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Ausgabe:

Februar/2010

Spalte:

229-230

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Hübner, Siegfried

Titel/Untertitel:

Im Geheimnis Gottes leben. Ein theologisches Zeugnis aus dem Raum des Atheismus. Zwölf Vorträge hrsg. v. F. G. Friemel u. G. Hentschel.

Verlag:

St. Ottilien: EOS 2008. 287 S. gr.8°. Geb. EUR 29,80. ISBN 978-3-8306-7350-7.

Rezensent:

Ulrich Kühn

In diesem Band sind Vorträge des katholischen Theologen Siegfried Hübner aus den Jahren 1984 bis 2003 zusammengestellt, zu denen der katholische Bischof Joachim Wanke, Erfurt, ein Vorwort geschrieben hat. Darin heißt es: »Die kirchlich-katholische Landschaft der neuen Bundesländer ist für manche Glaubensgeschwis­ter aus dem Süden und Westen der Bundesrepublik Deutschland bis heute weithin eine terra incognita, ein unbekanntes Land.« (5) H. (Jg. 1923) war und ist ein katholischer Theologe, der als Studentenpfarrer und Gemeindepfarrer in der DDR und dann als Dozent für Dogmatik in Erfurt (1974–1987) die Diasporasituation der Chris­ten erlebt und theologisch in bemerkenswerter Weise reflektiert hat. Er war Schüler und Freund von Karl Rahner, dessen theologische Impulse er in großem Umfang rezipierte, er war fasziniert vom II. Vatikanischen Konzil und der »prophetischen Vision des Papstes Johannes XXIII.« (29), und er wusste sich auch dem Denken des jüdischen Philosophen Emmanuel Levinas verpflichtet (»Vor dem Antlitz des Anderen anders Denken von Gott«, 103).
Die hier gesammelten Vorträge zeigen eindrucksvoll, wie H. insbesondere die Pastoralkonstitution des Konzils »Gaudium et Spes« mit ihren erstaunlichen Aussagen über Nichtglaubende (ähnlich wie in der Nr. 16 der Kirchenkonstitution »Lumen Gentium«) als Wegweisung inmitten einer atheistisch-säkularen Gesellschaft empfunden hat. Zugleich waren für ihn – der 1966 zu den Gründungsmitgliedern des Ökumenisch-theologischen Ar­beitskreises in der DDR gehörte – die ökumenischen Impulse des Konzils grundlegend. Die Frage nach Gottes Wirklichkeit ist für H. die immer wieder entscheidende Frage, gerade inmitten einer säkularen Gesellschaft, und er fürchtet, dass es auch in der katholischen Kirche eine Art »Gottvergessenheit mitten unter uns« (9) gibt. »Verlasse dich auf den, der dich in deiner Ohnmacht und in deinen Fragen ohne Antwort erfahren lässt, dass er das immer noch größere Geheimnis ist, als du es bisher ahntest!« ( 262) Und er ist tief davon überzeugt: »Gott gibt einem jeden Menschen die Chance, auf Wegen, die er weiß, das ewige Heil zu erlangen, dasselbe Heil, wie wir es im Glauben erkennen und erhoffen!« (277) So ist die Kirche »auf dem Wege, ›Welt-Kirche‹ zu werden« (274).
In diesem Horizont handelt H. dann auch über ökumenisch und innerkatholisch ungelöste Probleme wie die Theologie und Praxis der Eucharistie (179 ff.203 ff.), das Bußsakrament (225 ff. – wo er ein »tieferes Verständnis sowohl der Sünde wie auch des Evangeliums« anmahnt, 235) und der Dogmen der katholischen Kirche insgesamt (149 ff.). Und er spart nicht mit kritischen Anmerkungen zu maßgeblichen Stimmen in der katholischen Kirche, die den nach vorn weisenden Umgang mit dem Konzil einengen wollen (268), vor der angeblich »zersetzenden« neueren Theologie warnen (24) oder gar den Vorschlag enthalten, das Evangelium mehr als bisher als eine »Drohbotschaft« zu verkünden (240).
Es sind leidenschaftliche, zugleich nachdenkliche und Hoffnung erweckende Texte, die uns hier vorgelegt werden. Sie sind aktuell nicht nur in einer Situation der zunehmenden Gottvergessenheit, sondern auch angesichts offizieller innerkatholischer Entwicklungen, die die öffnenden Impulse des II. Vatikanums im Blick auf die säkulare Welt und die nichtkatholische Christenheit eher als Verlegenheit empfinden. Den Herausgebern des Bandes ist Dank zu sagen, dass sie diese wichtigen Texte H.s gesammelt und zugänglich gemacht haben.