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Ausgabe:

Februar/2010

Spalte:

161-163

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Barstad, Hans M.

Titel/Untertitel:

History and the Hebrew Bible. Studies in Ancient Israelite and Ancient Near Eastern Historiography.

Verlag:

Tübingen: Mohr Siebeck 2008. XIV, 223 S. gr.8° = Forschungen zum Alten Testament, 61. Lw. EUR 64,00. ISBN 978-3-16-149809-1.

Rezensent:

Sebastian Grätz

Der Band enthält insgesamt sieben verschieden umfangreiche Kapitel, die jeweils auf eine ältere Veröffentlichung zurückgehen und die für die Neupublikation noch einmal bearbeitet worden sind. Trotz der einheitlichen Gestaltung und der Überarbeitung, die vor allem die Fußnoten betrifft, ist dem Werk teilweise anzumerken, dass seine Bestandteile aus unterschiedlichen Situationen erwachsen sind. So fällt vor allem in Kapitel 5 (Is the Hebrew Bible a Hellenistic Book?) der leidenschaftliche bis polemische Ton gegenüber den Thesen und der Person Niels-Peter Lemches auf – ein Kennzeichen, das sicherlich dem ursprünglich mündlich ge­haltenen Vortrag (Oxford 2000, publiziert 2002 in Transeuphra­tène 23) geschuldet ist, das aber im Abstand von einigen Jahren und im Rahmen einer Neupublikation etwas befremdlich anmutet.
Wie bereits der Titel verrät, sind die Beiträge generell dem Thema der historisch orientierten »Geschichte Israels« und ihrem Verhältnis zum Alten Testament als Quelle gewidmet. Das Werk zeigt dabei einen durchdachten Aufbau: Die ersten vier Kapitel haben vorrangig hermeneutische Fragen zum Gegenstand. B. plädiert in diesen Kapiteln für eine Lektüre der Bibel als »Narrative History«. In Abgrenzung zu einem aus dem 19. Jh. stammenden positivistischen Zugang zum Alten Testament betont B. den narrativen Charakter der alttestamentlichen Überlieferung: »The major problem in relation to that particular scholarly genre called the history of ancient Israel appears to be that the scholarly world has failed to realise the truly narrative character of the Hebrew Bible and the way these narratives make use of certain stereotyped literary genres.« (24) Die Betonung von »stereotyped genres« soll das Augenmerk der historischen Be­trachtung einer spezifischen Schrift/Quelle von deren Singularität auf ihren geistesgeschichtlichen Hintergrund lenken, vor dem erst die relevanten Daten erhoben werden können. B. bezeichnet dies im Zusammenhang seiner Diskussion des Alters der israelitischen Überlieferung (Kapitel 4) als »Common Theology of the Ancient Near East« (54 ff.).
Erst die Betrachtung der biblischen Überlieferung vor ihrem altorientalischen (und auf keinen Fall hellenistischen, s. Kapitel 5) Hintergrund und den gemeinsam verwendeten Stereotypen könne einen Aufschluss über die spezifischen Gattungen und deren Zwe­cke bringen. Es ist klar, dass mit diesem Ansatz die »Ereignisgeschichte« (histoire événementielle) zugunsten einer histoire conjoncturelle hintangestellt wird. B. geht es um Epochen, nicht um punktuelle Ereignisse. Die abschließenden Kapitel dokumentieren diesen Ansatz in zwei Abhandlungen, die sich mit der Zeit des judäischen Exils befassen. In Kapitel 6 ist die bekannte, aber für hiesige Verhältnisse etwas versteckt publizierte monographischen Studie »The Myth of the Empty Land« (Oslo 1996) einer begrüßenswerten Neuveröffentlichung zugeführt, während Kapitel 7 (»Judah in the Neo-Babylonian Period«) sich als aktualisierte Ergänzung und Erweiterung zu dieser Studie versteht. Unter dem Ru­brum »Myth of the Empty Land« versteht B. den von ihm konstatierten (Irr-)Weg der modernen Forschung, das Gebiet Judas den biblischen Berichten unkritisch folgend als weitgehend entvölkert zu betrachten. Doch der von ihm erhobene archäologische Befund der entsprechenden Zeit, der eine kontinuierliche Besiedlung aufzeigt, widerrate der Hypothese, Juda sei während der babylonischen Zeit eine tabula rasa gewesen: »The very sharp distinction between ›before and after 586 BCE‹, over­shadow­ing the fact that we are dealing with a continuous culture, is inappropriate, and should be regarded as ›mythical‹ rather than ›historical‹. According to the sources … there are clear indications of cultural and material continuity before and after 586 BCE, rather than any enormous gap.« (132) B. nimmt die archäologische Evidenz in den Blick, die natürlich ständig anwächst, so dass er im letzten Kapitel des Buches auf der Grundlage der in der Zwischenzeit publizierten archäologischen Studien seine These mithilfe der externen Evidenz weiter erhärtet.
Der bleibende Wert des Buches liegt zweifellos in der Wiederveröffentlichung der Studie »The Myth of the Empty Land«. Angesichts der Vielzahl an rezenten Veröffentlichungen zur Archäologie und Geschichte Judas in babylonischer und persischer Zeit kommt dieser Studie auch das Verdienst zu, hier wegbereitend gewirkt zu haben. Ihr Wiederabdruck zusammen mit den aktualisierenden Ergänzungen sowie den sie tragenden epistemologischen Erwägungen machen die Aufsatzsammlung zu einem insgesamt »runden« und lesenswerten Buch, das zudem durch Register gut erschlossen ist.