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Ausgabe:

Dezember/1996

Spalte:

1205 f

Kategorie:

Kirchenrecht

Autor/Hrsg.:

Heckel, Christian

Titel/Untertitel:

Die Kirchengemeinschaft in der Evangelischen Kirche in Deutschland. Zu den kirchenrechtlichen Grundfragen

Verlag:

Frankfurt/M.-Berlin-Bern-New York-Paris-Wien: Lang 1995. XV, 217 S. 8° = Europäische Hochschulschriften, Reihe II: Rechtswissenschaft, 1826. Kart. DM 69,­. ISBN 3-631-48652-9

Rezensent:

Helmut Goerlich

Das Buch enthält die Untersuchung, die der Autor als Dissertation vor zwei Jahren in Erlangen der dortigen Juristischen Fakultät vorgelegt hat, nach einem länger zurückliegenden Studium an anderen Universitäten. Das Gebiet der Arbeit war ihm indes familiär vertraut, ist er doch Sohn eines bekannten Kirchenrechtlers, nämlich des Tübinger Ordinarius Martin Heckel.

Nach dem Scheitern einer Reform der EKD-Grundordnung vor mehr als zwanzig Jahren hat sich nicht nur eine Kirchenpolitik des muddling through durchgesetzt, vielmehr sind einzelne Elemente des damaligen Vorhabens heute rechtens verwirklicht, etwa die Neuordnung des Diakonischen Werks, des Mitgliedschaftsrechts und der Auslandsarbeit sowie der Mitarbeit der EKD in der Ökumene (189). Die Misere der EKD, die vor allem in unvermeidlichen Kompetenzüberschreitungen liegt und lag, sieht der Autor weithin als erledigt an, weil die Fortbildung der Kirchengemeinschaft sich nicht habe aufhalten lassen, trotz der fehlenden gemeinsamen Grundlage in einem theologischen Konsens und der ohne Zweifel vorhandenen kirchenverfassungsrechtlichen Schwächen.

Damit ist das Leitthema der Untersuchung ebenso wie das Ergebnis angesprochen. Es wird das Scheitern einer früheren Bemühung, die etwa mit dem Engagement von Leuten wie Ludwig Raiser ­ der an keiner Stelle der Arbeit erwähnt wird (vgl. aber L. Raiser, Kirche und Kirchengemeinschaft 1977, in: ders., Vom rechten Gebrauch der Freiheit, 1982, 392 ff. und früher ders., Die Reform zu Ende führen, Ev. Kommentare 1973, 204 ff., sowie ders., Sensibilität für demokratische Spielregeln, Erfahrungen mit der EKD-Synode, Ev. Kommentare 1973, 396 ff.) ­ verknüpft war, nicht beklagt, sondern einerseits pragmatisch angegangen und andererseits theologisch über die Leuenberger Konkordie überwunden (dazu E. Stiller, Rechtliche Aspekte und Konsequenzen der Leuenberger Konkordie, ZevKR 40, 1995, 181 ff.). Die damit gefundene Gemeinschaft verschiedener Kirchen soll auch der EKD die Befugnis zur theologischen Arbeit vermitteln und sie in einem eigenen Mitgliedschaftsrecht im Sinne einer etwas schwimmenden Kategorie der Zugehörigkeit als Kirche darstellen.

Die Untersuchung gliedert sich zuvor in die Hauptabschnitte "Einheit der Kirche als theologisches und kirchenrechtliches Problem", alsdann die "Überwindung der kirchentrennenden Bekenntnisverschiedenheit durch Union und Ökumene", darauf auf der Grundlage eines Rückblicks in die nationalsozialistische Phase die "Entstehung der EKD-Grundordnung 1945-1948" und schließlich die "weitere Entwicklung der Kirchengemeinschaft in der EKD".

Ob der Ertrag der Arbeit weiterführt, wird man erst nach recht eingehenden theologischen Studien sagen können. Sicher ist, daß die Juristen ihren typischen Pragmatismus weiterhin pflegen werden. Andererseits lehnt die Untersuchung den Weg des 19. Jh.s, nämlich der Union von oben, ausdrücklich ab. Ob diese Zurückweisung heute, wo eine Einheit ohnehin nur aus eigener Kraft erwachsen kann, wirklich weit führt, steht auf einem anderen Blatt. Sicher ist auch, daß eine pragmatische Perspektive besser in der Lage ist, den eigenständigen Charakter der verschiedenen Bekenntnisse und ihre Traditionen hinzunehmen. Andererseits sind rechtlich saubere Abgrenzungen und Zuständigkeitsregeln unverzichtbar; sie bewirkt ein pragmatischer Zugang nicht, dafür wäre eine neue Grundordnung erforderlich. Ihre Stundet hat indes noch nicht wieder geschlagen.

Unbeschadet dieser Probleme ist die Arbeit sorgfältig, aber doch immer sehr knapp gestaltet. Es ist nachzuspüren, daß sie neben der beruflichen Belastung des jungen Richters bzw. Verwaltungsbeamten entstanden ist. Sie folgt nämlich dem Entwurf eines klaren Aufbaus in knappen Abschnitten und erreicht auf diesem, der einzelnen Sachfrage doch auch immer wieder distanzierten Wege ihre Ergebnisse leichten Fußes, ohne Zögern und Ungewicht. Andererseits war die Untersuchung sicher "fällig" und so ist es sehr erfreulich, daß sie nun vorliegt. Entstanden ist sie deutlich nach der Wiedervereinigung auch der bisher im Kirchenbund vereinten mitteldeutschen Kirchen in der EKD. Einigungsbedingte Fragen spielen indes kaum eine Rolle. Das kann nicht verwundern, weil die theologischen Vorfragen diesem rechtlichen Vorgang vorausliegen.