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Ausgabe:

Februar/2010

Spalte:

153-155

Kategorie:

Altertumswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Hoss, Stefanie

Titel/Untertitel:

Baths and Bathing. The Culture of Bathing and the Baths and Thermae in Palestine from the Hasmoneans to the Moslem Conquest. With an Appendix on Jewish Ritual Baths (Miqva’ot).

Verlag:

Oxford: Archaeopress 2005. VI, 212 S. u. 100 S. Anhang m. Abb. u. Ktn. 4° = British Archaeological Reports International Series, 1346. Kart. £ 45,00. ISBN 1-84171-692-8.

Rezensent:

Jürgen Zangenberg

Mit diesem Buch legt Stefanie Hoss die aktualisierte und er­weiterte Version ihrer Dissertation in Provinzialrömischer Ar­chäologie an der Universität Köln (2002), begleitet durch Thomas Fischer und Robert Wenning, vor. H. sieht Badekultur und Bäder als einen aufschlussreichen Aspekt von Romanisierung und Akkulturation in Palästina. Als »focus point of social life and a ritual daily habit in the Roman world« (1) eröffnet das Badewesen vielfältige Einsichten in das alltägliche Leben. Die knappe »Introduction« (1–5) verortet das Buch in der Forschungslandschaft. H.s Ziel ist, anhand von literarischen und archäologischen Quellen »to understand both the devel­opment of the architecture and the habit of bathing« (4).
Statt mit archäologischen Befunden beginnt H. mit einer Skizze zu »The Jewish Tradition on Bathing According to the Literary Evidence« (9–14) und führt im Anschluss an Reich aus, dass frührömische Bäder in Palästina fehlen, weil Juden aus religiösen Gründen von deren Gebrauch Abstand genommen hätten (Kontakt mit Menstruierenden, Tabu der Nacktheit, pagane Dekoration und Arbeit am Sabbat, um zu heizen). Weitergeführt wird das Kapitel durch »The Roman Bathing Tradition and the Roman ›Bathing Life‹ according to the Literary Evidence« (15–26).
Mit »The Development of Bath Building Types: Architecture and Decoration« (27–32) beginnt der eigentliche archäologische Teil. Nach H. ist das römische Bad eine Kombination des griechischen balneion und des gymnasion, die sich in der Magna Graecia während des 4. Jh.s bis zum 1. Jh. v. Chr. herausbildete und von den Römern übernommen und durch die Erfindung des Hypokauston verfeinert wurde. Der folgende Abschnitt »The Two Main Technical Systems of a Roman Bath: Heating and Water Supply« (33–37) ergänzt diese Ausführungen. Auf die archäologischen Befunde aus Palästina geht H. erst im 5. Kapitel »Analysis of the Hellenistic, Roman and Byzantine Bath Buildings in Palestine« (38–66) ein, hinzuzuziehen ist der »Catalogue of Baths and Thermae in Roman and Byzantine Palestine« (121–177). H. diskutiert, chronologisch geordnet von der hellenistischen bis in die spätbyzantinische Epoche, Fragen der Typologie von Badeanlagen, ihrer Komponenten und ihres Siedlungskontextes und vergleicht die Daten jeweils mit außerpalästinischen Befunden. Erste Badeanlagen finden sich seit der Mitte des 2. Jh.s v. Chr. in Siedlungen und Palästen der hellenisierten Oberschicht und werden – offensichtlich zusammen mit den dazugehörigen Badesitten – bald auch von jüdischen Nutzern übernommen. Seit dieser Frühzeit kommen immer wieder Miqwa’ot im Kontext von Bädern vor. In den folgenden beiden Kapiteln »The Jewish Bathing Life According to the Jewish Literary Evi­dence« (67–80) und »The ›Bathing Life‹ According to the Christian and Pagan Literary Evidence« (81–91) diskutiert H. einschlägige Passagen aus der jüdischen und frühchristlichen Literatur und kommt dabei auf einige Themen zurück, die bereits (Badesitten, Dekoration der Bä­der oder Nacktheit) angeschnitten wurden. Das Ergebnis ist deutlich: »A fundamental condemnation of the bathhouses or of bathing is nowhere to be found in the Jewish literature of Late Antiquity – in contrast to the Christian literature« (79). Da Bäder römischen Typs in Palästina vor der römischen Periode unbekannt waren, sieht H. die rabbinischen Diskussionen als klaren Hinweis auf die Romanisierung der palästinischen Gesellschaft. Anders jedoch das Christentum: Da es sich in einer Welt entwickelte, in der das Bad bereits als selbstverständlicher Teil des Lebens etabliert war, kritisierten viele christliche Schriftsteller diese Institution, um sich von der Welt insgesamt abzusetzen. Die »Synthesis and Conclusion: The Bathing Culture and the Baths and Thermae in Roman Pales­tine« (92–99) fasst die Ergebnisse der Studie zusammen.
Da im Umfeld zahlreicher Privatbäder auch »stepped pools« gefunden wurden, schließt sich ein »Appendix: Miqva’ot« (101–119) an, in dem H. kurz die jüdischen Reinheitsvorstellungen auf der Basis einer Zusammenschau von Texten skizziert, um dann die archäologischen Daten zu diskutieren (Erkennbarkeit, Komponenten, Typologie, Datierung). Ein »Selective Catalogue of Miqva’ot in Roman and Byzantine Palestine« (179–196) liefert die nötige Datenbasis. Freilich lässt H.s Untersuchung auch sehen, dass die Identifikation von »stepped pools« als Miqwa’ot zuweilen alles an­dere als sicher ist und dass man nicht davon ausgehen kann, dass beim Bau dieser Stufenbecken allgemein die Kriterien angewandt wurden, die wir in rabbinischen Texten finden (111–113). Weitere Appendizes umfassen ein Abkürzungs- und Literaturverzeichnis sowie ein Glossar und ein Ortsnamenregister (197–212).
H.s materialreiche Studie liefert einen wichtigen Beitrag zur Diskussion über die »Romanisierung« Palästinas, wenn auch das in jüngster Zeit differenzierter diskutierte Verhältnis zwischen »Hellenisierung« und »Romanisierung« Palästinas zu wenig problematisiert wird. Überzeugend ist die Kritik an der traditionellen Sicht, wonach das Judentum sich aus religiösen Gründen gegen römische Badekultur sträubte. Das relativ späte Auftreten von Bädern römischen Typs innerhalb des jüdisch bewohnten Teils Palästinas hängt m. E. vielmehr mit dessen relativ später Urbanisierung zusammen. Wie die jüngsten Grabungen in Sepphoris und Magdala zeigen, gab es auch in jüdischen Orten öffentliche Bäder, sofern diese Orte nur ein genügend ausgeprägtes hellenistisches Profil besaßen.