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Ausgabe:

Januar/2010

Spalte:

53-54

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Albertus Magnus

Titel/Untertitel:

De homine. Ed. H. Anzulewicz et J. R. Söder.

Verlag:

Münster: Aschendorff 2008. LXXVIII, 707 S. 4° = Albert Magni Ope­ra omnia, XXVII/2. Lw. EUR 202,00. ISBN 978-3-402-10105-6.

Rezensent:

Karl-Hermann Kandler

Nachdem der Felix Meiner Verlag 2004 in seiner Philosophischen Bibliothek eine Auswahl der zentralen Texte von Alberts großem Werk De homine herausgebracht hatte, liegt nunmehr die wissenschaftliche Edition des Gesamtwerkes im Rahmen der Opera omnia (der sog. Editio Coloniensis) vor.
A. hat in diesem frühen Werk, dem zweiten Teil einer Summa de creaturis, zum ersten Mal in der Philosophiegeschichte den Menschen zum Thema einer eigenen Untersuchung gemacht, wobei er berücksichtigt, was vor ihm, sowohl im christlichen als auch im paganen Denken, an Erkenntnis gewonnen worden war. Er sieht den Menschen ganzheitlich als Einheit von Natur- und Geistwesen im Plan der göttlichen Schöpfung.
In für A. typischer Weise beginnt das Werk mit einer Disposition des zu behandelnden Stoffes. A. teilt den Stoff in zwei Hauptteile. Der erste – sehr umfangreiche – handelt vom Menschen als solchem, der zweite – sehr viel kürzer – vom ursprünglichen Lebensraum (habitaculum) des von Gott geschaffenen Menschen, also vom Paradies, abschließend aber vom irdischen Lebensraum (mundus). Im ersten Teil werden drei Themenkomplexe abgehandelt: die menschliche Seele, sein Körper im Urzustand und schließlich die durch die Verbindung beider entstandene Ganzheit. Vor allem geht es A. um die psychologische Fragestellung, um die Bestimmung der Seele, um die Erforschung ihrer Natur, um ihr Vermögen, ihre Eigenschaften und Tätigkeiten. Hierbei folgt er weithin aristote­lischen Lehren, ergänzt durch die arabischer und jüdischer Autoren. Immer geht es ihm dabei aber um die Gottebenbildlichkeit des Menschen.
Die Untersuchung des menschlichen Körpers führt er unter theologischer Perspektive durch und konzentriert sich auf die biologischen Aspekte der Beschaffenheit des ersten Menschen Adam in seinem Urstand und nach seinem Sündenfall. Weithin orientiert sich hier A. an Augustins Genesis-Auslegung. Auch im zweiten Teil werden Paradies und diese Welt unter dem theologischen Blick­winkel gesehen, doch zieht er hier stärker auch philosophische Quellen heran, aber dies stets kritisch unter dem Gesichtspunkt, ob diese mit dem christlichen Glauben vereinbar sind. Erscheint dies A. nicht, werden sie korrigiert oder umgedeutet.
Der kritischen Edition vorangestellt sind Prolegomena, verfasst von Hendrik Anzulewicz in lateinischer Sprache. In ihnen wird dargestellt, warum A. dieses Werk verfasst hat und in welchem Zusammenhang es mit seinen anderen Schriften steht. Dann wird über den Titel (der nicht von A. stammt, der sich aber aus dem »Incipit« selbst ergibt), über die Form (Gestalt einer Summe) und die Gliederung des Werkes berichtet, über Ort und Zeit, wann (wahrscheinlich 1242, jedenfalls vor 1246) und wo (Paris) A. es verfasst hat, über seine Quellen (neben der Bibel sind es die Glossa ordinaria, Augustin, Johannes Damascenus u. a; zeitgenössischen scholastischen Theologen billigt er nicht die Qualität einer Autorität zu; unter den Philosophen sind es vor allem Aristoteles und Platon, dazu ihre Kommentatoren) und über die handschriftliche Überlieferung, bei der zwei große Traditionsstränge aufzuweisen sind. Die Codices werden ausführlich beschrieben. Das Autograph selbst ist nicht erhalten geblieben. Es folgen Angaben über die Drucke des Werkes; der früheste erfolgte 1498 in Venedig. Seitdem wurde das Werk noch dreimal gedruckt (1519, 1651, 1896). Dann wird die Überlieferung des Textes abgehandelt. Abschließend wird Rechenschaft über die Edition und ihre Apparate abgelegt. Zwei Appendizes sind beigefügt, einmal Specimen collationes, dann die ausführliche Dis­position des Textes.
Gegenwärtig sind 37 Handschriften des Werkes bekannt, außerdem mehrere Exzerpte und Kompilationen. Das Werk weist also einen hohen Bekanntheitsgrad im Mittelalter auf.
Der Apparat ist zweigeteilt. Im ersten werden die Textabweichungen aufgeführt und dabei vor allem die lectiones graviores für die Erstellung des Textes berücksichtigt. Der zweite führt die Quellen auf, die A. benutzt hat. Beide Apparate erwecken den Eindruck größter Genauigkeit und Gewissenhaftigkeit. Grundsätzlich bleibt aber zu fragen, ob es auf die Dauer noch zu rechtfertigen ist, dass die Prolegomena zu den kritischen Editionen nur in lateinischer Sprache verfasst werden. Sicher, so haben die Editionen einmal begonnen. Aber wäre es nicht an der Zeit, zumindest diese neben in lateinischer Sprache noch in einer neuen Sprache zu drucken – ratsam wäre es, in der Sprache, in deren Sprachgebiet die Edition erarbeitet wird. Abgesehen von dieser Anregung sei aber den Bearbeitern dieser Edition ganz herzlich für ihre mühevolle Arbeit gedankt.