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Ausgabe:

Dezember/1996

Spalte:

1206–1208

Kategorie:

Kirchenrecht

Autor/Hrsg.:

Kellenbenz, Hermann u. Paolo Prodi [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Fiskus, Kirche und Staat im konfessionellen Zeitalter

Verlag:

Berlin: Duncker & Humblot 1994. 393 S. gr.8° = Schriften des Italienisch-Deutschen Historischen Instituts in Trient, 7. Kart. DM 128,­. ISBN 3-428-08250-8

Rezensent:

Uwe Sibeth

Die anläßlich einer 1987 am Italienisch-Deutschen Historischen Institut in Trient veranstalteten Studienwoche gehaltenen Referate liegen nun auch in deutscher Sprache gedruckt vor. Das Thema zielt sachlich auf ein zentrales Moment der in engster Wechselwirkung religiös-kirchlicher und politisch-staatlicher Faktoren im 16. und 17. Jh. zu beobachtenden Verdichtungsvorgänge der alteuropäischen Gesellschaften: auf die finanziellen und fiskalischen Voraussetzungen und Auswirkungen der Konfessionalisierung und der hiermit in engstem Zusammenhang stehenden Ausbildung frühmoderner Staatlichkeit. In letzter Konsequenz geht es dabei um die forcierte Durchsetzung der Steuerhoheit als einer Schlüsselkompetenz des werdenden Staates im Zuge der Konfessionalisierung.

Im einzelnen widmen sich die Referate folgenden Themen: Nach einer knappen, die systematischen Fragestellungen und Probleme akzentuierenden Einführung durch Paolo Prodi, entwickelt Hermann Kellenbenz ein Phasenmodell des Staat-Kirche-Verhältnisses in vor- und nachreformatorischer Zeit, während Marco Bianchini der theoretischen Durchdringung des Besteuerungsproblems in der Neuscholastik und der politischen Theorie im Italien des 16. und 17. Jh.s nachgeht. Diesen den theoretischen Horizont absteckenden Beiträgen folgen Fallstudien: Karlheinz Blaschke geht der Frage nach Fiskus, Kirche und Staat in Sachsen vor und nach der Reformation nach. Meinhard Schaab deckt den südwestdeutschen Raum bis zum Dreißigjährigen Krieg ab, indem er die in der Kurpfalz besonders auffällige Inanspruchnahme des Kirchenguts für politische Zwecke deutlich von der Politik in Württemberg und Baden abhebt, wo der Bestimmung des Kirchenguts für kirchliche, schulische und karitative Zwecke in höherem Maße Rechnung getragen wurde.

Für die altgläubig bleibenden Fürsten war nicht die Säkularisierung des Kirchenguts, sondern seine mitunter rigorose Besteuerung das probate Mittel für die Bewältigung der anstehenden Probleme: Othmar Pickl stellt die infolge permanenter Türkenkriege, landständischem Protestantismus und seit Ende des 16. Jh.s vom Landesherrn betriebener Gegenreformation in Innerösterreich besonders dramatisch verlaufende Entwicklung im 16. und 17. Jh. dar. Den Sonderfall der geistlichen Staaten mit ihrer Undurchschaubarkeit von weltlichem und geistlichem Fiskus beschreibt Ernst Schubert anhand der unterschiedlich erfolgreichen Finanzpolitik der Fürstbistümer Würzburg und Bamberg: Konfessionalisierung erscheint hierbei allerdings eher als Kostenfaktor, denn als movens des Wandels. Auf einer langen Tradition fußte auch die Besteuerung des Kirchenguts in Bayern, die allerdings gerade im Dreißigjährigen Krieg, wie Gerhard Immler zu zeigen vermag, unter Hg./Kf. Maximilian eine neue Dimension erreichte.

Die grundlegend anders strukturierte Situation im Verhältnis von weltlichem und geistlichem Fiskus in den relativ autonomen Städten Norddeutschlands beleuchtet Rainer Postel: Hier spielte der kirchliche Fiskus v. a. auch eine Rolle als Kristallisationspunkt für Konflikte zwischen Rat und Bürgergemeinde um politische Partizipation. Wieder anders stellte sich die Lage für Dänemark und Schweden dar, deren Staatsfinanzen im 16. und 17. Jh. Kersten Krüger einem Strukturvergleich unterzieht.

Weitere sechs Referate befassen sich mit den Verhältnissen in Italien: Den Grundkonflikt zwischen staatlicher Steuerhoheit und Immunität des Kirchenguts, der in Mailand v. a. in der Konfessionalisierung vom Kampf des Erzbischofs Carlo Borromeo gegen Luxus und Wucher überlagert wurde, schildert Gauro Coppola. Roberto Bizzocchi unternimmt am Beispiel der Steuerpolitik der Medicis eine Neubewertung des Verhältnisses von Staat und Kirche in der Toskana, für welches eine gemeinsame, geradezu arbeitsteilig betriebene Steuerabschöpfung charakteristisch gewesen ist. Die wechselvolle Geschichte der Steuerproblematik als Teil des von Kooperation und Konfrontation geprägten Verhältnisses zwischen der Kurie und der Republik Venedig vom Mittelalter bis ins 18. Jh. nimmt Giuseppe Del Torre in den Blick. Der außerordentlich vielschichtigen Lage weltlicher und kirchlicher Steuererhebung im Königreich Neapel im 17. und 18. Jh. geht Aurelio Musi nach. Die komplexen Beziehungen zwischen Benefizienwesen, Papst- und Staatsfinanz des Kirchenstaates im konfessionellen Zeitalter untersucht Wolfgang Reinhard, während sich Aldo Mazzacane der Biographie und dem Werk des großen Juristen Giambattista de Luca zuwendet und dabei dessen Beitrag zur rechtlichen Einordnung des Ämterkaufs diskutiert. Ein Verzeichnis der Autoren beschließt den ansprechend und sorgfältig gestalteten Band. Ein Register wird nicht vermißt.

Daß die Beiträge unterschiedlich weite Zeithorizonte behandeln ­ teils nur die drei Jahrzehnte des großen Krieges in der Mitte Europas, teils vom Spätmittelalter bis ins 18. Jh. ­, verdeutlicht, wie unterschiedlich die Entwicklungen in den verschiedenen staatlichen Gebilden verlaufen sind. Deutlich wird auch, daß die Säkularisierung des Kirchenguts für die zur Reformation schreitenden Territorien beinahe eine Initialzündung für die Einführung modernstaatlicher Finanzierungsformen darstellte, die freilich an die bereits älteren Traditionen der Inpflichtnahme des Kirchenguts in besonderen Notsituationen anknüpfen konnte. Diesen Weg beschritten gerade die katholischen Reichsstände mit wachsendem Erfolg, während im Protestantismus das den Gemeinden verbliebene Kirchengut meist, wenn auch auf einem niedrigeren Niveau, aber dann oft dauerhaft gesichert blieb.

Alles in allem liegt ein gelungener Band vor, der, auch wenn einzelne Beiträge inzwischen andernorts erschienen sind, den Kenntnisstand über diesen wichtigen Problemkomplex beträchtlich erweitert.