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Ausgabe:

Februar/2010

Spalte:

233-235

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Webster, John, Tanner, Kathryn, u. Iain Torrance [Eds.]

Titel/Untertitel:

The Oxford Handbook of Systematic Theology.

Verlag:

Oxford: Oxford University Press 2007. XII, 708 S. gr.8°. Geb. £ 85,00. ISBN 978-0-19-924576-5.

Rezensent:

Hans-Peter Großhans

Das Oxford Handbook of Systematic Theology präsentiert in insgesamt 37 Aufsätzen einen Überblick über die Themen und Fragestellungen der Systematischen Theologie in der Gegenwart. Die zum Teil sehr gelungenen Beiträge sind in vier Teile gegliedert. In Teil I geht es um »Doctrines« und also um die klassischen Loci der Dogmatik. In Teil II werden die »Sources« der Systematischen Theologie und also die klassischen Themen der Prolegomena erörtert. In Teil III geht es um »Conversations« und also um das Verhältnis der Systematischen Theologie zu anderen theologischen und benachbarten wissenschaftlichen Disziplinen. In Teil IV werden unter der Überschrift »Prospects« verschiedene Typen von Theologie präsentiert. Von den 38 Autoren (ein Text ist von zwei Autoren verfasst) lehren bis auf zwei alle in den USA oder in Großbritannien.
Den Aufsätzen vorangestellt ist eine Einleitung (»Introduction: Systematic Theology«), in der John Webster über die Geschichte, die Aufgabe, die Form und den Aufbau der Systematischen Theologie informiert (1–15). In der englischsprachigen Theologie ist die Verwendung des Ausdrucks »Systematische Theologie« bereits die Anzeige eines Programms, insofern dadurch die sehr viel geläufigeren Ausdrücke »Christian doctrine« oder »dogmatics« vermieden werden, worin sich die Absicht artikuliert, nicht nur eine konfessionelle oder kontextuelle Lehre anhand der entsprechenden Tradition darzustellen.
Auf den Ausdruck »Doctrines« wird dann jedoch im ersten Teil des Handbuches zurückgegriffen. Behandelt werden die Lehrstü­cke »The Existence of God« (William J. Abraham), »The Trinity« (Fred Sanders), »The Attributes of God« (Stephen R. Holmes), »Creation« (David Fergusson), »Providence« (Charles M. Wood), »Election« (Katherine Sonderegger), »The Human Creature« (David H. Kelsey), »The Fall and Sin« (Ian McFarland), »Incarnation« (Oliver D. Crisp), »Salvation« (Paul S. Fiddes), »Justification« (Dawn DeVries), »Resurrection and Immortality« (Douglas Farrow), »The Holy Spir­it« (Michael Welker), »The Church« (Ralph Del Colle), »Sacraments« (Michael A. Fahey), »The Christian Life« (Reinhard Hütter) und »Eschatology« (Richard Bauckham). Rein terminologisch betrachtet fällt auf, dass kein expliziter Beitrag zur Christologie vorliegt, sondern die Christologie auf mehrere Themen verteilt ist (im Wesentlichen auf die Artikel »Incarnation« und »Salvation«).
Im Teil 2 des Handbuchs kommen einige mögliche Quellen der Systematischen Theologie in den Blick. Die einzelnen Aufsätze handeln von »Revelation« (Ben Quash), »Scripture« (Stephen E. Fowl), »Tradition« (A. N. Williams), »Worship« (Bryan D. Spinks), »Reason« (Andrew Moore) und »Experience« (Ellen T. Charry). An diesen Themen wird bereits deutlich, dass dieses Handbuch nicht nur die protestantische Tradition in der Systematischen Theologie präsentieren möchte, sondern die Weite christlicher Theologie überhaupt im Blick hat.
Im dritten Teil des Handbuchs wendet sich der Blick gewissermaßen nach außen auf all jene externen wissenschaftlichen Disziplinen, mit denen die Systematische Theologie in Verbindung steht. In den Blick kommen so »Biblical Studies« (C. Kavin Rowe und Richard B. Hays), »Moral Theology« (Duane Stephen Long), »History« (Rebecca Lyman), »Hermeneutics« (Oliver Davies), »Philos­ophy« (Gordon Graham), »Cultural Theology« (Kathryn Tanner), »Natural Science« (Nancey Murphy) und »The Arts« (William A. Dyrness). Nicht ausdrücklich in den Blick kommen wissenschaftliche Gebiete wie die Soziologie (die fundamentaltheologisch und ekklesiologisch von Bedeutung ist), die Psychologie (Bezugspunkte sind in der Religionspsychologie und in der Anthropologie) oder allgemein die Literaturwissenschaften.
