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Ausgabe:

März/2010

Spalte:

339-341

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Kolb, Robert

Titel/Untertitel:

Martin Luther. Confessor of the Faith.

Verlag:

Oxford-New York: Oxford University Press 2009. VI, 215 S. 8° = Christian Theol­ogy in Context. Geb. £ 50,00. ISBN 978-0-19-920893-7.

Rezensent:

Andreas Stegmann

Robert Kolb, Professor für Systematische Theologie am Concordia Seminary in St. Louis und Spezialist für die Theologiegeschichte im Übergang von der Reformation zur lutherischen Konfessionalisierung, hat für die Reihe »Christian Theology in Context« einen Band über Luther verfasst. Das Werk ist weniger ein Beitrag zur Lutherforschung als eine Einführung in das Lutherstudium, und zwar vor allem für ein englischsprachiges Publikum. Es erweist sich trotz aller Rücksichtnahme auf mit dem Stoff wenig vertraute Leser vor allem für die nützlich, die Vorkenntnisse mitbringen. Die zahlreich herangezogenen Quellen sind nach der Weimarer Ausgabe und Luther’s Works nachgewiesen und in englischer Übersetzung zitiert, an Sekundärliteratur sind vor allem neuere englischsprachige Arbeiten sowie die Übersetzungen von Standardwerken der deutschen und skandinavischen Lutherforschung angegeben.
K.s Verbindung von geschichtlicher und systematischer Er­schließung führt zu einer Gliederung in zwei annähernd gleich lange Hauptteile. Auf das Eingangskapitel, das Luther von der Wirkungs- und Forschungsgeschichte her in den Blick nimmt, folgt in den Kapiteln 2 bis 5 eine Darstellung der Biographie Luthers sowie der Genese seiner reformatorischen Theologie und in den Kapiteln 6 bis 10 eine systematisch gegliederte Entfaltung theologischer Einzelthemen mit einem abschließenden Ausblick auf die Gegenwartsbedeutung Luthers. Im ersten Hauptteil sind die beiden Kapitel »In Via Vittembergensi: Luther Develops His Hermeneutic« (42–71) und »The Emergence of the Reformer: Luther’s Decisive Turn to Reform« (72–94) hervorzuheben. Das eine entwickelt ausgehend von der im Laufe der frühen Vorlesungen erarbeiteten Hermeneutik den grundlegenden Zusammenhang von Schriftauslegung, Kreuzestheologie und Rechtfertigungslehre, das andere zeigt die Auswirkungen dieses theologischen Programms in Luthers Werk bis zum Beginn der 1520er Jahre. Im zweiten Hauptteil werden an­hand wichtiger Schriften und Auseinandersetzungen der 1520er bis 1540er Jahre fünf Sachzusammenhänge behandelt: Mensch und Sünde, Christus und Heil, Wort und Sakrament, Kirche, Ethik. K. gelingt es, das für einführende Lutherdarstellungen charakteristische Spannungsfeld von Information und Interpretation gut auszubalancieren. Er präsentiert die wichtigsten Daten zu Luthers Leben und Werk, flicht zahlreiche Überblicke über einzelne Lutherschriften und deren zeitgeschichtliche Kontexte ein und interpretiert das ausgebreitete Material unter Einbeziehung der Forschungsdiskussion behutsam.
Die Gliederung des Stoffs und seine Entfaltung geben zudem Einblicke in die Lutherinterpretation von K. Allerdings macht er angesichts des beschränkten Raums und der Fülle der zu gebenden Informationen seine seit Jahren in mehreren Einzelbeiträgen mit eigenen Akzenten (Kreuzestheologie, Prädestinationslehre u. a.) entwickelte Sicht nicht zum Leitgesichtspunkt der Darstellung. Seine Lutherdeutung ist vor allem von der deutschen Lutherforschung der zweiten Hälfte des 20. Jh.s von Gerhard Ebeling bis Oswald Bayer beeinflusst. Wie schon der Untertitel zeigt, betont K. die Situationsbezogenheit und Praxisorientierung von Luthers Denken. Er weist immer wieder auf Luthers grundlegende Unterscheidung der vertikalen und horizontalen Dimension christlicher Existenz hin und bringt davon ausgehend sowohl hinsichtlich der Genese als auch der reifen Gestalt von Luthers Theologie unterschiedliche systematisch-theologische Gesichtspunkte zur Geltung. Doch auch K.s ausgewogene Verbindung von historischer und systematischer Perspektive löst das bekannte Problem der Darstellung von Luthers Theologie nicht überzeugend. Die Darstellung ist zu knapp und das systematische Profil der Lutherdarstellung zu wenig prägnant, als dass sich die historisch-genetische und die systematische Erschließung zu einer inneren Einheit verbinden. Auch den Anforderungen der Reihe, Leben und Werk des darzustellenden Autors unter Berücksichtigung moderner kulturwissenschaftlicher Ansätze in seine zeitgeschichtlichen Zusammenhänge einzubetten, wird das Werk nicht immer gerecht. Das ist allerdings nicht als Mangel zu werten, droht sich doch die Thematisierung von Luthers Denken als geschichtlich bedingter und bedingender Größe, wie sie von K. an einigen Punkten exemplarisch vorgenommen wird, zu einer Darstellung der neueren Kirchen- und Theologiegeschichte auszuwachsen.
K.s im Ganzen durchaus konventionelle Lutherdarstellung ist mit ihrer zugleich knappen und doch umfassenden Präsentation neben den ins Englische übersetzten Standardwerken von P. Althaus, G. Ebeling, B. Lohse und O. Bayer sowie des als Handbuch mit Beiträgen unterschiedlicher Autoren konzipierten »Cambridge Companion to Martin Luther« (hg. v. Donald K. McKim, 2003) eine der besten derzeit erhältlichen englischsprachigen Einführungen in Luthers Theologie.