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Ausgabe:

März/2010

Spalte:

365-367

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Krause, Cyprian

Titel/Untertitel:

Mysterium und Metapher. Metamorphosen der Sakraments- und Worttheologie bei Odo Casel und Günter Bader.

Verlag:

Münster: Aschendorff 2007. XXXII, 617 S. gr.8° = Liturgiewissenschaftliche Quellen und Forschungen, 96. Kart. EUR 74,00. ISBN 978-3-402-11260-1.

Rezensent:

Jörg Neijenhuis

Der Vf. legt eine hochinteressante Studie vor, die die Mysterienlehre des Katholiken Odo Casel (1886–1948) mit der Metaphorologie des Bonner evangelischen Systematikers Günter Bader in Verbindung bringt. Die dadurch verursachten Brechungen lassen die Grundprobleme der Caselschen Mysterienlehre in neuer Perspektive erscheinen, manches Hermetische wird hermeneutisch gelesen. Dass es sich dabei um Grenzgänge handelt, spricht für sich und wird auch darin deutlich, wie die Sakramentstheologie mit dem Schlüsselbegriff des Mysteriums und die Worttheologie mit dem Schlüsselbegriff der Metapher hier aufeinander und zueinander gedacht werden.
Dass dieses Vorhaben nicht ohne Schwierigkeiten ist, liegt auf der Hand: Casel und Bader gehören unterschiedlichen Traditionen, Generationen und Zeitsituationen an. Hinzu kommt, dass das Kultmysterium an der Schau des Göttlichen orientiert ist und sich statisch versteht, während die Metapher sich auf das Hören verlegt, sich in einer Geschichte entwickelt und sich somit dynamisch versteht. Hier findet sich eine hermetische Bildwelt, während sich dort eine rationale Begriffswelt entwickelt. Der Vf. verspricht sich aber von dieser Lektüre neue Lösungsansätze, da ein unfruchtbares Gegeneinander von Mysterium und Metapher die möglichen Relationen, die sie zueinander haben, kaum sichtbar werden lässt. Denn es soll ja schließlich um Wort und Sakrament gehen, nicht um Wort oder Sakrament. In jedem Fall verspricht sich der Vf. Lerneffekte sowohl für den Ansatz der Mysterienlehre als auch für den der Metaphorologie.
Dafür baut der Vf. seine Untersuchung folgendermaßen auf: Zuerst wird dem Leser ein Aperçu geboten, indem in den Aufbau der Untersuchung und in die Thematik eingeführt wird. Das erste Kapitel befasst sich mit der Mysterienlehre Casels, das zweite Kapitel mit der Theologie Baders; das zweite Kapitel ist gekennzeichnet als Brechung der Perspektive in der Metapher. Das dritte Kapitel zeichnet die Metamorphosen zwischen Mysterium und Metapher nach, um in der Schlussbetrachtung interaktive Lerneffekte zwischen Mysterientheologie und einer Theologie der Metapher aufzuzeigen.
In der gebotenen Kürze das Einzelne: Der Vf. zeichnet den theologischen Gedankengang Casels nach, der gegen die Tendenz seiner Zeit eine Wende zum Mysterium vollzieht aus der Kritik am Chris­tentum, das er als intellektualistisch, ethizistisch und sentimental ausgedünnt erfährt. Casel stellt dem eine Kultmystik gegenüber, die Unmittelbarkeit, Objektivität, Erfahrung, Theoria (verstanden als Intuition) und Koinonia ermöglicht. Casel hat sich intensiv mit dem altkirchlichen christlichen Kultmysterium sowie den helle­nis­tischen Mysterienkulten auseinandergesetzt. Der Vf. zeigt aber auch die Grenzen dieses Verstehens und nimmt hier wie auch andernorts in seiner Darstellung die daran schon zu Casels Zeiten geäußerte Kritik auf. Anschließend wird Casel als Liturgiker und als Pneumatiker vorgestellt, um danach wieder kritische Reaktionen zu Wort kommen zu lassen, die zeigen, dass auch bei Casel manche theologische Äußerung zeitbedingt zu verstehen ist.
