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Ausgabe:

März/2010

Spalte:

363-365

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Mannion, Gerard [Ed.]

Titel/Untertitel:

Comparative Ecclesiology. Critical Investigations.

Verlag:

London-New York: T & T Clark 2008. XXII, 207 S. gr.8° = Ecclesiological Investigations, 3. Geb. £ 60,00. ISBN 978-0-567-03241-6.

Rezensent:

Siegfried Wiedenhofer

Neben dem angegebenen Titel in dieser Rezension besprochen:

Collins, Paul M., Mannion, Gerard, Powell, Gareth, and Kenneth Wilson: Christian Community Now. Ecclesiological Investigations. London-New York: T & T Clark 2008. XVIII, 200 S. gr.8° = Ecclesiological Investigations, 2. Geb. £ 65,00. ISBN 978-0-567-03242-3.


Die beiden hier vorzustellenden Bücher stellen die Bände 2 und 3 einer neuen ekklesiologischen Reihe dar, in der die Forschungsergebnisse eines breiten internationalen und ökumenischen ekklesiologischen Forschungsnetzwerkes (Ecclesiological Investigations International Research Network) präsentiert werden sollen. Das Netzwerk selbst ist seit 2002 aus kleinen Anfängen in England entstanden. Im Laufe der Zeit haben sich immer mehr theologische Institutionen und Gruppen angeschlossen. Es soll als Drehscheibe für die nationale und internationale Zusammenarbeit in der Ekklesiologie dienen, andere Gruppen und Netzwerke zusammenbringen, Forschungsprojekte anstoßen und organisatorisch unterstützen und auch als Anziehungspunkt für die Einwerbung von Fördermitteln fungieren, nicht zuletzt aber eine offene und pluralistische Zusammenarbeit in Forschung und Lehre ermöglichen. Die Integration kontinentaleuropäischer Institutionen und Gruppen scheint allerdings noch relativ schwach zu sein.
Der erste Band (Christian Community Now) bietet einen offenbar sehr rasch zusammengestellten Einblick in die mehrjährige Zusammenarbeit der Ursprungsgruppe des Ekklesiologie-Netzwerkes. Das zeigt sich nicht nur darin, dass z. B. das im Inhaltsverzeichnis erscheinende Geleitwort von Michael Fahey im Text selbst fehlt, sondern auch, dass die Gliederung der zehn Beiträge einen etwas künstlichen Eindruck macht. Der Band ist das Resultat eines mehrjährigen Gesprächs zwischen vier Theologen (einem Anglikaner, zwei Methodisten und einem römisch-katholischen Theologen), das versucht, eine wirklich ökumenische und zugleich wahrhaft theologische Ekklesiologie zu entwerfen. Die eigentliche Aufgabe der Kirche ist es, Zeugnis zu geben von Gott und seiner Gegenwart. Daher ist auch ihr Selbstverständnis von Gott her, christlich gesprochen, im Kontext des trinitarischen Gottesbekenntnisses zu entwickeln, d. h. in Relation zum Schöpfergott, zum Erlösergott und zum Vollendergott (vgl. die Einleitung, 1–6). Diesem Programm kann ich eigentlich nur voll und ganz zustimmen. Zuzustimmen ist auch der Forderung, dass eine solche Ekklesiologie dem heutigen Kontext zu entsprechen hat, der wesentlich durch einen religiösen, christlichen, kirchlichen und kulturellen Pluralismus geprägt ist. Angezielt wird daher eine Ekklesiologie, die zugleich gott- und weltbezogen ist und darin wesentlich hermeneutisch, ethisch, dialogisch, lernbereit und selbstkritisch ist, ohne einem Relativismus der Beliebigkeit zu verfallen. Dies ge­schieht in den auch stilistisch sehr unterschiedlichen Beiträgen mit unterschiedlicher Überzeugungskraft. Von den drei Beiträgen Kenneth Wilsons ist der Beitrag »The World as Creation: The God-given Context of God’s Glory« (21–42) am wichtigsten, insofern hier das Kirchenthema nachvollziehbar in den Schöpfungsglauben hineingestellt wird. Gerard Mannion arbeitet in seinen beiden materialreichen Kapiteln den hermeneutischen Charakter dieser neuen Ekklesiologie (Hermeneutical Investigations: Discerning Contemporary Christian Community, 63–90) und deren ethischen Charakter (Act and Being in the Church: Comparative Explorations in Ecclesiology and Ethics, 109–134) heraus. Die an sich notwendige Verbindung mit der Praktischen Theologie bleibt etwas zwiespältig. Am überzeugendsten scheint mir hier der Beitrag von Paul M. Collins über den Gottesdienst zu sein (Ecclesiology: Worship and Community, 157–178), während seine Erörterung der Kontextfrage (Ecclesiology: Context and Community, 135–156) eher systematisch-theologischer Natur ist. Die beiden restlichen Beiträge über Kirchenleitung und Mission (179–187.188–197) verbleiben allzu sehr im Allgemeinen.
