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Ausgabe:

März/2010

Spalte:

320-321

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Stube, John C.

Titel/Untertitel:

A Graeco-Roman Rhetorical Reading of the Farewell Discourse.

Verlag:

London-New York: T & T Clark International 2006. VIII, 245 S. gr.8° = Library of New Testament Studies, 309. Geb. US$ 130,00. ISBN 978-0-567-04184-5.

Rezensent:

Rainer Hirsch-Luipold

Drei Dinge lässt bereits der Titel der hier zu besprechenden Arbeit erwarten: eine Auseinandersetzung mit dem »Farewell Discourse« (Singular) als einer in sich zusammenhängenden literarischen Einheit, eine Einordnung in die literarischen Traditionen der griechischen und lateinischen Antike, wie sie zuletzt insbesondere George Parsenios vorgenommen hatte (Departure and Consolation. The Johannine Farewell Discourses in Light of Greco-Roman Liter­ature, Supplements to Novum Testamentum 117, Leiden 2005), und eine Analyse vorwiegend unter rhetorischen Gesichtspunkten. Dazu soll – wie der Einleitung zu entnehmen ist – eine Analyse der Symbolik als eines Schlüsselinstruments rhetorischer Technik treten.
Die Untersuchung gliedert sich in drei einleitende Kapitel (Forschungsliteratur; Bedeutung rhetorischer und symbolischer Analysen für die Untersuchung biblischer Texte; Joh 13–17 als »rhetorical unit«), sodann drei »rhetorical readings« unter den Überschriften Exordium, Narratio und Partitio (Joh 13,1–38), Confirmatio (14,1–16,33) und schließlich einen Epilogos (17,1–26), sowie eine Zusammenfassung mit einigen Schlussfolgerungen.
S. schließt sich – was durch die Mannigfaltigkeit des Forschungsüberblicks nicht sofort ins Auge springt – eng an George A. Kennedy (New Testament Interpretation through Rhetorical Criticism, Chapel Hill 1984) an, der Joh 13–17 als Beispiel epideiktischer Rhetorik gewählt hatte (77–85), und arbeitet das dort skizzierte Programm rhetorischer Analyse aus. S. entnimmt Kennedy die folgenden fünf Schritte für die Untersuchung der Einzelzüge eines »rhetorical unit«: 1. Festlegen der zu untersuchenden rhetorischen Einheit; 2. Erheben der rhetorischen Situation; 3. Beschreiben des rhetorischen Problems des Redners; 4. Untersuchung der Anordnung des Materials; 5. Durchsicht der gesamten Einheit im Blick auf die Effektivität der verwendeten rhetorischen Mittel.
Die Aufgabe, die S. sich vorgenommen hat, erfordert sorgfältige methodologische Vorklärungen. Dies beginnt mit dem Singular »discourse« für eine Texteinheit, die aus monologischer Rede, Dialog und Erzählung zusammengesetzt ist. Die Problematik wird in der Einleitung zwar angesprochen, in der Behandlung des »rhetor­ical unit« (Kapitel 3) aber nicht eingeholt. Johannes 13–17 wird als eine durch die Aspekte Zeit, Ort und Inhalt herausgehobene (54 f.) zusammenhängende (rhetorische) Einheit im Wesentlichen vorausgesetzt. An die Stelle einer sorgfältigen methodologischen Reflexion der Anwendung rhetorischer Kategorien auf einen Text, der aus formal unterschiedlichen Teilen aufgebaut ist, stehen allgemeine Ausführungen zur Bedeutung der Rhetorik für das Alte Testament, die frühjüdische Literatur und das Neuen Testament, insbesondere bei Paulus (35–35). Auch wird nicht wirklich klar, welchen Redner S. im Blick hat. Jesus? Er kann eigentlich nicht gemeint sein, da es sich doch formal nicht durchgängig um eine Rede handelt. Also Johannes? Für ihn bzw. für das Evangelium insgesamt könnte man eine »rhetorische« Situation angeben und auch das gestellte rhetorische Problem beschreiben. Entscheidet man sich hierfür, so ist freilich klarzulegen, wieso gerade diese Kapitel für die rhetorische Analyse isoliert werden.
Die Kategorien zur Beschreibung der Rhetorik des Textes gewinnt S. aus antiken Handbüchern. Dass dabei die Chancen und Grenzen der Verwendung antiker (Schul-)Handbücher zur Analyse literarischer Texte nicht eigens reflektiert werden, teilt die Arbeit mit vielen anderen Studien. Mindestens aber hätte diskutiert werden müssen, dass solche Handbücher nicht allgemein von der Rhetorik literarischer Texte handeln, sondern speziell dem Abfassen und der Analyse von Redetexten dienen sollen.
Der Leser der Arbeit bleibt am Ende etwas ratlos und auch enttäuscht zurück, gerade weil Untersuchungen unter rhetorischen Gesichtspunkten, die in besonderer Weise zugleich die historische Verortung des Textes in den Blick nehmen, im Chor synchroner Analysen des Johannesevangeliums äußerst willkommen sind.