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Ausgabe:

März/2010

Spalte:

361-363

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Collins, Paul M.

Titel/Untertitel:

The Trinity. A Guide for the Perplexed.

Verlag:

London-New York: T & T Clark (Continuum) 2008. IX, 194 S. 8°. Kart. £ 12,99. ISBN 978-0-567-03185-3.

Rezensent:

Hermann Deuser

Neben dem angegebenen Titel in dieser Rezension besprochen:

Spence, Alan J.: Christology. A Guide for the Perplexed. London-New York: T & T Clark (Continuum) 2008. X, 174 S. 8°. Kart. £ 14,99. ISBN 978-0-567-03195-2.


Der Untertitel erhebt einen hohen Anspruch: Die neue Reihe mit dogmatischen Themenbänden, Einführungen zu Klassikern der Theologie (z. B. Calvin oder Tillich), aber auch zu ethischen Konfliktfeldern (Bioethics) erinnert selbstbewusst an Maimonides’ Dux neutrorum, den Führer der Unschlüssigen, wenn auch jetzt mit dem unbestimmten Artikel »A Guide …«! Wer sind die adressierten Unschlüssigen? Die »Gebildeten unter ihren Verächtern« könnten gemeint sein, nur dass hier die Kirche und ihre Lehre den Bezugspunkt abgeben, nicht Religion allgemein; Studierende, Fragende und Suchende könnten gemeint sein, doch ihrer Unschlüssigkeit wird keine eindeutige Antwort geboten oder eine bestimmte Entscheidung abverlangt, sondern sie werden jeweils konfrontiert mit einer differenziert und kritisch vorgetragenen Pro­blem­lage – und vielleicht ist es diese rationale Argumentation als Dis­kussionsstil, die noch am ehesten dem Vergleich mit dem großen Denker des 12. Jh.s standhält.
Die beiden hier zu besprechenden Bände präsentieren allerdings keine philosophische Theologie, sondern den harten Kern der christlichen Dogmatik: das Geheimnis der drei »Personen« des einen Gottes und das Geheimnis der zwei »Naturen« in der Person­einheit von Jesus Christus. Sollte ein solches religiöses Geheimnis des Glaubens nicht besser doch nur biblisch, heils- und dogmengeschichtlich in seiner Herkunft und Entwicklung beschrieben werden? Oder ist es zumindest auch zu erklären und zu begründen, kritischem Denken also zugänglich zu machen? In beiden Fällen, der Trinitätslehre wie der Christologie, insistieren die Autoren auf diesem immer wieder unauflöslich erscheinenden Problemknoten: Warum kommt es überhaupt zu dieser komplizierten und doch unvermeidlichen Konstellation, Gott sowohl in sich selbst als auch in seiner Wirksamkeit in einer triadischen Relation zum Ausdruck bringen zu müssen (Collins, Kapitel 1)? – Und ist nicht das Zugleich des Göttlichen und Menschlichen in Christus trotz seiner Denksperren der Felsgrund aller kirchlichen Lehre, und diesen Grund zu verstehen würde bedeuten, die »DNA« aller Theologie lesen zu können (Spence, IX)? Die Antwort auf beide Fragen wird jeweils so gegeben, dass in knappen und informativen Skizzen die Denkmöglichkeiten entsprechend der klassischen Lehrbildung (der altkirchlichen Konzilien) vorgetragen werden, d. h. die »orthodoxen« Linien werden entwickelt, und sie treffen jeweils auf die »modernen« skeptischen Rückfragen, ob und wie solche antiken Vorstellungen von Hypostasen, Wesensgleichheit, Person/en und Naturen denn noch aufrechterhalten werden können.
In der Entwicklung der Trinitätslehre hatte sich früh eine doppelperspektivische Problemlösung abgezeichnet, einerseits die Einheit im Wesen von Vater, Sohn und Geist festzuhalten (um Abstufungen in der Bedeutung bzw. eine Mehrzahl göttlicher Personen zu vermeiden), andererseits in deren wechselseitigen Beziehungen durchaus auch Unterschiede erkennbar zu machen (wie es die Relation zwischen dem Vorrang des Vaters gegenüber dem Sohn bzw. die Relation beider zum Geist verlangt). Was und wie die Konzilstexte (seit dem 4. Jh.) und die Theologien in ihrem Umfeld formulieren, ist jeweils eingebettet in liturgischen Gebrauch, Frömmigkeitspraxis und exegetische Arbeit und erscheint aus heutiger Sicht eher als Sprachregelung denn als erkenntnistheoretisch oder ontologisch gesicherte Aussagen, wie Gott selbst ist. Collins verfolgt diese ontologische Spur durchgängig in der Diskussion der Forschungsarbeiten von J. D. Zizioulas, der