Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

Februar/2010

Spalte:

232-233

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Strunk, Reiner

Titel/Untertitel:

Poetische Theologie. Grundlagen – Bausteine – Perspektiven.

Verlag:

Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlag 2008. 200 S. 8°. Kart. EUR 24,90. ISBN 978-3-7887-2314-9.

Rezensent:

Malte Dominik Krüger

Die christliche Gottesrede entspringt ihrem traditionellen Selbstverständnis nach nicht aus Poesie oder Politik, sondern erhebt den Anspruch, die Wirklichkeit denkerisch zu erfassen. Die damit eingegangenen Verpflichtungen konnten in der Theologiegeschichte zu einer dogmatischen Überrationalisierung führen. Damit vermochte sich im Gegenzug eine theologische Einschränkung des Vernunftanspruchs zugunsten politischer Aktion und poetischer Gabe zu verbinden. Die anzuzeigende Studie Reiner Strunks geht von dieser Problemlage aus – und plädiert für eine poetische Theologie.
Darunter ist nach dem ersten, programmatischen Teil (11–18) nicht eine Theologie zu verstehen, die selbst poetisiert. Vielmehr ist poetische Theologie eine suchende, ahnende und entdeckende Theologie: Sie lotet die rationale Unerklärbarkeit der Welt, die existenzielle Offenheit des Lebens und damit verbunden den Möglichkeitssinn angesichts der scheinbar harten Wirklichkeit im Wechselspiel von biblischer Botschaft und poetischem Wort aus. Dieses poetische Wort umfasst für S. nicht nur die Gattung des Lyrischen, sondern auch die des Dramatischen und des Epischen. Poesie entsteht seines Erachtens grundsätzlich dort, wo rezeptive Wahrnehmungskunst und sprachliche Darstellungskompetenz zusammenkommen. Die Affinität der Poesie zur Theologie liegt im Gegenstand der Poesie, der auch die theologische Aufgabe benennt. Dies ist die Wahrnehmung einer »[v]erwandelte[n] Existenz im Horizont möglicher Weltverwandlung« (18). Aufgrund dieser Einsicht kann S. innovativ zahlreiche biblische und poetische Texte interpretieren, wie die weitere Studie erhellend vorführt. So wird im zweiten Teil (19–45) die Erfindungsgabe und Entdeckungsfreude der Poesie unter anderem bei Thomas Mann deutlich. Der dritte Teil (46–100) entfaltet besonders mit Bezug auf Hölderlin, Herder, Schleiermacher, Friedrich Schlegel und Heine den Sinn für die Deutungs- und Erschließungskraft des Poetischen. Der vierte Teil (101–157) bietet eine biblisch-theologische Deutung in poetischer Sicht – von der Genesis über Deuterojesaja, die Psalmen und die messianische Poesie Jesu bis hin zur Theologie des Paulus und zu der Entstehung der christlichen Hauptfeste. Der fünfte Teil (158–186) führt instruktiv – in Orientierung an Mörike – praktisch-theologische Konsequenzen vor und geht auf die Möglichkeit einer Predigt mit poetischem Sinn ein.
Insgesamt bietet S. sehr anregend und gut lesbar eine poetische Theologie, über deren argumentative Tragfähigkeit und Über­zeugungskraft gestritten werden kann – insbesondere über eine genaue Klärung des Verhältnisses von poetischem Wort und theologischer Rationalität. Unstrittig stellt die Studie eine wahre Fundgrube für alle dar, die an der poetischen Deutung biblischer Texte und der theologischen Deutung poetischer Texte interessiert sind – und sich auf die Fragestellungen einer poetischen Theologie einlassen möchten. Ein Namenregister hilft schließlich, den zahlreichen Querverbindungen der interpretierten Autorinnen und Autoren nachzugehen.