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Ausgabe:

Februar/2010

Spalte:

256-257

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Dennemarck, Bernd

Titel/Untertitel:

Die Statuten des Eichstätter Domkapitels von der Säkularisation bis zur Gegenwart. Mit einem kritischen Kommentar zum geltenden Statut.

Verlag:

St. Ottilien: EOS Verlag 2008. XXXIX, 282 S. gr.8° = Münchner Theologische Studien. III. Kanonistische Abteilung, 61. Geb. EUR 40,00. ISBN 978-3-8306-7346-0.

Rezensent:

Helmut Flachenecker

Mit der Säkularisation wurden die bisher geltenden Strukturen in einem Bistum und Hochstift aufgehoben bzw. radikal verändert. Während die weltlichen Herrschaftsrechte von geistlichen Herren völlig aufgehoben wurden, konnten die geistlichen Einrichtungen, wiewohl einem gewaltigen Wandlungsprozess unterworfen, neu erstehen. Dazu gehörte auch das Domkapitel, dessen Eichstätter Entwicklung hier anhand der Statutenbildungen im 19. und 20. Jh. in seinen allgemeinen Entwicklungen nachgezeichnet und gleichzeitig durch eine intensive Beschäftigung mit den Statuten selbst einer neuen Sichtweise unterzogen wird. Die Geschichte der Domkapitel harrt bei vielen Bistümern auf eine genaue Untersuchung, stand diese doch immer – wohl zu Unrecht – im Schatten derjenigen der Bischöfe. Im Falle Eichstätts hat Ludwig Bruggaier bereits 1915 die Geschichte der von den Domherren den Bischöfen seit 1259 abgeforderten Wahlkapitulationen geschrieben, Hugo A. Braun steuerte eine prosopographische Untersuchung der Domherren in der Frühen Neuzeit, Jürgen Strötz für das 19. Jh. bei. Für die Ge­schichte des Bistums im 18. und des leuchtenbergischen Fürstentums in der ersten Hälfte des 19. Jh.s stehen die gewichtigen Arbeiten von Bruno Lengenfelder und Leo Hintermayr zur Verfügung, auf die sich auch die vorliegende Untersuchung stützen konnte.
Nach einer sehr knappen Referierung der Vorgeschichte des Domkapitels kommt die Arbeit zum einschneidenden Ausgangspunkt der Fragestellung, nämlich zur ›Reduktionskatastrophe‹ von Säkularisation und Mediatisierung. Die entscheidenden Veränderungen für das Eichstätter Domkapitel lagen in einer Reduktion seiner Mitgliederzahl von 28 auf 16 sowie in einer Konzentration auf die geistliche Verwaltung, während vor 1802 eindeutig die weltliche im Vordergrund gestanden war. Zugleich ging die bisher bestehende Adelsdominanz verloren. Mit der Neuumschreibung der weltlichen Herrschaften, die für Eichstätt, nach einem kurzen toskanischen Zwischenspiel, das Aufgehen im neuen Königreich Bayern bedeutete, wurde auch eine Veränderung der rechtlichen Grundlagen erforderlich. Im Konkreten hieß dies eine Neuumschreibung der Bistümer, die für Eichstätt die Unterstellung unter das Erzbistum Bamberg nach sich zog, und die Bindung an das Bayerische Konkordat von 1817, da ein Bundeskonkordat nicht zustande kam. Dieses stand aber für Jahrzehnte im Spannungsfeld mit dem Bayerischen Religionsedikt von 1818, das ein placetum regium, eine staatliche Oberaufsicht über die Kirche festschreiben wollte.
