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Ausgabe:

März/2010

Spalte:

332-333

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Bucer, Martin

Titel/Untertitel:

Briefwechsel. Correspondance. Band VI (Mai – Oktober 1531). Hrsg. u. bearb. v. R. Friedrich, B. Hamm, W. Simon u. M. Arnold in Zusammenarbeit m. Ch. Krieger.

Verlag:

Leiden-Boston: Brill 2006. LXXXX, 336 S. gr.8° = Martin Bucer Correspondance/Briefwechsel, 120. Geb. EUR 119,00. ISBN 978-90-04-15494-0.

Rezensent:

Irene Dingel

Seit die Edition der Korrespondenz Martin Bucers nach dem Tod von Jean Rott unter die Leitung von Berndt Hamm nach Erlangen gewechselt ist, hat sich ein verlässlicher Erscheinungsrhythmus für die Bände des interessanten Briefwechsels des Straßburger Reformators eingependelt. Nachdem im Jahre 2000 der vierte Band vorlag, folgten 2004 der fünfte und 2006 der hier zu besprechende sechste Band. Er umfasst insgesamt 76 Briefe, von denen 27 auf Bucer als Autor und Absender zurückgehen. Sie decken eine Periode von sechs Monaten ab, und zwar von Mai 1531 bis Ende Oktober desselben Jahres. Von den Adressaten her gesehen konzentrieren sie sich auf den oberdeutsch-schweizerischen Raum.
Die kritische Edition von Korrespondenzen stellt Herausgeber und Bearbeiter stets vor besondere Herausforderungen. Nicht nur sind schwierige Handschriften zu entziffern – dies trifft für Martin Bucer bekanntlich in ganz eigenem Maße zu – und, je nach Bearbeitungsgrad der Editionsvorlage, textkritische Probleme zu lösen, sondern es ist auch der vom Autor in seine Korrespondenz eingebrachten inhaltlichen Vielfalt im sachlich-kommentierenden Ap­parat Rechnung zu tragen. Beides – um es gleich vorwegzunehmen – gelingt der Ausgabe in vorzüglicher Weise. Sowohl der editorische Standard als auch die inhaltliche Aufarbeitung erlauben dem Benutzer eine leichte Handhabung der Ausgabe und eine gewinnbringende Lektüre. Gezielte historische bzw. historisch-theologische Informationen gewährleisten das für weitere eigene Arbeiten adäquate Quellenverständnis, ohne den Benutzer durch interpretatorische Vorgaben zu gängeln. Dass all dies großes editorisches »Knowhow« und historische Sensibilität erfordert, braucht an dieser Stelle nicht eigens betont zu werden. Gerade am Briefwechsel Martin Bucers dürfte mehr als deutlich werden, dass gute textkritische Editionen keine eigentlich überflüssigen Begleiterscheinungen wissenschaftlicher Betätigung sind, sondern mit Recht ihren Platz im Zentrum der Forschung behaupten können.
Der Benutzerfreundlichkeit der Edition und der forschungsorientierten Durchführbarkeit verschiedenster Auswertungsperspektiven dienen nicht zuletzt die zahlreichen Aufstellungen und Indizes, die die Briefausgabe bietet. Aus den auf die Chronologie und die Verfasser der Briefe bezogenen Listen werden z. B. schnell die Korrespondenzdichte und die geographische bzw. räumliche Streuung der Korrespondenzpartner ersichtlich. Ein außer den üblichen Bibel­stellen- und Ortsregistern erstelltes Sachregister ermöglicht eine themen- und inhaltsorientierte Erschließung der Briefe und bewährt sich als willkommener Wegweiser durch die Korrespondenz. Das darüber hinaus erstellte Schriftenregister ermöglicht es, nicht nur Bucers Rekurs auf antike Schriftsteller oder die theologische Tradition zurückzuverfolgen, sondern auch seiner Erwähnung zeitgenössischer Schriften nachzugehen. Ein reicher Personenindex bietet die erforderlichen personenbezogenen Nachweise in der Edition sowie – soweit nötig und möglich – entsprechende Biogramme. Hier wird sich auch mancher entlegene Name finden lassen.
Das durch den hier edierten Briefwechsel Bucers dokumentierte halbe Jahr beginnt mit seiner Zeit in Ulm im Mai 1531, wo er sich zusammen mit Johannes Oekolampad und Ambrosius Blarer/ Blaurer aufhielt, um die Reformation in geordneter Weise einzuführen. Es endet mit seinen brieflichen Bezugnahmen auf die Schlacht von Kappel und Zwinglis Tod am 1. Oktober 1531, nachdem Bucer selbst schon im Juli wieder nach Straßburg zurückgekehrt war. Unter den verschiedenen von dem Straßburger angesprochenen Themen ist insbesondere die Ehescheidungsfrage des englischen Königs Heinrich VIII. interessant, zumal nicht nur Bucers Position, sondern auch die der Wittenberger Reformatoren und die Meinungsbildung des Ambrosius Blaurer und des Simon Grynaeus greifbar und verhandelt werden. Dass Michael Servets Infragestellung der kirchlichen Trinitätslehre schon damals die Gemüter bewegte, lässt sich durch die Korrespondenz ebenso verfolgen wie die immer wieder – allerdings in diesem Band weniger prominent – diskutierte Frage der Abendmahlslehre. Nicht zuletzt sind auch die internen Verwerfungen und die schwierige theologische Gemengelage in der Stadt Augsburg ein Thema, in die Bucer durch die Vermittlung von Wolfgang Musculus und Bonifacius Wolfhart einzuwirken versuchte.
Auf diese und andere inhaltliche Schwerpunkte, die sich aus der Korrespondenz erheben lassen, weisen Herausgeber und Bearbeiter dankenswerterweise bereits einleitend hin. Wer sich nach dieser kurzen Orientierung an die Lektüre der weit überwiegend auf Latein abgefassten Briefe begibt, wird darüber hinaus durch ein parallel auf Französisch und Deutsch abgefasstes Regest in den zu erwartenden Inhalt eingeführt. Die auch in der Einleitung praktizierte Zweisprachigkeit ist ausgesprochen begrüßenswert und erlaubt eine Rezeption der Ausgabe gerade auch in jenen westeuropäischen Sprachräumen, in die der Europäer Bucer hineingewirkt hat.
Zusammen mit den gleichzeitig erscheinenden und sich ergänzenden Reihen der Deutschen Schriften Martin Bucers (BDS) und der Opera Latina (BOL) gehört der Briefwechsel bzw. die Correspon­dance zu den renommierten auf die Frühe Neuzeit bezogenen Editionsunternehmen. Die auf hohem editorischem Niveau be­reit­gestellten Quellen werden zweifellos impulsgebend auf die Forschungslandschaft wirken.