Im Folgenden stellt der Vf. die Theologie Baders dar und beschreibt sie als poetisch-liturgische Grundlegung der Metaphorik, die in einer Theologie als Lob des Namens Ausdruck findet. Die Aufgabe einer Theologie der Metapher ist, zwischen Θεολογία und Theologie zu vermitteln, denn Θεολογία ist das Wort aus Gott, während Theologie das Wort über Gott meint. Bader geht es in seiner Theologie darum, eine Sprache des Absoluten in der menschlichen Sprache zu finden. Entsprechend umfangreich wird seine Phänomenologie des metaphorischen Prozesses dargelegt. Der Vf. findet den vermittelnden Punkt zwischen Baders und Casels Ansatz in Baders Auffassung von einer liturgischen Theologie, der er das Gewicht einer theologia prima beimisst. Denn indem der Name Gottes in der gebeteten Liturgie genannt wird, spricht sich im Na­men Gott selbst aus. Bader geht es also nicht um Statisches, sondern um Bewegung, denn ursprüngliche Theologie ist Liturgie als Wort­entstehungsfeier. Bader geht sogar noch weiter, indem er den Begriff der liturgischen Theologie so auffasst, dass damit nicht nur gemeint ist, Liturgie sei ein möglicher Gegenstand der Theologie oder Quelle von Theologie, sondern Theologie muss selbst liturgisch sein. Ist sie das nicht, riskiert sie, keine Theologie mehr zu sein. Finden sich darin Casel und Bader überein, so unterscheiden sich beide doch darin, dass Casel diese theologia prima unvermittelt auffasst, während für Bader die liturgische Feier sprachlich und geschichtlich zu vermitteln ist. Denn Bader hält fest, dass jede liturgische Feier das Risiko des Nichtgelingens in sich trägt. Denn sie sei das ungeheuere Unternehmen, das Un­nennbare mit Namen zu nennen. Hier sieht der Vf. eine Chance, wie Baders Weg der Caselschen Mysterientheologie aufhelfen könnte: Die theologia secunda muss die theologia prima aus sich heraussetzen, weil sich die theologia secunda auf die sich ereignende theologia prima verlassen muss, da sich göttliche Sprache als Eulogia vernehmen lässt. Nach Bader geschieht liturgische Theologie in einem Medium von Kraft als Sprache und Sprache als Kraft. Drastisch wird dies an dem von Bader gewählten Oxymoron Wortopfer. Da das Kreuz allen Relationen ein Ende bereitet, bereitet es auch dem Lob Gottes ein Ende. So wird das Wort auch ein Opfer des Kreuzes; das folgende Schweigen kann metaphorisch als Gebet aufgefasst werden.
Was kann nun die Mysterientheologie von der Theologie der Metapher lernen? Der Vf. gibt folgende Antworten: Da die Metapher ein Sprachbild sei und die Sprache selbst ihren metaphorischen Gebrauch lehre, könne die Metapher das Mysterium zugänglicher machen. Da Metapher weder Hermetik noch Rationalismus sei, entspreche sie dem mitteilenden Mysterium. Außerdem könne sie dem Mysterium das Lernen beibringen, das ja eigentlich im Erfahren, im Erleiden, im Pathos seinen Grund habe. Dazu komme, dass die Metapher etwas von dem langen Übertragungsweg wisse, der im Mysterium zwischen der als unmittelbare Einheit angesehenen äußeren ästhetisch-sinnenhaften Theoria des Kultbildes und inneren pneumatisch-sinnerfüllten Theoria des göttlichen Wesens liege. Und die Mysterienlehre könne das Subjektive schätzen lernen und damit zugleich den Glaubensakt, der bei Casel kaum Interesse finde wegen der Überbetonung des objektiven mystischen Schauens.
Auch die Gegenfrage stellt der Vf.: Was kann die Theologie der Metapher von der Mysterientheologie lernen? Das Metaphernmodell könne ein wohltemperiertes Pathos erlernen. Bader habe dies gezeigt in seiner Aufnahme und Wertschätzung der Musik, insbesondere des Sprechgesangs. Und es zeigen sich Übergänge von der Hermeneutik zur Phänomenologie. So könne die Theologie der Metapher heute das Anliegen einer Mysterientheologie nach der anthropologischen und linguistischen Wende auf der Höhe der Zeit zur Sprache bringen, während die Mysterientheologie wegen ihres ontologischen Anspruchs die Metapherntheologie davor bewahren könne, in ein bloßes Sprachspiel abzugleiten. Abschließend zeigt der Vf., dass Mysterientheologie und Metapherntheo­logie zwei verschiedene Arten von Mystagogie sind, die durch wechselseitige Brechung ein angemessenes Sprechen von Gott ermöglichen, was den Zustand des Schwebens hervorruft.