliche Theologen und Islamkundlern in den Gesprächen unter sich bleiben. Desungeachtet leistet das Buch in eben diesem Vorfeld einen guten Dienst. Die abschließend zu stellenden Fragen, zu denen es anregt, bezeichnen daher nicht nur sein Ungenügen, sondern auch sein Verdienst.

1. Von welchem religionstheologischen Ansatz her soll der Dialog geführt werden? Im vorliegenden Buch wird der Ansatz der pluralistischen Religionstheologie offenbar abgelehnt (vgl. 162 Anm. 98. 300. 316 f.) ­ nach Ansicht des Rez. jedoch kaum mit immer ausreichenden Kenntnissen und Argumenten. 2. Wie ist es mit der Lernbereitschaft und Offenheit im Dialog bestellt angesichts des vertretenen Inklusivismus mit seinem Anspruch auf endgültige Offenbarung (vgl. dazu immerhin ähnliche Anfragen der Diskutanten: 295 f., 539 f.)? 3. Soll das Ziel des Dialogs (vgl. 115. 133 f.) über das wechselseitige Lernen im Geist der Toleranz, das Aufeinanderzugehen, das freundschaftliche Miteinander trotz bleibender Differenzen, die Verständigung i. S. von Konsens und Dissens, Konvergenz und Divergenz hinausgehen? Will heißen: Ist über all dies hinaus ­ so wichtig es zweifellos ist ­ auch der (freundschaftliche!) Streit um die "Wahrheit" angezielt? Muß dann aber nicht jeglicher, d. h. auch der inklusivistische Endgültigkeitsanspruch aufgegeben werden? Müssen dann nicht inhaltliche Kriterien zur Überprüfung der vertretenen religiösen Positionen erarbeitet werden, und bedarf es dazu nicht des Ansatzes einer pluralistischen Religionstheologie?