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Ausgabe:

Februar/2010

Spalte:

254-255

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Collins, Paul M., and Michael A. Fahey [Eds.]

Titel/Untertitel:

Receiving ›The Nature and Mission of the Church‹. Ecclesial Reality and Ecumenical Horizons for the Twenty-First Century.

Verlag:

London-New York: T & T Clark International 2008. XX, 145 S. gr.8° = Ecclesiological Investigations, 1. Geb. £ 55,00. ISBN 978-0-567-03243-0.

Rezensent:

Hans-Peter Großhans

In der theologischen Arbeit des Weltkirchenrates (ÖRK) haben ekklesiologische Fragen immer wieder im Mittelpunkt gestanden. 1982 entstand so das sog. Lima-Papier, eine Studie über »Taufe, Eucharistie und Amt«, mit der die Kommission des ÖRK für »Glauben und Kirchenverfassung« (»Faith and Order«) einen wirklichen ökumenischen Fortschritt erreichte. Seit damals hat sich die Situation für den ÖRK erheblich verändert. Die multilateralen Dialoge haben dramatisch an Bedeutung verloren, weil die eigentliche ökumenische Verständigung sich immer mehr in bilaterale Gespräche verlagerte, sei es zwischen einzelnen Kirchen oder zwischen konfessionellen Kirchengemeinschaften. Der ÖRK hat aus diversen Gründen diese Entwicklung verschlafen und mit Pathos an der Idee eines Weltforums christlicher Kirchen festgehalten, das jedoch nur noch in subkulturellen Nischen Beachtung findet. Eine Ausnahme davon bilden aber gelegentliche überzeugend ausgearbeitete und theologisch gehaltvolle Studien der Kommission für »Faith and Order«, insbesondere zur Ekklesiologie.
Seit Anfang der 1990er Jahre hat sich »Faith and Order« der Ekklesiologie insgesamt zugewandt. Als Resultat eines langen Studienprozesses erschien 2005 die Studie über »Wesen und Auftrag der Kirche« (engl.: »The Nature and Mission of the Church«). Im Blick auf die Zukunft des ÖRK ist zu begrüßen, dass es sich dabei um eine theologisch solide ausgearbeitete Studie handelt, die gute Impulse für die theologische Arbeit zu Fragen des ekklesiologischen Selbstverständnisses für die Kirchen mit ihren unterschiedlichen konfessionellen Profilen bietet. Es ist ja gerade die gemeinsame theologische Arbeit am gegenwärtigen Verständnis des christlichen Glaubens, durch die eine Einheit der konfessionell und kontextuell unterschiedenen Kirchen zum Ausdruck kommt und vertieft wird. Es stimmt inmitten des tristen Bildes, das der ÖRK gegenwärtig bietet, hoffnungsfroh, dass zumindest in »Faith and Order« die Einsicht präsent ist, dass durch theologische Ar­bei t– und nichts an­deres – die Einheit der »einen heiligen, katholischen und aposto­lischen Kirche« inmitten der Pluralität von Kirchen realisiert wird.
Die wichtige Studie von »Faith and Order« über »Wesen und Auftrag der Kirche« steht im Zentrum des hier vorzustellenden Aufsatzbandes, der zugleich den Auftrag einer neuen Buchreihe bildet, die sich unter dem Titel »Ecclesiological Investigations« ganz der Diskussion ekklesiologischer Frage widmen möchte. Es handelt sich dabei um ein Publikationsorgan eines »Ecclesiological Investigations Research Network«, das sich zum Ziel gesetzt hat, den Diskurs und die Forschung in Sachen Ekklesiologie international und interkonfessionell zu vernetzen. Eine erste Tagung dieses Netzwerkes fand im Januar 2007 in Wales statt. Knapp zuvor im November 2006 hatte sich bereits eine ähnliche Gruppe zu einer Konferenz zusammengefunden: die neue »Ecclesiological Investigations Group of the American Academy of Religion«. Die Beiträge zu jener Tagung im November 2006 in Washington, DC, befassten sich mit der neuen ekklesiologischen Studie von »Faith and Order« und werden in dem hier zu besprechenden Aufsatzband der Öf­fentlichkeit präsentiert.