Der zweite Band bietet einen Einblick in die Formierung einer Komparativen Theologie, mit der heute, besonders intensiv in der angelsächsischen Welt, auf die Erfahrung eines tiefgreifenden Pluralismus auch im Bereich der Religion und auch im Bereich des christlichen Glaubens reagiert wird. Genauerhin geht es um die Diskussion der als Pionierwerk auf diesem Gebiet geltenden Komparativen Ekklesiologie des amerikanischen katholischen Theologen Roger Haight SJ, der nach jahrelanger Vorarbeit das umfangreiche dreibändige Werk Christian »Community in History« (2004, 2005, 2008) vorgelegt hat. Wer dieses voluminöse Werk nicht kennt – zumindest in Deutschland scheint es weitgehend unbekannt geblieben zu sein – (vgl. aber die Rezensionen zu Bd. 1 und 2 in ThLZ 131 [2006], 779 und ThLZ 134 [2009], 360), der kann sich anhand der Übersichten und Zusammenfassungen in diesem Band ganz gut ein erstes Bild machen (in Vorwort und Schlussbeitrag von Roger Haight, XIX–XXI.191–202, sowie in den beiden Übersichten von Gerard Mannion, dem Herausgeber, 13–40.167–190, und – sehr präg­nant – in dem Beitrag von Bradford Hinze, 42–45).
Das Projekt einer Komparativen Ekklesiologie, wie es Roger Haight bisher verfolgt hat, ist einerseits viel zu aktuell und auch viel zu differenziert und qualitätsvoll, um es einfach übergehen zu können oder mit dem üblichen Relativismus-Vorwurf abzuqualifizieren. Auf der anderen Seite schließt es Entscheidungen in vielen sehr grundlegenden theologischen und philosophischen Fragen ein (vor allem in Fragen der theologischen Hermeneutik und in Fragen der philosophischen Erkenntnistheorie und Ontologie) und macht sich daher in vielfacher Weise kritisierbar. Die Beiträge des Buches stimmen – mindestens im Prinzip – dem Gesamtprogramm zu und würdigen auch – mehr oder weniger stark – die große Leistung in der Durchführung. Die Kritik reicht von direkten Einsprüchen bis zu bloßen Verbesserungsvorschlägen und Konkretionen. Gerard Jacobitz will z. B. Haights Ekklesiologie »von un­ten« durch eine phänomenologische Zeichentheorie besser abstützen als die von Haight verwendete Tillich/Rahnersche Symbol­theo­rie (57–86).
Ann Caron löst durch den Hinweis auf eine feministisch-theologisch interpretierte trinitarische Communio-Ekklesiologie die Frauenfrage in der Ekklesiologie ein (106–124). Reid B. Locklin zeigt anhand eines konkreten Vergleiches zwischen bestimmten hinduistischen und bestimmten katholischen Verständnissen einer religiösen Gemeinschaft, welche Bedeutung die bei Haight noch nicht wirklich eingelöste Einbeziehung anderer Religionen für eine Komparative Ekklesiologie hat (125–148). Auch James R. Ginther weist am Beispiel eines mittelalterlichen ekklesiologischen Textes (Normannischer Anonymus) die Notwendigkeit einer mikro-historischen Betrachtungsweise nach, um der Gefahr vorschneller Generalisierungen zu begegnen (54–74). Minna Hietamäki zieht zwei ökumenische Konsenstexte heran (Communio Sanctorum 2000 und The Church as Koinonia of Salvation 2004), um auf Problemstellen der Komparativen Ekklesiologie Haights hinzuweisen und zu zeigen, dass die ökumenische Hermeneutik eines differenzierten Konsenses hier deutliche Vorteile aufweist (89–105). Bernard Prusak plädiert für eine genauere Klärung des Verhältnisses zwischen göttlichem und menschlichem Wirken in der Kirchengeschichte und sieht in Schöpfungsglaube und Pneumatologie auch Veränderungen und Innovationen in der Kirche grundgelegt (151–166). Bradford Hinze sieht schließlich die Bedeutung von Autorität, Lehre und Bekenntnis in Haights Ekklesiologie »von unten« unterschätzt und Gläubigkeit und Bekenntnis in einem notwendigen hermeneutischen Wechselverhältnis, weshalb es keine Ekklesiologie »von unten« gäbe, die nicht zugleich Ekklesiologie »von oben« wäre.
Dem Projekt Haights wäre zu wünschen, dass diese Auseinandersetzung auch im kontinentaleuropäischen Kontext weitergeführt wird.