mit großer Wirkung auf die englische Theologie der letzten Jahrzehnte die göttliche Trinität als Gemeinschafts-Geschehen interpretiert hat, damit an patristische Texte anschließt und moderne Fragen zu integrieren versteht: Wenn Gottes wirkliches Wesen bestimmt werden soll, so kann das nur über sein Gemeinschaftssein (»communion«) gelingen. In dieser relationalen Dynamik liegt sowohl ein Ereignis- und Begegnungscharakter als auch die Rückbindung an die kirchliche Gemeinschaft; aber auch ein jeweiliges Gegenüber, d. h. eine konstitutive Andersheit in Gott lässt sich plausibel machen – womit ein Kontakt zu postmodernen metaphysischen Denkmodellen eröffnet ist. Collins’ Bemühen gilt dieser immer wieder kritisch befragten und von ihm selbst eher konstruktivistisch aufgefassten Ontologie einer Communio-Relationalität, der alte wie neue Lösungsangebote und Forschungspositionen zugeordnet werden. Das geschieht auf der Grundlage der Tradition mit Hilfe der modernen Klassiker (wie K. Rahner oder K. Barth), aber auch in der Form kurz gefasster Literaturberichte – insofern im Ganzen doch eher eine Einführung für Fortgeschrittene.
Die Darstellung der Grundprobleme der Christologie ist me­thodisch einfacher konzipiert, in leichterer Stillage sehr zu­gäng­lich geschrieben und von detaillierter Forschungsliteratur weitgehend entlastet: Auf die »klassischen« Modelle folgen abgesetzt die »modernen«, letztere beginnen exemplarisch mit der biblizistisch-rationalen Kritik der Sozinianer, und den Übergang zwischen alt und neu bildet die Reformationszeit. Vor allem die abgrenzenden Sprachregelungen der alten Kirche (im Zentrum das Konzil von Chalcedon) bleiben der Maßstab, so dass die Veränderungen in den modernen Interpretationen der Christologie umso klarere Konturen gewinnen: Der »historische« Jesus ist eben doch eine säkular-wissenschaftliche Konstruktion, nicht die Inkarnation der 2. Person göttlicher Trinität, und so werden die Christologien Schleiermachers, Bultmanns, Barths, Pannenbergs u. a. auf ihre Leistungsfähigkeit hin durchgenommen. Im religiösen Bewusstsein, im eschatologischen Ereignis des Wortes Gottes, im Zeugnis der Auferstehung wird die »göttliche Natur« von Jesus Christus verankert, aber eine – im Vergleich zur klassischen Christologie – »substantial reality« (Spence, 135), die auch die »menschliche Natur« einzuschließen in der Lage wäre, ist das nicht. An diesem Muster klassischer Inkarnationschristologie aber möchte Spence eigentlich festhalten, und er setzt auf den weitergehenden Austausch der ökumenischen Traditionen in diesem Punkt. In seiner Einführung in dieses Konfliktfeld zwischen »Klassik« und »Moderne« bleibt allerdings eine eigene Problemlösung ungesagt. Lehrreich sind die Hinweise zumal im Kontext von Darstellung und Kritik des Sozianismus, um welche Standards in Argumentation und Begründung es der Theologie gehen muss: Die Kriterien dafür, was letztlich als real und rational zu gelten hat, müssen die »own inner logic« bestimmter Weltsichten, »of a quite different world-view«, respektieren – wenn es auch auf der anderen Seite, in der Hochachtung des religiösen Geheimnisses, nicht zu »self-contradictory statements or plain nonsense« kommen darf (Spence, 86 f.). Wie hier der mittlere Weg gefunden werden soll, das überlässt dieser Führer dann doch den Unschlüssigen selbst.
Für deutsche Leser sind diese Einführungsbände auch deshalb interessant, weil sie einen Einblick in die britische Theologie und damit in eine Debattenlage geben, die wir in der Regel so nicht kennen, und das gilt auch für exemplarische Autoren dieser Tradition, z. B. für John Owen (17. Jh., vgl. Spence, 70 ff.). Umgekehrt ist es überraschend zu sehen, wie gering die direkte Auswertung reformatorischer Texte ausfällt, und reizvoll zu studieren, wie die deutschen Klassiker der theologischen Moderne eingesetzt werden (die hyperkritische Marginalie sei erlaubt: Bultmanns Vorname schreibt sich am Ende mit »f«, nicht mit »ph«, vgl. Spence), kurz: Der Austausch ist möglich und nötig, Trinität und Christologie lohnen das intensive Lesen und Sprechen auch über die Grenzen hinweg.