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Ausgabe:

März/2010

Spalte:

300-302

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

O’Dowd, Ryan

Titel/Untertitel:

The Wisdom of Torah: Epistemology in Deuteronomy and the Wisdom Literature.

Verlag:

Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2008. X, 213 S. gr.8° = Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments, 225. Geb. EUR 69,90. ISBN 978-3-525-53089-4.

Rezensent:

Udo Rüterswörden

Die Monographie, der eine Dissertation aus Liverpool aus dem Jahre 2005 zugrunde liegt, befasst sich mit der Frage, wie nach dem Alten Testament Wissen und Erkenntnis möglich sind. »Israel’s self-understanding and ethics thus grow out of her participation in a created world and her status in a covenant relationship with the creator God … Knowledge, therefore, is intrinsically participatory, or a product of discovering God and his world by living in it. To know is to live in ethical conformity with God’s ordered reality, not to escape from it into objective analysis.« (3) Die letzte Bemerkung nimmt eine Entwicklung in den Blick, die in die Aufklärung einmündet. Die Rekonstruktion einer alttestamentlichen Epistemologie versteht sich als Gegenentwurf dazu.
Nachdem Gen 1–11 kurz gestreift wird, wendet sich die Darstellung dem Deuteronomium zu; von Bedeutung sind Dtn 4; 8; das deuteronomische Gesetz 12–26 sowie der Abschluss 27–34. Im Buch Proverbien wird die Gottesfurcht sowie die Schöpfungstheologie behandelt. Ein Blick auf die Epistemologie der Bücher Qohelet und Hiob rundet die Darstellung ab, die mit einer Zusammenfassung endet.
Die Arbeit wendet nicht die Methoden historisch-kritischer Exe­gese an. So werden die Aussagen der Priesterschrift über die Erschaffung des Menschen (Gen 1,27) vermischt mit Gen 2,7–8. Über die zeitliche Ansetzung und Reichweite des Stratums, aus dem der letztgenannte Beleg stammt, werden verschiedene An­sichten vertreten, doch ist unbestritten, dass sich hier eine andere Stimme als die Priesterschrift zu Wort meldet. Der Vf. bemerkt zu den beiden Versen (Gen 2,7–8), die die Formung des Menschen beschreiben: »This is the man who had been created in the ›image of God‹ (1:27) to govern God’s world. … like their Creator, humans are called to their own creative work in the form of imitation and imagination.« (14 f.) Diese Idee beruft sich auf eine talmudische Auslegung sowie eine Idee von Erich Fromm, also eine vor- bzw. außerkritische Exegese. Der Vf. erwähnt keinerlei fachexegetische Literatur zu den Belegen.
Zu Dtn 8 wird bemerkt: »The lesson Israel should remember from her history is one of continuity: just as Yahweh supplies food and water (past), land and victory (future), he supplies the life-giving commands that will sustain Israel as a nation. Thus, the climax or purpose of the passage is recognised as the lesson in verses 11 and 19–20 pleading with Israel to remember – or not forget.« (50) Es gibt allerdings gute Gründe, von T. Veijola und anderen vorgebracht, die Erwähnung der Gesetze in V. 11b und 19 f. für eine sekundäre Zutat zu halten. Der Vf. berücksichtigt sie nicht.
Die Bemerkung zu Qohelet ist ebenfalls im Rahmen einer Betrachtung der Endgestalt des Buches zu sehen: »The answer to the ambiguities in the world is not perfect or better knowledge, but ›to fear God and keep his commandments‹ (12:13; cf. 2:24; 4:17–5:12, etc.) in the search for wisdom.« (161) Qoh 12,13 wird normalerweise als Teil einer sekundären Rahmung des Buches angesehen. Zur Ablehnung dieser gängigen These wird auf eine Arbeit von Fisch (152) hingewiesen, allerdings keine exegetische Begründung geboten.
Die Beispiele ließen sich vermehren. Die Arbeit bietet so etwas wie eine Endtextexegese, mit den für diese Art von Abhandlungen üblichen salvatorischen Klauseln: »This is not to say that Deuter­onomy does not have a history of redactions, but it is to say that the final form requires the reader to read and understand the whole before seeking to divide it. ›These are the words‹ must remain a rhetorical, ethical and theological criteria for reading.« (58, Anm. 34). Der Nachteil dieser alles einebnenden Betrachtungsweise liegt darin, dass die »Hebraic Epistemology« keine historische Tiefendimension gewinnt: »By ›Hebraic‹ I intend to denote the broad religious and cultural worldview, spanning countless centuries, which is rooted in the texts of the Hebrew Bible.« (180, Anm. 74) Was der griechischen Philosophie zugestanden wird, Entwicklung und Auseinandersetzung, (2–5), wird dem antiken Israel versagt.
Eine Konfrontation von Vorstellungen der Aufklärung mit alttestamentlichen Anschauungen, die mit einer vorkritischen Be­trachtung gewonnen werden, entspricht dem Sachstand am Ende der protestantischen Hochorthodoxie. Doch schwerer als dieser altmodische Zug wiegt der Umstand, dass die Arbeit provinziell ist – wissenschaftliche Arbeit außerhalb des angelsächsischen Sprachraums wird bis auf ganz wenige Ausnahmen nicht wahrgenommen. Die Liste der Studien allein aus dem deutschsprachigen Be­reich, die nicht berücksichtigt sind, wäre lang. Dass dergleichen ausgerechnet bei einem deutschen Verlag erscheint, mutet seltsam an.