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Ausgabe:

Januar/2010

Spalte:

93-94

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Deister, Bernhard

Titel/Untertitel:

Anthropologie im Dialog. Das Menschenbild bei Carl Rogers und Karl Rahner im interdisziplinären Dialog zwischen Psychologie und Theologie.

Verlag:

Innsbruck-Wien: Tyrolia 2007. 355 S. gr.8° = Innsbrucker theologische Studien, 77. Kart. EUR 34,00. ISBN 978-3-7022-2870-5.

Rezensent:

Doris Hiller

Die hier zu besprechende Arbeit wurde 2006 als Dissertation im Fachbereich Katholische Theologie der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz angenommen. Der Titel spiegelt den nahezu klas­sischen Aufbau einer Arbeit wider, die einen Vergleich unterschiedlicher Positionen zugrunde legt. Zunächst wird einleitend der Problemhorizont abgesteckt, indem Kontext und Aktualität der Frage nach dem Menschenbild erläutert werden. Dann folgt ein darstellender Teil zum Ansatz des hier als Vertreter der Psychologie gewählten Carl Rogers. Sein Menschenbild wird mit dem ihm eigenen Begriff der Personzentriertheit charakterisiert. Daneben wird die theologische Position, für die Karl Rahner Pate steht, als transzendentaltheologischer Ansatz des Menschenbildes beschrieben. Beide paraphrasierenden Teile sind mit einer kritischen Würdigung des jeweiligen Zugangs zum Menschen versehen. Es folgt der im Titel angezeigte Dialog, der im Resümee die These des Vf.s aufnimmt. Eine Zusammenfassung ermöglicht einen kurzen Einblick in den Argumentationsgang der Arbeit mit ihrem Ergebnis, das die Fortführung des Dialogs zwischen psychotherapeutischen/psy­cho­logischen und theologischen An­sätzen für notwendig erklärt, insofern es beiden Ansätzen um das Wohl des Menschen und die Hilfe zu einem gelingenden und erfüllten Leben geht.
Dieses doch sehr allgemein gehaltene Ergebnis, dem eine Konkretion hinsichtlich der Notwendigkeit des nun einmal bestehenden und kaum revidierbaren Dialogs zwischen Theologie und Psychologie fehlt, wird vom Vf. in der ebenfalls sehr allgemein be­nannten Wechselwirkung von salutogenetischem Effekt des Religiösen und mystagogischer Dimension des Psychologischen kaum kommentiert und beurteilt. Offen bleibt die Frage, worin der Nutzen im Sinne einer inhaltlichen Qualifizierung zum »Wohl des Menschen« liegt.
Die darstellenden Teile, die zu dem zu konkretisierenden Dialog hinführen, geben einen konzentrierten Einblick in zwei unterschiedliche Forschungsansätze mit dem Ziel, diese zusammen- und weiterzuführen, um eine »gemeinsame Sicht des Menschen« (293) zu erreichen. Methodisch nicht begründet, aber nicht uninteressant zum Leitfaden der jeweiligen Analyse gemacht, wird die den beiden Wissenschaftlern geltende Verknüpfung von Biographie und Theorie.
Es mag zunächst ein wenig verwundern, dass es immer noch ein theologisches Interesse an der psychotherapeutischen Theorie Carl Rogers gibt. Allerdings scheint es angemessen, in dem heute gelegentlich oberflächlichen Umgang mit psychotherapeutischen Kategorien in Theologie und kirchlicher Praxis wieder einmal an die ernsthaften Ursprünge und argumentativen Begründungen in den humanwissenschaftlich entfalteten Menschenbildern zu erinnern. Als theologischer Dialogpartner wird niemand Geringeres als Karl Rahner vorgestellt. Die Dimensionen seines Werkes zu erfassen, ist dem Vf. in äußerster Konzentration auf die anthropologische Relevanz der transzendentaltheologischen Reflexion gelungen.
In der protestantischen Theologie hat die Diskussion um die Aufnahme psychologischer Anthropologien insbesondere in die Seelsorgelehre in den 70er und 8oer Jahren des 20. Jh.s ihren Höhepunkt erreicht. Involviert war auch hier die Systematische Theologie mit der Frage nach dem Profil theologischer Anthropologie. Zwar findet sich die für die Praktische Theologie prägende Arbeit Joachim Scharfenbergs im Literaturverzeichnis. Weitere und wei­terführende Vertreter protestantischer Theologie wie der scharfe Kritiker eines pastoralpsychologischen Ansatzes Helmut Tacke oder gegenwärtig diskutierte protestantische Positionen zur An­-th­ropologie wie die von U. H. J. Körtner fehlen ganz. Ob außerdem nicht an­derweitig und in der längst geschehenen Fortentwicklung der interdisziplinären Diskussion nicht doch schon der vom Vf. als gegenseitige methodische Bereicherung festgestellte Austausch von hermeneutischen und transzendentaltheologischen Ansätzen stattgefunden hat, wäre ebenfalls zu prüfen.
Bei diesen Hinweisen handelt sich nicht allein um eine Kritik an einem eingeschränkten wissenschaftlichen Zugang zum Problem eines theologisch-seelsorglichen Menschenbilds. Vielmehr würde die Arbeit an Aktualität im Rahmen der gegenwärtigen Lage institutionalisierter, klinischer Seelsorge, die nicht selten in Zusam­menarbeit der beiden großen christlichen Konfessionen geschieht, gewinnen, wenn sie ihren Blick kontroverstheologisch geweitet hätte.
So bleibt als Fazit: Wer sich für die Entstehung eines bis heute nicht unproblematischen Verhältnisses zweier am Menschen in­teressierten Disziplinen interessiert, findet hier Anknüpfungspunkte zur Diskussion, die dann allerdings selbständig weiterzuführen ist.