Im vierten Teil des Handbuchs werden dann verschiedene An­sätze in der Systematischen Theologie präsentiert, die für die neuere Entwicklung der Moderne charakteristisch sind. Es beginnt mit »Theologies of Retrieval« (John Webster), gefolgt von »Revisionism« (Ian S. Markham), »Postmodern Theology« (Walter Lowe), »Liberation Theology« (Christopher Rowland), »Comparative Theology« (Francis X. Clooney) und »Feminist Theology« (Joy Ann McDougall).
Jedem Autor und jeder Autorin war von den Herausgebern als Aufgabe gestellt worden, den gegenwärtigen Forschungsstand in dem jeweiligen Gebiet zu analysieren, gegenwärtige Streitpunkte und vorhandene Lösungswege zu benennen sowie zu beurteilen, welche Forschungsansätze bei dem jeweiligen Thema fruchtbar sein könnten. Tendenziell – mal mehr, mal weniger – werden die meisten Beiträge dieser Aufgabenstellung gerecht. Im Großen und Ganzen wird in den meisten Artikeln der Sachstand zu den einzelnen Themen ganz ordentlich dargestellt. Die Klassiker der westlichen Theologie wie Augustinus, Thomas, Luther, Calvin, Schleiermacher oder Barth werden rege herangezogen; auch auf die neueren Klassiker der deutschen Systematischen Theologie wie Jüngel, Moltmann oder Pannenberg wird immer wieder Bezug genommen. Von der deutschen Systematischen Theologie her betrachtet sind die Beiträge im Blick auf die Darstellung der gegenwärtigen Streitpunkte und Forschungsansätze freilich nicht immer ganz up to date. Hier wirkt sich beschränkend aus, dass bis auf wenige Ausnahmen fast nur theologische Literatur verwendet wird, die auf Englisch vorliegt. Um jedoch kein Missverständnis aufkommen zu lassen, soll betont werden, dass die meisten Beiträge keine spe­zielle anglo-amerikanische Systematische Theologie präsentieren, sondern die wichtigsten kontinentaleuropäischen Traditionen und Ansätze in der Systematischen Theologie gut berücksichtigt sind. Wohltuend ist, dass die meisten Beiträge nicht nur eine theologische Position bekunden oder gar eine Privattheologie entfalten. Wie auch insgesamt das Handbuch keine einheitliche Schulmeinung vertritt, sondern die Pluralität der in der westlichen Christenheit vorhandenen Theologien widerspiegelt.
Die jeweiligen Beiträge bieten eine erste Orientierung und einen sowohl geschichtlichen als auch systematischen Überblick zu den einzelnen Themengebieten. Der Leser wird – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – über wichtige geschichtliche Entwicklungen informiert, die gelegentlich auch an gegenwärtige Diskussionslagen heranreichen. Allerdings kommen oft wirklich neuere Ansätze (schon gar nicht im Plural) nicht vor. Beispielsweise sucht man in Artikeln zur Bibelwissenschaft, zur Philosophie oder zur Kulturtheorie vergeblich nach Hinweisen auf die in den letzten 20 Jahren geführten Diskussionen. In den Ausführungen zum Verhältnis von Theologie und Philosophie wird die zahlreiche religionsphilosophische Literatur fast ganz ignoriert. Ähnliche Schwächen lassen sich auch in anderen Artikeln finden. Sie weisen jedoch zugleich auf das besondere Profil dieses Handbuchs hin, das mit vielen kundigen, informativen Beiträgen einen Überblick über eine theologische Disziplin ermöglichen möchte. Dies gelingt zweifellos. Deshalb ist dieses Handbuch auch als Lehrbuch in der Arbeit mit Studierenden geeignet. Und auch dem sich einem Themengebiet annähernden erfahreneren Theologen vermag die Mehrzahl der in dem Handbuch versammelten Beiträge einen ersten Überblick zu bieten, der für den kontinentaleuropäischen Theologen den Gewinn mit sich bringt, dass darin auch reichlich anglo-amerikanische Literatur mit verarbeitet ist.