Diesen politischen Umwandlungen konnten die Domkapitel generell wie das Eichstätter im Besonderen nichts entgegensetzen. Das Domkapitel wurde enteignet, aber noch nicht aufgelöst. Rechtliche Unsicherheiten über seinen Status unter Erzherzog Ferdinand wurden durch die zweite und damit endgültige bayerische Okkupation mit seiner Auflösung im November 1806 beendet. Im Konkordat wurde die Anzahl der Domherren generell auf 16–18 Personen festgelegt, für den Unterhalt sollte von staatlicher Seite gesorgt werden. Im November 1821 konnte dann auch das Eichstätter Domkapitel – bestehend aus zwei Dignitären, acht Kanonikern sowie sechs Domvikaren – wiedererrichtet werden. Seine Hauptaufgaben lagen in der Abhaltung feierlicher Chor- und Gottesdienste am Dom, in der Beratung des Bischofs sowie in der Übernahme der Diözesanverwaltung in Vakanzzeiten. Da die Domkapitel nach kanonischem Recht selbständige Einrichtungen waren, stand ihnen zu, eigene Statuten bestimmen zu dürfen. Eine apostolische Bulle von 1818 forderte die Domherren dazu auf, im Falle Eichstätts dauerte es aber bis 1883, ehe eine vollständige Statutensammlung verabschiedet wurde. Zuvor, 1821, einigte man sich lediglich auf Regelungen für Chorgebet und sonstige Gottesdienste. Als Grund für die Verzögerung wurde von Seiten der Domherren die noch fehlende Realdotation – wie im Konkordat vom Staat versprochen – angeführt, jedoch scheint generell die Bereitschaft für eine Abfassung recht gering gewesen zu sein, so dass es letztendlich einer energischen bischöflichen Anmahnung bedurfte. Die Statuten von 1883 regelten die Verfassung des Domkapitels, seine gottesdienstlichen Aufgaben, seine diözesanen Verpflichtungen sowie die inneren Angelegenheiten mit den Rechten und Pflichten der einzelnen Mitglieder.
Mit der Veröffentlichung des Codex Iuris Canonici von 1917 sowie mit dem neuem Bayerischen Konkordat von 1924 war eine Neuanpassung der Statuten nötig, die 1927 erfolgte. In diesem Zusammenhang nahm die Position des Bischofs gegenüber den Domherren zu. Im Gegensatz zu 1883 zeigt sich eine klarere Systematik und inhaltlich eine Reduktion der Gottesdienstverpflichtungen wegen der vielfältig zunehmenden Aufgaben in der Diözesanverwaltung. Eine dritte Neufassung geschah unter der Mitarbeit des Vf.s 2005, nachdem 1983 ein neuer CIC verabschiedet worden war. Gerade im Umfeld des Zweiten Vatikanischen Konzils ist die Stellung der Domkapitel grundsätzlich in Frage gestellt worden. Sie konnten sich jedoch, auch im Gegensatz zu den Priesterräten, als Rat und Senat ( senatus et consilium in dioeceseos regimine) des Bischofs halten.

Die Untersuchung beschreibt die Vorgänge quellennah und rational nachvollziehbar. Sie geht stets von den rechtlichen Vorgaben durch den Hl. Stuhl bzw. der bayerischen Regierung aus und erforscht dann die Umsetzung in Eichstätt. Bei einer derartigen Arbeitsmethodik bleiben jedoch zwei Fragen offen: nämlich inwieweit die Eichstätter Statuten von 1883 und 1927 denjenigen anderer bayerischer Bistümer entsprochen haben oder abgewichen sind. Die Orientierung an den Nachbarn wurde offensichtlich gesucht, wie weit diese gegangen ist, bleibt jedoch unthematisiert. Zum anderen geht die Untersuchung nicht der Frage nach, inwieweit die Statuten auch umgesetzt wurden. Gerade hier wäre ja eine mögliche Spannung zwischen Norm und Alltag sichtbar zu machen. Stattdessen muss der Leser sich mit einer Referierung von »Struktur und Inhalt« begnügen. Ein Kommentar zu den Statuten findet sich erst für die Neufassung von 2005, allerdings dürfte es hier zu früh sein, um nach der Wirkmächtigkeit normativer Satzungen zu fragen.