Der Aufsatzband beginnt mit einem Vorwort des Herausgebers der neuen Reihe, Gerard Mannion, in dem er vom Zustandekommen des neuen ekklesiologischen »Netzwerkes« ausführlich und mit dem für die öffentliche Ankündigung eines solchen Vorhabens wohl unvermeidlichen Ton der Bedeutsamkeit des eigenen Unternehmens berichtet. Auffallend daran ist für den deutschen Rezensenten insbesondere, dass die deutsche Theologie – gleich welcher Konfession – und ihre Beiträge zur Ekklesiologie kaum Beachtung finden.
Nach dem Vorwort folgen acht Aufsätze, denen dann ein Nachwort von John W. Hind (anglikanischer Bischof in Chichester) und der Text der »Faith and Order«-Studie »The Nature and Mission of the Church« beigefügt sind. Letzteres unterstreicht, dass die Beiträge des Bandes sich als Interpretationen jener Studie verstehen und zu ihrem Rezeptionsprozess beitragen wollen.
Im ersten Aufsatz erläutert der frühere Direktor von »Faith and Order«, Thomas F. Best, das Zustandekommen der ekklesiologischen Studie (3–5). Es folgen dann »Reflections on the Porto Alegre Text: Called to be one Church« (6–10) von Kondothra M. George (er lehrt Theologie an einem Orthodoxen Seminar in Indien), in denen der von der Vollversammlung des ÖRK 2006 in Porto Alegre gebilligte Begleittext zu »The Nature and Mission of the Church« im Mittelpunkt steht. Im dritten Aufsatz untersucht Risto Saarinen (er lehrt Ökumenische Theologie in Helsinki) mit dem ihm eigenen Scharfsinn das Verständnis von »Unity, Catholicity and Identity« im Blick auf »The Unity Statements of the World Council of Churches and their Reception in The Nature and Mission of the Church« (11–20). Saarinens Beitrag – der einzige evangelische – fällt nicht nur dadurch wohltuend auf, dass er auch deutschsprachige Beiträge zur Ekklesiologie kennt. Er analysiert scharfsinnig die Spannungen in der Rede von »Einheit« und »Katholizität« in den Texten des ÖRK. Zudem geht er produktiv mit der ekklesiologischen Studie von »Faith and Order« um, indem er sie ins Verhältnis zu einigen Bestimmungen von Einheit und Katholizität in der evangelischen Theologie der Gegenwart setzt.
Der vierte Beitrag von Paul M. Collins (er lehrt Systematische Theologie in Chichester) untersucht das Verständnis von »communio« in »The Nature and Mission of the Church«, und zwar im Blick auf Gott, die Kirche und die Schöpfungsordnung (»Communion: God, Creation and Church«: 21–41). Im fünften Beitrag befasst sich Peter De Mey (er lehrt Dogmatische Theologie an der Katholischen Universität Löwen) mit »The Church as ›Creation of the Word and of the Holy Spirit‹ in Ecumenical Documents on the Church: A Roman Catholic Exercise in Receptive Ecumenism« (42–54). Im sechsten Beitrag entwirft Wolfgang Vondey (er lehrt Systematische Theologie in den USA) einige »Pentecostal Perspectives on The Nature and Mission of the Church« und erläutert einige »Challenges and Opportunities for Ecumenical Transformation« (55–68). Im siebten Beitrag geht Bradford E. Hinze (er lehrt katholische Theologie in New York) der Frage »Are Councils and Synods Decision-Making? A Roman Catholic Conundrum in Ecumenical Perspective« (69–84) nach. Im achten und letzten Aufsatz fragt Korinna Zamfir (sie unterrichtet Katholische Theologie in Rumänien), ob der katholisch-evangelische Dialog eine Zukunft hat (wobei es sich eigentlich um Dialoge [Plural] handelt) angesichts der nicht stattfindenden Rezeption der Ergebnisse: »Is there a Future for the Catholic-Protestant Dialogue? Non-Reception as Challenge to Ecumenical Dialogue« (85–102).
Das Verdienst des Bandes liegt vor allem in dem Versuch, einen ekklesiologischen Text des ÖRK theologisch zu diskutieren, der genau dies verdient hat. Die aus der Sicht unterschiedlicher konfessioneller Traditionen vorgetragenen Überlegungen vereint zudem der zu begrüßende Wille, gerade das Thema »Kirche« interkonfessionell zu diskutieren und nicht nur das jeweilige eigene Kirchenkonzept konfessionalistisch abzugrenzen.