Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

Januar/2010

Spalte:

69

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

Autor/Hrsg.:

Brachtendorf, Johannes, Möllenbeck, Thomas, Nickel, Gregor, u. Stephan Schaede [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Unendlichkeit. Interdisziplinäre Perspektiven.

Verlag:

Tübingen: Mohr Siebeck 2008. XVII, 395 S. m. Abb. gr.8° = Religion und Aufklärung, 15. Kart. EUR 79,00. ISBN 978-3-16-149780-3.

Rezensent:

F. N.

Dieser Band dokumentiert eine interdisziplinäre Tagung zum Begriff der Unendlichkeit, die im Dezember 2006 im Rahmen des Europäischen Forschungsnetzwerkes SophiaEuropa in Tübingen abgehalten wurde. Ihr Ziel war es, im wechselseitigen Beobachten der unterschiedlichen Funktionen des Unendlichkeitsbegriffs in Naturwissenschaften und Mathematik sowie Philosophie und Theologie ein tieferes Verständnis für den Gebrauch des Begriffs in der jeweils eigenen Disziplin zu gewinnen (vgl. VII).
Im ersten Teil bieten Bernhard Waldenfels, Johannes Brachtendorf, Harald Schwaetzer, Axel Schmidt, Antonio Rossi und Gerald Hartung einen Einblick in das breite Spektrum philosophischer Reflexion zur Unendlichkeitsthematik, vornehmlich mit anthropologischem Fokus. Im zweiten Teil befassen sich die Beiträge von Jürgen Ehlers, Reinhold Esterbauer, Reiner Kühn und Michael Heidelberger mit der Relevanz des Unendlichkeitsbegriffs diesseits und jenseits der Physik. Besonders erhellend ist hier die Untersuchung von Kühn, die zeigt, welche Rolle »das Unendliche, tatsächlich aber bereits sehr große Zahlen, dabei gespielt haben, daß Theoriebildung für makroskopische Systeme überhaupt erst möglich war« (158). Im dritten Teil werden von Gregor Nickel, Ludwig Neidhart, Christian Trapp, Dirk Evers, John Puddefoot und Margaret Yee Einblicke in den mathematischen Umgang mit dem Begriff des Unendlichen vermittelt. Puddefoot zeigt hier, dass und wie Mathematik dazu verhelfen kann, überhöhte Ansprüche auf die Beschreibbarkeit Gottes im Rahmen der Gotteslehre zu korrigieren. Im letzten Teil werden schließlich theologische Horizonte eröffnet. Neben den Beiträgen von Andrea Nickel-Schwäbisch zum Dialog zwischen Theologie und Systemtheorie und von Thomas Möllenbeck zur Rede von der Unendlichkeit in Bezug auf den Menschen sind vor allem die Aufsätze von Max Seckler und Stephan Schaede bedeutsam. Während Seckler die christliche Schöpfungsaussage in ein konstruktives Verhältnis zur Auffassung von der Anfangslosigkeit der Welt bringt, sucht Schaede im Schlussbeitrag die Rede von der Unendlichkeit Gottes als Qualitätsbestimmung der göttlichen Liebe zu verstehen, die als extensiv wie intensiv grenzenlose Liebe »eine unendliche, ja sogar eine unendliche Selbstbegrenzung Gottes« (364) zulasse. Ob Schaedes entschiedener Widerspruch gegen Pannenbergs Auslegung der Unendlichkeit Gottes (siehe Vorwort, XIV, wo die Position Pannenbergs allerdings im Unterschied zu S. 365 nicht richtig skizziert ist) im Kontext der christologischen Fundierung seines eigenen Zugangs zwingend bzw. schlüssig ist, wäre eingehender zu diskutieren.
Indem die Beiträge des Bandes im Rahmen komplexer Interpretationsansätze Fragen wie diese aufwerfen, bieten sie weit mehr als nur wechselseitige Informationen über den Gebrauch des Begriffs der Unendlichkeit in den verschiedenen Disziplinen. Die interdisziplinäre Verständigung, die der Band auf diese Weise in Gang bringt, wird unterstützt durch ein Glossar, das theologische, philosophische, mathematische und physikalische Grundbegriffe er­klärt. Hilfreich sind außerdem das Personen- und Sachregister sowie die Kurzinformationen zu den Autoren, die sich allerdings auf den Herausgeberkreis beschränken (vgl. IV).